TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/10 W182 2173872-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.09.2020
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Entscheidungsdatum

10.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W182 2173872-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.09.2017, Zl. 1086723503 VZ 151316521, nach § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBI. I. Nr 33/2013 idgF, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger der Volksrepublik China, reiste am 08.09.2015 ins Bundesgebiet ein und stellte am 10.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.09.2015 gab der BF zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, dass er im Juni 2015 mit einem PKW seines Freundes eine Person angefahren habe. Er habe die verletzte Person ins Krankenhaus gebracht, wobei diese von ihm während der Fahrt einen hohen Schadenersatz verlangt habe. Weil der BF kein Geld gehabt habe, sei er nach Europa geflüchtet. Er habe im August 2015 das Herkunftsland verlassen. In China müsste er wahrscheinlich wegen des Unfalles vor Gericht gehen. Die Frage, ob es konkrete Hinweise dafür gebe, dass ihm bei einer Rückkehr in die VR China unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen würde oder ob er im Fall seiner Rückkehr im Herkunftsstaat mit irgendwelchen Sanktionen rechnen müsse, verneinte der BF. Der BF gab an, der Volksgruppe der Han anzugehören und konfessionslos zu sein.

In einer Einvernahme beim Bundesamt am 04.09.2017 berichtigte der BF eingangs, dass er zur Volksgruppe der XXXX gehöre, verneinte aber auf Nachfragen eine Verfolgung wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit. Zu seinen Fluchtgründen brachte er im Wesentlichen wie bisher vor, im Juni 2015 mit einem Leihwagen einen Unfall verursacht und dabei einen Mann angefahren zu haben. Der Mann sei ins Krankenhaus gebracht worden. Der Fall sei angezeigt worden und wolle der BF die Sache außergerichtlich erledigen. Bei der außergerichtlichen Klärung müsste er sehr viel bezahlen. Er könne die Entschädigung nicht zurückzahlen, da der Mann mindestens 1 Mio RMB verlange. Deshalb sei er ausgereist. Ein Haftbefehl gegen ihn bestehe nicht. Er sei aus rein wirtschaftlichen Gründen ausgereist. Laut eigenen Angaben habe der BF sechs Jahre lang die Schule in China besucht und dann bis zu seiner Ausreise als Arbeiter in Fabriken für Taschen und Koffer gearbeitet. In China würden sich seine Mutter, die Bäuerin sei, sowie seine Schwester, sein Bruder und zwei Nichten aufhalten. In Österreich habe er niemanden. Er sei auf Arbeitssuche und lebe von wohltätiger Unterstützung. Er sei auch in keinen Vereinen oder in einer anderen Organisation aktiv. Er lerne gerade Deutsch. Dazu legte er eine Kursantrittsbestätigung für einen A1-Kurs vor.

Der BF konnte keine Personaldokumente vorlegen.

1.2. Mit dem nunmehr angefochtenen oben angeführten Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat VR China (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach China zulässig sei (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde dem BF für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 – 3 FPG eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.

Seitens des Bundesamtes wurde u.a. festgestellt, dass die Identität des BF nicht feststehe, er chinesischer Staatsangehöriger sei, der Volksgruppe der XXXX angehöre, ledig sei und keine Sorgepflichten habe. Er stehe derzeit unter keiner ärztlichen Behandlung, sei im arbeitsfähigen Alter und nehme keine Medikamente, bis auf dass er an Kopfschmerzen leide. Er habe auch aufgrund seiner Religionszugehörigkeit oder Volksgruppenzugehörigkeit keine Probleme in der VR China gehabt. Er sei in Österreich nicht straffällig geworden. Er sei laut eigenen Angaben im September 2015 illegal in das Bundesgebiet eingereist. Nicht festgestellt werden habe könne, dass er in der VR China einer individuellen asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. eine solche zukünftig zu befürchten hätte. Bezüglich seiner Fluchtgründe habe er in unglaubwürdiger Weise behauptet, dass er einen Autounfall in China verursacht habe und der Verletzte von ihm eine Entschädigung von einer Million RMB verlangt hätte. Falls er dieses Geld nicht gezahlt hätte, wäre er angeklagt worden. Daher wäre er ins Ausland gefahren. Der BF habe in der Erstbefragung wie auch bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt keine asylrelevanten Gründe für sich glaubhaft machen können. Der BF sei im arbeitsfähigen Alter, habe die Grundschule in der VR China besucht und habe nach Abschluss seiner Schulausbildung durchgehend gearbeitet. Er verfüge in der VR China über familiäre und verwandtschaftliche Beziehungen, zumal seine Mutter und seine Geschwister dort leben. Zudem habe er angegeben, dass einige andere Verwandten noch in China aufhältig wären. Es sei Ihm zuzumuten, sich mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung und der Unterstützung seiner dort lebenden Angehörigen den Lebensunterhalt, wie bisher, zu sichern. Es sei aufgrund der obigen Umstände in einer Gesamtschau davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr in die VR China nicht in eine Notlage entsprechend Art. 2 bzw. Art 3 EMRK gelangen werde. Der BF habe in Österreich weder Verwandte noch Familienangehörige i. S. d. Art. 8 EMRK. Aus diesem Grund könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass er in Österreich über ein entsprechendes Familienleben verfüge. Er sei erst seit einem kurzen Zeitraum (seit September 2015) im Bundesgebiet aufhältig und habe in Österreich keine sozialen Anknüpfungspunkte. Er sei illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist, lebe hier weder in einer Lebensgemeinschaft noch führe er ein Familienleben und gehöre auch keinem Verein oder sonstiger Organisation an. Er spreche kaum Deutsch. Er sei unbescholten.

Zur Situation im Herkunftsland wurde im bekämpften Bescheid wie folgt festgestellt:

„[...]

Politische Lage

Die Volksrepublik China ist mit geschätzt 1.367 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2015) der bevölkerungsreichste Staat der Welt, bei einer Fläche von 9.596.960 km² (CIA 11.8.2015).

Sie ist in 22 Provinzen, die fünf Autonomen Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) unterteilt. Nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme", der der chinesisch-britischen "Gemeinsamen Erklärung" von 1984 über den Souveränitätsübergang zugrunde liegt, kann Hongkong für 50 Jahre sein bisheriges Gesellschaftssystem aufrecht erhalten und einen hohen Grad an Autonomie genießen. Nach einem ähnlichen Abkommen wurde Macau am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben. Die Lösung der Taiwanfrage durch friedliche Wiedervereinigung bleibt eines der Hauptziele chinesischer Politik (AA 4.2015a).

Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein "sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht" (AA 4.2015a). Die Volksrepublik China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KPCh inne gehalten (USDOS 25.6.2015). Die KPCh ist somit entscheidender Machtträger. Nach dem Parteistatut wählt der alle fünf Jahre zusammentretende Parteitag das Zentralkomitee (376 Mitglieder), das wiederum das Politbüro (25 Mitglieder) wählt. Ranghöchstes Parteiorgan und engster Führungskern ist der zurzeit siebenköpfige "Ständige Ausschuss" des Politbüros. Dieser gibt die Leitlinien der Politik vor. Die Personalvorschläge für alle diese Gremien werden zuvor im Konsens der Parteiführung erarbeitet (AA 4.2015a, vgl. USDOS 25.6.2015).

