TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/24 W183 2234085-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.09.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

24.09.2020

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W183 2234085-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.07.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. Folge gegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer verließ im Jahr 2019 Syrien, stellte am 11.09.2019 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 30.09.2019 und 09.03.2020 wurde der Beschwerdeführer von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.

Im behördlichen Verfahren gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass er den Wehrdienst nicht ableisten sowie nicht an Kriegshandlungen teilnehmen wolle. Er habe aufgrund seines Studiums bis 2013 einen Aufschub erhalten, danach jedoch nicht mehr. Er habe Syrien illegal verlassen und besitze keinen Reisepass.

Im Rahmen des Administrativverfahrens legte der Beschwerdeführer einen auf ihn lautenden, syrischen Personalausweis vor, der laut Untersuchungsbericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich authentisch ist, sowie sein Militärdienstbuch.

2.       Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 22.07.2020) wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Unter einem wurde diesem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es habe zum Zeitpunkt der Ausreise des Beschwerdeführers keine Rekrutierungsabsicht seitens des syrischen Militärs vorgelegen und sei nichts festzustellen gewesen, wonach der Beschwerdeführer durch seine Ausreise als politischer Gegner für das syrische Regime gelten solle. Ausdrücklich festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer in Syrien keinen Militärdienst abgeleistet habe, ihm ein Aufschub bis 31.12.2013 gewährt worden war, und er gesund und arbeitsfähig sei. Weiters wurde ausdrücklich festgestellt, dass eine inzwischen vorliegende Einberufungsabsicht des syrischen Regimes nicht ausgeschlossen werden könne.

Das BFA stellte dem Beschwerdeführer amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

3.       Mit Schriftsatz vom 12.08.2020 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer verweigere den Wehrdienst und drohe ihm aufgrund seines wehrfähigen Alters in Syrien eine Zwangsrekrutierung.

4.       Mit Schriftsatz vom 13.08.2020 (eingelangt am 17.08.2020) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Am 24.09.2020 wurde eine Strafregisterabfrage durchgeführt. Einsicht genommen wurde in Bescheid, Aktenvermerk und Einvernahme des in Österreich aufhältigen Bruders des Beschwerdeführers, XXXX , geb. XXXX 1981, dem mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2015, Zl. XXXX , der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sowie in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Akten der in Österreich aufhältigen Brüder des Beschwerdeführers, XXXX , geb. XXXX 1990, zur Zl. XXXX , und XXXX , geb. XXXX 2002, zur Zl. XXXX , denen jeweils mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger syrischer Staatsangehöriger, dessen Identität feststeht, der in Österreich strafgerichtlich unbescholten ist und der keinen Asylausschlussgrund gesetzt hat.

Der Beschwerdeführer ist im Juli 2019 rechtswidrig aus Syrien ausgereist; er ist nicht im Besitz eines syrischen Reisepasses.

1.2.    Zum Fluchtvorbringen

Der Beschwerdeführer ist wehrdienstpflichtig, er hat seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet und ist von diesem nicht befreit. Seine Pflicht zur Ableistung des Wehrdienstes war aufgrund seines Studiums bis 31.12.2013 aufgeschoben, seitdem jedoch nicht mehr. Er befindet sich in einem Alter und Gesundheitszustand, der ihn als Soldaten für die syrische Armee interessant macht.

Drei Brüder des Beschwerdeführers namens XXXX , geb. XXXX 1981, XXXX , geb. XXXX 2002, und XXXX , geb. XXXX 1990, befinden sich in Österreich, sie haben Syrien verlassen, um sich dem Militärdienst zu entziehen und wurde diesen auch aus diesem Grund in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Der Beschwerdeführer könnte nur über die Grenzübergänge, die in der Hand des syrischen Regimes sind (wie jene zum Libanon oder über den Flughafen von Damaskus), sicher und legal nach Syrien zurückkehren.

