Entscheidungsdatum
02.09.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W211 2222488-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA: Syrien, gegen Spruchpunkt 1. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am XXXX 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Er wurde am selben Tag von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab dabei zusammengefasst an, aus XXXX zu stammen und im März oder April 2013 nach Jordanien ausgereist zu sein. Jordanien habe er im August 2017 verlassen. Sein Sohn sei bei Kriegshandlungen umgebracht worden. Der Beschwerdeführer habe gewollt, dass die Regierung der Sache nachgehe, wonach er sich nicht mehr sicher gefühlt habe. Er befürchte die Verhaftung, weil er auf einer schwarzen Liste stehe.
2. Bei der Einvernahme des Beschwerdeführers am XXXX 2019 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab er zusammengefasst an, bereits seit Jordanien an Bluthochdruck, Zucker und Säure im Urin zu leiden. In Jordanien befänden sich noch seine Frau und vier Kinder. Zwei seiner erwachsenen Kinder würden in Österreich leben. Weiter gab er an, dass XXXX immer gegen das Regime gewesen sei. Nach dem Bombardement seines Hauses in XXXX sei er mit seiner Familie nach Damaskus gezogen. Einer seiner Söhne sei Ende 2012 bei einem Checkpoint entführt worden; man habe dann Lösegeld vom Beschwerdeführer gefordert. Später habe man herausgefunden, dass jener Sohn getötet worden sei. Der Beschwerdeführer habe bei der Polizei gesagt, dass er glaube, dass sein Sohn vom Cousin des syrischen Präsidenten entführt worden sei; es habe sich später herausgestellt, dass es jemand anderer gewesen sei. Jener Mann, den er zuerst verdächtigt habe, habe ihm dann 25 bewaffnete Personen nach Hause geschickt. Er habe dann einen Bekannten beim Militärgeheimdienst angerufen, der ihm mit diesen Männern geholfen habe und ihm und seiner Familie die Ausreise ermöglicht habe, indem er jemanden mitgeschickt habe, der die Checkpoints und die Grenze zu Jordanien geklärt habe. Er vermute nun, dass jener Geheimdienstkontakt und ein weiterer Mann am Tod seines Sohnes beteiligt gewesen seien, die das Ziel gehabt hätten, an die Lager des Beschwerdeführers für Metallwaren zu kommen, die auch tatsächlich Anfang 2017 ausgeräumt worden seien. Seitdem glaube er, auf einer schwarzen Liste zu stehen, weil er keinen Strafregisterauszug mehr bekommen habe. Er habe Geld und brauche keine finanzielle Unterstützung von Österreich.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.).
4. Gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides wurde rechtzeitig eine Beschwerde eingebracht, in der zusammengefasst vorgebracht wurde, dass die von der Behörde angeführten Widersprüche darüber, wer mit den Entführern gesprochen und wer Anzeige erstattet haben soll, auf kulturelle Kommunikationseigenheiten zurückzuführen seien. Die Behörde habe weiters den Herkunftsort des Beschwerdeführers, XXXX , nicht ausreichend gewürdigt, außerdem würde dem Beschwerdeführer wegen seiner Ausreise und Asylantragstellung bereits eine oppositionelle Haltung unterstellt werden. Der Beschwerdeführer habe Anschuldigungen gegen ein Mitglied des Regimes erhoben und sei außerdem der Vater eines Asylberechtigten in Österreich.
5. Am XXXX .2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die arabische Sprache und in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seines Vertreters eine mündliche Verhandlung durch, in deren Rahmen der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen Stellung nehmen konnte, und aktuelle Länderberichte ins Verfahren eingebracht wurden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum Beschwerdeführer:
Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Araber und syrischer Staatsangehöriger, der aus XXXX stammt. Der Beschwerdeführer besuchte in Syrien fünf Jahre lang die Grundschule und baute ab 1985 einen erfolgreichen Metallhandel auf. Die Liegenschaft des Geschäftsgeländes, insbesondere die Lager, stehen immer noch im Eigentum des Beschwerdeführers.
Ein Bruder des Beschwerdeführers lebt nach wie vor in XXXX . Kontakt besteht zu diesem keiner.
