Entscheidungsdatum
19.08.2020Norm
BVergG 2018 §12 Abs1Spruch
W273 2233950-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Isabel FUNK-LEISCH als Einzelrichterin über die Anträge von XXXX , vertreten durch LTRA Rechtsanwälte, Lindengasse 38/3, 1070 Wien, betreffend das Vergabeverfahren „Lieferung von diversen Hygieneartikeln samt Spendern Z-2020-042“, der Flughafen Wien AG, Postfach 1, 1300 Wien-Flughafen, vertreten durch WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Schubertring 6, 1010 Wien:
A)
I. Dem Antrag „das BVwG möge unverzüglich zu dem in Abschnitt I näher bezeichneten Vergabeverfahren für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens eine einstweilige Verfügung erlassen, in welcher … den Auftraggebern bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren betreffend das Vergabeverfahren Hygieneartikel Z-2020-042 die Öffnung der Teilnahmeanträge … zu untersagen“ wird Folge gegeben.
Das Bundesverwaltungsgericht untersagt im vorliegenden Vergabeverfahren für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens der Auftraggeberin, die Teilnahmeanträge zu öffnen.
II. Der Antrag „das BVwG möge unverzüglich zu dem in Abschnitt I näher bezeichneten Vergabeverfahren für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens eine einstweilige Verfügung erlassen, in welcher … den Auftraggebern bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren betreffend das Vergabeverfahren Hygieneartikel Z-2020-042 … die Fortführung dieses Vergabeverfahrens zu untersagen sowie den Lauf der Frist zur Abgabe von Teilnahmeanträgen und Angeboten auszusetzen“ wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Vorbringen der Parteien
1. Mit Schriftsatz vom 12.08.2020 stellte die XXXX (im Folgenden „die Antragstellerin“) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Ausschreibung samt all ihren Unterlagen für das Vergabeverfahren Hygieneartikel Z-2020-042 der Flughafen Wien AG, Postfach 1, 1300 Wien-Flughafen (im Folgenden auch „die Auftraggeberin“), in eventu auf Streichung der für die Antragstellerin diskriminierenden Anforderungen bzw. technisch unmöglichen Spezifikationen in den Ausschreibungsunterlagen, sowie auf Ersatz der Pauschalgebühren. Die Antragstellerin verband ihren Nachprüfungsantrag mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch ersichtlich.
2. Mit Schreiben vom 12.08.2020 verständigte das Bundesverwaltungsgericht die Auftraggeberin von der Einleitung des Feststellungsverfahrens.
3. Mit Schriftsatz vom 17.08.2020 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren, legte die Unterlagen des Vergabeverfahrens vor und beantragte, sämtliche Anträge der Antragstellerin zurück-, in eventu abzuweisen sowie in eventu dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur hinsichtlich der Untersagung der Öffnung der Teilnahmeanträge stattzugeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Flughafen Wien AG versandte die Bekanntmachung für den Auftrag „Lieferung von diversen Hygieneartikeln samt Spendern Z-2020-042“ am 04.08.2020 ans Amtsblatt der Europäischen Union zur Veröffentlichung. Die Bekanntmachung wurde am 07.08.2020 zur Zahl 2020/S 152-373156 im Supplement zum Amtsblatt veröffentlicht. Die nationale Bekanntmachung der Kerndaten erfolgte am 06.08.2020. Es handelt sich um einen Lieferauftrag im Oberschwellenbereich zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung. Das Vergabeverfahren wird als Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung geführt. Der geschätzte Auftragswert beträgt rund EUR 700.000,-- pro Jahr (inklusive Optionen), maximal jedoch EUR 2 Mio pro Jahr über die Laufzeit von 10 Jahren (Vergabeakt, Allgemeine Auskünfte der Auftraggeberin).
1.2. Die Frist für die Abgabe von Teilnahmeanträgen ist noch offen und endet am 01.10.2020 um 11:00 Uhr. Die Frist für die Angabe von Teilnahmeanträge wurde von der Auftraggeberin am 15.08.2020 von statt des ursprünglichen Fristendes am 20.08.2020 auf dieses Datum erstreckt. Es wurden noch keine Teilnahmeanträge geöffnet (Vergabeakt, Allgemeine Auskünfte der Auftraggeberin).
