Entscheidungsdatum
28.09.2020Norm
AMD-G §2 Z16Spruch
W234 2233261-1/8E
Im Namen der Republik!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Thomas HORVATH als Vorsitzenden, die Richterin Mag. Ingrid ZEHETHNER als Beisitzerin und die Richterin Dr. Daniela SABETZER als Beisitzerin über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Ploil Boesch Rechtsanwälte GmbH (unter Beteiligung der mitbeteiligten Partei XXXX , vertreten durch Gütlbauer Sieghartsleitner Pichlmair Rechtsanwälte), gegen den Bescheid der Kommunikationsbehörde Austria vom 09.06.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der Behörde zu seiner Erlassung ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Die XXXX (im Folgenden beschwerdeführende Partei) ist Inhaberin einer Zulassung zur Veranstaltung des Fernsehprogramms „ XXXX “, das über einen näher festgelegten Satelliten in HD und zusätzlich über eine näher festgelegte terrestrische Multiplex-Plattform weiterverbreitet wird.
Die XXXX (im Folgenden mitbeteiligte Partei) ist auf Grund einer Anzeige Betreiberin eines Kabelnetzes und Verbreiterin von Rundfunkprogrammen, wobei das Kabelnetz regionalisierte Verbreitungsmöglichkeiten aufweist.
2. Mit Schriftsatz vom 12.02.2020 brachte die beschwerdeführende Partei bei der Kommunikationsbehörde Austria (im Folgenden belangte Behörde) einen Antrag auf Erteilung eines Verbreitungsauftrags gemäß § 20 Abs. 4 AMD-G für ihr Fernsehprogramm „ XXXX “ gegenüber der mitbeteiligten Partei ein.
3. Nach einer Reihe wechselseitiger Stellungnahmen der beschwerdeführenden wie mitbeteiligten Partei und der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gab die belangte Behörde dem Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 12.02.2020 mit Bescheid vom 09.06.2020 statt. Sie verpflichtete die mitbeteiligte Partei darin zur Weiterverbreitung des Programms „ XXXX “ gegen die Leistung eines festgelegten jährlichen Entgeltes durch die beschwerdeführende an die mitbeteiligte Partei.
4. Gegen diesen Bescheid wurde durch die beschwerdeführende Partei mit Schriftsatz vom 08.07.2020 rechtzeitig Beschwerde erhoben.
5. Mit Schriftsatz vom 14.07.2020 (gerichtet an die belangte Behörde) zog die beschwerdeführende Partei den das Verwaltungsverfahren einleitenden Antrag vom 12.02.2020 zurück.
6. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 22.07.2020 (eingelangt am selben Tag) durch die belangte Behörde zur Entscheidung vorgelegt.
7. Mit Schreiben vom 24.07.2020 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der mitbeteiligten Partei die Beschwerdeschrift und den Schriftsatz der beschwerdeführenden Partei vom 14.07.2020 betreffend die Antragszurückziehung. Es wurde die Gelegenheit gegeben, binnen einer Frist von zwei Wochen schriftlich Stellung zu nehmen, sowie die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu beantragen.
8. Am 28.07.2020 gab die beschwerdeführende Partei bekannt, dass sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung weder für erforderlich noch für rechtlich geboten halte. Es stehe bereits aufgrund der Aktenlage fest, dass der Bescheid wegen der nachträglich eingetretenen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben sei.
9. Mit Schreiben vom 31.07.2020 nahm die mitbeteiligte Partei zur Beschwerde und zum Schriftsatz der beschwerdeführenden Partei vom 14.07.2020 Stellung. Im Wesentlichen führte die mitbeteiligte Partei aus, dass die Beschwerde gegen Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheids unzulässig sei, weil insoweit dem verfahrenseinleitenden Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 12.02.2020 vollinhaltlich stattgegeben worden sei und es dieser insoweit an der Beschwerdelegitimation fehle. Folglich sei auch die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags in Bezug auf Spruchpunkt 1 unzulässig. Da im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kein „Verschlechterungsverbot“ bestehe, strebe die mitbeteiligte Partei eine Erhöhung des im angefochtenen Bescheid festgelegten Entgelts für die Weiterverbreitung von „ XXXX “ an. Zudem beantrage sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Einvernahme von ihr im Verwaltungsverfahren namhaft gemachter Personen, um die Sachverhaltsermittlung hinsichtlich des an sie zu entrichtenden Entgelts zu vervollständigen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen
1.1. Die beschwerdeführende Partei ist Inhaberin einer Zulassung zur Veranstaltung des Fernsehprogramms „ XXXX “, das über Satelliten in HD und zusätzlich über eine terrestrische Multiplex-Plattform weiterverbreitet wird.
1.2. Die XXXX ist auf Grund einer Anzeige Betreiberin eines Kabelnetzes und Verbreiterin von Rundfunkprogrammen, wobei das Kabelnetz regionalisierte Verbreitungsmöglichkeiten aufweist.
1.3. Mit Schriftsatz vom 12.02.2020 beantragte die beschwerdeführende Partei bei der belangten Behörde gemäß § 20 Abs. 4 ff AMD-G der mitbeteiligten Partei folgenden „Verbreitungsauftrag“ aufzuerlegen (Fehler wie im Original):
„1. Die XXXX ist verpflichtet, das Fernsehprogramm „ XXXX " der XXXX wird bis auf weiteres (in eventu für die Dauer, für die die Vereinbarungen mit den übrigen im Kabelnetz verbreiteten Programme befristet sind) in sämtlichen Kabelnetzen der XXXX weiterzuverbreiten.
2. Die Einspeisung hat im Basispaket des digitalen Kabelnetzes der XXXX [gemeint wohl XXXX ] auf einem Programmplatz zwischen 20 und 30 zu erfolgen.
3. Die Weiterleitungsverpflichtung nach Spruchpunkt 1 besteht unter der Bedingung, dass die XXXX der XXXX [gemeint wohl XXXX ] für die Weiterverbreitung ein angemessenes Entgelt je angeschlossenem Haushalt und Jahr zu leisten hat, wenn solche Entgelte auch von der überwiegenden Anzahl der weiterverbreiteten Programme, die in HD-Qualität ohne zusätzliche Kosten zur Verfügung gestellt werden, bezahlt wird. Es besteht die Möglichkeit, bis zu EUR XXX (exkl. USt.) als unbaren Anteil in Form kommerzieller Kommunikation zu erbringen.“
1.4. Die mitbeteiligte Partei stellte keinen Antrag auf behördliche Entscheidung über die Verpflichtung zur Verbreitung oder Weiterverbreitung oder die Höhe des Entgelts gemäß § 20 AMD-G.
1.5. Diesem Antrag der beschwerdeführenden Partei wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.06.2020 gemäß § 20 Abs. 4 ff AMD-G unter der Bedingung der Leistung eines ebenso festgelegten jährlichen Entgelts stattgegeben.
1.6. Mit Schriftsatz vom 08.07.2020 erhob die beschwerdeführende Partei Bescheidbeschwerde gegen diesen Bescheid.
1.7. Mit Schriftsatz vom 14.07.2020 zog die beschwerdeführende Partei bei der belangten Behörde ihren verfahrenseinleitenden Antrag vom 12.02.2020 zurück.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus der Aktenlage.
3. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 36 KOG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Rechtsachen, in denen die KommAustria belangte Behörde ist, durch Senat.
Hier liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu Spruchpunkt A)
3.1. Das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz (AMD-G), BGBl. I Nr. 84/2001 idF BGBl. I Nr. 86/2015, lautet auszugsweise:
„1. Abschnitt
[…]
Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Sinne dieses Gesetzes ist:
[…]
16. Fernsehprogramm: ein audiovisuelles Rundfunkprogramm im Sinne des Artikels I Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, BGBl. Nr. 396/1974, oder ein anderer über elektronische Kommunikationsnetze verbreiteter audiovisueller Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter für den zeitgleichen Empfang von Sendungen auf der Grundlage eines Sendeplans bereitgestellt wird;
17. Fernsehveranstalter: wer Fernsehprogramme (analog oder digital) für die Verbreitung in Kabel- und anderen elektronischen Kommunikationsnetzen, über Satellit oder auf drahtlosem terrestrischem Wege schafft, zusammenstellt und verbreitet oder durch Dritte vollständig und unverändert verbreiten lässt. Fernsehveranstalter ist nicht, wer Fernsehprogramme ausschließlich weiter verbreitet;
[…]
19. Kabelnetz: eine für die Verbreitung und Weiterverbreitung genutzte Kabelinfrastruktur;
[…]
36. Verbreitung: die auf drahtlosem terrestrischem Weg oder über Satellit oder in Kabel- und sonstigen elektronischen Kommunikationsnetzen übertragene Darbietung von Programmen oder Zusatzdiensten, die an die Allgemeinheit gerichtet sind;
37. Versorgungsgebiet: der in der Zulassung durch Angabe der Übertragungskapazität sowie der zu versorgenden Gebiete umschriebene geografische Raum;
[…]
39. Weiterverbreitung: der Empfang und die gleichzeitige, vollständige und unveränderte Übertragung von für die Allgemeinheit empfangbaren Fernsehprogrammen auf drahtlosem terrestrischem Weg oder in Kabel- und sonstigen elektronischen Kommunikationsnetzen oder über Satellit. Als Weiterverbreitung gilt auch die Übertragung eines Rahmenprogramms, sofern die Dauer der darin eingefügten Fensterprogramme den Zeitraum von insgesamt 120 Minuten täglich nicht überschreitet oder die Einfügung regionaler Sendungen des Österreichischen Rundfunks (§ 3 Abs. 2 ORF-G) in bundesweit ausgestrahlte Programme des Österreichischen Rundfunks durch einen Kabelnetzbetreiber;
[…]
43. Zulassung: die rundfunk- und fernmelderechtliche Bewilligung zur Ausstrahlung eines Rundfunkprogramms in einem Versorgungsgebiet mit Hilfe der zugeordneten Übertragungs-kapazitäten;
[…]
5. Abschnitt
Frequenzen und Verbreitungsauftrag
Verbreitungsauftrag in Kabelnetzen
§ 20. (1) Kabelnetzbetreiber haben die Hörfunk- und Fernsehprogramme des Österreichischen Rundfunks (§ 3 ORF-G) weiter zu verbreiten, sofern dies ohne unverhältnismäßig großen Aufwand möglich ist.
(2) Kabelnetzbetreiber haben Fernsehprogramme, die einen besonderen Beitrag zur Meinungsvielfalt im Verbreitungsgebiet leisten, auf Nachfrage zu jenen Bedingungen zu verbreiten, die für die überwiegende Anzahl an sonstigen im Kabelnetz verbreiteten Programme gelten.
(3) Bei der Beurteilung des besonderen Beitrages zur Meinungsvielfalt sind der Anteil an eigengestalteten, eigen- oder auftragsproduzierten Sendungsformaten mit kultureller, politischer oder gesellschaftspolitischer Relevanz für Österreich, insbesondere solche mit überwiegend österreichischem, regionalem oder lokalem Bezug sowie deren Beitrag zur österreichischen Identität, ferner die bestehende Programmbelegung und die Zahl der verfügbaren Programmplätze zu berücksichtigen.
(4) Kommt zwischen einem Kabelnetzbetreiber und einem Fernsehveranstalter innerhalb von sechs Wochen ab dem Einlangen einer Nachfrage keine vertragliche Vereinbarung über eine Verbreitung oder Weiterverbreitung zu Stande, kann von den Beteiligten die Regulierungsbehörde angerufen werden.
(5) Die Regulierungsbehörde entscheidet, sofern keine gütliche Einigung zu Stande kommt, innerhalb von zwei Monaten nach Anrufung durch die Beteiligten über die Verpflichtung zur Verbreitung oder Weiterverbreitung oder die Höhe des Entgelts.
(6) Die Regulierungsbehörde hat die Dauer der Verbreitung oder Weiterverbreitung des Programms in dem Kabelnetz und ein angemessenes Entgelt für den Kabelnetzbetreiber festzulegen. Bei Festlegung des Entgelts ist auf die geltenden Bedingungen des betroffenen Kabelnetzbetreibers für die Übernahme von Programmen Rücksicht zu nehmen, sollten derartige nicht vorhanden sein, ist auf vergleichbare Bedingungen abzustellen. Dem Kabelnetzbetreiber dürfen höchstens drei Übertragungspflichten nach den Abs. 2 und 3 auferlegt werden.
(7) Die Regulierungsbehörde hat frühestens zwei Jahre nach Rechtskraft einer Verpflichtung zur Verbreitung oder Weiterverbreitung auf Antrag eines Beteiligten zu überprüfen, ob den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 weiterhin entsprochen wird und gegebenenfalls die Verpflichtung abzuändern oder aufzuheben.
(8) Kabelrundfunkveranstalter im Sinne der vorstehenden Bestimmungen ist auch ein zukünftiger Anbieter von Fernsehprogrammen, wenn er glaubhaft macht, dass er über die fachlichen, finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen verfügt, das geplante Programm spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Erlassung eines Verbreitungsauftrages zu veranstalten. Wird die Verbreitung aus vom Kabelrundfunkveranstalter zu vertretenden Gründen nicht innerhalb dieses Zeitraums aufgenommen, ist der Verbreitungsauftrag auf Antrag des Kabelnetzbetreibers von der Regulierungsbehörde aufzuheben.
[…]
10. Abschnitt
Rechtsaufsicht
[…]
Regulierungsbehörde
§ 66. Regulierungsbehörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die gemäß § 1 KOG, BGBl. I Nr. 32/2001, eingerichtete Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria).“
3.2. Das KommAustria-Gesetz (KOG), BGBl. I Nr. 32/2001 idF BGBl. I Nr. 24/2020, lautet auszugsweise:
„1. Abschnitt
Regulierungsbehörde
Zuständigkeit
§ 13. (1) Die KommAustria besorgt jene Aufgaben, die ihr in § 2 dieses Bundesgesetzes sowie auf Grund gesonderter bundesgesetzlicher Regelungen zugewiesen sind.
[…]
5. Abschnitt
Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht
Zuständigkeit
§ 36. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über Beschwerden in jenen Fällen, in denen die KommAustria belangte Behörde ist (§ 9 Abs. 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl I. Nr. 33/2013), durch Senat.
Wahrnehmung von Aufgaben und Befugnissen
§ 37. Soweit in Bundesgesetzen der KommAustria in erster Instanz Aufgaben und Befugnisse als Regulierungsbehörde zugewiesen sind, stehen diese auch dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Wahrnehmung seiner Aufgaben zu.“
3.3. Das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 58/2018, lautet auszugsweise:
„3. Abschnitt: Verkehr zwischen Behörden und Beteiligten
Anbringen
§ 13. […]
(7) Anbringen können in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.“
3.4. Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 (WV) idF BGBl. I Nr. 24/2020, lautet auszugsweise:
„Achtes Hauptstück
Garantien der Verfassung und Verwaltung
A. Verwaltungsgerichtsbarkeit
Artikel 132. (1) Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben:
1. wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet; […]“
3.5. Zur Beschwerdelegitimation der beschwerdeführenden Partei
Unter Verweis auf Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG brachte die mitbeteiligte Partei in ihrer Stellungnahme vom 31.07.2020 vor, dass es der beschwerdeführenden Partei hinsichtlich Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides an der Beschwerdelegitimation fehle, weil ihrem Antrag insoweit vollinhaltlich entsprochen worden sei.
Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG ist derjenige zur Parteibeschwerde berechtigt, der durch einen Bescheid in seinen (subjektiv-öffentlichen) Rechten verletzt zu sein behauptet. Die Verletzung der Rechte muss zumindest möglich sein, was nach dem Inhalt des Bescheides zu bestimmen ist (vgl. VwGH 25.04.2017, Ro 2017/02/0016 mwN). Dazu muss die Partei durch den Bescheid beschwert sein; in die Rechte der beschwerdeerhebenden Partei muss also zu ihrem Nachteil eingriffen werden, sodass sie ein konkretes Rechtsschutzinteresse an der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes aufweist (vgl. dazu näher Leeb in Hengstschläger/Leeb, § 7 VwGVG Rz 21 [Stand 15.2.2017, rdb.at]).
Die fehlende Beschwer der beschwerdeführenden Partei hinsichtlich Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheids will die mitbeteiligte Partei aus dessen von Spruchpunkt 2 isolierter Betrachtung ableiten, wenn sie darauf verweist, dass dem Antrag der beschwerdeführenden Partei insoweit ohnedies entsprochen worden sei, sodass insoweit kein Rechtsschutzinteresse vorliege.
Entgegen den Ausführungen der mitbeteiligten Partei scheidet eine solche getrennte Betrachtung von Spruchpunkt 1 und 2 des angefochtenen Bescheides aus: Zunächst ist zu berücksichtigten, dass ein Bescheid nach § 20 Abs. 4 ff AMD-G dem Ersatz einer nicht erzielten privatrechtlichen Vereinbarung zwischen Fernsehveranstalter und Kabelnetzbetreiber über die (Weiter-)Verbreitung und das dafür zu entrichtende Entgelt dient („vertragsersetzender Bescheid“, vgl. z.B. VwGH 06.03.2019, Ro 2018/03/0029 zum Phänomen des vertragsersetzenden Bescheids betreffend die ähnliche Rechtslage nach §§ 48, 50 TKG 2003). Schon diese wirtschaftliche Einheit der Festlegung des (Weiter-)Verbreitungsauftrags einerseits und des dafür zu entrichtenden Entgelts andererseits dafür, die betreffenden Festlegungen auch als rechtlich untrennbare Einheit anzusehen (ähnlich Raschauer, Der vertragsersetzende Bescheid, in FS Krejci [2001], 2. Band, 2053 [2072], wonach Verträge zumeist „Paketlösungen“ seien und ein Teilabspruch über punktuelle Entgeltaspekte das Gesamtgefüge verzerren würde). Eine Trennung der Spruchpunkte zur Festlegung der (Weiter-)Verbreitungsverpflichtung einerseits und der Höhe des Entgelts sowie der Dauer der (Weiter-) Verbreitungspflicht andererseits kommt auch mit Blick auf § 20 Abs. 6 AMD-G nicht in Betracht. Denn gemäß § 20 Abs. 6 AMD-G hat die Regulierungsbehörde gemeinsam mit dem Auftrag zur (Weiter-)Verbreitung stets auch ein angemessenes Entgelt und die Dauer der (Weiter-)Verbreitung festzulegen. Daher sind die Auferlegung der Verpflichtung zur Weiterverbreitung sowie die Festlegung des dafür zu leistenden Entgelts und der Dauer der Verpflichtung rechtlich nicht trennbar. Im Übrigen legt auch der verfahrenseinleitende Antrag der beschwerdeführenden Partei diesen Befund nahe. Denn dort hat sie nicht nur die Verbreitung ihres Programms per se begehrt, sondern zu einem „angemessenen Entgelt“. Auch dies spricht für die rechtliche Untrennbarkeit der Auferlegung des Weiterverbreitungsauftrags und der Festlegung des für die Weiterverbreitung zu entrichtenden Entgelts. Die Gliederung des Spruches in die Spruchpunkte 1 und 2 des angefochtenen Bescheids führt daher nicht zu deren Trennbarkeit in rechtlicher Hinsicht. Im Ergebnis verfügt die beschwerdeführende Partei daher über vollumfängliche Beschwerdelegitimation.
Demgemäß erweist sich die Beschwerde, die das festgelegte Entgelt als „unangemessen hoch“ rügt und den Bescheid „seinem gesamten Inhalt nach“ anficht, weil die Spruchpunkte „wirtschaftlich betrachtet als Einheit anzusehen“ seien, als zur Gänze zulässig.
3.6. Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags
Gemäß § 13 Abs. 7 AVG können Anbringen „in jeder Lage des Verfahrens“ zurückgezogen werden. Dazu zählt nicht nur das Verfahren vor der belangten Behörde, sondern auch das daran anschließende Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 16.08.2017, Ro 2017/22/0005 mwN). Die Zurückziehung des das Verwaltungsverfahren einleitenden Antrags durch die beschwerdeführende Partei ist sohin auch nach Bescheiderlassung und Beschwerdeerhebung zulässig.
Im Unterschied zur Zurückziehung der Beschwerde führt die Zurückziehung des das Verwaltungsverfahren einleitenden Antrags während des Beschwerdeverfahrens nicht zur Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nach § 28 Abs. 1 VwGVG. Sie führt – bei antragsgebundenen Verfahren – zur nachträglichen Unzuständigkeit der belangten Behörde:
Sofern nämlich ein Materiengesetz vorsieht, dass eine behördliche Entscheidung ausschließlich auf Antrag der dazu legitimierten Person und nicht bereits von Amts wegen erfolgen darf, begründet erst ein Antrag die Entscheidungskompetenz der Behörde. Folglich geht diese Entscheidungskompetenz mit Zurückziehung des Antrags wieder verloren (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 3 und 41 [Stand 01.01.2014, rdb.at]). Dass ein Verbreitungsauftrag nach § 20 AMD-G nur aufgrund eines Antrags der Beteiligten (Kabelnetzbetreiber oder Fernsehveranstalter) mit Bescheid auferlegt werden darf, zeigt bereits der Wortlaut der Bestimmung. § 20 Abs. 5 AMD-G legt nämlich fest, dass die Regulierungsbehörde „nach Anrufung durch die Beteiligten“ entscheidet. Darüber hinaus sieht das Gesetz vorrangig eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten vor; nur im Falle der Nichteinigung darf diese durch einen Bescheid der Behörde ersetzt werden (vgl. § 20 Abs. 4 AMD-G), allerdings nur sofern dies von einem der Beteiligten beantragt wird. So heißt es auch in den Materialen zur Vorgängerregelung des § 11 Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz: „Bei Nichteinigung zwischen dem Kabel-Rundfunkveranstalter […] und dem Kabelnetzbetreiber hat auf Antrag des Veranstalters die Regionalradio- und Kabelrundfunkbehörde [nunmehr KommAustria] den Betreiber des Kabelnetzes bescheidmäßig zur Einspeisung eines Programms zu verpflichten, […]“ (ErlRV 500 BlgNR 20. GP 22; Hervorhebung und Anmerkung durch das Gericht).
3.7. Nachträgliche Unzuständigkeit
Wird ein verfahrenseinleitender Antrag in einem antragsbedürftigen Verfahren nach Bescheiderlassung während des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens zurückgezogen, führt dies zum (nachträglichen) Wegfall der Zuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde und somit zur Rechtswidrigkeit des Bescheides. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid daher wegen Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde ersatzlos zu aufzuheben (vgl. zuletzt VwGH 26.02.2020, Ra 2019/05/0065 mwN).
Infolge der Zurückziehung des (einzigen) verfahrenseinleitenden Antrages mit Schriftsatz der beschwerdeführenden Partei vom 14.07.2020 ist die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung des in Beschwerde gezogenen Bescheids daher nachträglich weggefallen, weswegen der Bescheid ersatzlos aufzuheben ist.
Soweit die mitbeteiligte Partei in der Stellungnahme vom 31.07.2020 die Vorgangsweise der beschwerdeführenden Partei als verfahrensfremde Zwecke verfolgend rügt, weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass sie damit keine Grundlage für eine trotz der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags durch die beschwerdeführende Partei fortdauernde Zuständigkeit der belangten Behörde aufzeigt.
3.8. Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder von Amts wegen eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 2 Z 1 dieser Bestimmung kann die Verhandlung unter anderem dann entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Dies ist trifft auf das gegenständliche Verfahren zu. Der Bescheid ist aufgrund des Wegfalls der Zuständigkeit der Behörde schon nach der Aktenlage zweifelsfrei ersatzlos aufzuheben. Eine Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht konnte daher trotz des Antrags der mitbeteiligten Partei unterbleiben, zumal die beantragte zeugenschaftliche Einvernahme im Hinblick auf die ersatzlose Behebung des Bescheides wegen verlorengegangener Zuständigkeit der belangten Behörde kein maßgebliches Beweisthema mehr betrifft. Zudem sind keine komplexen Rechtsfragen aufgetreten und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung ließ keine weitere Klärung des maßgeblichen Sachverhalts erwarten.
Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (insb. VwGH 16.08.2017, Ro 2017/22/0005 mwN sowie VwGH 26.02.2020, Ra 2019/05/0065 mwN) ab, noch fehlt es an Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Antragstellung Antragszurückziehung Behebung der Entscheidung Beschwerdelegimitation Beschwerderecht Entgeltfestlegung ersatzlose Behebung Fernsehempfang Kassation mangelnde Beschwer unzuständige Behörde Unzuständigkeit Versorgungsgebiet Wegfall der Gründe Wegfall des Rechtschutzinteresses Weiterverbreitungsauftrag Zulassung Zurückziehung Zurückziehung Antrag ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W234.2233261.1.00Im RIS seit
07.12.2020Zuletzt aktualisiert am
07.12.2020