Es besteht das reale Risiko, dass der Beschwerdeführer diesfalls am jeweiligen Grenzkontrollposten verhaftet und dem Dienst als Grundwehrdiener der syrischen Armee zugeführt wird. Der Dienst als Grundwehrdiener ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit dem Zwang zur Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen verbunden, im Falle einer Weigerung würde der Beschwerdeführer zumindest mit einer mit Folter verbundenen Gefängnisstrafe bestraft werden.

Eine solche droht dem Beschwerdeführer aber auch, weil er sich dem Dienst als Grundwehrdiener der syrischen Armee entzogen hat, was vom Regime als Ausdruck einer oppositionellen Gesinnung gesehen wird.

Es besteht zusätzlich das reale Risiko, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr am jeweils frequentierten Grenzübergangsposten verhaftet und zumindest einer mit Folter verbundenen mehrtägigen Anhaltung zugeführt wird, da man diesem als illegal ausgereistem Syrer, dessen Brüder sich dem Militärdienst durch Flucht ins Ausland entzogen haben, eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellen würde und man den Beschwerdeführer zu den Familienangehörigen, die sich dem Militär entzogen haben, befragen würde.

1.3.     Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 13.5.2019 (letzte Aktualisierung eingefügt am 17.10.2019), das auch die belangte Behörde ihrer Entscheidung unterstellt hat, ergibt sich wie folgt:

Zum Wehr- und Reservedienst in den syrischen Streitkräften:

In Syrien besteht für männliche syrische Staatsbürger im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die gesetzliche Pflicht zur Ableistung eines Wehrdienstes von 18 oder 21 Monaten (CIA 3.4.2019; vgl. AA 13.11.2018, FIS 14.12.2018). Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018).

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. (BFA 8.2017)

Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018).

In der Praxis wurde die Altersgrenze erhöht und auch Männer in ihren späten 40ern und frühen 50ern sind gezwungen, Wehr-/Reservedienst zu leisten. Dem Experten zufolge würden jedoch jüngere Männer genauer überwacht, ältere könnten leichter der Rekrutierung entgehen. (FIS 14.12.2018)

Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen. (BFA 8.2017)

Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (TIMEP 6.12.2018), daher ist aktuell ein „Herausfiltern“ von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints weit verbreitet. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht. (FIS 14.12.2018). Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis 27 ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise nach oben angehoben, sodass auch Männer bis zu einem Alter von 55 Jahren eingezogen wurden, bzw. Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen können. Ebenso wurden seit Ausbruch des Konflikts aktive Soldaten auch nach Erfüllung der Wehrpflicht nicht aus dem Wehrdienst entlassen (ÖB 7.2019).

Die Militärpolizei verhaftet in Gebieten unter der Kontrolle der Regierung junge Männer, die für den Wehrdienst gesucht werden. Nachdem die meisten fixen Sicherheitsbarrieren innerhalb der Städte aufgelöst wurden, patrouilliert nun die Militärpolizei durch die Straßen. Diese Patrouillen stoppen junge Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln und durchsuchen Wohnungen von gesuchten Personen (SHRC 24.1.2019).

Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren Vergeltungsmaßnahmen wie Unterdrucksetzung und Inhaftierung ausgesetzt waren (TIMEP 6.12.2018). (LIB, S. 40 ff).

Zu Befreiung und Aufschub:

Nur der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Regierungsangestellte können vom Wehrdienst befreit werden oder diesen aufschieben, auch medizinische Gründe können Befreiung oder Aufschub bedingen. Diese Ausnahmen sind theoretisch immer noch als solche definiert, in der Praxis gibt es jedoch mittlerweile mehr Beschränkungen und es ist unklar, wie die entsprechenden Gesetze derzeit umgesetzt werden. (FIS 14.12.2018) Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert (BFA 8.2017; vgl. FIS 14.12.2018). Das Risiko der Willkür ist immer gegeben (BFA 8.2017; vgl. DRC/DIS 8.2017). Seit einer Änderung des Gesetzes über den verpflichtenden Wehrdienst im Juli 2019 ist die Aufschiebung des Militärdienstes jedenfalls nur bis zum Alter von 37 Jahren möglich, zudem kann die Aufschiebung durch Befehl des Oberbefehlshabers beendet werden (ÖB 7.2019) (LIB, S. 43).