1.3. Die Auftraggeberin hat das Vergabeverfahren weder widerrufen noch den Zuschlag erteilt (Vergabeakt, Allgemeine Auskünfte der Auftraggeberin).
1.4. Die Antragstellerin bezahlte Pauschalgebühren in Höhe von EUR 1.944,-- (Vergabeakt).
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem Verfahrensakt bzw. den Stellungnahmen der Parteien. Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der Vergabeunterlagen der Auftraggeberin keine Bedenken ergeben.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A) Zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung
3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und zur Zulässigkeit des Antrages
3.1.1. Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 328 Abs 1 Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327 BVergG 2018, soweit es sich nicht um die um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über einen Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über den oben wiedergegebenen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Somit liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.1.2. Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die Flughafen Wien AG. Sie übt als Betreiberin des Flughafens Wien-Schwechat eine Sektorentätigkeit gemäß § 175 BVergG 2018 aus und ist damit Sektorenauftraggeberin gemäß § 167 BVergG 2018. Sie ist öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018. Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich gemäß § 6 BVergG 2018 um einen Lieferauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs. 1 BVergG 2018, sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt. Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Da das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen eines Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.
3.1.3. Das Bundesverwaltungsgericht geht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Die Ausschreibung ist im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung eine gesondert anfechtbare Entscheidung des Auftraggebers gemäß § 2 Z 15 lit a) sublit dd) iVm sublit jj) BVergG 2018. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Abschluss der Rahmenvereinbarung mit der Auftraggeberin im Nachprüfungsantrag plausibel behauptet. Die Antragstellerin brachte vor, dass sie durch rechtswidrige, diskriminierende Bestimmungen an der Teilnahme am gegenständlichen Vergabeverfahren gehindert werden könnte bzw. Ihre Chance, als Bestbieterin hervorzugehen, vereitelt werden könnten.
Der Nachprüfungsantrag wurde im Hinblick auf § 343 Abs 1 BVergG rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.
Es ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde in entsprechender Höhe entrichtet (§ 340 Abs 1 Z 1, 3, 4 und 5 BVergG iVm §§ 1, 2 Abs 1 und § 3 Abs 1 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018).
3.2. Inhaltliche Beurteilung der Anträge
3.2.1. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung ergeben sich aus § 351 BVergG 2018, der lautet:
„Erlassung der einstweiligen Verfügung
§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.
(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.
(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.“
3.2.2. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 351 Abs 1 BVergG 2018 sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberin die Öffnung der Teilnahmeanträge nach Ablauf der Teilnahmefrist beabsichtigt ist.
Das Interesse der Antragstellerin besteht in der Teilnahme an einem Vergabeverfahren auf Basis von gesetzeskonformen Ausschreibungsunterlagen. Der drohende Schaden besteht in dem Verlust der Chance auf Erhalt des Auftrages und dem drohenden Verlust eines Referenzprojektes. Zudem haben auch sonstige (zukünftige) Bewerber in dem Vergabeverfahren ein Interesse an der Teilnahme an einem Vergabeverfahren auf Basis von rechtskonformen Ausschreibungsunterlagen.
Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin vorgebrachten Rechtswidrigkeiten in Bezug auf die die Ausschreibung (diskriminierende Ausschreibungsinhalte, unklare Ausschreibungsinhalte) zutreffen und sie und andere Bewerber bei einer Nichtigerklärung der Ausschreibung oder einzelner Inhalte dieser an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen könnten.
Das Interesse der Auftraggeberin besteht in der raschen Abwicklung des Vergabeverfahrens und im Abschluss der Rahmenvereinbarung. Die Auftraggeberin brachte vor, dass es für das Rechtsschutzinteresse ausreichend sei, wenn der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Öffnung der Teilnahmeanträge untersagt werde. Darüberhinausgehende einstweilige Anordnungen seinen nicht erforderlich und unverhältnismäßig.
Bei der Interessenabwägung ist auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; 11. 7. 2017, W187 2163208- 1/3E), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich, dass von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 30, Slg 2003, I-3249).
