Entscheidungsdatum
28.08.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W196 2231850-1/9E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.03.2020, Zl. 1246882207-190966772, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß §§ 31, 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I. Nr. 33/2013 (VwGVG) behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
BEGRÜNDUNG
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1.) Der Beschwerdeführer ist der Sohn von XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb. XXXX . Er ist das ledige Kind seiner ukrainischen Mutter und besitzt die ukrainische Staatsbürgerschaft.
Am 23.09.2019 stellte sein Vater als gesetzlicher Vertreter für seinen Sohn den Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Befragt zu den Fluchtgründen gab er an, dass der Beschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe habe und sich diese auf die Fluchtgründe des Vaters beziehen würden.
Die Eltern des Beschwerdeführers haben gem. § 177 Abs.2 ABGB die gemeinsame Obsorge für ihr Kind.
Nach Zulassung des Verfahrens wurde die Mutter des Beschwerdeführers am 31.10.2019 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab sie dabei befragt an, dass sie in Österreich Studentin sei und ihre Beziehung zu ihrem Sohn intensiver sei als die Beziehung des Sohnes zum Vater.
Für den Fall dass ihr Antrag auf einen Aufenthaltstitel abgewiesen würde werde sie mit ihrem Sohn zu ihren Eltern in die Ukraine ziehen. Befragt, ob es jemals eine konkrete Verfolgung ihrer Person wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit gegeben habe beantwortete sie mit: Nein. Auch hätte sie und auch ihr Sohn keine Probleme aufgrund ihrer Nationalität oder ihrer politischen Einstellung gehabt. Probleme mit Behörden, Gerichten oder der Polizei habe es auch nicht gegeben und auf die Frage, was gegen eine Rückkehrentscheidung in die Ukraine spreche, gab die Mutter des Beschwerdeführers zur Antwort, dass mit dem Kindesvater die gemeinsame Obsorge bestehe. Der Kindesvater komme aber nicht für den Unterhalt auf, denn er beziehe nur Arbeitslosengeld.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.03.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 dieser Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen (Spruchpunkt II.). Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57, 55 AsylG wurden nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen, ferner die Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG für zulässig erklärt (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
Begründend wurde festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer in der Obhut der Mutter befinde und diese bei ihrer Einvernahme am 31.10.2019 eine mögliche Verfolgung nach der Genfer Flüchtlingskonvention für den Beschwerdeführer verneinte. Es habe daher nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer in der Ukraine einer staatlichen Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt sei. Feststehe auch, dass die Mutter des Beschwerdeführers wieder einen Schutzstatus noch ein anderweitiges Aufenthaltsrecht genieße. Feststehe, dass der Beschwerdeführer in Österreich geboren wurde und dem Vater des Beschwerdeführers der Asylstatus aberkannt wurde. Der Vater sei während seiner Zeit in Österreich niemals einer Beschäftigung nachgegangen und sei laufend straffällig gewesen. Feststehe weiters, dass der Beschwerdeführer bis auf seine Eltern keine Personen in Österreich habe welche zu einem dauernden Aufenthalt berechtigt wären. Es seien keine Asylgründe oder subsidiäre Schutz Gründe gegeben.
Mit Verfahrensanordnung vom 17.03.2020 wurde dem Beschwerdeführer vom Amts wegen eine Rechtsberatungsorganisation für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
Mit Schriftsatz vom 11.05.2020 wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben und dieser seinem gesamten Inhalt nach angefochten.
Der Beschwerdeführer bekämpfe auch ausdrücklich die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 Z. 1 BFA -VG.
Der Beschwerdeführer sei der Sohn von XXXX , der in Österreich über den Status eines Asylberechtigten verfüge und der XXXX , welchen Österreich einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen von Art. 8 EMRK gestellt hat über den noch nicht entschieden wurde.
Dem Vater des Beschwerdeführers sei mit Bescheid vom 17.9.2018 der Status des Asylberechtigten aberkannt worden und gegen diesen Bescheid sei rechtzeitig Beschwerde erhoben worden und dieses Verfahren sei derzeit noch beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. Der Beschwerde komme die aufschiebende Wirkung zu und je nach Ausgang dieses Verfahrens habe der Beschwerdeführer aufgrund seiner Familieneigenschaft gemäß § 34 Asylgesetz den gleichen Status wie sein Vater. Auch das Verfahren der Mutter des Beschwerdeführers betreffend den Antrag auf Bleiberecht sei weiterhin bei der zuständigen Behörde anhängig. Vater und Mutter des Beschwerdeführers würden im gemeinsamen Haushalt leben und hätten gemeinsame Obsorge für den Beschwerdeführer. Die Rückkehrentscheidung greife somit massiv in das Familienleben des Beschwerdeführers ein. Eine Ausreise des Beschwerdeführers ohne seinen Vater, welcher Österreich weiterhin aufenthaltsberechtigt wäre, hätte eine unmittelbare Auswirkung auf das Kindeswohl. Ein Eingriff in das schützenswerte Familienleben des Beschwerdeführers sei jedenfalls als unverhältnismäßig und auf Dauer unzulässig zu qualifizieren. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde scheine aus menschenrechtlichen Gründen dringend geboten.