Zur Einreise nach Syrien:

Die Einreise nach Syrien mit Ziel des gegenständlichen Herkunftsgebietes ist sicher und aus Sicht des syrischen Regimes legal im Wesentlichen über den Libanon und den Flughafen von Damaskus möglich, die entsprechenden Grenzkontrollstellen befinden sich in der Hand des Regimes (vgl. LIB, S. 69ff).

Zu Wehrdienstverweigerung:

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft (AA 13.11.2018). Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen, sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab (Landinfo 3.1.2018). Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen „terroristische“ Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017). (LIB, S 44 f) Die Behörden haben viele Personen, die im Rahmen von früheren Amnestien freigelassen wurden oder Versöhnungsabkommen mit der Regierung unterzeichnet hatten, später erneut inhaftiert (USDOS 13.3.2019). (LIB, S. 46).

Schwere Menschenrechtsverletzungen, derer das Regime und seine Verbündeten beschuldigt werden, sind willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten, darunter auch der Einsatz von chemischen Waffen; Massaker und Vergewaltigungen als Kriegstaktik (USDOS 13.3.2019) (LIB, S. 50).

Die Unabhängige Untersuchungskommission der Vereinten Nationen (VN) für Syrien berichtete ebenfalls von außergerichtlichen Hinrichtungen in Gebieten unter Regierungskontrolle. Menschenrechtsorganisationen berichteten von summarischen Hinrichtungen mutmaßlicher Deserteure (AA 13.11.2018). (LIB, S. 53)

Zur Rückkehr:

Gesetz Nr. 18 von 2014 sieht eine Strafverfolgung für illegale Ausreise in der Form von Bußgeldern oder Haftstrafen vor. Entsprechend einem Rundschreiben wurde die Bestrafung für illegale Ausreise jedoch aufgehoben und Grenzbeamte sind angehalten Personen, die illegal ausgereist sind, „bei der Einreise gut zu behandeln“. Einem syrischen General zufolge müssen Personen, die aus dem Ausland zurückkehren möchten, in der entsprechenden syrischen Auslandsvertretung „Versöhnung“ beantragen und unter anderem angeben wie und warum sie das Land verlassen haben und Angaben über Tätigkeiten in der Zeit des Auslandsaufenthaltes etc. machen. Diese Informationen werden an das syrische Außenministerium weitergeleitet, wo eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt wird. Syrer, die über die Landgrenzen einreisen, müssen dem General zufolge dort ein „Versöhnungsformular“ ausfüllen. (DIS 6.2019)

Regierungsfreundliche Medien berichten über die Freude der Rückkehrer, oppositionelle Medien berichten über Inhaftierungen und willkürliche Tötungen von Rückkehrern. Zudem wollen viele Flüchtlinge aus Angst vor Repressionen der Regierung nicht mehr mit Journalisten (TN 10.12.2018) oder sogar mit Verwandten sprechen, nachdem sie nach Syrien zurückgekehrt sind (Syria Direct 16.1.2019; vgl. TN 10.12.2018). Zur Situation von rückkehrenden Flüchtlingen aus Europa gibt es wohl auch aufgrund deren geringen Zahl keine Angaben (ÖB 7.2019).

