Entscheidungsdatum
24.08.2020Norm
ASVG §18aSpruch
W209 2225076-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter in Erledigung der Beschwerde der XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 11.10.2019, GZ: HVBA- XXXX , betreffend Beendigung der Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes beschlossen:
A)
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 11.10.2019 sprach die belangte Behörde (im Folgenden: PVA) aus, dass der Anspruch der Beschwerdeführerin auf freiwillige Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG für Zeiten der Pflege ihrer behinderten Tochter XXXX , geboren am XXXX , mit 30.09.2019 ende. Begründend wurde ausgeführt, dass eine ärztliche Untersuchung ergeben habe, dass das Kind keiner ständigen persönlichen Pflege mehr bedürfe.
2. Dagegen richtet sich die vorliegende, binnen offener Rechtsmittelfrist erhobene Beschwerde, in der ausgeführt wurde, dass die ärztliche Untersuchung lediglich 10 bis 15 Minuten gedauert habe und das Untersuchungsergebnis nicht die notwendigen alltäglichen Pflegemaßnahmen widerspiegle. Es seien dieses Jahr wieder Pflegestufe 1 sowie der Behindertenpass für eine 50%ige Behinderung und erhöhte Familienbeihilfe bewilligt worden.
3. Am 05.12.2019 einlangend legte die PVA die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. In einer beigefügten Stellungnahme wies sie darauf hin, dass gegenständlich laut anstaltsärztlichem Gutachten vom 20.09.2019 die Voraussetzung des Tatbestandsmerkmales im § 18a Abs. 3 Z 1 ASVG „des Bedarfes ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege“ nicht gegeben sei und daher die Abweisung der Beschwerde beantragt werde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:
Mit Bescheid vom 14.07.2016 erkannte die PVA der Beschwerdeführerin ab 01.02.2015 einen Anspruch auf freiwillige Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG für Zeiten der Pflege ihrer behinderten Tochter XXXX , geboren am XXXX , zu.
Die Tochter der Beschwerdeführerin leidet an einer infantilen Cerebralparese mit spastischer armbetonter Hemiparese links und deutlicher Funktionseinschränkung (ICD-10: G80.9). Durch die durchgeführten Therapiemaßnahmen konnte eine Verbesserung in den alltagsrelevanten Funktionen erreicht werden. Die (schulpflichtige) Tochter der Beschwerdeführerin kann die meisten alltagsrelevanten Tätigkeiten nun einhändig mit der rechten Hand durchführen und bedarf keiner ständigen (mehrmals in der Woche regelmäßigen) persönlichen Hilfe bzw. besonderen Pflege.
Ermittlungen und darauf basierende Feststellungen zur Frage, ob die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin trotz Verneinung eines ständigen Betreuungs- und Pflegebedarfs überwiegend in Anspruch genommen wird, traf die Behörde nicht, obwohl dies, wie der rechtlichen Würdigung weiter unten zu entnehmen ist, erforderlich gewesen wäre.
2. Beweiswürdigung:
Die Zuerkennung des Anspruchs auf freiwillige Selbstversicherung in der Pensionsversicherung ab 01.02.2015 steht aufgrund der Aktenlage als unstrittig fest.
Die Art der Behinderung der Tochter der Beschwerdeführerin sowie das Ausmaß der behinderungsbedingt erforderlichen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege ergeben sich aus dem von der belangten Behörde eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung basierenden medizinischen Sachverständigengutachten vom 20.09.2019. Das Gutachten ist schlüssig, nachvollziehbar, weist keine Widersprüche auf und geht auf die Art der Leiden und die damit im Zusammenhang stehenden notwendigen Pflege- und Hilfeleistungen ein. Damit erfüllt es die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.
Dem in der Beschwerde geäußerten Einwand, die Untersuchung habe lediglich 10 bis 15 Minuten gedauert und das Ergebnis spiegle nicht die notwendigen alltäglichen Pflegemaßnahmen wider, ist entgegenzuhalten, dass es bei Bedenken gegen ein (ärztliches) Gutachten an der Partei liegt, diesem – auf gleichem fachlichen Niveau – entgegenzutreten, es sei denn, das Gutachten ist mit Widersprüchen bzw. Ungereimtheiten behaftet oder unvollständig (vgl. VwGH 20.05.2020, Ra 2019/11/0071). Derartige Widersprüche, Ungereimtheiten oder Unvollständigkeiten wurden nicht aufgezeigt, zumal das Gutachten die nach Ansicht des Sachverständigen notwendigen und nicht notwendigen Pflegeleistungen im Einzelnen anführt und darauf basierend nachvollziehbar zu dem Schluss kommt, dass kein ständiger Betreuungs- und Pflegebedarf besteht.