3.2.3. Die Erfolgsaussichten des Hauptantrags sind im Provisorialverfahren nicht zu prüfen (zB VwGH 4. 11. 2013, AW 2013/04/0045). Sie gehören nicht zu den Kriterien, die die für Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständige Instanz berücksichtigen muss oder kann, wenn sie über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen gemäß Art 2 Abs 1 lit a RL 89/665/EWG entscheidet; die Richtlinie untersagt eine solche Berücksichtigung jedoch auch nicht (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 29). Sie sind nach dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften unter Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Erfasst sind jedenfalls Fälle, in denen der Nachprüfungsantrag formal unzulässig ist. Dieser Umstand liegt gegenständlich nicht vor.
Die von der Antragstellerin vorgebrachten Rechtsverletzungen sind jedenfalls inhaltlich zu prüfen, weil die Rechtmäßigkeit der Ausschreibungsunterlage den Hauptgegenstand des Nachprüfungsverfahrens darstellt. Diese Fragen können angesichts der kurzen Entscheidungsfrist im Provisorialverfahren nicht abschließen geklärt werden (zB BVA 14. 11. 2012, N/0103- BVA/10/2012-EV12; 18. 3. 2013, N/0020-BVA-07/2013-EV8).
Die Interessenabwägung führt im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass die Interessen der Antragstellerin an der Überprüfung der geltend gemachten Rechtswidrigkeiten, der Abwendung des drohenden Schadens und der Beteiligung an einem rechtskonform geführten Vergabeverfahren gegenüber den Interessen der Auftraggeberin an der raschen Erteilung Abwicklung des Vergabeverfahrens überwiegen. Öffentliche Interessen, die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechen würden, wurden nicht vorgebracht und sind für das Bundesverwaltungsgericht auch nicht erkennbar.
3.2.4. Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.
Die (anwaltlich vertretene) Antragstellerin beantragt im Ergebnis die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher der Auftraggeberin untersagt wird, die Teilnahmeanträge zu öffnen und das Vergabeverfahren fortzuführen. Als weitere Maßnahme beantragt die Antragstellerin, der Lauf der Frist zur Abgabe von Teilnahmeanträgen möge ausgesetzt werden.
Bei einer bevorstehenden Angebotsöffnung ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die vorläufige Untersagung der Angebotsöffnung (zB BVwG 16.06.2014, W187 2008561-1/9E; 07.08.2017, W187 2165912-1/2E). Es soll somit (lediglich) der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert wird, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 10.01.2014, W187 2000170-1/11; 07.08.2017, W187 2165912-1/2E).
Dies ist auf die Öffnung der Teilnahmeanträge zu übertragen. Die vorläufige Untersagung der Öffnung der Teilnahmeanträge ermöglicht die inhaltliche Prüfung der Anträge der Antragstellerin, ohne dass dadurch das Ergebnis des Hauptverfahrens vorweggenommen oder dessen Umsetzung unmöglich gemacht wird.
Dem auf Untersagung der Öffnung der Teilnahmeanträge gerichteten Antrag der Antragstellerin war somit im Ergebnis stattzugeben (Spruchpunkt A) I.).
Da die Auftraggeberin die Teilnahmeanträge bis zum Abschluss des Nachprüfungsverfahrens nicht öffnen darf, ist die Anordnung der Aussetzung des Laufes der Teilnahmefrist nicht zusätzlich erforderlich. Die Auftraggeberin hat zudem die Frist zur Abgabe von Teilnahmeanträge von ursprünglich 20.08.2020 auf 01.10.2020 erstreckt. Die beantragte Untersagung der Fortführung des gesamten Vergabeverfahrens ist ebenfalls nicht erforderlich: Dies würde die Auftraggeberin an jeglicher Tätigkeit im Vergabeverfahren hindern. Diese Maßnahmen wären nicht die gelindesten noch zum Ziel führenden Maßnahmen im Sinne des § 351 Abs 3 BVergG 2018. Die diesbezüglichen Anträge der Antragstellerin waren daher abzuweisen (Spruchpunkt A) II.).
3.2.5. Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit und legt im Gegensatz zu den Vorgängerbestimmungen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Die Auftraggeberin ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 4. 5. 2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054).
Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Angebotsöffnung Ausschreibung Aussetzung der Angebotsfrist Dauer der Maßnahme einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist Fortsetzung des Vergabeverfahrens gelindeste Maßnahme gelindestes Mittel Interessenabwägung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen Provisorialverfahren Schaden Teilnahmeantrag Untersagung VergabeverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W273.2233950.1.00Im RIS seit
07.12.2020Zuletzt aktualisiert am
07.12.2020