Die syrische Regierung führt Listen mit Namen von Personen, die als in irgendeiner Form regierungsfeindlich angesehen werden. Die Aufnahme in diese Listen kann aus sehr unterschiedlichen Gründen erfolgen und sogar vollkommen willkürlich sein. Zum Beispiel kann die Behandlung einer Person an einer Kontrollstelle wie einem Checkpoint von unterschiedlichen Faktoren abhängen, darunter die Willkür des Checkpoint-Personals oder praktische Probleme, wie die Namensgleichheit mit einer von der Regierung gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, können unterschiedliche Konsequenzen von Regierungsseite, wie Festnahme und im Zuge dessen auch Folter, riskieren. Zu als oppositionell oder regierungsfeindlich angesehenen Personen gehören einigen Quellen zufolge unter anderem medizinisches Personal, insbesondere wenn die Person diese Tätigkeit in einem von der Regierung belagerten oppositionellen Gebiet ausgeführt hat, Aktivisten und Journalisten, die sich mit ihrer Arbeit gegen die Regierung engagieren und diese offen kritisieren, oder Informationen oder Fotos von Geschehnissen in Syrien wie Angriffe der Regierung verbreitet haben sowie allgemein Personen, die offene Kritik an der Regierung üben. Einer Quelle zufolge kann es sein, dass die Regierung eine Person, deren Vergehen als nicht so schwerwiegend gesehen wird, nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit festnimmt. Ein weiterer Faktor, der die Behandlung an einem Checkpoint beeinflussen kann, ist das Herkunftsgebiet oder der Wohnort einer Person. In einem Ort, der von der Opposition kontrolliert wird oder wurde, zu wohnen oder von dort zu stammen kann den Verdacht des Kontrollpersonals wecken. (FIS 14.12.2018)

Es wird regelmäßig von Verhaftungen von und Anklagen gegen Rückkehrer gemäß der Anti-Terror-Gesetzgebung berichtet, wenn diesen Regimegegnerschaft unterstellt wird. Diese Berichte erscheinen laut Deutschem Auswärtigem Amt glaubwürdig, können im Einzelfall aber nicht verifiziert werden. (AA 13.11.2018)

Es gibt Berichte über Menschenrechtsverletzungen gegenüber Personen, die nach Syrien zurückgekehrt waren (IT 17.3.2018). Hunderte syrische Flüchtlinge wurden nach ihrer Rückkehr verhaftet und verhört – inklusive Geflüchteten, die aus dem Ausland nach Syrien zurückkehrten, IDPs aus Gebieten, die von der Opposition kontrolliert wurden, und Personen, die in durch die Regierung wiedereroberten Gebieten ein Versöhnungsabkommen mit der Regierung geschlossen haben. Sie wurden gezwungen Aussagen über Familienmitglieder zu machen und in manchen Fällen wurden sie gefoltert. (TWP 2.6.2019; vgl. EIP 6.2019). (LIB, S. 87ff)

Aus dem InterimsIeitfaden zum internationalen Schutzbedarf von Asylsuchenden aus Syrien: Aufrechterhaltung der UNHCR-Position aus dem Jahr 2017 (Februar 2020) der UNHCR ergeben sich folgende entscheidungsrelevante Länderinformationen:

Den Vereinten Nationen und Menschenrechtsbeobachtern zufolge werden willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen, Inhaftierungen unter lebensbedrohlichen Umständen, systematische und weitverbreitete Folter und sonstige Formen der Misshandlung, einschließlich sexueller Gewalt, Strafverfolgung nach der zu weit gefassten Antiterrorgesetzgebung unter Verletzung des Rechts des Beschuldigten auf ein faires Verfahren vor Antiterror- und militärischen Feldgerichten sowie summarische und außergerichtliche Hinrichtungen weiterhin in großem Umfang dokumentiert. Sie richten sich überwiegend gegen Personen, die tatsächlich oder vermeintlich Gegner der Regierung sind. Zu den Personen, denen regelmäßig eine regierungsfeindliche Gesinnung unterstellt wird, zählen Zivilpersonen (und insbesondere Männer und Jungen im kampffähigen Alter) aus (ehemals) von der Opposition kontrollierten Gebieten; Wehrdienstverweigerer und Deserteure; Mitglieder lokaler Räte; Aktivisten; Journalisten und Bürgerjournalisten aus der Zivilbevölkerung; Mitarbeiter humanitärer Hilfsorganisationen und Freiwillige des Zivilschutzes; medizinische Fachkräfte; Verteidiger der Menschenrechte sowie Hochschullehrkräfte und -wissenschaftler. Die tatsächliche oder vermeintliche oppositionelle Haltung einer Person wird häufig Personen in ihrem Umfeld zugeschrieben, einschließlich Familienmitgliedern. (UNHCR, S. 22-25)

Quellen:

?        AA – Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018 (BFA 8.2017).