1.2. Zur relevanten Situation in Syrien wird festgestellt wie folgt:
Korruption: Mitglieder und Verbündete der Herrscherfamilie sollen einen großen Teil der syrischen Wirtschaft kontrollieren oder besitzen. Auch sichert sich die Regierung durch die Bevorzugung bestimmter Firmen und Vergabe von vorteilhaften Verträgen etc. Loyalität. Sogar die grundlegendsten staatlichen Dienstleistungen sind von der demonstrierten Loyalität der Gemeinde zum Assad-Regime abhängig, womit sich Staatsangestellten zusätzliche Möglichkeiten bieten, Bestechungsgelder einzufordern. Der syrische Bürgerkrieg hat neue Möglichkeiten für Korruption in der Regierung, unter regierungstreuen bewaffneten Gruppen und im Privatsektor geschaffen (FH 1.2018) [LIB].
Menschenrechte: Es gibt zahlreiche Berichte zu anderen Formen der Belästigung von Menschenrechtsaktivisten, Oppositionellen oder Personen, die als oppositionell wahrgenommen werden, von Reiseverboten, Enteignung und Überwachung bis hin zu willkürlichen Festnahmen, „Verschwindenlassen“ und Folter (USDOS 13.3.2019). Es sind zahllose Fälle bekannt, bei denen Personen für als regierungsfeindlich angesehene Tätigkeiten ihrer Verwandten inhaftiert und gefoltert werden, darunter sollen auch Fälle sein, bei denen die gesuchten Personen ins Ausland geflüchtet sind (AA 13.11.2018). Frauen mit familiären Verbindungen zu Oppositionskämpfern werden z.B. als Vergeltung oder zur Informationsgewinnung festgenommen. Außerdem werden Personen festgenommen, die Kontakte zu Verwandten oder Freunden unterhalten, die in oppositionell kontrollierten Gebieten leben (UNHRC 31.1.2019). Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind keine Neuerung der letzten Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019) [LIB].
Die syrische Regierung nimmt die Aktivitäten einer breiten Kategorie von Personen als oppositionell wahr: friedlich Protestierende, Aktivistinnen und Aktivisten sowie Regierungskritiker_innen, Berufszweige wie Mitarbeiter_innen humanitärer Organisationen, Ärztinnen und Ärzte, Anwältinnen und Anwälte, Journalistinnen und Journalisten, Blogger und Online-Aktivistinnen und Aktivisten, Wehrdienstverweigerer und Deserteure. Außerdem wurden Personen, die in Oppositionsgebieten leben, die in Gebieten leben, die zurückerobert wurden, Rückkehrer_innen, Verwandte von Mitgliedern verdächtiger bewaffneter Gruppen und Personen, die mit Verwandten oder Freunden in Kontakt standen, die in Oppositionsgebieten leben, gezielt bedroht (EASO, S13f). Fahndungslisten können aus breiten, auch willkürlichen Gründen befüllt werden; es wird jedoch auch ein systemisches Muster dahingehend wahrgenommen, dass Personen gezielt bedroht werden, die als oppositionell wahrgenommen werden (EASO, S16f).
Ein Verfolgungsprofil betrifft Personen, die aus Gebieten stammen bzw. noch dort leben, die als oppositionell angesehen werden: willkürliche Verhaftungen fanden so auch im Rural Damascus Gebiet statt, und gab es betreffend XXXX das Gerücht, dass es zu Überwachungen gekommen sein soll (EASO, S21).
Berichten zufolge ist die illegale Ausreise alleine sowie eine Asylantragstellung im Ausland kein Anlass für Probleme im Falle einer Rückkehr nach Syrien. Quellen deuten darauf hin, dass Rückkehrer_innen Loyalitätsbekundungen zum syrischen Regime unterzeichnen und Informationen über sich preisgeben müssen (EASO, S27f). Rückkehrer_innen finden sich aber dennoch häufig in der Situation willkürlicher Haft und damit verbundener Folter. Eine Quelle definierte die folgenden Personengruppen, die von solchen Inhaftnahmen bei einer Rückkehr besonders, aber nicht ausschließlich, betroffen sein können: a) Personen, die ohne Sicherheitsfreigabe zurückkehren, b) Personen, die in Sektoren gearbeitet haben, die besonders mit der Opposition in Verbindung gebracht werden (humanitäre Arbeit, Journalismus, Rettungskräfte, lokale Gemeindearbeit), c) Männer im wehrfähigen Alter und d) Personen mit Familienmitgliedern, die zwangsweise nach Idlib und Aleppo verbracht wurden (EASO, S29).