An der Spitze der Volksrepublik China steht der Staatspräsident, der gleichzeitig Generalsekretär der KP Chinas und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission ist und somit alle entscheidenden Machtpositionen auf sich vereinigt. Der Ministerpräsident leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung. Alle Mitglieder der Exekutive sind gleichzeitig führende Mitglieder der streng hierarchisch gegliederten Parteiführung (Ständiger Ausschuss, Politbüro, Zentralkomitee), wo die eigentliche Strategiebildung und Entscheidungsfindung erfolgt (AA 4.2015a).

Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt. Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 28.1.2015a). Der NVK ist formal das höchste Organ der Staatsmacht (AA 4.2015a). Der NVK ist jedoch vor allem eine symbolische Einrichtung. Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig, der NVK kommt einmal pro Jahr für zwei Wochen zusammen, um die vorgeschlagene Gesetzgebung anzunehmen (FH 28.1.2015a). Eine parlamentarische oder sonstige organisierte Opposition gibt es nicht. Die in der sogenannten Politischen Konsultativkonferenz organisierten acht "demokratischen Parteien" sind unter Führung der KP Chinas zusammengeschlossen; das Gremium hat lediglich eine beratende Funktion (AA 4.2015a). Beim 18. Kongress der KPCh im November 2012 wurde, nach einem Jahrzehnt, ein Führungswechsel vollzogen (AI 23.5.2013). Für die nächsten fünf Jahre wurden ein neues Zentralkomitee, Politbüro und ein neuer Ständiger Ausschuss bestimmt. Xi Jinping wurde zum Generalsekretär der KPCh und zum Leiter der Zentralen Militärkommission gekürt. Mit dem 12. Nationalen Volkskongress im März 2013 gilt dieser Führungswechsel als abgeschlossen. Seitdem ist Xi Jinping auch Präsident Chinas (AA 4.2015a, vgl. FH 28.1.2015a). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 27.2.2014). Die neue Staatsführung soll zehn Jahre im Amt bleiben, wenngleich die Amtszeit offiziell zunächst fünf Jahre beträgt, mit der Möglichkeit zur Verlängerung durch eine zweite, ebenfalls fünfjährige, Amtsperiode (Die Zeit 14.3.2013). Vorrangige Ziele der Regierung sind weitere Entwicklung Chinas und Wahrung der politischen und sozialen Stabilität durch Machterhalt der KPCh. Politische Stabilität gilt als Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Reformen. Äußere (u.a. nachlassende Exportkonjunktur) und innere (u.a. alternde Gesellschaft, Umweltschäden, Wohlfahrtsgefälle) Faktoren machen weitere Reformen besonders dringlich (AA 4.2015a).

Die Rolle der Partei in allen Bereichen der Gesellschaft soll gestärkt werden. Gleichzeitig laufen Kampagnen zur inneren Reformierung und Stärkung der Partei. Prioritäten sind Kampf gegen die Korruption und Verschwendung, Abbau des zunehmenden Wohlstandsgefälles, Schaffung nachhaltigeren Wachstums, verstärkte Förderung der Landbevölkerung, Ausbau des Bildungs- und des Gesundheitswesens, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und insbesondere Umweltschutz und Nahrungsmittelsicherheit. Urbanisierung ist und bleibt Wachstumsmotor, bringt aber gleichzeitig neue soziale Anforderungen und Problemlagen mit sich. Erste Ansätze für die zukünftige Lösung dieser grundlegenden sozialen und ökologischen Entwicklungsprobleme sind sichtbar geworden, haben deren Dimension aber zugleich deutlich aufgezeigt (AA 4.2015a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (4.2015a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5

-        AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Annual Report 2013 - China, http://www.refworld.org/docid/519f51a96b.html

-        CIA The World Factbook (11.8.2015): https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ch.html

-        FH – Freedom House (28.1.2015a): Freedom in the World 2015 – China, http://www.ecoi.net/local_link/295269/430276_de.html

-        USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Reports on Human Rights Practices 2014 – China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/306284/443559_de.html

-        Die Zeit (14.3.2013): Xi Jinping ist Chinas neuer Staatschef, www.zeit.de/politik/ausland/2013-03/chinapraesident-xi-jinping

Sicherheitslage

Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Ländereien oder die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen. Die Anzahl sog. „Massenzwischenfälle“ soll 2012 bei ca. 200.000 gelegen haben und schnell zunehmen. Massenzwischenfälle sind nach chinesischer Definition nicht genehmigte Demonstrationen und Proteste, an denen sich mehr als 100 Personen beteiligen. Wie verlässlich die genannten Zahlen sind, bleibt offen. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (AA 15.10.2014). Einer internationalen NGO zufolge wird die Zahl der Proteste auf 30.000 -50.000 pro Jahr geschätzt. Andere Quellen sprechen von einigen 10.000 bis 100.000 jedes Jahr. Wie schon in den vergangenen Jahren fand sich die Ursache der Mehrzahl der Demonstrationen Grundstücksstreitereien, Wohnungsprobleme, Industrie- Umwelt und Arbeitsangelegenheiten, staatliche Korruption, Steuern sowie sonstige wirtschaftliche und soziale Anliegen (USDOS 25.6.2015).

Nach den Massenkundgebungen der Demokratiebewegung in Hongkong ist noch keine Einigung mit den Behörden in Sicht (DW 7.10.2014, vgl. HRW 29.1.2015). Auf dem Höhepunkt der Proteste hatten bis zu 100.000 Menschen in der früheren britischen Kronkolonie für mehr Demokratie demonstriert. Sie verlangen den Rücktritt von Verwaltungschef Leung Chun Ying. Zudem protestieren sie dagegen, dass die Regierung in Peking bei der 2017 anstehenden Wahl eines Nachfolgers nur vorab bestimmte Kandidaten zulassen will (TR 20.10.2014).

Die Proteste waren weitgehend friedlich, im Oktober kam es aber auch zu einigen gewalttätigen Auseinandersetzungen, als Einzelpersonen versuchten, die von den Demonstranten auf mehreren Hauptstraßen errichtet Barrikaden zu beseitigen. Einige Demonstranten behaupteten, dass diese Personen kriminellen Banden angehörigen würden oder auf Geheiß der Zentralregierung tätig wurden und dass die Polizei nicht angemessen darauf reagiert habe. Von der Polizei wurden die Vorfälle untersucht und 19 Personen verhaftet, die mutmaßlich Angriffe auf die Demonstranten verübt haben. Im November konnte die Polizei einen Versuch der Demonstranten, das Regierungsgebäude in Hongkong zu stürmen abwehren (USDOS 15.6.2015).