?        CIA - Central Intelligence Agency (3.4.2019): The World Factbook: Syria - Military and Security, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sy.html

?        DIS/DRC – Danish Immigration Service / Danish Refugee Council (2.2019): Security Situation in Damascus Province and Issues Regarding Return to Syria, https://nyidanmark.dk/-/media/Files/US/Landerapporter/Syrien_FFM_rapport_2019_Final_31012019.pdf?la=da&hash=A4D0089B4FB64FC6E812AF6240757FC0097849AC, Zugriff 27.2.2019

?        DIS – Danish Immigration Service (6.2019): Consequences of illegal exit, consequences of leaving civil a servant position without notice and the situation of Kurds in Damascus, per E-Mail

?        EIP – European Institute of Peace (6.2019): Refugee return in Syria: Dangers, security risks and information scarcity, https://www.fln.dk/-/media/FLN/Materiale/Baggrundsmateriale/2019/06/19/07/03/Syri1040.pdf, Zugriff 4.7.2019

?        FIS – Finnish Immigration Service (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf

?        IT – Irish Times (17.3.2018): Arrests and torture of Syrian refugees returning home reported, https://www.irishtimes.com/news/world/middle-east/arrests-and-torture-of-syrian-refugees-returning-home-reported-1.3429762, Zugriff 19.3.2019Landinfo (3.1.2018): Syria: Reactions against deserters and draft evaders, https://www.ecoi.net/en/file/local/1441219/1226_1534943446_landinfo-report-syria-reactions-against-deserters-and-draft-evaders.pdf, Zugriff 20.2.2019

?        ÖB – Österreichische Botschaft Damaskus (7.2019): Asylländerbericht Syrien 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014213/SYRI_ÖB+Bericht_2019_07.pdf

?        SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf, Zugriff 31.1.2019

?        SD - Syria Direct (16.1.2019): In first ‘organized’ refugee returns from Jordan, dozens of Syrians head back to Damascus suburb, https://syriadirect.org/news/in-first-%E2%80%98organized%E2%80%99-refugee-returns-from-jordan-dozens-of-syrians-head-back-to-damascus-suburb/, Zugriff 6.3.201

?        TIMEP – The Tahrir Institute for Middle East Policy (6.12.2018): TIMEP Brief: Legislative Decree No. 18: Military Service Amnesty, https://timep.org/wp-content/uploads/2018/12/LegislativeDecree18SyriaLawBrief2018-FINAL12-6-18a.pdf, Zugriff 19.2.2019USDOS

?        TN - The National (10.12.2018): Uncertainty over fate of Syrian refugees who return home, https://www.thenational.ae/world/mena/uncertainty-over-fate-of-syrian-refugees-who-return-home-1.801269, Zugriff 5.3.2019

?        TWP – The Washington Post (2.6.2019): Assad urged Syrian refugees to come home. Many are being welcomed with arrest and interrogation, https://www.washingtonpost.com/world/assad-urged-syrian-refugees-to-come-home-many-are-being-welcomed-with-arrest-and-interrogation/2019/06/02/54bd696a-7bea-11e9-b1f3-b233fe5811ef_story.html?utm_term=.e0a2c27a072f, Zugriff 3.7.2019

?        United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2004226.html, Zugriff 19.3.2019

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Erstbefragung) und durch das BFA, der Beschwerdeschriftsatz, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Syrien vom 13.05.2019 (letzte Aktualisierung eingefügt am 17.10.2019) mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten und die Strafregisterabfrage vom 24.09.2020.