Es bestehen große Schwierigkeiten bei der Wiederinbesitznahme von Eigentum; Syrer_innen haben ein Jahr Zeit, Eigentumsverhältnisse nachzuweisen; danach kann die syrische Regierung Eigentum ohne Entschädigung konfiszieren (ebda).
1.3.
1.3.1. Der Beschwerdeführer lebte mit seiner Familie in XXXX , bis sein Haus durch Kriegshandlungen zerstört wurde, wobei nicht nur sein Haus zerstört wurde, sondern fast die Hälfte der Stadt. Im Oktober 2012 zog der Beschwerdeführer mit seiner Familie daher von XXXX nach Damaskus, wo er von einem Regierungsmitglied eine Wohnung mieten konnte.
Ende Dezember 2012 wurde ein Sohn des Beschwerdeführers entführt und getötet. Die Familie des Beschwerdeführers wurde daraufhin ca. ein Monat lang angerufen, um Lösegeld zu fordern. Der Beschwerdeführer erreichte durch seine Kontakte bei der Polizei eine Handyortung. Schließlich zeigte die Polizei einige Bilder vor, woraus erkennbar war, dass der Sohn des Beschwerdeführers umgebracht worden war. Der Beschwerdeführer gab der Polizei gegenüber an, er glaube, dass die militärische Gruppierung, die für den Checkpoint XXXX zuständig war, für die Entführung und den Tod seines Sohnes verantwortlich sei. Es wurde eine Anzeige gegen unbekannt aufgenommen. Einige Tage später kam eine Gruppe bewaffneter Männer zur Wohnung des Beschwerdeführers und durchsuchte diese. Der Beschwerdeführer bzw. seine Frau kontaktierten daraufhin einen Bekannten namens „D“, der Shabiha-Milizionär war und eng mit einem der höheren Offiziere der Luftwaffe in Verbindung stand. Jener D. schickte einen seiner Männer in der Wohnung des Beschwerdeführers vorbei und erreichte, dass die bewaffneten Männer abzogen. Aus Sorge vor einem weiteren Übergriff durch den Offizier, das für den Checkpoint zuständig war, ersuchte der Beschwerdeführer D. um Hilfe, um gleich mit dem Auto nach Jordanien ausreisen zu können. D. sandte daraufhin zwei seiner Männer, die die Familie bis zur Grenze nach Jordanien begleiteten und die Durchfahrt bei Checkpoints und auch den Grenzübertritt – vermutlich über die Bezahlung von Geld – ermöglichten.
Nunmehr glaubt der Beschwerdeführer, dass eigentlich D. für die Entführung und Ermordung seines Sohnes verantwortlich war. D. blieb mit dem Beschwerdeführer über die Jahre in Kontakt und gab ihm, so glaubt der Beschwerdeführer, falsche Informationen, um das Vertrauen des Beschwerdeführers zu gewinnen. Nachdem die Regierung wieder die Kontrolle über das Gebiet erlangte, in dem sich das Lagergelände des Beschwerdeführers befand, wurde das Lager von regimenahen Personen, eventuell unter der Leitung von D., ausgeräumt und die Lagerinhalte damit gestohlen.
1.3.2. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer eine erfolgreiche Firma besessen hat, ein vermögender Mann ist und über beste Kontakte im syrischen Regime verfügte.
Es wird auch nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer auf einer „schwarzen Liste“ des Regimes steht.
Es kann weiter nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Jordanien durch das syrische Regime bedroht wurde.
Es wird nicht festgestellt, dass dem Beschwerdeführer nur wegen seiner Herkunft aus XXXX eine entsprechende Gefährdung in Syrien drohte oder droht.
Eine Gefährdung des Beschwerdeführers wegen seiner Ausreise aus Syrien, seiner Asylantragstellung im Ausland oder der Asylzuerkennung für seinen Sohn wird nicht festgestellt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zum Beschwerdeführer, wie seine Volksgruppenzugehörigkeit, seine Herkunft und seine Herkunftsregion, seine Ausbildung und Berufstätigkeit, sowie die Informationen zu den Familienangehörigen in Syrien gründen sich auf nicht weiter bestrittene und gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens.