In Hongkong hat das Parlament nun mit Beratungen über eine umstrittene Wahlreform begonnen. Die Demokratiebewegung sieht eine wesentliche Forderung nicht erfüllt, denn Peking will weiterhin massiv mitbestimmen. Den künftigen Regierungschef soll Hongkong frei wählen dürfen - ausgesucht werden sollen die Kandidaten aber von Peking selbst. Seit 17.6.2015 berät das aus 70 Abgeordneten bestehende Parlament der chinesischen Sonderverwaltungszone über den Wahlmodus des künftigen Regierungs- und Verwaltungschefs. Viele Demokratie-Aktivisten lehnen die Änderungen im Wahlmodus ab. Im Parlament platzierten oppositionelle Abgeordnete Schilder mit Kreuzen als Zeichen ihres Protests gegen die Reformpläne. Vor dem Parlament versammelten sich hunderte Anhänger beider Lager (DW 17.6.2015).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (15.10.2014): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

-        DW - Deutsche Welle (7.10.2014): Beharren auf Demokratie in Hongkong, http://www.dw.de/beharren-auf-demokratie-in-hongkong/a-17980006

-        DW - Deutsche Welle (17.6.2015): Proteste gegen umstrittene Wahlreform in Hongkong, http://www.dw.com/de/proteste-gegen-umstrittene-wahlreform-in-hongkong/a-18519571, Zugriff 20.8.2015

-        FH – Freedom House (28.1.2015a): Freedom in the World 2015 – China, http://www.ecoi.net/local_link/295269/430276_de.html

-        HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - China, http://www.ecoi.net/local_link/295449/430481_de.html

-        TR - Thomson Reuters (20.10.2014): Keine größeren Zusammenstöße bei Protesten in Hongkong, http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEKCN0I90NZ20141020

-        USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Reports on Human Rights Practices 2014 – China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/306284/443559_de.html

[…]

Rechtsschutz/Justizwesen

Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 15.10.2014). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 11.2014, vgl. FH 28.1.2015a). Parteipolitisch-rechtliche Ausschüsse überwachen die Tätigkeit der Gerichte auf allen Ebenen und erlauben Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen. Die Aufsicht der KPCh zeigt sich besonders in politisch heiklen Fällen (FH 28.1.2015). Die Gerichte sind auf jeder Ebene administrativ und institutionell den jeweiligen Einheiten des Nationalen Volkskongresses verantwortlich, von denen sie laut Verfassung auch errichtet werden. Jedes Gericht verfügt über ein Rechtskomitee, bestehend aus dem Gerichtspräsidenten, dem Vizepräsidenten und dem Leiter jeder Abteilung des Gerichts. Aufgabe ist es, bei „wichtigen und komplizierten Fällen“ Anleitung zu geben. Das Problem ist, dass ein Richter, der einen solchen „komplizierten“ Fall betreut, vor dem Urteilsspruch an das Rechtskomitee berichten muss. Es kommt daher zu der Situation, dass Personen, die den Prozess nicht gehört haben, Einfluss auf das Urteil nehmen (ÖB 11.2014). Das 3. Plenum des Zentralkomitees hat im November 2013 Beschlüsse zu einer Justizreform verabschiedet. Neben der Abschaffung des Systems der „Umerziehung durch Arbeit“ sind Kernthemen Fragen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, nicht zuletzt im Interesse der Korruptions- und Missbrauchsbekämpfung, der Unabhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte und Professionalisierung der Justizarbeit. Die Zahl der Straftaten, die die Todesstrafe nach sich ziehen, sollte reduziert werden. Die durchaus ermutigenden Ansätze einer Verrechtlichung werden allerdings durch den fortbestehenden umfassenden Führungsanspruch der Partei relativiert (AA 15.10.2014). Trotz laufender Reformbemühungen gibt es, vor allem auf unterer Gerichtsebene, noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern, was die unterschiedliche Rechtsqualität zwischen den Gerichten in den großen Städten und den kleineren Städten erklärt (ÖB 11.2014). Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll „Fehlverhalten“ von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden. Das Oberste Volksgericht (OVG) unter seinem als besonders "linientreu" geltenden Präsidenten und die Oberste Staatsanwaltschaft haben in ihren Berichten an den Nationalen Volkskongress im März 2014 in erster Linie gefordert, "Falschurteile" der Gerichte zu verhindern, die Richterschaft an das Verfassungsverbot von Folter und anderen Zwangsmaßnahmen bei Vernehmungen zu erinnern und darauf hinzuweisen, dass Verurteilungen sich nicht allein auf Geständnisse stützen dürfen. Die Regierung widmet sowohl der juristischen Ausbildung als auch der institutionellen Stärkung von Gerichten und Staatsanwaltschaften seit mehreren Jahren große Aufmerksamkeit (AA 15.10.2014).

Am 1.1.2013 trat eine Novelle des chinesischen Strafprozessgesetzes in Kraft. Es handelt sich dabei um die umfassendste Reform des Strafrechts seit 16 Jahren. Neu aufgenommen wurde „die Hochachtung und der Schutz der Menschenrechte“. So sind z.B. gemäß Art. 50 Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung verboten. Gemäß Art. 83 sollen die Familien der Internierten innerhalb von 24 Stunden ab Strafarrest informiert werden, es sei denn es ist nicht möglich. Gemäß Art. 188 tragen Ehepartner, Eltern und Kinder keine Beweispflicht mehr. Die Rechte der Verteidigung wurden in einigen Bereichen gestärkt; so sind Geständnisse, die durch illegale Methoden wie Folter erzwungen werden, ungültig. Beweismittel und Zeugenaussagen, die auf unrechtmäßigem Wege gewonnen wurden, sind vor Gericht unzulässig; Polizeibehörden können Verdächtige nicht mehr zwingen sich selbst zu bezichtigen; dies könnte zu einem Rückgang an Foltervorfällen durch Polizeiorgane führen. Der Schutz jugendlicher Straftäter wird erhöht (ÖB 11.2014, vgl. FH 23.1.2014a, AI 23.5.2013, AA 15.10.2014). Auch der Zeugenschutz wird gestärkt. Chinesische Experten gehen davon aus, dass die Durchsetzung dieser Regeln viele Jahre erfordern wird (AA 15.10.2014).

2014 wurden schrittweise weitere Reformen eingeleitet, darunter die Anordnung an Richter, Entscheidungen über ein öffentliches Onlineportal zugänglich zu machen sowie ein Pilotprojekt in sechs Provinzen um die Aufsicht über Bestellungen und Gehälter auf eine höhere bürokratische Ebene zu verlagern. Beim vierten Parteiplenum im Oktober 2014 standen Rechtsreformen im Mittelpunkt. Die Betonung der Vorherrschaft der Partei über das Rechtssystem und die Ablehnung von Aktionen, die die Unabhängigkeit der Justiz erhöhen würden, wurde jedoch beibehalten. Dies führte zu Skepsis hinsichtlich der tatsächlichen Bedeutung der Reform (FH 28.1.2015a).