2.2.    Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1.  Zur Person des Beschwerdeführers

Aufgrund des bei der Erstbefragung vorgelegten unbedenklichen Personendokuments (Personalausweis), der einer kriminaltechnischen Untersuchung unterzogen wurde, steht die Identität des Beschwerdeführers fest.

Die Feststellungen hinsichtlich der rechtwidrigen Ausreise und hinsichtlich des Fehlens eines syrischen Reisepasses gründen sich auf die diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers. Dieser hat hinsichtlich der gegenständlichen Umstände vor dem Bundesamt gleichbleibende Angaben gemacht.

Die Feststellung der Unbescholtenheit gründet sich auf eine eingeholte Strafregisterauskunft, ebenso wie die Feststellung fehlender Asylausschlussgründe, die sich auch darauf gründet, dass solche Gründe nicht in Ansatz zu sehen oder hervorgekommen sind.

2.2.2.  Zum Fluchtvorbringen

Dass der Beschwerdeführer in Syrien bis dato keinen Wehrdienst abgeleistet hat, ergibt sich aus dessen gleichbleibenden Angaben in der Erstbefragung und vor dem Bundesamt sowie dem vorgelegten Militärdienstbuch; das Bundesamt hat weder die mangelnde Glaubwürdigkeit der diesbezüglichen Ausführungen festgestellt noch ergibt sich aus der Aktenlage ein Grund, an diesen Ausführungen zu zweifeln. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid selbst festgestellt, dass der Beschwerdeführer seinen Militärdienst in Syrien noch nicht abgeleistet hat, ihm ein Aufschub bis 31.12.2013 gewährt worden war, und er gesund und arbeitsfähig sei. Weiters wurde ausdrücklich festgestellt, dass eine inzwischen vorliegende Einberufungsabsicht des syrischen Regimes nicht ausgeschlossen werden könne. Somit sind diese Ausführungen der Entscheidung zu unterstellen.

Die Feststellung, dass eine Rückkehr nach Syrien nur über den Flughafen von Damaskus sicher und legal möglich ist, ergibt sich aus den aktuellen Länderberichten bzw. aus dem Umstand, dass die Behörde eine andere Möglichkeit nicht aufgezeigt hat.

Die weiteren Feststellungen hinsichtlich der Wehrdienstverweigerung bzw. deren Folgen (auch für Angehörige von Militärdienstverweigerern) ergeben sich ebenso aus den aktuellen Länderberichten, die unter 1.3. näher ausgeführt werden, und hat die belangte Behörde diese Länderberichte auch ihrer eigenen Entscheidung unterstellt. Diesen Länderfeststellungen wurde auch in der Beschwerde nicht widersprochen.

Die Feststellungen zu den in Österreich asylberechtigten Brüdern ergeben sich aus dem vom Bundesamt auf Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichts vorgelegten Bescheid, Aktenvermerk und Einvernahme des XXXX (Bescheid vom XXXX 2015, Zl. XXXX ), sowie aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Akten der in Österreich asylberechtigten Brüder des Beschwerdeführers zu den Zl.en XXXX und XXXX .

2.2.3.  Zur Situation in Syrien

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den unter Punkt 1.3. genannten Länderberichten samt den darin zitierten Quellen. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Auch die belangte Behörde hat diese Länderberichte ihrer Entscheidung unterstellt und wurde diesen auch in der Beschwerde betreffend den hier entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht substantiiert entgegengetreten, weshalb für das Bundesverwaltungsgericht auch aus diesem Grund keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1.    Gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 (in Folge: GFK), droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder – im Falle der Staatenlosigkeit – der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall zweifellos Syrien.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 76/1997, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der GFK).