2.2. Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf den folgenden Quellen:
LIB: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, 17.10.2019, dabei auf folgenden Einzelquellen:
- AA – Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018
- FH – Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 – Syria, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/syria, Zugriff 12.12.2018
- SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf, Zugriff 31.1.2019
- UNHRC – United Nations Human Rights Council (31.1.2019): Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic [A/HRC/40/70], https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/CoISyria/A_HRC_40_70.pdf, Zugriff 11.3.2019
- USDOS – United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2004226.html, Zugriff 19.3.2019
EASO: EASO, Syria: Targeting of Individuals, Country of Origin Information Report, März 2020, online frei abrufbar unter: https://easo.europa.eu/sites/default/files/publications/easo-coi-report-syria-targeting-individuals.pdf
Letzterem Bericht wird aufgrund der hohen Aktualität ein besonderes Augenmerk gegeben. Grundsätzlich beruhen beide CoI-Sammlungen auf verlässlicher Methodik; die darin enthaltenen Informationen sind aktuell, relevant und ausreichend offenkundig belegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher keine Zweifel an den darin publizierten Inhalten.
2.3.
Zu 1.3.1.: Die unter diesem Punkt zusammengefassten Feststellungen beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens, wie im EV Protokoll vom XXXX 2019 und im Verhandlungsprotokoll vom XXXX .2020 dargestellt. Im Gegensatz zur Einschätzung durch die belangte Behörde hat das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Detailliertheit der Angaben und deren grundsätzliche Plausibilität keine Zweifel daran, dass die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers glaubhaft sind. Darüber hinaus konnte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung wie angekündigt Fotos von LKWs auf einem Betriebsgeländer vorzeigen, was seine Angaben unterstützte.
Zu 1.3.2.: Dass der Beschwerdeführer wirtschaftlich erfolgreich und vermögend war und ist, gab er selbst im Laufe des Verfahrens wiederholt so an. Ebenso lässt sich aus seinen Angaben herauslesen, dass der Beschwerdeführer über sehr gute Kontakte zu hochrangigen Persönlichkeiten im syrischen Regime unterhielt – was auch im Zusammenhang mit seiner Handelstätigkeit plausibel und nachvollziehbar scheint. Es wird nicht übersehen, dass der Beschwerdeführer versuchte in der mündlichen Verhandlung seine Verbindungen zu relativieren, indem er zB jenen Kontakt zu D. als über seinen Sohn eher zufällig und kürzlich hergestellt darlegt. Das Bundesverwaltungsgericht wertet diese Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung aber als einen Versuch, nachträglich die Verbindungen zum syrischen Regime weniger gewichtig und belastbar darzustellen, als sie vorher bei der belangten Behörde beschrieben wurden. Noch bei der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer an, seine Wohnung von einem Minister gemietet zu haben, und wiederholte der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung, dass jener D. den Übergriff durch die Männer des Checkpoints beendete und den Beschwerdeführer und seine Familie bis nach Jordanien geleiten ließ. Diese Erzählungen unterstützen daher im Kontext der Angaben des Beschwerdeführers die Feststellung, dass er mit führenden Mitgliedern des syrischen Regimes sehr gut vernetzt war.
Feststellungen dazu, dass der Beschwerdeführer auf einer schwarzen Liste stehen würde und in Jordanien bedroht worden sei, können nicht getroffen werden, dazu bleiben die Angaben des Beschwerdeführers einerseits zu vage und oberflächlich, bzw. stellen überhaupt nur Vermutungen dar. Sein Verdacht betreffend das Aufscheinen auf einer „schwarzen Liste“ gründete sich darauf, dass er 2017 keinen Strafregisterauszug mehr bekommen haben soll (EV Protokoll, AS 74) bzw. habe ihm das D. selbst bei einem Telefonat wegen der Firma so gesagt (S. 8 des Verhandlungsprotokolls). Damit stellen sich diese Angaben bereits unterschiedlich und nicht als geeignete Grundlage dar, eine Aufnahme in eine „schwarze Liste“ glaubhaft zu machen. Zum zweiten meinte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung (Auszug aus dem Protokoll):
„ […] P: Soll ich mit meinem Sohn da bleiben, und meine Frau und mein Sohn wo anders? Ich wurde auch mehrmals in Jordanien bedroht.
R: Können Sie darüber bitte konkreter und genauer erzählen?
P: Von Nachbarn wurde mir mehrmals gesagt, dass Syrer in zivil nach mir gefragt haben und gefragt haben, wo ich wohne. Es wurde ihnen nicht gesagt. Ich bin 4-5 Mal übersiedelt und immer wieder kam es dazu, dass nach mir gefragt wurde. Die Nachbarn haben mir gesagt, dass das Syrer waren, die nach mir mit Namen gefragt haben, wo ich wohne. Würden sie wissen, wo ich wohne, würden sie mich erwischen und ich weiß nicht, was passieren würde.