Das neue Gesetz sieht allerdings vor, dass „Staatsicherheit gefährdende“ Verdächtige an einem „designierten Ort“ bis zu 6 Monate unter „Hausarrest“ gestellt werden können. Die Familie muss zwar formell innerhalb von 24 Stunden über die Festnahme informiert werden, nicht jedoch über den Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort. Dieser Aufenthaltsort könnte auch außerhalb offizieller Einrichtungen sein. Rechtsexperten sehen darin eine signifikante Ausweitung der Polizeimacht, denn es ist zu befürchten, dass es an diesen geheimen Orten weiterhin zu Folterhandlungen kommen könnte (ÖB 11.2014, vgl. FH 23.1.2014a, AI 23.5.2013). Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen „konterrevolutionären Straftaten“ abgeschafft und im Wesentlichen durch Tatbestände der „Straftaten, die die Sicherheit des Staates gefährden“ (Art. 102-114 chin. StG) ersetzt. Danach können vor allem Personen bestraft werden, die einen politischen Umsturz/Separatismus anstreben oder das Ansehen der VR China beeinträchtigen. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf (AA 15.10.2014). Der Vorwurf der „Gefährdung der Staatssicherheit“ oder des „Terrorismus“ sind vage Begriffe, die oft als Vorwand von Maßnahmen gegen Dissidenten verwendet werden; jährlich werden ca. 1.000 Personen wegen des Verdachts auf „Gefährdung der Staatssicherheit“ festgehalten (ÖB 11.2014, vgl. FH 23.1.2014a, AI 23.5.2013). Häufig wurden Anklagen wegen „Gefährdung der Staatssicherheit“, „Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt“ oder „Preisgabe von Staatsgeheimnissen“ erhoben und langjährige Gefängnisstrafen gegen Personen verhängt, weil sie Internetblogs veröffentlicht oder als sensibel eingestufte Informationen ins Ausland weitergeleitet hatten. Der Staat benutzt somit das Strafrechtssystem dazu, seine Kritiker zu bestrafen (AI 23.5.2013). Prozesse, bei denen die Anklage auf Terrorismus oder „Verrat von „Staatsgeheimnissen“ lautet, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Was ein Staatsgeheimnis ist, kann nach chinesischer Gesetzeslage auch rückwirkend festgelegt werden. Angeklagte werden in diesen Prozessen weiterhin in erheblichem Umfang bei der Wahrnehmung ihrer Rechte beschränkt. U.a. wird dem Beschuldigten meist nicht erlaubt, einen Verteidiger seiner Wahl zu beauftragen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird ihm vom Gericht überhaupt ein Verteidiger bestellt (AA 15.10.2014).

Rechtsanwälte, die in kontroversen Fällen tätig wurden, mussten mit Drangsalierungen und Drohungen seitens der Behörden rechnen, und in einigen Fällen wurde ihnen die weitere berufliche Tätigkeit verboten. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Zugang der Bürger zu einem gerechten Gerichtsverfahren sehr stark eingeschränkt war. Verstöße gegen das Recht von Angeklagten auf ein faires Gerichtsverfahren und gegen andere ihrer Rechte waren gängige Praxis, darunter der verwehrte Zugang zu Anwälten und Familienangehörigen, Inhaftierungen über die rechtlich zulässige Zeitdauer hinaus, sowie Folter und Misshandlung in Gewahrsam (AI 23.5.2013; vgl. FH 23.1.2014a).

Die wachsende Anzahl von Bürgerrechtsanwälten war auch 2014 weiterhin mit Beschränkungen und körperlichen Angriffen konfrontiert. Anwälte wurden daran gehindert, ihre Klienten zu sehen, geschlagen und in einigen Fällen sogar festgehalten und gefoltert (FH 28.1.2015a).

Willkürliche Verhaftungen oder Hausarrest („soft detention“) ohne gerichtliche Verfahren kommen häufig vor. Personen werden oft über lange Zeit hinweg in ihrer eigenen Wohnung oder an anderen Orten ohne Zugang zur Außenwelt festgesetzt (AA 15.10.2014).

Der Nationale Volkskongress schaffte Chinas berüchtigtes System der "Umerziehung durch Arbeit" im Dezember 2013 offiziell ab. In der Folge griffen die Behörden ausgiebig auf andere Formen der willkürlichen Inhaftierung zurück, wie z.B. Schulungseinrichtungen für Rechtserziehung, verschiedene Arten der Administrativhaft, geheime „black jails“ und rechtswidrigen Hausarrest. Darüber hinaus benutzte die Polizei häufig vage Anklagen wie "Streitsucht und Unruhestiftung" oder "Störung der Ordnung in der Öffentlichkeit", um politisch engagierte Bürger für Zeiträume von bis zu 37 Tagen willkürlich in Haft zu nehmen. KPCh-Mitglieder, die unter Korruptionsverdacht standen, wurden im Rahmen des geheimen Disziplinarsystems shuanggui ("doppelte Festlegung") ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand und ihren Familien in Gewahrsam gehalten (AI 25.2.2015, vgl. ÖB 11.2014).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (15.10.2014): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

-        AI - Amnesty International (23.5.2013): Annual Report 2013 - China, http://www.refworld.org/docid/519f51a96b.html

-        AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - China, http://www.ecoi.net/local_link/297304/434266_de.html

-        FH – Freedom House (23.1.2014a): Freedom in the World 2014 – China, http://www.ecoi.net/local_link/268012/395593_de.html

-        FH – Freedom House (28.1.2015a): Freedom in the World 2015 – China, http://www.ecoi.net/local_link/295269/430276_de.html

-        HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - China, http://www.ecoi.net/local_link/267710/395073_de.html

-        ÖB Peking (11.2014): Asylländerbericht Volksrepublik China

Sicherheitsbehörden

Zivile Behörden behielten die Kontrolle über Militär- und Sicherheitskräfte bei (USDOS 25.6.2015). Die KPCh kontrolliert und leitet die Sicherheitskräfte auf allen Ebenen. 2013 dehnte die Partei ihren Apparat zur „Stabilitätserhaltung“, mit dem Recht und Ordnung erhalten werden soll, allerdings auch friedlicher Protest unterdrückt und die Bevölkerung überwacht wird, weiterhin aus (FH 23.1.2014a). Die Zentrale Militärkommission (ZMK) der Partei leitet die Streitkräfte des Landes. Nach dem Gesetz zur Landesverteidigung von 1997 sind die Streitkräfte nicht dem Staatsrat, sondern der Partei unterstellt (AA 4.2015a).

Für die innere Sicherheit sind zuständig: 

(1) Polizei und Staatsanwaltschaften, die Rechtsverstöße des Normalbürgers verfolgen;

(2) Disziplinar-Kontrollkommission der KPCh, die gegen Verstöße von KP-Mitgliedern einschreitet;

(3) Einheiten des Ministeriums für Verwaltungskontrolle, die fu?r Pflichtverletzungen im Amt zuständig sind (AA 15.10.2014).

Für den Bereich der Gefahrenabwehr ist primär das dem Staatsrat unterstehende Ministerium für Öffentliche Sicherheit (MfÖS) mit seinen Polizeikräften verantwortlich, das daneben auch noch für Strafverfolgung zuständig ist und in Teilbereichen mit nachrichtendienstlichen Mitteln arbeitet. Aufgaben der Polizei sind sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Strafverfolgung, bei der ihr u.a. die Anordnung von Administrativhaft als Zwangsmaßnahme zur Verfügung steht. Im Bereich der Strafverfolgung ist sie für die Durchführung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren originär zuständig. Bei Delikten, die von Polizisten aufgrund ihrer Amtsstellung begangen werden können, ermittelt die Staatsanwaltschaft selbst, während sie sonst primär die Tätigkeit der polizeilichen Ermittlungsorgane beaufsichtigt und auf Grundlage deren Empfehlung über die Erhebung der Anklage entscheidet (AA 15.10.2014).

