TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/29 W134 2233640-3

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Veröffentlicht am 29.09.2020
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Entscheidungsdatum

29.09.2020

Norm

BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §340
BVergG 2018 §341
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs9
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W134 2233640-2/29E
W134 2233640-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1)

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Vorsitzender sowie Mag. Gabriele Lukassen als fachkundige Laienrichterin der Auftraggeberseite und MMag. Dr. Christoph Wiesinger als fachkundiger Laienrichter der Auftragnehmerseite betreffend das Vergabeverfahren „Planung und Errichtung einer schlüsselfertigen Eisenbahnkreuzungssicherungsanlage für die technische Sicherung der Eisenbahnkreuzung in km 4,544 der ÖBB VzG-Strecke 45701 Zeltweg - St. Paul im Bahnhof Weißkirchen mit der Landesstraße B77 im Gemeindegebiet der Gemeinde Weißkirchen, Verfahrens ID: 40815“ der Auftraggeberin ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft, Praterstern 3, 1020 Wien, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte OG, Bartensteingasse 2, 1010 Wien, aufgrund des Antrages der Bietergemeinschaft bestehend aus 1. XXXX 2. XXXX vertreten durch Heid & Partner Rechtsanwälte GmbH, Landstraßer Hauptstraße 88/2-4, 1030 Wien, vom 03.08.2020 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.08.2020 zu Recht erkannt:

A)

Der Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge „die angefochtene Zuschlagsentscheidung für nichtig erklären“ wird gemäß § 334 BVergG 2018 abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2)

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Thomas Gruber betreffend das Vergabeverfahren „Planung und Errichtung einer schlüsselfertigen Eisenbahnkreuzungssicherungsanlage für die technische Sicherung der Eisenbahnkreuzung in km 4,544 der ÖBB VzG-Strecke 45701 Zeltweg - St. Paul im Bahnhof Weißkirchen mit der Landesstraße B77 im Gemeindegebiet der Gemeinde Weißkirchen, Verfahrens ID: 40815“ der Auftraggeberin ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft, Praterstern 3, 1020 Wien, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte OG, Bartensteingasse 2, 1010 Wien, aufgrund des Antrages der Bietergemeinschaft bestehend aus 1. XXXX vertreten durch Heid & Partner Rechtsanwälte GmbH, Landstraßer Hauptstraße 88/2-4, 1030 Wien, vom 03.08.2020 folgenden Beschluss:

A)

Der Antrag gerichtet auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Auftraggeberin wird gemäß § 341 BVergG 2018 abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Vorbringen der Parteien:

Mit Schreiben vom 03.08.2020 begehrte die Antragstellerin die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 23.07.2020, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Akteneinsicht, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung und den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Auftraggeberin.

Begründend wurde von der Antragstellerin im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

Angefochtene Entscheidung sei die Zuschlagsentscheidung vom 23.07.2020 zugunsten der XXXX . Zur Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung gab die Antragstellerin zusammengefasst folgendes an: Das für den Zuschlag in Aussicht genommene Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei nach den Bestimmungen des BVergG 2018 nicht zuschlagsfähig und aus folgenden Gründen auszuscheiden:

1.) Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe einen in seiner Zusammensetzung nicht plausiblen Preis angeboten. Aufgrund des ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreises des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wäre die Auftraggeberin zur vertieften Angebotsprüfung verpflichtet gewesen.

2.) Die von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angebotenen Leistungen entsprächen nicht den von der Auftraggeberin geforderten Mindestanforderungen.

3.) Die präsumtive Zuschlagsempfängerin verfüge über keine ausreichende Befugnis zur Erbringung der ausschreibungsgegenständlichen Leistungen.

Die Antragstellerin habe ein Interesse am Vertragsabschluss, es drohe ihr ein Schaden und ihre Rechte würden verletzt.

Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 06.08.2020 gab diese bekannt, dass Auftraggeberin die ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft sei. Bei dem gegenständlichen Vergabeverfahren handle es sich um einen Bauauftrag im Unterschwellenbereich der in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung nach dem Bestbieterprinzip vergeben werden solle. Die Bekanntmachung in Österreich sei am 19.02.2020 erfolgt. Die Zuschlagsentscheidung sei am 23.07.2020 zugunsten der XXXX erfolgt.

Mit einstweiliger Verfügung des BVwG vom 07.08.2020, W134 2233640-1/4E, wurde der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt, den Zuschlag im gegenständlichen Vergabeverfahren zu erteilen.

Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 12.08.2020 brachte diese zusammengefasst vor, dass sie eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt habe. Diese habe ergeben, dass die Preise der Antragstellerin bei weitem überteuert seien. Die Preise der präsumtiven Zuschlagsempfängerin seien betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar, eine spekulative Preisgestaltung liege nicht vor. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin verfüge über alle erforderlichen Befugnisse im gegenständlichen Vergabeverfahren. Die Antragstellerin habe mit ihrem Letztangebot einen Bauzeitenplan angeboten, der von den Terminen der Ausschreibung bzw. dem bestandsfesten Bauzeitenplan abweiche, weshalb das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden sei.

Mit Schreiben der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vom 12.08.2020 erhob diese begründete Einwendungen.

Mit Schreiben der Antragstellerin vom 21.08.2020 bekräftigte diese ihr bisheriges Vorbringen und beantragte die Bestellung eines externen Sachverständigen.

Am 26.08.2020 fand darüber im Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt. Das Verhandlungsprotokoll lautet auszugsweise:

XXXX : Nein. Aus derzeitiger Sicht fehlt die Befugnis für die Planung von elektrotechnischen Anlagen sowie für Vermessungstätigkeiten. Die korrekte fehlende Befugnis der PräsZE lautet: Ingenieurbüro für Elektrotechnik und Ingenieurbüro für Vermessungswesen.

XXXX : Der entscheidende Punkt ist, dass in der Rz 107 ff eignungsrelevante Subunternehmer genannt wurden. Im Vergabeakt selbst liegen im Angebot der PräsZE weitere Nachweise von Gewerbebefugnissen für als nicht eignungsrelevant angesehene Subunternehmer vor. Weiters wird im Zuge der Projektrealisierung auch von der Beauftragung einzelner Dienstleistungen seitens der PräsZE an weitere derzeit noch nicht bekannte Subunternehmer auszugehen sein, hier insb. Vermessungsleistung.

XXXX : Wie hoch schätzen Sie den Anteil an der Gesamtleistung?

XXXX : Der Anteil an der Gesamtleistung der Position PL 01 bis PL 09 (es handelt sich um sämtliche Planungsleistungen des Projektes) und Detailposition SO 07 (es handelt sich um die Vermessungsleistungen des Projektes) beträgt weit unter 15 % des Gesamtpreises des Angebots der PräsZE. Die genannten Planungsleistungen PL 01 bis PL 09 werden von der PräsZE weitgehend selbst erbracht. Betreffend die Durchführung von Leistungen durch einen staatlich befugten und beeideten Ziviltechniker, die Vermessungsleistungen sowie Leistungen einer akkreditierten Prüfstelle gilt folgendes: Subunternehmer für diesen Bereich waren entsprechend den Ausschreibungsunterlagen Punkt 12.3 der Teilnahmeunterlagen spätestens vor Durchführung der Leistung zu nennen: „Eine allfällige Nennung als Subunternehmer im Angebot war nicht zweckmäßig und erforderlich und führt ein Unterlassen der Nennung selbst dann, wenn der Bieter die Berechtigung selbst nicht hat, nicht zum Ausscheiden des Angebots."

XXXX : Wir schließen uns diesem Vorbringen an.

XXXX : Bei den zitierten Leistungen handelt es sich um sämtliche Planungsleistungen für das gegenständliche Projekt, somit um ganz wesentliche Leistungsinhalte der Ausschreibung.

[…]

XXXX : Für die Errichtung und Planung von Eisenbahnsicherungsanlagen hat die PräsZE eine aufrechte Gewerbeberechtigung für Mechatronik. Im Rahmen dieser Befugnis darf sie Eisenbahnsicherungsanlagen planen und errichten.

