Entscheidungsdatum
09.09.2020Norm
AsylG 2005 §57Spruch
W237 2234673-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch XXXX , gegen die Erledigung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 11.08.2020, Zl. 1267023900/200686827:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 18 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
1. Feststellungen:
Mit als Bescheid bezeichneter Erledigung vom 11.08.2020 (im Folgenden: Bescheid) erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), erließ im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG iVm § 46 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Ukraine fest (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.), gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.).
Die im Verwaltungsakt befindliche Urschrift des Bescheids bezeichnet auf der letzten Seite „ XXXX “ in einwandfrei leserlicher Druckschrift als genehmigende Person. Über diesem Namen befindet sich folgender, mit blauem Kugelschreiber angefertigter Schriftzug:
Neben dem Schriftzug ist ein Stempel des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl gesetzt. Sonstige Hinweise bzw. Vermerke enthält die Urschrift nicht.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl adressierte diese Erledigung an die Beschwerdeführerin, die dagegen am 01.09.2020 Beschwerde erhob. Der Beschwerdeschriftsatz sowie der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 03.09.2020 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt bzw. der darin aufliegenden Urschrift des angefochtenen Bescheids sowie den Angaben der Beschwerdeführerin, gegen welchen behördlichen Akt sich ihre Beschwerde richtet.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Im Anwendungsbereich des § 18 AVG wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Grundsatz aufgestellt, dass jede Erledigung zu genehmigen ist, und zwar durch die Unterschrift eines (hiezu berufenen) Organwalters. Damit wird der wichtige Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Identität des Menschen, der eine Erledigung getroffen und daher zu verantworten hat, für den Betroffenen erkennbar sein muss. Die "Urschrift" einer Erledigung muss also das genehmigende Organ erkennen lassen (vgl VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0043).
Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat (externe Erledigung), muss daher die – interne – Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion innehat, oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018).
Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten. Im vorliegenden Fall wurde kein derartiges Verfahren nach E-GovG durchgeführt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Unterschrift im Sinn dieser Vorschrift ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann; eine Unterschrift muss nicht lesbar, aber ein "individueller Schriftzug" sein, der entsprechend charakteristische Merkmale aufweist. Die Anzahl der Schriftzeichen muss der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen (vgl. für viele VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 20.04.2017, Ra 2017/20/0095 mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hielt aber wiederholt fest, dass eine Paraphe keine Unterschrift ist (vgl. VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 04.09.2000, 98/10/0013 und 0014; s. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 18, Rz 23 mwH).
2. Der Schriftzug auf der im Verwaltungsakt aufliegenden Urschrift des angefochtenen Bescheids erfüllt die Merkmale einer Unterschrift nicht:
2.1. Zunächst lässt der Schriftzug der Urschrift kein einziges Schriftzeichen eindeutig erkennen. Nicht einmal der Anfangsbuchstabe des – vermutlichen – Nachnamens des genehmigenden Organs („ XXXX “) kann als „F“ identifiziert werden. Diese Abzeichnung lässt es nicht zu, den Namen des genehmigenden Organs – auch in Kenntnis desselben – noch in irgendeiner Form zu erkennen.
Auch aus dem Ende des Schriftzugs – einem nach der Schlaufe kurz auslaufenden, niedrigen Wellenzug – ist kein weiterer Anhaltspunkt auf den Namen zu entnehmen. Selbst wenn der neben der Schlaufe gesetzte Punkt (oder kurze Strich) als i-Punkt zu verstehen wäre, ist dieser keinem Buchstabengebilde zuzuordnen, das noch in irgendeiner Weise Rückschlüsse auf den Namen des genehmigenden Organs zuließe. Da aus der Abzeichnung somit kein einziger Buchstabe – auch in Kenntnis des Nachnamens des Genehmigers und größtmöglicher Abstrahierungstoleranz – erkennbar ist, liegt mit dem der Schlaufe folgenden (bloß angesetzten) Wellenzug auch keine infolge eines starken Abschleifungsprozesses abstrahierende Linie vor, aus der auf weitere Buchstaben geschlossen werden könnte (vgl. dazu VwGH 19.02.2018, Ra 2017/12/0051).
2.2. Der Schriftzug der Abzeichnung der Urschrift stellt damit eine bloße Paraphe dar, die nach der Rechtsprechung keine Unterschrift ist. Daran ändert auch der neben der Abzeichnung angebrachte Stempel des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl nichts.
3. Der (als Bescheid bezeichneten) Erledigung der belangten Behörde vom 11.08.2020 fehlt es mangels Unterschrift des genehmigenden Organs und eines Hinweises auf eine elektronische Genehmigung sohin an der Bescheidqualität, weshalb sich die Beschwerde gegen eine als Bescheid absolut nichtige Erledigung richtet. Dies hat den Mangel der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel zur Folge; das Verfahren über die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist stattdessen nach wie vor vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig.
Die Beschwerde ist daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl. auch BVwG 26.05.2020, W234 2127997-2; 16.07.2020, W237 2225489-1).
4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; zudem fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in dieser auch nicht uneinheitlich beantwortet. So entspricht es ständiger, einheitlicher Rechtsprechung, dass eine Paraphe keine Unterschrift darstellt, wobei die Beurteilung, was (noch) eine Unterschrift darstellt, stets einzelfallbezogen ausfallen muss.
Schlagworte
absolute Nichtigkeit Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Bescheidqualität Genehmigung Nichtbescheid Nichtigkeit Rückkehrentscheidung Unterfertigung Unterschrift Unzulässigkeit der Beschwerde Unzuständigkeit BVwG Zurückweisung ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W237.2234673.1.00Im RIS seit
07.12.2020Zuletzt aktualisiert am
07.12.2020