Das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) ist u.a. zuständig für die Auslandsaufklärung sowie für die Überwachung von Auslandschinesen und von Organisationen oder Gruppierungen, welche die Sicherheit der VR China beeinträchtigen könnten. Es überwacht die Opposition im eigenen Land, betreibt aber auch Spionageabwehr und beobachtet hierbei vielfach auch die Kontakte zwischen ausländischen Journalisten und chinesischen Bürgern. Darüber hinaus verfügen auch die Streitkräfte über einen eigenen, sorgfältig durchstrukturierten Nachrichtendienst, die 2. Hauptverwaltung im Generalstab, die sich in Konkurrenz zum MSS und MfÖS sieht. Die elektronische Aufklärung wird vornehmlich durch die 3. Hauptverwaltung im Generalstab wahrgenommen. Zudem sind viele Arbeitseinheiten parallel mit der Beschaffung von Informationen bzw. mit Überwachungsaufgaben von in- und ausländischen Bürgern befasst. Vor allem das Internationale Verbindungsbüro unter der politischen 1. Hauptverwaltung des Generalstabs ist zuständig für Informationen aus dem Ausland, für die Entsendung von Agenten in Auslandseinsätze, meist unter diplomatischer „Tarnung“, und für die Überwachung des eigenen diplomatischen Personals. Zahlreiche „Think tanks“ sind für die Beschaffung von Auslandsinformationen zuständig (AA 15.10.2014).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (15.10.2014): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

-        AA - Auswärtiges Amt (4.2015a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5

-        Freedom House (23.1.2014a): Freedom in the World 2014 – China, http://www.ecoi.net/local_link/268012/395593_de.html

-        USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Reports on Human Rights Practices 2014 - China, http://www.ecoi.net/local_link/306284/443559_de.html

Folter und unmenschliche Behandlung

China ratifizierte 1988 die VN-Konvention gegen Folter. Nach Art. 247 und 248 StGB wird Folter zur Erzwingung eines Geständnisses oder zu anderen Zwecken in schweren Fällen mit einer Strafe von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen mit bis zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe oder Todesstrafe geahndet (AA 15.10.2014).

In den letzten Jahren wurden einige Verordnungen erlassen, die formell einen besseren Schutz vor Folter für Tatverdächtige im Ermittlungsverfahren bieten sollen. Die letzte Strafprozessnovelle (in Kraft mit 1.1.2013) sah einige Verbesserungen vor. Ein großes Problem bleibt jedoch die mangelnde Umsetzung dieser Rechtsinstrumente, die Sicherheitsbehörden genießen weiterhin auch aufgrund des Mangels an Kontrolle und Transparenz einen großen Handlungsspielraum. Im Jänner 2014 wurden die Umerziehungslager durch Arbeit (Reeducation through Labour) offiziell abgeschafft. Unklar ist jedoch, inwieweit die Lager durch Lager für Drogensüchtige oder die sogenannten „Community correction“ Zentren ersetzt wurden. Die ohne gesetzliche Basis operierenden „Custody and Education“ Zentren für Prostituierte bestehen jedenfalls weiter. Illegale Haftanstalten („black jails“) sind darüber hinaus weiterhin landesweit in Verwendung, besonders für die Festhaltung von unliebsamen Petitionären (ÖB 11.2014).

Das revidierte Strafverfahrensrecht schließt die Verwendung unter Folter oder anderweitig mit illegalen Mitteln zustande gekommener Geständnisse und Zeugenaussagen (neuer Art. 53) und illegal erlangter Beweismittel (Art. 54) im Strafprozess ausdrücklich aus. Folter soll in der Untersuchungshaft häufiger vorkommen als in regulären Gefängnissen (AA 15.10.2014). Die Anwendung von Folter zur Erzwingung von Geständnissen ist nach wie vor weit verbreitet (AI 25.2.2015, vgl. FH 28.1.2015a). Straffreiheit ist die Normalität, auch für verdächtige Todesfälle in Gefängnissen (FH 28.1.2015a). Soweit die chinesische Regierung und die staatlich gelenkte

Presse Folterfälle einräumen, stellen sie diese als vereinzelte Übergriffe „unterer Amtsträger“ dar, gegen die man energisch vorgehe (AA 15.10.2014).

In einem seltenen Fall bestätigte ein Berufungsgericht in Harbin, Provinz Heilongjiang, im August 2014 die Schuldsprüche gegen vier Personen wegen Folter. Sie waren zusammen mit drei anderen Personen von einem Gericht der ersten Instanz für schuldig befunden worden, im März 2013 mehrere Straftatverdächtige gefoltert zu haben. Die Täter erhielten Haftstrafen von einem bis zu zweieinhalb Jahren. Nur drei der sieben Personen waren Polizeibeamte; bei den übrigen handelte es sich um "Sonderinformanten" - gewöhnliche Bürger, die der Polizei bei der Aufklärung von Straftaten "behilflich" sein sollen. Eines der Opfer, das mit Elektroschocks traktiert und mit einem Schuh geschlagen wurde, starb in der Haft an den Folgen der Folter (AI 25.2.2015).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (15.10.2014): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

-        AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - China, http://www.ecoi.net/local_link/297304/434266_de.html, Zugriff 20.8.2015

-        FH – Freedom House (28.1.2015a): Freedom in the World 2015 – China, http://www.ecoi.net/local_link/295269/430276_de.html, Zugriff 20.8.2015

-        ÖB Peking (11.2014): Asylländerbericht Volksrepublik China

Korruption

Bei der Polizei auf lokaler Ebene ist Korruption weit verbreitet, auch die Justiz wird durch Korruption beeinflusst. Es gibt Strafen für Korruption, doch dieses Gesetz wird nicht konsequent und transparent umgesetzt (USDOS 25.6.2015, vgl. FH 28.1.2015a)

Das Vierte Plenum des 18. Zentralkomitees der KPCh, welches von 20. – 23-10.2014 unter dem Motto „yi fa zhi guo“, wörtlich „den Gesetzen entsprechend das Land regieren“ tagte, bekräftigte den harten – und weitgehend außerhalb rechtsstaatlicher Verfahren abgewickelten – Anti-Korruptionskampf (ÖB 11.2014).

2014 erreichte eine aggressive Korruptionsbekämpfungskampagne die höchsten Ränge der Partei. Korruption bleibt weit verbreitet, in vielen Fällen auch in stark von der Regierung regulierten Bereichen wie Landnutzungsrechte, Immobilien, Bergbau und Entwicklung der Infrastruktur – die anfällig für Betrug, Bestechung und Schmiergeld sind. Trotz der Bemühungen der Regierung die Korruption zu bekämpfen bleibt diese bestehen. Die Strafverfolgung ist sehr selektiv und undurchsichtig, sodass persönliche Netzwerke und interne Machtkämpfe innerhalb der KPCh die Zielpersonen und Ausgänge beeinflussen. Ein Durchgreifen auf unabhängige Korruptionsbekämpfungsaktivisten und Repressalien gegen ausländische Medien bei Untersuchungen des Einflusses von Bestechung von hochrangigen Beamtenfamilien haben die Effektivität und Legitimität der Kampagne weiter untergraben (FH 28.1.2015a). Im Jahr 2013 langten bei der Zentralen Kommission für Disziplinaruntersuchungen 1,95 Millionen Korruptionsvorwürfe ein, 172.532 Fälle wurden untersucht und 182.038 Disziplinarverfahren verhängt (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

-        FH – Freedom House (28.1.2015a): Freedom in the World 2015 – China, http://www.ecoi.net/local_link/295269/430276_de.html