XXXX : Die Gewerbeberechtigung Mechatronik setzt nicht die Grundlage für die Planung der leit- und sicherheitstechnischen Anlagen voraus. Für diese Anlagen setzt die Mindestanforderung Ingenieurbüro für Elektrotechnik voraus.

R: Wir kommen nun zur Frage wie der niedrigere Angebotspreis im Angebote der PräsZE im Vergleich zum geschätzten Auftragswert und im Vergleich zum Gesamtpreis der im Angebot der AST zu erklären ist und ob es sich dabei um einen angemessenen Preis handelt.

R: Dem Senat erscheint es wesentlich, die AST in dem gebotenen Ausmaß darüber zu informieren, was in der von der AG verfassten Beilage 1 zur Angebotsprüfung beinhaltet ist. Dies würde die AST in die Lage versetzen, ohne konkrete Angebotspreise zu sehen (welche in den nicht fett gedruckten Detailausführungen auf 28 Seiten enthalten sind), einen ) Gesamtüberblick über die Gesamtbeurteilung der Angemessenheit der Preise des Angebots der PräsZE durch die AG zu erhalten. Dazu ist folgendes geplant: Die Offenlegung des fettgedruckten Textes der Beilage 1, beginnend mit der S. 24 bis inkl. 25, wobei die genannten Prozentsätze jeweils zu schwärzen wären. Wäre die AG damit einverstanden und wenn nein, warum nicht?

XXXX : Sofern die Prozentsätze geschwärzt werden, besteht aus Sicht der AG keine Bedenken.

[…]

Die AG hat in der Zwischenzeit wie oben ausgeführt 2 entsprechend geschwärzte Dokumente angefertigt, welche mit der AG noch einmal durchgeschaut wird und der AST und der PräsZE übergeben werden sowie als Beilage ./1 und ./2 zum VH-Protokoll genommen werden.

XXXX : Uns ist wichtig, dass auch die Tatsache welche Leistungen einer vertieften Angebotsprüfung unterzogen wurden, von der Akteneinsicht ausgenommen werden, weil auch daraus Rückschlüsse gezogen werden können in Bezug auf die Preisbildung der PräsZE, die ein schützenswertes Betriebs- und Geschäftsgeheimnis derselben bildet.

R: In der Folge soll nunmehr vom Senat die Angebotsprüfung der AG im Detail nachvollzogen und plausibilisiert werden. Da dabei Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der PräsZE betroffen sind, wird die AST ersucht, in der Zwischenzeit den Saal zu verlassen.

Die Vertreter der AST verlassen um 12:08 Uhr den VH-Saal.

Der weitere Verlauf der VH in Abwesenheit der AST wird in der gesonderten Beilage ./3 zum VH-Protokoll, welche von der Akteneinsicht durch die AST ausgenommen ist, vorgenommen.

Die VH wird um 13:39 Uhr fortgesetzt.

R: Die Parteien werden informiert, dass in dem unter Ausschluss der Bieter geführten VH-Teil ein Protkoll erstellt wurde, welches vertraulich behandelt wird. Dabei wurde auch folgendes nicht vertrauliche Vorbringen der AG Seite gemacht:

XXXX : In der Vergangenheit haben die ÖBB die EKSA (Eisenbahnkreuzungssicherungsanlagen) in der Form ausgeschrieben, dass sie eine detaillierte Leistungsbeschreibung vorgegeben haben und auch Eigenleistungen erbracht haben. Dies führte zu relativ hohen Preisen der EKSA der ÖBB im Vergleich zu EKSA von Privatbahnen. Daher haben sich die ÖBB entschieden, die relativ niedrigeren Preise der EKSA von Privatbahnen ebenfalls möglichst zu erlangen, indem im Gegensatz zu früher nunmehr bei einem Pilotprojekt wie dem gegenständlichen eine funktionale Leistungsbeschreibung ausgeschrieben wurde, in welcher sowohl die Planung als auch die Realisierung als auch Teile der Erhaltungsleistungen für 25 Jahre, nämlich die IT Sicherheit, umfasst sind. Die Erhaltungstätigkeiten wie schmieren und reinigen werden von den ÖBB nach wie vor selbst gemacht. Ziel des Pilotprojekts war es daher, die relativ hohen Kosten möglichst zu minimieren.