Das Fehlen von Ermittlungen und Feststellungen zu Frage, ob die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin trotz Verneinung eines ständigen Betreuungs- und Pflegebedarfs nicht auf andere Weise überwiegend in Anspruch genommen wird, steht aufgrund der Aktenlage fest.
3. Rechtliche Beurteilung:
§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. § 414 Abs. 2 ASVG sieht in den in § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG aufgezählten Angelegenheiten die Entscheidung durch einen Senat unter Laienrichterbeteiligung vor, wenn dies von einer Partei beantragt wird. Im gegenständlichen Fall handelt es sich um eine derartige Angelegenheit (Z 1). Mangels Antrages liegt jedoch Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Vorliegend gelangen folgende maßgebende Bestimmungen zur Anwendung:
§ 18a ASVG idF BGBl. I Nr. 2/2015:
„Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten
der Pflege eines behinderten Kindes
§ 18a. (1) Personen, die ein behindertes Kind, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.
(2) Die Selbstversicherung ist für eine Zeit ausgeschlossen, während der
1. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 2/2015)
2. eine Ausnahme von der Vollversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 besteht oder auf Grund eines der dort genannten Dienstverhältnisse ein Ruhegenuß bezogen wird oder
3. eine Ersatzzeit gemäß § 227 Abs. 1 Z 3 bis 6 oder § 227a vorliegt.
(3) Eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 wird jedenfalls dann angenommen, wenn und so lange das behinderte Kind
1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,
2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,
3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.
(4) Die Selbstversicherung ist in dem Zweig der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz zulässig, in dem der (die) Versicherungsberechtigte zuletzt Versicherungszeiten erworben hat. Werden keine Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz nachgewiesen oder richtet sich deren Zuordnung nach der ersten nachfolgenden Versicherungszeit, so ist die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung der Angestellten zulässig.
(5) Die Selbstversicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, den der (die) Versicherte wählt, frühestens mit dem Monatsersten, ab dem die erhöhte Familienbeihilfe (Abs. 1) gewährt wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der auf die Antragstellung folgt.
(6) Die Selbstversicherung endet mit dem Ende des Kalendermonates,
1. in dem die erhöhte Familienbeihilfe oder eine sonstige Voraussetzung (Abs. 1) weggefallen ist,
2. in dem der (die) Versicherte seinen (ihren) Austritt erklärt hat.
Ab dem erstmaligen Beginn der Selbstversicherung (Abs. 5) gelten die Voraussetzungen bis zum Ablauf des nächstfolgenden Kalenderjahres als erfüllt; in weiterer Folge hat der Versicherungsträger jeweils jährlich einmal festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Selbstversicherung nach Abs. 1 gegeben sind. Der Versicherte ist verpflichtet, den Wegfall der erhöhten Familienbeihilfe dem Träger der Pensionsversicherung binnen zwei Wochen anzuzeigen.
(7) Das Ende der Selbstversicherung steht hinsichtlich der Berechtigung zur Weiterversicherung in der Pensionsversicherung dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 lit. a gleich.“
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.
Diese Voraussetzungen treffen im gegenständlichen Fall zu.
Die Beschwerde richtet sich gegen die mit der nicht mehr erforderlichen ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege des behinderten Kindes begründete bescheidmäßige Feststellung der PVA, dass die freiwillige Selbstversicherung der Beschwerdeführerin in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihrer behinderten Tochter mit 30.09.2019 endet.
Gemäß § 18a Abs. 1 ASVG (in der gegenständlich anzuwendenden Fassung des BGBl. I Nr. 2/2015) muss die Arbeitskraft überwiegend beansprucht werden, um den Anspruch anerkennen zu können. Dies ist gemäß § 18a Abs. 3 Z 2 ASVG jedenfalls dann der Fall, solange das behinderte Kind während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.
Die Tochter der Beschwerdeführerin unterliegt der allgemeinen Schulpflicht. Eine Befreiung von der allgemeinen Schulpflicht wurde nicht behauptet und ist auch nach der Aktenlage nicht evident. Somit war im vorliegenden Fall zunächst im Wege eines Sachverständigengutachtens zu klären, ob (und in welchem Umfang) unter Berücksichtigung des Alters und der spezifischen Behinderung des Kindes dessen ständige Betreuung auch außerhalb der Zeit des Schulbesuches erforderlich war und ob bei Unterbleiben dieser Betreuung die Entwicklung des Kindes im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zuteil wird, benachteiligt oder gefährdet war.