-        USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Reports on Human Rights Practices 2014 - China, http://www.ecoi.net/local_link/306284/443559_de.html

-        ÖB Peking (11.2014): Asylländerbericht Volksrepublik China

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechtslage in China bietet weiterhin ein zwiespältiges und trotz aller Fortschritte im Ergebnis negatives Bild. 2004 wurde der Begriff „Menschenrechte“ in die Verfassung aufgenommen, die individuellen Freiräume der Bürger in Wirtschaft und Gesellschaft wurden in den letzten Jahren erheblich erweitert. Andererseits bleiben die Wahrung der inneren Stabilität und der Machterhalt der KPCh oberste Prämisse und rote Linie. Vor diesem Hintergrund geht die chinesische Führung kompromisslos gegen jene vor, die als Bedrohung dieser Prioritäten angesehen werden, wie z. B. regierungskritische Schriftsteller, Blogger, Bürgerrechtsaktivisten, Menschenrechtsanwälte, Petitionäre oder Mitglieder nicht anerkannter Religionsgemeinschaften (Falun Gong, Hauskirchen etc). Nach dem Führungswechsel im März 2013 hat sich das Klima für Menschenrechtsverteidiger und regierungskritische Personen, die politische Reformen fordern, deutlich verschärft. Kritische Intellektuelle, Journalisten und Blogger, die sich zu Themen äußern, die die chinesische Führung als sensibel ansieht, werden unter Druck gesetzt, bedroht und inhaftiert. Zahlreiche Dissidenten und Aktivisten befinden sich wegen kritischer Äußerungen in Haft (AA 15.10.2014).

Politische Opposition ist in der VR China strafbar (Straftatbestand der „Staatsgefährdung“), unabhängige Gewerkschaftsgründung verboten, Presse- und Meinungsfreiheit nach wie vor stark eingeschränkt. Weiterhin befinden sich unzählige DissidentInnen in Arbeitslagern oder psychiatrischen Kliniken. Internetzensur ist nicht nur bei Diskussionen über Demokratie oder Freiheit an der Tagesordnung (ÖB 11.2014).

Nicht zuletzt dank der modernen Kommunikationsmittel entsteht eine über ihre Rechte zunehmend besser informierte Öffentlichkeit, die bereit ist, diese Rechte zu verteidigen, und willkürliches Handeln der staatlichen Organe nicht länger unwidersprochen hinnehmen will. Massenproteste mit sozialpolitischem Hintergrund – insbesondere gegen illegale Landnahme, unzureichende oder vorenthaltene Kompensationen bei Umsiedlungen, gewaltsamen Abriss von Häusern, Umweltkonflikte und Korruption – nehmen zu (AA 15.10.2014). Die chinesische Gesellschaft hat durch die soziale Dynamik, die durch die wirtschaftlichen Reformen ausgelöst wurde, in den letzten drei Jahrzehnten insgesamt an Offenheit gewonnen. Die Lebensbedingungen haben sich für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung deutlich verbessert und erlauben im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich ein höheres Maß an persönlicher Freiheit. Die Führung unternimmt Anstrengungen, das Rechtssystem auszubauen. Dem steht jedoch weiterhin der Anspruch der Kommunistischen Partei auf ungeteilte Macht gegenüber. Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden ausdrücklich abgelehnt. Von der Verwirklichung rechtsstaatlicher Normen und einem Verfassungsstaat ist China noch weit entfernt. Im Alltag sind viele Chinesen weiterhin mit Willkür und Rechtlosigkeit konfrontiert, neben sozialer Not eine der Hauptquellen von Unzufriedenheit in der chinesischen Gesellschaft (AA 4.2015a). Die Volksrepublik China erkennt de jure die grundlegenden Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte an. Sie gehört einer Reihe von VN-Übereinkünften zum Schutz der Menschenrechte an und hat den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zwar 1998 gezeichnet, allerdings bis heute nicht ratifiziert. Am 27.3.2010 hat die Volksrepublik den VN-Wirtschafts- und Sozialpakt ratifiziert, allerdings zum Recht auf die Bildung freier Gewerkschaften einen Vorbehalt eingelegt. Unabhängige Gewerkschaften sind nicht zugelassen (AA 4.2015a).

Es gibt weiterhin besorgniserregende Verletzungen rechtsstaatlicher Mindeststandards in ganz China. So gibt es immer noch Strafverfolgung aus politischen Gründen, Administrativhaft (Haftstrafe ohne Gerichtsurteil), Verletzung von allgemeinen Verfahrensgarantien im Strafverfahren (z.B. Unschuldsvermutung), sehr häufige Verhängung der Todesstrafe sowie Fälle von Misshandlungen und Folter. Daneben gibt es das Bekenntnis der Regierung zu einem an Recht und Gesetz ausgerichteten sozialen Regierungshandeln und vermehrt Reformbemühungen im Rechtsbereich, so beispielsweise beim 4. Plenum des Zentralkomitees der KPCh im Oktober 2014. Im Januar 2013 ist eine umfassende Revision des Strafprozessrechts in Kraft getreten. Ende 2013 wurde die Abschaffung der seit den 1950er Jahren existierenden Umerziehungslager („Reform durch Arbeit“) beschlossen; viele dieser Lager sowie andere Formen der Lagerhaft bestehen allerdings fort (AA 4.2015a).

Presse-, Meinungs- und Religionsfreiheit sind stark eingeschränkt. Das öffentliche Infragestellen des Machtmonopols der Kommunistischen Partei Chinas wird weiterhin hart geahndet. Menschenrechtsverteidiger sind starken Repressionen ausgesetzt. China geht mit besonderer Härte auch gegen Forderungen nach Unabhängigkeit oder größerer Autonomie, besonders in Tibet und Xinjiang vor. Die heutige chinesische Gesellschaft ermöglicht freie Meinungsäußerung im privaten Bereich, Mobilität und individuelle beruflich-wirtschaftliche Chancen. Insbesondere sogenannte soziale Medien im Internet haben sich in diesem Zusammenhang - trotz aller Kontrollversuche der chinesischen Regierung - zu besonders wichtigen Kommunikationsträgern entwickelt (AA 3.2014a, vgl. HRW 28.1.2015).

Die chinesische Regierung hat 2014 gezielt das Internet und die Presse weiteren Einschränkungen unterworfen. Alle Medien unterliegen allgegenwärtiger Kontrolle und Zensur. Die Regierung unterhält eine landesweite Internetfirewall, um politisch inakzeptable Informationen zu filtern. Die Behörden haben auch Einschränkungen der Presse verschärft. Die „staatliche Verwaltung für Radio, Film und Fernsehen“ hat im Juli 2014 eine Richtlinie erlassen die verlangt, dass chinesische Journalisten eine Vereinbarung unterzeichnen die besagt, dass sie unveröffentlichte Informationen nicht ohne vorherige Zustimmung ihres Arbeitgebers veröffentlichen. Weiters wird dabei gefordert, dass sie Prüfungen in politischer Ideologie ablegen, bevor sie einen amtlichen Presseausweis ausgestellt bekommen (HRW 28.1.2015).