R: Können Sie konkreter sagen, wie Sie in Jordanien bedroht wurden?
P: Ich bin in Jordanien nicht in Sicherheit. Mein Nachbar war ein Richter. Er hat mich gefragt, was los ist und er hat mir gesagt, dass ich Jordanien verlassen soll.
R: Ich muss Sie ersuchen, konkreter zu schildern, von welchen Bedrohungsszenarien in Jordanien Sie ausgehen?
P: Ich bin zum Geheimdienst in Jordanien gegangen und sie haben mich gefragt, was los ist. Ich habe ihnen die Geschichte erzählt und sie haben mir gesagt, dass der syrische Geheimdienst sich nach mir erkundigt und dass ich ein Oppositioneller bin, weil ich gegen die syrische Regierung bin.
R: Warum sind Sie gegen die syrische Regierung?
P: Weil sie meinen Sohn getötet haben.
R: Sie sagen doch selber, dass es nicht die Regierung als solche war.
P: Doch es war die Regierung, egal ob es die Luftwaffe oder der Chef von XXXX war. Das syrische System hat mir meinen Sohn genommen. […]“
Aus den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers lässt sich eine tatsächliche und konkrete Bedrohung des Beschwerdeführers in Jordanien nicht ableiten; das zitierte Vorbringen dazu bleibt außerdem sehr oberflächlich und nur vage, insbesondere, wenn man sie in einen Vergleich zu den sonst ausführlichen, detailreichen und konkreten Schilderungen über die Ereignisse in Syrien setzt. Positive Feststellungen zu einer „schwarzen Liste“ oder Bedrohungen in Jordanien können daher nicht getroffen werden.
Wenn weiter vorgebracht wird, dass dem Beschwerdeführer bereits aufgrund seiner Herkunft aus XXXX – hier relevante - Gefahr drohen würde, weil ihm deshalb von der Regierung eine oppositionelle Haltung unterstellt werden würde, so anerkennt das Bundesverwaltungsgericht, dass das syrische Regime teilweise bereits rein aufgrund einer geographischen Herkunft aus einem (früheren) Rebellengebiet Repressalien gegenüber vermeintlichen Oppositionellen durch- und umsetzt. Auch die Länderberichte geben in Bezug auf Damaskus Umgebung („Rural Damascus“) Auskunft über entsprechende Probleme. Dennoch lässt sich aus der Vita des Beschwerdeführers gerade eine solche Gefährdung nicht ableiten: er entschied sich doch, nachdem Kampfhandlungen sein Haus zerstörten, nach Damaskus, als in das Kernland des Regimes, abzuwandern, und stützte sich dort offensichtlich auch auf seine Kontakte im syrischen Regime, um eine Wohnung zu mieten und Probleme mit einem Offizier eines Checkpoints in den Griff zu bekommen bzw. auszureisen. Hinweise darauf, dass daher gerade das syrische Regime den Beschwerdeführer wegen seiner Herkunft aus XXXX gefährden würde, haben sich im Verfahren nicht ergeben. Auch der Beschwerdeführer, der zuerst bei der Behörde am XXXX 2019 angab, sein Sohn sei entführt worden, weil er aus XXXX stammte (AS 74), relativierte diese Ansicht in der mündlichen Verhandlung, wenn er meinte, dass D. den Sohn des Beschwerdeführers entführt haben soll, um an die Vermögenswerte des Beschwerdeführers zu gelangen (S. 8 des Verhandlungsprotokolls). Eine entsprechende Gefährdung nur wegen der Herkunft aus XXXX kann daher nicht festgestellt werden.
Schließlich erlauben die festgestellten Länderinformationen die Annahme nicht, dass eine Ausreise aus Syrien und eine Asylantragstellung im Ausland alleine jedenfalls eine entsprechende Gefährdung durch das syrische Regime nach sich ziehen würde, weil diese darin ein widerständiges Verhalten sehen würde. Eine entsprechende Feststellung kann daher nicht erfolgen.