Zur Frage, warum die PräsZE deutlich niedrigere Preise anbieten konnte als die AST:

Die PräsZE verwendet im Gegensatz zur AST Industrieprodukte sowohl für die Hardware als auch für die Software zugekaufte Industrieprodukte und passt diese projektspezifisch den einzelnen Anlagen an. Die AST hingegen verwendet eigene entwickelte Produkte, die nur für EKSA verwendet werden. Diese Tatsache ist grundsätzlich allgemein am Markt bekannt, da sie in Fachpublikationen publiziert wurde. Diese eigenen entwickelten Produkte sind deshalb wesentlich teurer als die zugekauften Industrieprodukte, weil einerseits die zugekauften Industrieprodukte aus einem Massenmarkt stammen (degressive Stückkosten) und andererseits die eigens entwickelten Produkte nur in einem sehr kleinen Markt für EKSA Verwendung finden können."

Die gegenständliche Protokollseite wird beiden Bietern ausgehändigt.

XXXX : Zur Beilage ./2 geben wir an, dass diese im Einklang steht mit der Zeit die die AG der Angebotsprüfung gewidmet hat. Konkret wird ein Preisunterschied in der Höhe von rund 71 % innerhalb von 1,5 Tagen auf knapp 2 Seiten bewertet. Die gebotene kontradiktorische Auseinandersetzung ist daraus nicht ersichtlich und offenbar unterblieben. Diese Vorgehensweise entspricht nicht der gegenständlich auf Grund der großen Preisdifferenz obliegenden Prüf- und Sorgfaltspflicht des AG. Ein weiterer Hinweis: Das Angebot der AST wird in diesem Prüfprotokoll als überteuert beschrieben. Dies mutet vor dem Hintergrund, dass der AG den Auftragswert selbst bei rund 542.000 Euro veranschlagt hat und das Angebot der AST unter diesem Wert liegt, befremdlich an.

R: Wenn es zu den bisherigen kein weiteres Vorbringen mehr gibt, kommen wir nun zur Frage, ob das Angebot der AST auszuscheiden ist, was von der AG vorgebracht wird.

XXXX : In den Ausschreibungsunterlagen in der Anlage 1a zur Aufforderung zur Angebotsabgabe auf der S. 2, unter Punkt 6, Beginn und Beendigung der Leistung (Leistungsfristen) sind die gemäß Vertrag einzuhaltenden Leistungsfristen dargestellt, nämlich die vorgesehene Inbetriebnahme am 04.11.2020. Der seitens der AST vorgelegte Bauzeitplan sieht dem gegensätzlich eine Inbetriebnahme am 26.02.2021 vor. Daher ist das Angebot der AST ausschreibungswidrig und damit auszuscheiden.

XXXX : Der vorgebrachte Sachverhalt ist richtig, allerdings ist das Angebot in seiner Gesamtheit zu würdigen. Um die AST auszuscheiden, muss klar der Wille des Abweichens von den Ausschreibungsbestimmungen hervorkommen (VwGH 21.03.2011 GZ 2007/04/0007 oder auch LvWG OÖ 10.09.2019/LvWG-840174/21/hw). Das gegenständliche Angebot verweist im Begleitschreiben klar auf die Angebotsgrundlagen, nämlich die Ausschreibungsbestimmungen. Weiters findet sich auch in Punkt 8.5 der Ausschreibungsunterlage eine entsprechende Abwehrklausel des Auftraggebers, wonach der Bieter mit Abgabe erklärt, dass sämtliche Bedingungen und Anforderungen der Ausschreibungsunterlage angeboten sind. Die nunmehr bloß als VH Vorschlag und der vertraglichen Pflicht gemäß Punkt 6.1 vorauseilende Abgabe eines alternierenden Bauzeitplans ist jedenfalls keine inhaltliche Abweichung. Dies wäre allenfalls als formaler Handlungsvorschlag einer Aufklärung zugänglich.