Kommunalregierungen griffen weiter auf Landverkäufe zur Finanzierung von Projekten der Wirtschaftsförderung zurück, was im ganzen Land zur rechtswidrigen Zwangsräumung von Tausenden Menschen aus ihren Wohnungen oder zur Vertreibung von ihrem Land führte. Rechtswidrige Zwangsräumungen unter Anwendung von Gewalt und ohne Vorankündigung waren weit verbreitet. Ihnen gingen oftmals Drohungen und Drangsalierungen voraus. Eine Konsultierung der betroffenen Einwohner fand nur selten statt. Entschädigungen, angemessene Ersatzwohnungen und der Zugang zu Rechtsbehelfen waren stark eingeschränkt. In vielen Fällen schlossen korrupte Dorfvorsteher Verträge mit privaten Bauunternehmen und übertrugen ihnen die Nutzungsrechte für Grund und Boden, ohne dass die dortigen Bewohner darüber unterrichtet wurden (AI 23.5.2013).

Wegen der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz wählen viele Betroffene von Beho?rdenwillku?r den Weg der Petition bei einer übergeordneten Behörde, z.B. Provinz- oder Zentralregierung. Petitionen von Bürgern gegen Rechtsbrüche lokaler Kader in den Provinzen nehmen zu. Allein in Peking versammeln sich täglich Hunderte von Petenten vor den Toren des staatlichen Petitionsamts, um ihre Beschwerde vorzutragen. Chinesischen Zeitungsberichten zufolge werden pro Jahr landesweit ca. 10 Mio. Eingaben eingereicht (AA 15.10.2014, vgl. AI 23.5.2013). Das Petitionswesen kann die Missstände allerdings nicht lösen. Dazu kommt, dass zahlreiche Petenten, aus den verschiedenen Provinzen, die die örtliche Politik bei der Pekinger Zentralregierung anprangern, über die Verbindungsbu?ros ihrer jeweiligen Heimatprovinzen denunziert, häufig von Schlägertrupps im Auftrag der Provinzregierungen aufgespürt und in Ihre Heimatregionen zurückgebracht oder zur Rückkehr gezwungen werden. Als Sanktion für ihr Verhalten werden viele anschließend in ein Lager für „Umerziehung durch Arbeit“, eine psychiatrische Anstalt oder ein illegales Gefängnis („black jail“) eingewiesen (AA 15.10.2014, vgl. FH 28.1.2015a).

Nicht zuletzt dank der modernen Kommunikationsmittel entsteht allerdings eine über ihre Rechte zunehmend besser informierte Öffentlichkeit, die bereit ist, diese Rechte zu verteidigen und willkürliches Handeln der staatlichen Organe nicht länger unwidersprochen hinnehmen will. Massenproteste mit sozialpolitischem Hintergrund – insbesondere gegen illegale Landnahme, unzureichende oder vorenthaltene Kompensationen bei Umsiedlungen, gewaltsamen Abriss von Häusern, Umweltkonflikte und Korruption – nehmen zu. Dabei sind Internet und soziale Netzwerke zu machtvollen Sprachrohren von Frustrationswellen geworden, die Partei und Regierung immer stärker herausfordern. Ungeachtet der strengen und engmaschigen Kontrolle des Internet ist eine zunehmende Unterstützung der chinesischen Öffentlichkeit im Internet für soziale und politische Anliegen zu beobachten, die unter kreativer Umgehung der Zensur über Blogs und Mikroblog-Netzwerke genährt wird (AA 15.10.2014, vgl. FH 28.1.2015a).

Die Pressefreiheit bleibt in China weiter sehr eingeschränkt. Journalisten, Blogger und Intellektuelle werden regelmäßig bedroht und sogar verhaftet. Die chinesischen Festlandmedien sind politisch gleichgeschaltet. CNN und BBC werden bei China betreffenden Meldungen sensiblen Inhalts in der Regel abgeschaltet, Internetseiten wie Facebook, Twitter und YouTube sind dauerhaft gesperrt. Inhalte mit sensiblen Schlüsselwörter wie „4. Juni“, „Ägypten/Libyen Aufstand“, „Jasminrevolution“ oder „Nobelpreis“ werden ebenfalls geblockt (ÖB 11.2014).

Laut Mitteilung des Ministeriums für öffentliche Sicherheit hat die Polizei landesweit 15.000 Menschen festgenommen, die angeblich in Verbindung mit Onlinekriminalität stehen. Auf welchen Zeitraum sich die Festnahmen beziehen, ist unklar. Anfang Juli 2015 hat Chinas Parlament ein neues Sicherheitsgesetz verabschiedet, das der Polizei im Internet noch weitreichendere Durchgriffsmöglichkeiten als bisher einräumt. Das Gesetz ermächtigt die Ermittler zu "allen notwendigen Maßnahmen", um die Sicherheit im Internet zu gewährleisten (Die Presse 19.8.2015).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (15.10.2014): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

-        AA - Auswärtiges Amt (4.2015a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5

-        AI - Amnesty International (23.5.2013): Annual Report 2013 - China, http://www.refworld.org/docid/519f51a96b.html

-        Die Presse (19.8.2015): China: Polizei nimmt 15.000 Menschen wegen “Internetverbrechen” fest, http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4802149/China_15000-Festnahmen-wegen-Internetverbrechen

-        FH – Freedom House (28.1.2015a): Freedom in the World 2015 – China, http://www.ecoi.net/local_link/295269/430276_de.html

-        HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - China, http://www.ecoi.net/local_link/295449/430481_de.html

-        ÖB Peking (11.2014): Asylländerbericht Volksrepublik China

Haftbedingungen

Es wird geschätzt, dass 3-5 Millionen Menschen in Hafteinrichtungen einsitzen. Die Haftbedingungen sind im Allgemeinen hart, mit unzureichender Ernährung, regelmäßigen Misshandlungen und Entzug von medizinischer Hilfe (FH 28.1.2015a). Misshandlungen von Gefangenen durch Strafvollzugs- und Sicherheitsorgane werden selbst von staatlichen Stellen eingeräumt. Diese, zusammen mit zum Teil schwierigen Haftbedingungen, führen bei den Gefangenen nicht selten zu gesundheitlichen Schwierigkeiten. Neben der Freiheitsstrafe existieren verschiedene Formen freiheitsentziehender Maßnahmen als sogenannte Administrativhaft: „Haft zur Erziehung“ (shourong jiaoyu), „Haft zur Umerziehung“ und „Zwangsmäßige Drogenrehabilitation in Isolation“. Sie zielen häufig auf Prostituierte und Drogenabhängige, aber auch politisch missliebige Personen (z.B. Anti- Falun-Gong-Kampagne) ab. Im Zusammenhang mit verwaltungsstrafrechtlich bewehrten rechtswidrigen Handlungen kann die Polizei zudem „Verwaltungsstrafen“ verhängen. Diese Strafen reichen von Ermahnungen über Geldbußen bis hin zu einer „Verwaltungshaft“ (ohne richterliche Entscheidung) von bis zu 15 Tagen. Der Aufenthalt in den offiziell nicht existenten “black jails“ kann zwischen wenigen Tagen und in einigen Fällen langjährigen Haftaufenthalten variieren. Das umstrittene System der „Umerziehung durch Arbeit“ („laojiao“) wurde aufgrund entsprechender Beschlüsse des 3. Plenums des Zentralkomitees im November 2013 offiziell am 28. Dezember 2013 abgeschafft. Es ist derzeit unklar, ob die betroffenen Fälle in ein ordentliches gerichtliches Verfahren überführt werden. Es liegen Erkenntnisse vor, wonach diese Haftanstalten lediglich umbenannt wurden, etwa in Lager für Drogenrehabilitation, rechtliche Erziehungszentren oder diese als illegale Gefängnisse weiter genutzt werden. Bereits durch das seit Juni 2008 in Kraft getretene „Anti-Drogengesetz“, nach welchem Drogenabhängige nicht mehr durch Laojiao, sondern durch die „Zwangsrehabilitierung in Isolation“ bestraft wurden, war die Zahl der (offiziell) in Laojiao befindlichen Personen stark zurückgegangen. Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass diese Maßnahmen weder Rehabilitierungs-/Entzugshilfe bieten noch der Resozialisierung der Drogenabhängigen dienen. Vielmehr stehen der Freiheitsentzug und die Verrichtung unbezahlter Arbeit im Vordergrund. Zugleich haben nach offiziellen Angaben seit der landesweiten Einführung 2009 ca. 1,67 Mio. Menschen an so genannten „Community Correction Programs“ teilgenommen (Stand: Oktober 2013). In diesen Programmen sollen primär verurteilte Straftäter in einem sozialen Umfeld wieder an die Gesellschaft herangeführt werden, u.a. durch „freiwillige“ Arbeit (AA 15.10.2014).