Ständige Pflege und Hilfe könnte dabei im Falle eines täglichen Schulbesuches z.B. dann erforderlich sein, wenn wegen der mangelnden Kommunikationsfähigkeit des Kindes eine Begleitung auf dem Schulweg bzw. nach der Schule eine dauernde Beaufsichtigung und Zuwendung notwendig wäre. Sollte dies der Fall sein, käme die gesetzliche Vermutung zum Tragen, dass es der Beschwerdeführerin auch in der ihr verbleibenden freien Zeit (in der sich ihr Kind in der Schule befindet) kaum möglich gewesen wäre, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und dadurch für eine eigenständige Alterssicherung vorzusorgen (vgl. VwGH 17.12.1991, 89/08/0353).
Ein derartiger ständiger Bedarf persönlicher Hilfe und besonderer Pflege ist im vorliegenden Fall dem von Amts wegen eingeholten Sachverständigengutachten nach zu verneinen. Wie der Beweiswürdigung zu entnehmen ist, kommt das von der belangten Behörde eingeholte fachärztliche Gutachten schlüssig und nachvollziehbar zu dem Schluss, dass unter Berücksichtigung des Alters und der spezifischen Behinderung des Kindes dessen ständige persönlich Hilfe und besondere Pflege nicht mehr erforderlich ist.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.06.2017, Ra 2016/09/0091) hat das Verwaltungsgericht dem Gutachten eines Amtssachverständigen, sofern es nicht unschlüssig ist oder mit den ersichtlichen Tatsachen nicht übereinstimmt, solange zu folgen, als dessen Richtigkeit nicht durch fachlich fundierte Gegenausführungen und Gegenbeweise von vergleichbarem Aussagewert widerlegt wurde.
Wie der Beweiswürdigung zu entnehmen ist, ist die Beschwerdeführerin dem vorliegenden Sachverständigenbeweis, der den oben angeführten Anforderungen entspricht, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten und wurde auch sonst kein Vorbringen erstattet, das darauf schließen ließe, dass das Begutachtungsergebnis nicht mit den im vorliegenden Fall gegebenen Tatsachen übereinstimmt.
Somit ist das Erfordernis ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege zu verneinen.
Mit dem Wort „jedenfalls“ im Einleitungssatz des § 18a Abs. 3 ASVG idF BGBl. I Nr. 2/2015 hat der Gesetzgeber jedoch zum Ausdruck gebracht, dass neben den in Z 1 bis 3 aufgezählten Fällen eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft auch auf andere Weise gegeben sein kann.
Die Legaldefinition des § 18 Abs. 3 ASVG stellt somit nicht (primär) auf eine zeitliche Inanspruchnahme durch die Pflege, sondern auf speziell für behinderte Kinder zugeschnittene andere Kriterien ab. Eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft ist einem durchschnittlichen Pflegeaufwand ab 21 Stunden wöchentlich bzw. ab 90 Stunden monatlich (entspricht mehr als der halben Normalarbeitszeit) anzunehmen (VwGH 19.01.2017, Ro 2014/08/0084) (vgl. Zehetner in Sonntag (Hrsg) ASVG10 § 18a Rz 4a).
Wie dem von der PVA unwidersprochen gebliebenen Parteienvorbringen zu entnehmen ist, wurde für die Tochter der Beschwerdeführerin Pflegegeld der Stufe 1 gewährt. Dies entspricht den einschlägigen, auf der Internetseite der PVA abrufbaren Informationen zufolge einem monatlichen Pflegeaufwand von 65 bis 95 Stunden und kann daher im Hinblick auf die obigen Ausführungen für die Feststellung, ob von einer überwiegenden Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin auszugehen ist, von Bedeutung sein.
Die PVA unterließ jedoch jegliche Ermittlungstätigkeit, um festzustellen, ob der (behinderungsspezifische) Pflege- und Betreuungsaufwand der Beschwerdeführerin die maßgebliche Grenze von 90 Stunden monatlich überschreitet. Dadurch hat sie keine für eine Entscheidung in der Sache nach § 28 Abs. 2 VwGVG ausreichenden brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinne des § 24 VwGVG bloß zu vervollständigen gewesen wären. Dies berechtigt das Verwaltungsgericht, von einer Entscheidung in der Sache abzusehen und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen (vgl. VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0088).
Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (s. dazu die in den rechtlichen Erwägungen zitierte VwGH-Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Arbeitskraft Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Pflegebedarf SelbstversicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W209.2225076.2.00Im RIS seit
07.12.2020Zuletzt aktualisiert am
07.12.2020