XXXX : Die AG hat die AST damit konfrontiert, dass der vorgelegte Bauzeitplan nicht den Vorgaben entspricht. Die AST hat im Rahmen des Aufklärungsgespräches mitgeteilt, mit dem Letztangebot einen entsprechend ausschreibungskonform korrigierten Bauzeitplan vorlegen zu wollen. Das ist nicht erfolgt. Für einen objektiven Erklärungsempfänger wie die AG geht daher aus dem Angebot hervor, dass die AST die Leistung nur zu ihrem vorgelegten Bauzeitplan der ausschreibungswidrig ist, erbringen will.

XXXX : Nach unserem Kenntnisstand besitzt die PräsZE die Befugnis Mechatronik. Diese Befugnis befähigt die PräsZE Planungs- und Ausführungsleistungen innerhalb der Schaltstation durchzuführen. Den Anschluss dieser Schaltstation und Planung der Außenanlagen im Zusammenhang mit dem aktiven Stromnetz, ist die PräsZE nicht befähigt, durchzuführen. Für diese Planungs- und Ausführungstätigkeiten braucht es zwingend die Befugnis Ingenieurbüro für Elektrotechnik. Dies wurde uns vorerst bestätigt von der WK Kärnten. Dies umfasst die elektrotechnische Gesamtplanung und die sicherungstechnische Gesamtplanung der Außenanlagen.

XXXX : Die auf Seite 9 der Teilnahmeunterlagen genannten Planungsleistungen der Innenanlage sind demnach auch nach dem Vorbringen der Antragstellerin von der Befugnis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin jedenfalls umfasst. Die anderen genannten Planungsleistungen dürfen auch im Rahmen der Befugnis Elektrotechnik erbracht werden. Für diese sind Subunternehmer von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin genannt worden. Die Planungsleistungen für den Anschluss der Anlagen an das aktive Stromnetz betreffen einen geringen Teil des Gesamtpreises der präsumtiven Zuschlagsempfängerin und liegen weit unter 15%.

XXXX : Wir schließen uns dem Vorbringen der Auftraggeberin an und im Übrigen ist eine Auskunft der WK nicht rechtsverbindlich.“

Mit Schreiben der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vom 31.8.2020 legte diese zwei Auszüge des Gewerbeinformationssystems Austria vor, mit welchen belegt wird, dass eine von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin als Subunternehmerin benannte Subunternehmerin (die Namen der von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin im Angebot genannten Subunternehmer werden zur Wahrung der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vertraulich behandelt) zur Ausübung folgender Gewerbe berechtigt ist: 1) „Ingenieurbüros (Beratende Ingenieure) auf dem Fachgebiet Elektrotechnik“ und 2) „Ingenieurbüros (Beratende Ingenieure) auf dem Fachgebiet Vermessungswesen“.

Mit Schreiben der Antragstellerin vom 15.09.2020 brachte diese eine ergänzende Stellungnahme vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (schlüssiges Beweismittel)

Die ÖBB-Infrastruktur Aktiengesellschaft hat den Bauauftrag „Planung und Errichtung einer schlüsselfertigen Eisenbahnkreuzungssicherungsanlage für die technische Sicherung der Eisenbahnkreuzung in km 4,544 der ÖBB VzG-Strecke 45701 Zeltweg - St. Paul im Bahnhof Weißkirchen mit der Landesstraße B77 im Gemeindegebiet der Gemeinde Weißkirchen, Verfahrens ID: 40815“ im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung im Unterschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip ausgeschrieben. Die Bekanntmachung in Österreich ist am 19.02.2020 erfolgt. Die Zuschlagsentscheidung ist am 23.07.2020 zugunsten der XXXX erfolgt. (Schreiben der Auftraggeberin vom 06.08.2020).