3.2.    In der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird ausgeführt, dass drohende Bestrafung wegen der Weigerung der Teilnahme an einem von der Völkergemeinschaft verurteilten Kriegseinsatz dann zur Asylgewährung führen könne, wenn dem jeweiligen Asylwerber eine feindliche politische Gesinnung unterstellt werde (siehe etwa VwGH 21.12.2000, 2000/01/0072). Der Verwaltungsgerichtshof vertritt darüber hinaus ausdrücklich die Auffassung, dass unter dem Gesichtspunkt des Zwangs zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen – etwa gegen die Zivilbevölkerung – auch eine bloße Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung darstellen kann (VwGH 25.03.2003, 2001/01/0009). Dies ist auch in Art. 9 Abs. 2 lit e der Richtlinie 2011/95/EU ausdrücklich festgehalten. Daher wäre eine (drohende) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 der genannten Richtlinie fallen, eine (drohende) asylrelevante Verfolgung.

Dies ist nach den Feststellungen der Fall. Es ist zunächst davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer unmittelbar nach der Einreise festgenommen und – so er nicht wegen Wehrdienstverweigerung zu einer langjährigen, potentiell mit Folter verbundenen Gefängnisstrafe, die indiziert, dass man ihm wegen der Fahnenflucht eine oppositionelle Gesinnung unterstellen würde, verurteilt werden würde – dem Wehrdienst in der syrischen Armee zugeführt werden würde. Es besteht das reale Risiko, dass die beschwerdeführende Partei im Rahmen dieses Dienstes zu menschen- und völkerrechtswidrigen Handlungen gezwungen und im Falle einer Weigerung mit zumindest einer mit Folter verbundenen Anhaltung bzw. Haft bestraft werden würde. Daher liegt nach der oben dargestellten Judikatur des VwGH jedenfalls eine die beschwerdeführende Partei objektiv drohende asylrelevante Verfolgung vor.

Darüber hinaus würde der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Syrien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Rahmen der Einreise über einen vom Regime kontrollierten Grenzübergang wegen ihrer rechtswidrigen Ausreise genauer überprüft werden. Dabei würde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass sich dessen Brüder dem Militärdienst entzogen haben. Daher besteht die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass man den Beschwerdeführer festnehmen, diesem wegen der illegalen Ausreise sowie wegen der oben dargestellten Entziehung naher Verwandter vom Militärdienst eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellen und diesen zumindest für einige Tage anhalten und im Rahmen dieser Anhaltung der Folter unterwerfen würde.

3.3.    Die rechtskräftige Gewährung von subsidiärem Schutz durch das Bundesamt steht mangels einer diesbezüglichen relevanten Änderung der Rechts- oder Tatsachenlage einer Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative entgegen (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/18/0054).

3.4.    Da darüber hinaus keine von der beschwerdeführenden Partei verwirklichten Asylausschluss- oder -endigungsgründe festzustellen waren, ist der Beschwerde stattzugeben, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen und auszusprechen, dass der beschwerdeführenden Partei somit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.5.    Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 – der diesbezüglich § 24 Abs. 4 VwGVG vorgeht (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017) – kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig und in ordnungsgemäßem Ermittlungsverfahren erhoben wurde, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes immer noch aktuell und vollständig ist und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilt.

Das ist hinsichtlich des entscheidungsrelevanten Sachverhalts hier der Fall, da dieser bereits von der Behörde ermittelt wurde; es waren daher nur Rechtsfragen zu klären.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter Punkt 3. angeführte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die für die Lösung des Falles relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter A) dargestellt und ist dieser gefolgt; es ist daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu erkennen.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylgewährung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Desertion Familienangehöriger Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Folter Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit illegale Ausreise inländische Schutzalternative innerstaatliche Fluchtalternative maßgebliche Wahrscheinlichkeit politische Gesinnung Sippenhaftung unterstellte politische Gesinnung Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung Wehrdienstverweigerung wohlbegründete Furcht Zwangsrekrutierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W183.2234085.1.00

Im RIS seit

07.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten