TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/30 I401 2017090-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.09.2020
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Entscheidungsdatum

30.09.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I401 2017090-2/11E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 28.08.2020 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX (alias XXXX ), StA. NIGERIA, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R1, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom 30.11.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.08.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer gelangte illegal ins Bundesgebiet und stellte am 02.12.2014 erstmals unter einer anderen Identität, nämlich dem Namen XXXX und dem Geburtsdatum XXXX , einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit Grundstücksstreitigkeiten zwischen seinem Vater und Onkel begründete.

Nach abweisender Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 11.12.2014 wurde die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.02.2018, GZ I405 2017090-1/7E, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass „[e]ine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ gemäß § 57 AsylG 2005 […] nicht erteilt [wird]“ und „[g]emäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG […] die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.“ Glaubhafte, gegen seine Person gerichtete Fluchtgründe habe der Beschwerdeführer nicht vorgebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof wies die erhobene außerordentliche Revision gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mit Beschluss vom 10.09.2018, Ra 2019/19/0210, zurück. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 26.11.2018, E 1458/2018-20, ab.

Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und stellte nur annähernd fünf Wochen nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs und ohne die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs abzuwarten, am 18.10.2018 den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Er begründet ihn nunmehr damit, wegen seiner Zugehörigkeit zu Biafra verfolgt worden zu sein. Vor seiner Flucht aus Nigeria habe ihm die Verhaftung gedroht. Bei seiner ersten Antragstellung habe er seine Fluchtgründe nicht zur Gänze erwähnt. Außerdem wolle er nun seine wahre Identität angeben. Er heiße XXXX und sei am XXXX geboren.

Vor dem Bundesamt gab er am 31.10.2018 an, die Gründe aus dem Erstverfahren aufrecht zu erhalten. Außerdem sei sein Vater Priester und Anhänger von Biafra gewesen. Die Familie sei dann aus dem Heimatdorf verbannt worden und nach Enugu und später nach Abuja verzogen. Der Vater sei immer wieder bedroht worden und 2014 bei einem Anschlag auf einen Markt ums Leben gekommen. Der Beschwerdeführer habe Drohungen bekommen, die Schulden des Vaters bezahlen zu müssen. Er vermutet, dass dahinter den Machenschaften sein Onkel stehe.

Mit Bescheid vom 30.11.2018 wies das Bundesamt den Antrag auf internationalen Schutz vom 18.10.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt I. und II.) wegen entschiedener Sache zurück, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass eine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.), gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.) und erließ gegen ihn ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).

In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde moniert, dass sich seit Abschluss des Vorverfahrens aufgrund der Situation von Biafra-Aktivisten und der exilpolitischen Betätigung des Beschwerdeführers gravierende Änderungen ergeben hätten. Ohne familiäre Anknüpfungspunkte wäre er überdies der Gefahr ausgesetzt, in eine existenzbedrohende Lage zu geraten. Er habe ein umfangreiches soziales und familiäres Umfeld in Österreich und sei selbsterhaltungsfähig und habe das Bundesamt diese Umstände nicht ausreichend berücksichtigt. Es gingen vom Beschwerdeführer keine Gefahr aus, die die Erlassung eines Einreiseverbotes rechtfertigen würde.

Am 28.08.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers und des Vertreters des Bundesamtes statt. Ein/e Vertreter/in des MigrantInnenvereins ist nicht erschienen.

Das Erkenntnis wurde mündlich verkündet, am 03.09.2020 wurde die schriftliche Ausfertigung beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Sachverhalt und zur Person:

Der oben wiedergegebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

Der Beschwerdeführer stammt aus dem Bundesstaat Enugu. Seine Identität steht nicht fest. Er trat bislang unter verschiedenen Namen und Geburtsdaten auf. Ein identitätsbezeugendes Dokument wurde von ihm bislang nicht vorgelegt. Er ist nigerianischer Staatsangehöriger, gehört der Volks- und Sprachgruppe der Ibo an und beherrscht auch Englisch. Er bekennt sich zum christlichen Glauben. Der Beschwerdeführer hat keine in Nigeria lebende Verwandte. Er ist gesund; er leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten und ist arbeitsfähig. Er ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Er verfügt über eine mehrjährige Schulbildung und ging vor seiner Ausreise Verkaufstätigkeiten bei seinem Vater nach. Er lebt in keiner Lebensgemeinschaft bzw. Beziehung und es leben keine Familiengehörigen von ihm in Österreich. Er hat einen Freundeskreis in Österreich und ist aktives Mitglied in einer Kirche. Er besuchte einen Deutschkurs, legte jedoch noch keine Prüfung ab. Er verfügt über sehr einfache Deutschkenntnisse. Bis zum gegebenen Zeitpunkt ging er in Österreich keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach, er verkaufte eine Straßenzeitung. Er bezog bis Mai 2018 Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Er ist seit 04.09.2019 als obdachlos gemeldet. Er hält sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

1.2. Zum Fluchtvorbringen:

Der Beschwerdeführer stellte am 02.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit einer Bedrohung wegen der Schulden seines Vaters begründete. Er vermutete seinen Onkel hinter den Drohbriefen.

Im gegenständlichen Folgeverfahren machte er geltend, dass er wegen der Aktivitäten seines Vaters bei Biafra gesucht werde. Nicht mehr sein Onkel, sondern andere Leute hätten ihm gegenüber Geldforderungen. Wer die Drohbriefe geschickt habe, wisse er nicht.

Der Beschwerdeführer hat keine sachverhaltsbezogenen Änderungen bezüglich seiner Fluchtgründe vorgebracht. Er unterließ es, seine Verfolgung wegen der Aktivitäten seines Vaters in der Biafra-Bewegung im ersten Asylverfahren vorzubringen.

In Bezug auf die Situation in Nigeria ist zwischenzeitlich keine wesentliche Änderung, welche den Beschwerdeführer konkret und individuell betrifft, eingetreten. Er wird im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria weiterhin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zur (auszugsweise wiedergegebenen) Lage im Herkunftsstaat (mit Angabe der Quellen):

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine entscheidungswesentlichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine, den Beschwerdeführer individuell betreffende Änderung bekannt geworden und wurde mit ihm das aktuelle Länderinformationsblatt mit Stand 20.05.2020 im Rahmen der Verhandlung erörtert.

2. Sicherheitslage

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 16.1.2020). Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt; sowie Spannungen im Nigerdelta (AA 16.1.2020; vgl. EASO 11.2018a) und eskalierende Gewalt im Bundesstaat Zamfara (EASO 11.2018a). Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten (EASO 11.2018a; vgl. AA 16.1.2020), sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen (EASO 11.2018a). Beim Konflikt im Nordosten handelt es sich um eine grenzüberschreitende jihadistische Insurgenz. Im „Middlebelt“ kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen um knapper werdende Ressourcen zwischen Hirten und Bauern. Bei den Auseinandersetzungen im Nigerdelta geht es sowohl um Konflikte zwischen regionalen militanten Gruppen einerseits und der Staatsgewalt andererseits, als auch um Rivalitäten zwischen unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im Südosten handelt es sich (noch) um vergleichsweise beschränkte Konflikte zwischen einzelnen sezessionistischen Bewegungen und der Staatsgewalt. Die Lage im Südosten des Landes („Biafra“) bleibt jedoch latent konfliktanfällig. IPOB ist allerdings derzeit in Nigeria nicht sehr aktiv (AA 16.1.2020).

In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, westl. Taraba und der östl. Teil von Nassarawa, das nördliche Sokoto und die Bundesstaaten Plateau, Kaduna, Benue, Niger, Kebbi sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen bzw. innerethnischen Konflikten betroffen. Weiterhin bestimmen immer wieder gewalttätige Konflikte zwischen nomadisierenden Viehzüchtern und sesshaften Farmern sowie gut organisierten Banden die Sicherheitslage. Demonstrationen und Proteste sind insbesondere in Abuja und Lagos, aber auch anderen großen Städten möglich und können zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Im Juli/August 2019 forderten diese in Abuja auch wiederholt Todesopfer (AA 16.4.2020).

Das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Reisen auf dem Landweg in die nordöstlichen Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa. Von nicht erforderlichen Reisen in die übrigen Landesteile Nordnigerias, in die Bundesstaaten Sokoto, Katsina und Jigawa wird abgeraten. Von Reisen in die folgenden Bundesstaaten wird abgeraten, sofern diese nicht direkt auf dem Luftweg in die jeweiligen Hauptstädte führen: in Zentral-und Nord-Nigeria Kaduna, Zamfara, Kano und Taraba, in Südnigeria: Ogun, Ondo, Ekiti, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Anambra, Enugu, Abia, Ebonyi und Akwa Ibom. Auch von Reisen in die vorgelagerten Küstengewässer, Golf von Guinea, Nigerdelta, Bucht von Benin und Bucht von Bonny, wird abgeraten (AA 16.4.2020).

In den nordöstlichen Landesteilen werden fortlaufend terroristische Gewaltakte, wie Angriffe und Sprengstoffanschläge von militanten Gruppen auf Sicherheitskräfte, Märkte, Schulen, Kirchen und Moscheen verübt (AA 16.4.2020). Das britische Außenministerium warnt vor Reisen nach Borno, Yobe, Adamawa und Gombe, sowie vor Reisen in die am Fluss gelegenen Regionen der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom and Cross River im Nigerdelta, sowie Reisen nach Zamfara näher als 20km zur Grenze mit Niger. Abgeraten wird außerdem von allen nicht notwendigen Reisen in die Bundesstaaten Bauchi, Zamfara, Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Kogi, Abia, im 20km Grenzstreifen zu Niger in den Bundesstaaten Sokoto und Kebbi, nicht am Fluss gelegene Gebiete von Delta, Bayelsa und Rivers, und Reisen im Bundesstaat Niger im Umkreis von 20km zur Grenze zu den Staaten Kaduna und Zamfara, westlich des Flusses Kaduna (UKFCO 15.4.2020). Gewaltverbrechen sind in bestimmten Gebieten Nigerias ein ernstes Problem, ebenso wie der Handel mit Drogen und Waffen (FH 1.2019).

In der Zeitspanne April 2019 bis April 2020 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.712), Zamfara (685), Kaduna (589) und Katsina (392). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Gombe (3), Kebbi (3), Kano (7), Jigawa (7), Kwara (8), Enugu (8) und Ekiti (9) (CFR 2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        AA - Auswärtiges Amt (16.4.2020): Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise

-        (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#content_5, 16.4.2020

-        CFR - Council on Foreign Relations (2019): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 12.4.2019

-        EASO - European Asylum Support Office (11.2018a): Country of Origin Information Report - Nigeria - Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001366/2018_EASO_COI_Nigeria_SecuritySituation.pdf, Zugriff 16.4.2020

-        FH - Freedom House (1.2019): Freedom in the World 2019, Nigeria, https://freedomhouse.org/country/nigeria/freedom-world/2019, Zugriff 17.4.2020

-        UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (15.4.2020): Foreign Travel Advice – Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 16.4.2020

12.1. Opposition inkl. MASSOB und IPOB

Verfassung und Gesetze erlauben die freie Bildung politischer Parteien, Gewerkschaften oder Interessengruppen. Es liegen keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung vor. Auch in Nigeria kann sich die politische Opposition grundsätzlich frei betätigen. Das gilt nicht nur für die parlamentarische Opposition sondern auch für außerparlamentarische Parteien und Gruppen. Bislang sind auch – meist marginale – Gruppen mit sezessionistischen Zielen (etwa Biafra) weitgehend toleriert worden (AA 16.1.2020).

Mit Verbot der Indigenous People of Biafra (IPOB) im September 2017 und der schiitischen Islamischen Bewegung Nigerias (IMN) im August 2019 sind jetzt aber klare Grenzen markiert worden (AA 16.1.2020). Neben der IPOB ist im Südosten Nigerias als zweite sezessionistische Bewegung das Movement for the Actualization of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) aktiv (EASO 2.2019; vgl. ÖB 10.2019). Beide werden von der Igbo-Volksgruppe beherrscht, konkurrieren aber miteinander (ÖB 10.2019).

Nach der vorübergehenden Freilassung des seit Herbst 2015 inhaftierten Anführers der IPOB, Nnamdi Kanu, im Frühjahr 2017 spitzte sich die Lage rund um den 50. Jahrestag des Beginns des Biafra-Kriegs [Anm.: 6.7.2017] neuerlich zu. Zur Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wurden Truppen entsandt (ÖB 10.2019; vgl. AA 16.1.2020) und die IPOB zur terroristischen Organisation erklärt (ÖB 10.2018; vgl. AA 16.1.2020). Die Polizei geht gegen Mitglieder der IPOB und der IMN mittels Inhaftierungen vor (HRW 17.1.2019). Die Sicherheitskräfte nahmen im Verlauf des Jahres 2019 mindestens 200 Mitglieder und Unterstützer der IPOB fest, zehn Personen wurden getötet (AI 8.4.2020). In Abia wurden mutmaßliche IPOB-Mitglieder etwa wegen Mordes, Brandstiftung und anderen Verbrechen verhaftet. Seither hat es seitens IPOB und MASSOB nur noch vereinzelt Versuche gegeben, in der Öffentlichkeit für die (verfassungswidrige) Unabhängigkeit eines fiktiven Staates „Biafra“ zu werben. Diese wurden von den nigerianischen Sicherheitsbehörden regelmäßig unterbunden. Insgesamt können diese Bewegungen als relativ unbedeutende Randgruppen angesehen werden (ÖB 10.2019).

Der IPOB-Führer Nnamdi Kanu, der seit September 2017 spurlos verschwunden gewesen war, trat überraschend im Oktober 2018 in Jerusalem wieder öffentlich in Erscheinung (ÖB 10.2019; vgl. BBC 22.10.2018). Seit Anfang 2019 hielt er sich in Großbritannien auf (AFP 17.2.2019). Aufgrund einer umstrittenen Äußerung Kanus bei einem Interview distanzierte sich die IPOB in der Folge von ihrem (ehemaligen) Anführer (ÖB 10.2018). Der Federal High Court in Abuja erließ am 28.3.2019 einen Haftbefehl gegen ihn. Gleichzeitig widerrief das Gericht die Kanu im April 2017 aus gesundheitlichen Gründen gewährte Freilassung auf Kaution, da er seither mehreren Vorladungen des Gerichts nicht Folge geleistet hatte (BAMF 1.4.2019). Im September 2019 kündigte Kanu an, eine IPOB-Delegation zur Generalversammlung der UNO führen zu wollen, und beschuldigte Nigeria in einer Petition an die UNO in Genf der Menschenrechtsverletzungen gegen die Unterstützer der Biafra-Bewegung (ÖB 10.2019). In Nigeria selbst ist IPOB derzeit nicht sehr aktiv (AA 16.1.2020).

Die Sicherheitskräfte setzen das harte Vorgehen gegen Mitglieder der schiitischen IMN fort, die gegen die Inhaftierung ihres Führers Scheich Ibrahim El Zakzaky und seiner Frau seit Dezember 2015 protestieren. Trotz gerichtlicher Anordnungen zu ihrer Freilassung bleiben sie in Haft (HRW 14.1.2020). Nach gewaltsamen Protesten der IMN in Abuja im Juli 2019 wurde die Gruppierung durch die Regierung im ganzen Land zu einer illegalen Organisation erklärt. Noch immer sitzen dutzende IMN-Anhänger ohne Anklage in Haft (AA 16.1.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        AFP - Agence France Presse (17.2.2019): Pro-Biafran group calls off Nigeria election boycott, https://www.news24.com/Africa/News/pro-biafran-group-calls-off-nigeria-election-boycott-20190216, Zugriff 14.4.2020

-        AI - Amnesty International (8.4.2020): Amnesty Report, Nigeria 2019, https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/nigeria-nigeria-2019#section-11669045, Zugriff 14.4.2020

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (1.4.2019): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006127/Deutschland___Bundesamt_f%C3%Bcr_Migration_und_Fl%C3%Bcchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_01.04.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 14.4.2020

-        BBC News (22.10.2018): Nnamdi Kanu, Nigerian separatist leader, resurfaces in Israel, https://www.bbc.com/news/world-africa-45938456, Zugriff 14.4.2020

-        EASO - European Asylum Support Office (2.2019): Country Guidance: Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2004112/Country_Guidance_Nigeria_2019.pdf, Zugriff 14.4.2020

-        HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022679.html, Zugriff 14.4.2020

-        HRW - Human Rigths Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2002184.html, Zugriff 14.4.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria

-        USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026341.html, Zugriff 9.4.2020

20. Grundversorgung

Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor (GIZ 3.2020c). 2018 wurde ein Wachstum von 1,9 Prozent erreicht (AA 24.5.2019c).

Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 16.1.2019). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei- und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat – gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 3.2020c). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 16.1.2020). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 3.2020c). Vor allem im Bereich Stromversorgung und Transport ist die Infrastruktur weiterhin mangelhaft und gilt als ein Haupthindernis für die wirtschaftliche Entwicklung (AA 24.5.2019c).

Über 60 Prozent (AA 24.5.2019c) bzw. nach anderen Angaben über 70 Prozent (GIZ 3.2020c) der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 3.2020c; vgl. AA 24.5.2019c). Die unterentwickelte Landwirtschaft ist jedoch nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken (AA 24.5.2019c). Das Land ist nicht autark, sondern auf Importe – v.a. von Reis – angewiesen (ÖB 10.2019). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt von kleinen Anbauflächen – in der Regel in Subsistenzwirtschaft (AA 24.5.2019c). Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt. Aufgrund fehlender Transportmöglichkeiten verrotten bis zu 40 Prozent der Ernten (ÖB 10.2019).

Die Prozentsätze der Unterernährung haben sich in den nördlichen Staaten im Vergleich zu 2015 verbessert und liegen nun unter der Alarmschwelle von 10 Prozent. Gemäß Schätzungen von UNICEF unterliegen zwei Millionen Kinder unter fünf Jahren in Nordnigeria einem hohen Risiko von schwerer akuter Unterernährung (ÖB 10.2019).

Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2020; vgl. GIZ 3.2020b). Über 80 Prozent der ca. 190 Millionen Nigerianer leben unterhalb der Armutsgrenze - Tendenz steigend (GIZ 3.2020c). 48 Prozent der Bevölkerung Nigerias bzw. 94 Millionen Menschen leben in extremer Armut mit einem Durchschnittseinkommen von unter 1,90 US-Dollar pro Tag (ÖB 10.2019). Die Armut ist in den ländlichen Gebieten größer als in den städtischen Ballungsgebieten (GIZ 3.2020b). Mietkosten, Zugang zu medizinischer Versorgung, Lebensmittelpreise variieren ebenfalls nicht nur von Bundesstaat zu Bundesstaat, sondern auch regional/ethnisch innerhalb jedes Teilstaates (ÖB 10.2019).

Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei den Jugendlichen im Alter von 15 bis 35 wird sie auf über 50 Prozent geschätzt (GIZ 3.2020b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent – in erster Linie unter 30-jährige – mit großen regionalen Unterschieden. Die Chancen, einen sicheren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst, staatsnahen Betrieben oder Banken zu finden, sind gering, außer man verfügt über eine europäische Ausbildung und vor allem über Beziehungen (ÖB 10.2019). Verschiedene Programme auf Ebene der Bundesstaaten aber auch der Zentralregierung zielen auf die Steigerung der Jugendbeschäftigung ab (ÖB 10.2019; vgl. BS 2020).

Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 3.2020b).

Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2019). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2020). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).

Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Eine immer noch geringe Anzahl von Nigerianern (acht Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2020).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 3.2020c).

Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für „peppersoup“, „garri“ oder „pounded yam“, für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch „mini-farming“ eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als „bushmeat“ gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun „grasscutter“ (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als „bushmeat“ gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und „grasscutter“ finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2019).

Im Jahr 2019 benötigten von der Gesamtbevölkerung von 13,4 Millionen Menschen, die in den Staaten Borno, Adamawa und Yobe leben, schätzungsweise 7,1 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Von den auf Hilfe Angewiesenen (7,1 Millionen) sind schätzungsweise 80 Prozent Frauen und Kinder (IOM 17.3.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        AA - Auswärtiges Amt (24.5.2019c): Nigeria - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/wirtschaft/205790, Zugriff 16.4.2020

-        BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029575/country_report_2020_NGA.pdf, Zugriff 18.5.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020c): Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 16.4.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Nigeria, Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 15.4.2020

-        IOM Nigeria - International Organization for Migration (17.3.2020): Emergency Response, 2019 Annual Reports, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/2019_annual_report_-_iom_nigeria_emergency_responsefinal.pdf, Zugriff 15.4.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria

22. Rückkehr

Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt keine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 16.1.2020). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations (JROs) gemeinsam mit FRONTEX (ÖB 10.2019). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 16.1.2020).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 16.1.2020). Die Erfahrungen mit den JROs seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2019). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 16.1.2020) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2019) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 16.1.2020; vgl. ÖB 10.2019). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2019).

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im „Decree 33“ nicht zu befürchten (AA 16.1.2020). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets „overstay“ angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2019).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. die Angebote nicht bekannt sind oder eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen haben im Herbst 2018 in Lagos, Abuja und Benin City Migrationsberatungszentren der GIZ ihren Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 16.1.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)

-        ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria

Außerdem wird zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus festgestellt:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Nigeria gibt es mit Stand Ende August insgesamt ca. 50.000 bestätigte Infektionen, wobei etwa 40.000 Personen wieder genesen sind und sind knapp 1.000 Todesfälle verzeichnet.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten) auf.

Quellen:

https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html, Zugriff 02.04.2020 https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/, Zugriff 02.04.2020 https://orf.at/corona/stories/3157170/, Zugriff 23.03.2020

https://orf.at/corona/stories/3157533/, Zugriff 23.03.2020

https://www.google.de/search?q=corona+nigeria&safe=active&gws_rd=ssl#spf=1600085493141

https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 12.05.2020

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt und zur Person:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zum Sachverhalt ergeben sich aus dem Akteninhalt des Bundesamtes und des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts zu I405 2017090-1 und seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben. Aufgrund der auch im gegenständlichen Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, auch wenn er nun beteuert, die richtigen Namen und das richtige Geburtsdatum angegeben zu haben. Sie werden als Aliasidentität angeführt. Die Staatsangehörigkeit wurde bereits im ersten Asylverfahren rechtskräftig festgestellt.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt, bestätigt durch eine Abfrage aus dem Betreuungsinformationssystem, dem Zentralen Fremdenregister und dem Zentralen Melderegister vom 14.07.2020.

Dass Verwandte von ihm in Österreich leben oder sonst intensive Beziehungen bestehen, brachte der Beschwerdeführer nicht vor. Aus seinen Angaben, über eine Obdachlosenadresse zu verfügen und bei Freunden oder in der Kirche unterzukommen, ergeben sich keine maßgeblichen Beziehungen zu Personen in Österreich, zumal der Beschwerdeführer seine „Freunde“ nicht namentlich nannte oder nennen wollte und über sie keine näheren Details bekannt gab.

Mangels Vorlage von Beweismitteln konnte eine maßgebliche Integration des Beschwerdeführers in Österreich nicht festgestellt werden. Aus dem Umstand, dass er bei einem über fast sechsjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet nur Teilnahmebestätigungen über Deutschkurse, nicht aber eine absolvierte Prüfung oder sonstige integrative Schritte vorweisen konnte, ergibt sich keine über das übliche Maß hinausgehende Verfestigung des Beschwerdeführers. In der mündlichen Verhandlung konnte er sich in der deutschen Sprache nicht verständlich machen. Allein aus dem Verkauf einer Straßenzeitung und dem Besuch einer Kirche können maßgebliche Bemühungen in beruflicher und sozialer Hinsicht nicht abgeleitet werden. Dass der Beschwerdeführer bis zum gegebenen Zeitpunkt keiner der Pflichtversicherung nach einem Sozialversicherungsgesetz unterliegenden Beschäftigung nachging, fußt auf einem aktuellen Versicherungsdatenauszug. Dass er nicht selbsterhaltungsfähig ist, beruht auf seinen Äußerungen in der mündlichen Verhandlung, wonach er über keinen festen Wohnsitz verfügt und bei Freunden unterkommt, sowie aus dem Umstand, dass er nicht krankenversichert ist und die Mittel, wie er seinen Unterhalt bestreitet, in keiner Weise darlegen konnte. Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug. In der mündlichen Verhandlung am 28.08.2020 bekräftigte er, gesund und arbeitsfähig zu sein.

2.2. Zu den neuen Flucht- und Antragsgründen:

Sein Fluchtvorbringen stützt der Beschwerdeführer ausschließlich auf Umstände, welche er bereits im Rahmen seines ersten Verfahrens auf Gewährung internationalen Schutzes geltend machte, insbesondere machte er die nach wie vor bestehende Angst vor Verfolgung aufgrund der Schulden des Vaters, die er habe zurückzahlen müssen, geltend. Im ersten Asylverfahren mutmaßte er, dass die Verfolgung auf seinen Onkel zurückzuführen wäre, nunmehr brachte er vor, dass die Geldforderungen in Zusammenhang mit der Biafra-Aktivität des Vaters stehen könnten.

Anzumerken ist allerdings, dass das Vorbringen betreffend die Verfolgung wegen offener Geldforderungen bereits im ersten Asylverfahren als konstruiertes Vorbringen und somit als unglaubwürdig angesehen wurde (vgl. die Beweiswürdigung im Erkenntnis vom 28.02.2018, I405 2017090-1/7E). Daran ändert auch das nunmehrige Vorbringen nichts, wonach „andere Leute“ hinter der Geldforderung stünden, zumal er zu diesen „Leuten“ keine näheren Angaben machen konnte. Dass diese Personen in Zusammenhang mit der Biafra-Aktivität des Vaters stehen könnten, ist eine bloße, durch kein Tatsachensubstrat untermauerte Behauptung. Eine Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zur Biafra-Bewegung habe nach seinen Angaben bereits vor der Flucht aus Nigeria stattgefunden. Denn er gab dazu an: „Ich gehöre zu der unterstützenden Bewegung der BIAFRA. […] Ich musste vor meiner Flucht aus Nigeria mit der Verhaftung rechnen. […]“ (AS 19).

Es hat sich gegenständlich daher weder die Sach- noch die Rechtslage geändert. Das „neue“ Vorbringen des Beschwerdeführers, er (und sein Vater) sei (seien) vor der Ausreise des Beschwerdeführers aus Nigeria aktive(s) Mitglied(er) der Biafra-Bewegung gewesen und deswegen verfolgt worden, kann daran nichts ändern. Diese Verfolgung hätte er bereits im ersten Asylverfahrens geltend machen müssen. Er unterließ es, diesen Fluchtgrund im ersten Verfahren vorzubringen. Er legte nicht nachvollziehbar dar, warum er diesen (Flucht-) Grund erst im Folgeverfahren habe vorbringen können. Im Vergleich zum Vorverfahren brachte der Beschwerdeführer somit keine neuen Fluchtgründe vor, auch nicht mit seinem „neuen“ Vorbringen, dass die (bereits im Erstverfahren als unglaubwürdig qualifizierte) Geldforderung nunmehr in Zusammenhang mit der Aktivität seines Vaters bei der Biafra-Bewegung stehen könnte.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen und vermeinte nur, dass die Armut verhindere, dass man zu irgendetwas in Nigeria komme. Zum Vorbringen der Sicherheitslage in der Beschwerde stehen diese Ausführungen nicht im Widerspruch mit den Feststellungen des Länderinformationsblattes, wobei zwischen verschiedenen Konfliktherden (auch auf Boko Haram wird eingegangen und den religiös motivierten Streitigkeiten zwischen Christen und Moslems) unterschieden wird, aber auch klar zum Ausdruck gebracht wird, dass es in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien gibt. Eine wesentliche Verschlechterung der Sicherheitslage in Nigeria, welche den Beschwerdeführer individuell und konkret betreffen würde, konnte nicht festgestellt werden. Das Beschwerdevorbringen, dass der Beschwerdeführer ohne familiäre Anknüpfungspunkte in Nigeria in eine aussichtlose Lage geriete, steht klar im Widerspruch zu den Angaben im Länderinformationsblatt, wonach „[…] auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).“

Diesen Ausführungen trat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung mit der allgemeinen Aussage, dass Armut ein Weiterkommen verhindere, nicht substantiiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

3.1. Zur Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wegen entschiedener Sache:

3.1.1. Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21.03.1985, 83/06/0023, u.a.). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. VwGH 27.09.2000, 98/12/0057).

Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 08.09.1977, 2609/76).