Der geschätzte Auftragswert im gegenständlichen Vergabeverfahren beträgt € 542.000. Der Gesamtpreis im Letztangebot der Antragstellerin beträgt € 620.322,71. Der Gesamtpreis im Letztangebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin beträgt € 127.611,34. (Schreiben der Auftraggeberin vom 06.08.2020; Verhandlungsschrift S. 5)

Die Ausschreibungsunterlagen in der Anlage 1a zur Aufforderung zur Angebotsabgabe auf der S. 2, unter Punkt 6, Beginn und Beendigung der Leistung (Leistungsfristen) lauten:

„Die Laufzeit dieses Totalunternehmervertrags beginnt mit Zugang dieses Schreibens beim AN. Für die Ausführung der vertragsgemäßen Leistungen sind folgende Fristen einzuhalten:

Vorlage der Einreichplanung:  21.08.2020

Vorlage der Ausführungsplanung:  04.09.2020

Baueinleitung:    29.09.2020

Vorlage der Ausführungsunterlagen: 02.11.2020

Übergabe zur bahnseitigen Prüfung:  06.11.2020

Vorgesehene Inbetriebnahme:  25.11.2020

Abschluss der Restarbeiten:   27.11.2020“


Die Antragstellerin hat mit ihrem Letztangebot folgenden Bauzeitenplan angeboten (die Auflistung wurde vom BVwG gekürzt und nur wiedergegeben soweit das angegebene Datum entscheidungsrelevant ist):

„Meilensteine     Datum

Einreichplanung    28.09.2020

Ausführungsplanung    13.11.2020

Baueinleitung     01.02.2021

Vorlage der Ausführungsunterlagen  15.01.2021

Übergabe zur bahnseitigen Prüfung  29.01.2021

IBN                                    26.02.2021“

(Akt des Vergabeverfahrens; Schreiben der Auftraggeberin vom 12.08.2020, Rz 103;)

Im Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wird eine Subunternehmerin namhaft gemacht, welche über die Befugnis zur Ausübung folgender Gewerbe verfügt:
1) „Ingenieurbüros (Beratende Ingenieure) auf dem Fachgebiet Elektrotechnik“ und
2) „Ingenieurbüros (Beratende Ingenieure) auf dem Fachgebiet Vermessungswesen“. (Schreiben der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vom 31.08.2020, Beilagen ./2 und ./3 = Auszüge aus dem Gewerbeinformationssystem Austria)

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen ergeben sich schlüssig aus den in Klammer genannten Quellen, deren Echtheit und Richtigkeit außer Zweifel steht oder die Feststellungen sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die Ausschreibungsunterlagen, welche mangels rechtzeitiger Anfechtung bestandsfest wurden und an welche daher alle am Vergabeverfahren Beteiligten gebunden sind, sind nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen (VwGH 17. 6. 2014, 2013/04/0029; VwGH 14. 4. 2011, 2008/04/0065; VwGH 15. 3. 2017, Ra 2014/04/0052).

3.a) Zu Spruchpunkt 1) A):

Die Antragstellerin brachte vor, die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe einen in seiner Zusammensetzung nicht plausiblen Preis angeboten. Aufgrund des ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreises des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wäre die Auftraggeberin zur vertieften Angebotsprüfung verpflichtet gewesen.

Der geschätzte Auftragswert im gegenständlichen Vergabeverfahren beträgt € 542.000. Der Gesamtpreis im Letztangebot der Antragstellerin beträgt € 620.322,71. Der Gesamtpreis im Letztangebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin beträgt € 127.611,34. Angesichts solcher außergewöhnlicher Preisunterschiede war die Durchführung einer vertieften Angebotsprüfung geboten und wurde diese von der Auftraggeberin auch durchgeführt.

Die Auftraggeberin hat zur Frage der Erklärung der ungewöhnlich großen Preisunterschiede in der mündlichen Verhandlung unter anderem Folgendes ausgeführt:

„In der Vergangenheit haben die ÖBB die EKSA (Eisenbahnkreuzungssicherungsanlagen) in der Form ausgeschrieben, dass sie eine detaillierte Leistungsbeschreibung vorgegeben haben und auch Eigenleistungen erbracht haben. Dies führte zu relativ hohen Preisen der EKSA der ÖBB im Vergleich zu EKSA von Privatbahnen. Daher haben sich die ÖBB entschieden, die relativ niedrigeren Preise der EKSA von Privatbahnen ebenfalls möglichst zu erlangen, indem im Gegensatz zu früher nunmehr bei einem Pilotprojekt wie dem gegenständlichen eine funktionale Leistungsbeschreibung ausgeschrieben wurde, in welcher sowohl die Planung als auch die Realisierung als auch Teile der Erhaltungsleistungen für 25 Jahre, nämlich die IT Sicherheit, umfasst sind. Die Erhaltungstätigkeiten wie schmieren und reinigen werden von den ÖBB nach wie vor selbst gemacht. Ziel des Pilotprojekts war es daher, die relativ hohen Kosten möglichst zu minimieren.

Zur Frage, warum die PräsZE deutlich niedrigere Preise anbieten konnte als die AST:

Die PräsZE verwendet im Gegensatz zur AST Industrieprodukte sowohl für die Hardware als auch für die Software zugekaufte Industrieprodukte und passt diese projektspezifisch den einzelnen Anlagen an. Die AST hingegen verwendet eigene entwickelte Produkte, die nur für EKSA verwendet werden. Diese Tatsache ist grundsätzlich allgemein am Markt bekannt, da sie in Fachpublikationen publiziert wurde. Diese eigenen entwickelten Produkte sind deshalb wesentlich teurer als die zugekauften Industrieprodukte, weil einerseits die zugekauften Industrieprodukte aus einem Massenmarkt stammen (degressive Stückkosten) und andererseits die eigens entwickelten Produkte nur in einem sehr kleinen Markt für EKSA Verwendung finden können."

Diese Ausführungen der Auftraggeberin sind schlüssig und nachvollziehbar. Der Senat hat das Letztangebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin in der mündlichen Verhandlung dahingehend geprüft, ob die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit von sachkundigen Personen auf Grund ausreichend detaillierter Unterlagen geprüft worden ist und unter Berücksichtigung der auch der Auftraggeberin zur Verfügung gestandenen Unterlagen mittels einer Plausibilitätsprüfung grob geprüft, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann (vgl. VwGH 25.01.2011, 2008/04/0082). Der Senat kam zu dem Ergebnis, dass die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit von sachkundigen Personen auf Grund ausreichend detaillierter Unterlagen geprüft worden ist und dass ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann.

Die Antragstellerin hat weiters nach Offenlegung der Schwärzungen im Schriftsatz der Auftraggeberin vom 12.08.2020 in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, die präsumtive Zuschlagsempfängerin verfüge über keine ausreichende Befugnis zur Erbringung der ausschreibungsgegenständlichen Leistungen, da ihr die Befugnis „Ingenieurbüro für Elektrotechnik und Ingenieurbüro für Vermessungswesen“ fehle (siehe Verhandlungsschrift Seite 7 unten).

Im Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wird eine Subunternehmerin namhaft gemacht, welche über die Befugnis zur Ausübung folgender Gewerbe verfügt:
1) „Ingenieurbüros (Beratende Ingenieure) auf dem Fachgebiet Elektrotechnik“ und
2) „Ingenieurbüros (Beratende Ingenieure) auf dem Fachgebiet Vermessungswesen“. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin verfügt daher durch die von ihr genannte Subunternehmerin über die von der Antragstellerin bemängelte Befugnis. Weiters hat die Auftraggeberin in ihrem Schreiben vom 12.08.2020, Rz 105ff, schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin insgesamt über die erforderliche Befugnis verfügt.

Die Auftraggeberin brachte weiters vor, die Antragstellerin habe mit ihrem Letztangebot einen Bauzeitenplan angeboten, der von den Terminen der Ausschreibung bzw. dem bestandsfesten Bauzeitenplan abweiche. In den Ausschreibungsunterlagen seien die gemäß Vertrag einzuhaltenden Leistungsfristen dargestellt, nämlich die vorgesehene Inbetriebnahme am 04.11.2020. Der seitens der Antragstellerin vorgelegte Bauzeitplan sehe dem widersprechend eine Inbetriebnahme am 26.02.2021 vor. Daher sei das Angebot der Antragstellerin ausschreibungswidrig und damit auszuscheiden.

Die Antragstellerin entgegnete dem, dass der vorgebrachte Sachverhalt richtig sei, allerdings sei das Angebot in seiner Gesamtheit zu würdigen. Um die Antragstellerin auszuscheiden, müsse klar der Wille des Abweichens von den Ausschreibungsbestimmungen hervorkommen. Das gegenständliche Angebot verweise im Begleitschreiben auf die Angebotsgrundlagen, nämlich die Ausschreibungsbestimmungen. Weiters finde sich auch in Punkt 8.5 der Ausschreibungsunterlage eine entsprechende Abwehrklausel des Auftraggebers, wonach der Bieter mit Abgabe erklärt, dass sämtliche Bedingungen und Anforderungen der Ausschreibungsunterlage angeboten seien. Die nunmehr bloß als Verhandlungsvorschlag und der vertraglichen Pflicht gemäß Punkt 6.1 vorauseilende Abgabe eines alternierenden Bauzeitplans sei jedenfalls keine inhaltliche Abweichung. Dies wäre allenfalls als formaler Handlungsvorschlag einer Aufklärung zugänglich.

Die folgende Tabelle soll den Bauzeitenplan im gegenständlichen Vergabeverfahren, wie er entsprechend den Ausschreibungsunterlagen einzuhalten ist und wie er von der Antragstellerin mit ihrem Letztangebot angeboten wurde, darstellen:

vertragsgemäße Leistungen

Fristen laut Ausschreibungsunterlage

von der Antragstellerin angebotene Fristen

Vorlage der Einreichplanung

21.08.2020

28.09.2020

Vorlage der Ausführungsplanung

04.09.2020

13.11.2020

Baueinleitung

29.09.2020

01.02.2021

Vorlage der Ausführungsunterlagen

02.11.2020

15.01.2021

Übergabe zur bahnseitigen Prüfung

06.11.2020

29.01.2021

Vorgesehene Inbetriebnahme

25.11.2020

26.02.2021

Wie diese Tabelle verdeutlicht, ergibt sich aus dem objektiven Erklärungswert der Ausschreibungsunterlagen und des Letztangebotes der Antragstellerin, dass sie bei sechs Fristen des Bauzeitenplanes einen (zum Teil erheblich) von den Ausschreibungsunterlagen abweichenden Bauzeitenplan anbieten will und dies wohl auch in ihrem Angebot entsprechend kalkuliert hat. Es handelt sich somit bei dem Letztangebot der Antragstellerin um ein in mehreren Punkten den Ausschreibungsbestimmungen widersprechendes Angebot, welches gemäß § 141 Abs. 1 Z. 7 BVergG 2018 auszuscheiden ist.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens war für die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes nicht erforderlich.

Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass der Nachprüfungsantrag abzuweisen war, weil kein Grund iSd. § 347 Abs. 1 BVergG 2018 hervorgekommen ist, die angefochtene Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären und weil das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden gewesen wäre.


3.b) Zu Spruchpunkt 2.) A) - Gebührenersatz:

Da die Antragstellerin nicht obsiegt hat, hat sie gemäß § 341 BVergG 2018 keinen Anspruch auf Gebührenersatz durch die Auftraggeberin.

B) Revision (Spruchpunkte 1) B) und 2) B)):

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn dieser von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ist die Rechtslage eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. VwGH 28.02.2018, Ro 2017/04/0120).

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Auch ist die Rechtslage eindeutig und es sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich.

Schlagworte

einstweilige Verfügung mündliche Verhandlung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren Pauschalgebührenersatz Provisorialverfahren Vergabeverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W134.2233640.3.00

Im RIS seit

07.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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