Es werden folgende Anträge gestellt: der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, eine mündliche Beschwerdeverhandlungen anzuberaumen, amtswegige eventuelle Rechtswidrigkeiten aufzugreifen und einen Verbesserungsauftrag zu erteilen, das Verfahren des Beschwerdeführers mit dem Verfahren des Vaters zur gemeinsamen Verfahrensführung zu verbinden, den hier angefochtenen Bescheid zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zu zuerkennen, den angefochtenen Bescheid allenfalls bezüglich Spruchpunkt zwei zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § acht Asylgesetz zu zuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid bezüglich der Spruchpunkte III bis VII zu beheben bzw. dahingehend abzuändern dass eine Rückkehrentscheidung aufgehoben und für auf Dauer unzulässig erklärt werde und dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt wird, in eventu den angefochtenen Bescheid im Umfang von Spruchpunkt I ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück zu verweisen.
Mit Beschluss des BVwG vom 25.06.2020 Zl. L518 1314123-2/12E wurde der Bescheid mit dem dem Vater des Beschwerdeführers den Asylstatus durch das BFA aberkannt worden war behoben.
Am 10.08.2020 regte das BFA in einem Schreiben an, den Bescheid vom 16.03.2020 zu beheben, da durch einen Beschluss des BVwG vom 25.06.2020 dem Vater des Beschwerdeführers nach wie vor der Asylstatus zukomme und daher sein nachgeborener Sohn einen Anspruch auf abgeleitetes Asyl im Sinne § 3 i.V.m. § 34 Asylgesetz habe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A)
1. Zuständigkeit, Entscheidung durch Einzelrichter:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
2. Anzuwendendes Verfahrensrecht
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
3. Zur Entscheidungsbegründung:
Obwohl gemäß § 17 iVm. § 58 VwGVG seit 01.01.2014 der § 66 Abs. 2 AVG in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr anzuwenden ist und gemäß § 58 VwGVG stattdessen § 28 Abs. 3 VwGVG mit genanntem Datum in Kraft trat, womit das Erfordernis des § 66 Abs. 2 leg.cit, wonach die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, weggefallen ist, und sich die Regelungsgehalte beider Normen somit nicht gänzlich decken, findet die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG grundsätzlich weiterhin Anwendung.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG. (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11).
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Der Verwaltungsgerichtshof hat danach mit Erkenntnis vom 10.09.2014, Ra 2014/08/0005 die im Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nochmals bekräftigt und führte ergänzend aus, dass selbst Bescheide, die in der
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Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinn des § 24 VwGVG zu vervollständigen sind.
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof vielfach ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).
Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren Band I2, E 84 zu § 39 AVG)
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus den folgenden Gründen als mangelhaft:
Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass dem Vater des Beschwerdeführerder Status des Asylberechtigten bereits rechtskräftig aberkannt wurde. Mit Erkenntnis des BVwG vom 25.06.2020, Zl. L518 1314123-2/12E wurde der entprechende, den Vater betreffende Bescheid jedoch behoben. Der Vater ist demnach nach wie vor im Besitz eines Aufenthaltsrechtes nach dem AsylG.
Durch das mangelhafte Ermittlungsverfahren hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vornahme weiterer Ermittlungen bzw. überhaupt die Durchführung des Asylverfahrens auf das Bundesverwaltungsgericht verlagert, weshalb im Einklang mit den vorzitierten Erkenntnissen des VwGH zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, Zlen. Ro 2014/03/0063 und Ra 2014/08/0005, der angefochtene Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen war.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der angefochtene Bescheid zu beheben war.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Wie sich aus der oben wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, besteht zur Frage der Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 VwGVG eine Rechtsprechung. Die vorliegende Entscheidung weicht von dieser Rechtsprechung auch nicht ab.
Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Aberkennung des Status des Asylberechtigten Asylverfahren Aufenthaltsrecht Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Sachverhaltsfeststellung ZurückverweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W196.2231850.1.00Im RIS seit
07.12.2020Zuletzt aktualisiert am
07.12.2020