Und während zwar nicht übersehen wird, dass dem erwachsenen Sohn des Beschwerdeführers in Österreich Asyl zuerkannt wurde, geht aus den Länderberichten und den darin dargestellten Zielgruppen, denen das syrische Regime leicht eine oppositionelle Haltung unterstellt, nicht hervor, dass damit systemisch eine Gefährdung des Beschwerdeführers verbunden ist. In diesem Zusammenhang dürfen eben auch die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers nicht außer acht gelassen werden, der ein erfolgreicher Geschäftsmann in Syrien mit besten Verbindungen zum Regime war. Für die Feststellung einer Gefährdung des Beschwerdeführers wegen der Ausreise und Asylzuerkennung seines Sohnes in Österreich ergaben sich daher im Lichte der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers keine ausreichenden Hinweise im Verfahren.
Sonstige Gefährdungssituationen wurden nicht vorgebracht und ergeben sich auch nicht aus den Umständen des Beschwerdeführers oder aus den Länderinformationen, weshalb keine weiteren Feststellungen mehr zu erfolgen haben.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A)
Rechtsgrundlagen:
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.
3.1.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).
3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:
3.2.1. Das Bundesverwaltungsgericht stellte in den Feststellungen klar, dass es die Geschehnisse, die der Familie des Beschwerdeführers in Syrien widerfahren sind, nicht anzweifelt und deren Tragweite auch nicht banalisieren möchte. Weiter wird nicht angezweifelt, dass dem Beschwerdeführer in den Händen krimineller Gruppierungen, die sich auch in den Rängen des Militärs oder der Shabiha befinden können, schwere Bedrohungen begegnen können, auch im Falle einer Rückkehr.
Diese Bedrohungen müssen aber als solche krimineller Natur angesehen werden, die nicht auf einem Motiv beruhen, das sich in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK wiederfindet (vgl. zur Asylrelevanz ua VwGH, 26.11.2014, Ra 2014/19/0059, 13.12.2018, Ra 2018/18/0336). Der Beschwerdeführer meinte nachvollziehbar selbst, dass er das Opfer von Machenschaften wurde, die darauf ausgelegt waren, an sein Vermögen zu gelangen. Hinweise darauf, dass die Entführung und Ermordung des Sohnes des Beschwerdeführers, die Hausdurchsuchung durch Offiziere eines Checkpoints, aber auch der Diebstahl von Lagerware durch Angehörige der Shabiha und vielleicht auch der Luftwaffe selbst darauf beruhten, weil dem Beschwerdeführer seitens des syrischen Regimes eine oppositionelle Haltung auch nur unterstellt wurde, haben sich im gesamten Verfahren nicht ergeben. Gerade auch in Bezug auf seine Herkunft aus XXXX gilt es in diesem Zusammenhang zu betonen, dass der Beschwerdeführer deshalb keine Repressalien zu fürchten hatte, sondern nach der Zerstörung seines Hauses nach Damaskus ging und unter Inanspruchnahme seiner dortigen Kontakte zum Regime eine entsprechende Wohnung anmieten und Hilfe in Anspruch nehmen konnte. Dass der Beschwerdeführer nunmehr auf einer „schwarzen Liste“ stehen würde, konnte einerseits nicht festgestellt werden, und müsste andererseits auch nicht auf ein entsprechend relevantes Motiv hindeuten. Schließlich konnten auch keine Bedrohungen des Beschwerdeführers in Jordanien zwischen 2013 und 2017 festgestellt werden.
Damit kann in Bezug auf die Geschehnisse rund um die Ermordung des Sohnes des Beschwerdeführers und den Diebstahl der Waren aus dem Firmenlager keine aktuelle und maßgebliche wahrscheinliche Verfolgungsgefahr durch das syrische Regime wegen einer auch nur unterstellte oppositionellen politischen Gesinnung angenommen werden.
Ebenso kann von einer aktuellen und maßgeblichen Verfolgungsgefahr durch das syrische Regime wegen einer auch nur unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung aufgrund der Herkunft aus XXXX , der Ausreise und Asylantragstellung sowie der Asylzuerkennung an einen Sohn des Beschwerdeführers in Österreich nicht ausgegangen werden.
Unter anderem im Lichte der fraglos möglichen Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr durch jene kriminellen Gruppierungen, die ihn erpresst und bestohlen haben, wurde dem Beschwerdeführer jedoch zurecht subsidiärer Schutz zuerkannt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Asylantragstellung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Fluchtgründe Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit mündliche Verhandlung Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W211.2222488.1.00Im RIS seit
07.12.2020Zuletzt aktualisiert am
07.12.2020