Im Mai 2013 trat das neue „Mental Health Law“ in Kraft. Psychiatrische Einweisungen als Bestrafung zu verwenden oder Behandlungen an Menschen ohne geistige Krankheiten sind demnach illegal und es werden für solche Praktiken auch Strafen festgelegt. Die Definitionen für die Voraussetzung für eine Einweisung - „schwere geistige Krankheit“ und „Gefahr für sich selbst oder andere“ - bleiben vage, sodass die Wahrscheinlichkeit für breitere Interpretationen bleibt. Das Gesetz bringt allerdings die Debatte um unrechtmäßige Verwahrung in psychiatrischen Anstalten vorwärts (Psychiatry online 1.6.2013). Missbräuchliche Einweisungen politisch missliebiger Personen (vor allem Petenten oder Dissidenten) in psychiatrische Anstalten ohne faires Gerichtsverfahren oder aufgrund falscher oder gefälschter medizinischer Gutachten kommen weiterhin vor (AA 15.10.2014). Die Polizei kann in solchen Anstalten Personen nach eigenem Gutdünken ohne zeitliche Begrenzungen festhalten (ÖB 11.2014).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (15.10.2014): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

-        FH – Freedom House (28.1.2015a): Freedom in the World 2015 – China, http://www.ecoi.net/local_link/295269/430276_de.html, Zugriff 20.8.2015

-        ÖB Peking (11.2014): Asylländerbericht Volksrepublik China

-        Psychiatry online (1.6.2013) China’s New Mental Health Law: Reframing Involuntary Treatment, http://ajp.psychiatryonline.org/article.aspx?articleID=1682419, Zugriff 20.8.2015

Todesstrafe

China führt weiterhin weltweit in der Anzahl der Hinrichtungen. Die Zahl der jährlichen Exekutionen ist ein Staatsgeheimnis, Experten zufolge wurde die Zahl 2013 und 2014 auf jeweils 2.400 jährlich geschätzt (FH 28.1.2015a).

Es gibt Anzeichen, dass China sich langsam in Richtung auf eine Verminderung der Anwendung der Kapitalstrafe bewegt. Da seit 2006 der Oberste Volksgerichtshof jede verhängte Todesstrafe bestätigen muss, gab es vermutlich einen signifikanten Rückgang der Hinrichtungen. China richtet dennoch heute jährlich mehr Menschen hin als alle anderen Länder zusammen. Obwohl die Regierung betont, dass die überwiegende Mehrheit der ChinesInnen für die Beibehaltung der Todesstrafe wäre, gibt es eine offene Debatte zur Anwendung der Todesstrafe, die in den vergangenen Jahren zu positiven Reformen geführt hat. Durch die verstärkte Praxis der außergerichtlichen Mediation, bei der der Mörder die Familie des Todesopfers finanziell entschädigen kann, konnten ebenfalls einige Todesurteile abgewendet werden. Im Jahr 2011 wurden 13 Verbrechen ohne Gewaltbezug (für die ohnehin nie die Kapitalstrafe angewendet wurde), von der Liste der mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechen gestrichen. Menschen im Alter von über 75 Jahren werden, außer bei besonders grausamen Verbrechen, nicht mehr hingerichtet. Das Vierte Plenum des 18. ZK beschloss im Oktober 2014 die Streichung weiterer 9 Verbrechen ohne Gewalttaten. Die Todesstrafe wird in letzter Zeit verstärkt gegen des Terrorismus beschuldigte Uiguren verhängt, teilweise in Massenverfahren ohne Transparenz (ÖB 11.2014).

Angesichts der Tatsache, dass rd. 90% der Todesurteile in China für schwere Verbrechen wie Mord, Raubmord, Vergewaltigung oder Drogenschmuggel verhängt werden, wird die Beschränkung der Todesstrafe absehbar nicht zu signifikant weniger Todesurteilen in China führen. Todesurteile werden entweder zur sofortigen Vollstreckung oder mit zweijährigem Vollstreckungsaufschub verhängt. In letzterem Fall werden die Urteile nach Ablauf der Frist, falls sich der Delinquent in dieser Zeit straffrei verhalten hat, regelmäßig in lebenslange Strafen umgewandelt (AA 15.10.2014, vgl. FH 28.1.2015a).

Quellen:

-        Auswärtiges Amt (15.10.2014): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

-        FH – Freedom House (28.1.2015a): Freedom in the World 2015 – China, http://www.ecoi.net/local_link/295269/430276_de.html, Zugriff 20.8.2015

-        ÖB Peking (11.2014): Asylländerbericht Volksrepublik China

[….]

Ethnische Minderheiten

Angehörige der 55 nationalen Minderheiten machen insgesamt nur etwa 8% der Bevölkerung der VR China aus, bewohnen jedoch knapp die Hälfte des Staatsgebietes. Der größte Teil lebt in den fünf Autonomen Regionen (Provinzstatus). Art. 4 der Verfassung verankert die Gleichheit aller Nationalitäten in der VR China. Er garantiert die Benutzung ihrer Sprache in Wort und Schrift sowie den Erhalt ihrer Sitten und Gebräuche. Eine Diskriminierung und Unterdrückung ist verboten. Minderheiten kommen in den Genuss diverser positiv diskriminierender Bestimmungen (Quoten bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst, Befreiung von der Ein-Kind-Politik, vereinfachter Universitätszugang etc.). Zugleich ist der Staat zur Beschleunigung der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung von Minderheitengebieten verpflichtet (AA 15.10.2014). Jedoch bleiben der Inhalt und die Umsetzung der Minderheitenpolitik schwach, und Diskriminierung von Minderheiten weit verbreitet (USDOS 28.6.2015). Kerninteressen der Staats- und Parteiführung sind Stabilität sowie territoriale Integrität und nationale Einheit Chinas. Daher sieht man sich zur Beschleunigung der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung von Minderheitengebieten verpflichtet. Zur Stabilitätswahrung hat die chinesische Regierung umfangreiche Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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