Von verschiedenen "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG ist auszugehen, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (VwGH 24.02.2005, 2004/20/0010 bis 0013).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen. Die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (VwGH 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwGH 09.09.1999, Zl. 97/21/0913).

Ist davon auszugehen, dass ein/eine Asylwerber/Asylwerberin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser/diese jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391).

Für das Bundesverwaltungsgericht ist daher Sache des gegenständlichen Verfahrens die Frage, ob das Bundesamt den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

Die Anwendbarkeit des § 68 AVG setzt gemäß Abs. 1 das Vorliegen eines der "Berufung" nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides, dh eines Bescheides, der mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht (mehr) bekämpft werden kann, voraus. Diese Voraussetzung ist hier gegeben, weil der (mit dem abweisenden Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.02.2018 bestätigte) Bescheid des Bundesamtes formell rechtskräftig wurde.

3.1.2. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits im vorangegangenen Asylverfahren geklärt hat, war das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner angeblichen Verfolgung, dass er Nigeria wegen den Grundstücksstreitigkeiten zwischen seinem Vater und Onkel und wegen der gefährlichen Drohung einer kriminellen Gruppierung, die von ihm Geld gefordert hätte, das angeblich sein Vater dieser geschuldet hätte, verlassen habe, nicht glaubwürdig. Das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht haben sich somit bereits mit dem Vorbringen der angeblichen Verfolgung durch den Onkel und der kriminellen Gruppierung auseinandergesetzt und entschieden, dass dieses, soweit es nun wiederholt wird, nicht asylrelevant gewesen sei. Die vom Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren angestellte Annahme der Zugehörigkeit der Gruppierung zur Biafra-Bewegung kann daran nichts ändern. Sein „neues“ Vorbringen ist nicht geeignet, die vom Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis vom 28.02.2018 vertretene Ansicht, seinem Fluchtvorbringen mangle es an einem glaubhaften Kern und komme somit keine Asylrelevanz zu, die „Sache“, nämlich die Verfolgung durch den Onkel und die Bedrohung durch eine kriminelle Vereinigung (der Biafra-Bewegung) wegen Geldschulden seines Vaters, neu zu beurteilen. Dass er nunmehr „andere Leute“ hinter den Drohbriefen und nicht mehr den Onkel vermutet, ist eine bloße Änderung von Nebenumständen, ändert aber nichts am eigentlichen (bereits im Vorverfahren unglaubwürdig eingestuften) Fluchtgrund der Bedrohung wegen offener Geldschulden des Vaters. Da er keine näheren Angaben zu seinen Verfolgern machen konnte, ist dieses Vorbringen als bloße Behauptung zu werten und fußt auf einer auf kein Tatsachensubtrat gestützten Mutmaßung.

Bei seinem neuen Vorbringen, er habe in Nigeria aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der Biafra-Bewegung mit der Verhaftung rechnen müssen, handelt es sich überdies um einen bereits zum Zeitpunkt des Erstverfahrens vorliegenden und ihm bekannten Grund. Vor dem Hintergrund der oben zitierten Judikatur des VwGH (04.11.2004, 2002/20/0391) liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Da insgesamt weder in der maßgeblichen Sachlage und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch zu entscheiden war.

Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wegen entschiedener Sache war rechtmäßig, weshalb die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen war.

3.2. Zur Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

Bei Folgeanträgen sind die Asylbehörden auch dafür zuständig, mögliche Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus des Antragstellers einer Prüfung zu unterziehen (VwGH 15.05.2012, 2012/18/0041).

Auch im Hinblick auf Art. 2 und 3 EMRK ist nicht erkennbar, dass die Rückführung des Beschwerdeführers nach Nigeria zu einem unzulässigen Eingriff führen und er bei einer Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihm jedwede Lebensgrundlage fehlen würde. Auch hier ergaben sich im Vergleich zum ersten Asylverfahren keine relevanten Sachverhaltsänderungen.

Im gegenständlichen Beschwerdefall konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, er gesund und arbeitsfähig ist. Gegenteiliges brachte er nicht vor.

Im Rahmen seiner Einvernahme und im Beschwerdeschriftsatz brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er im Herkunftsstaat keine familiären Anknüpfungspunkte mehr habe und nicht wisse, wohin er gehen sollte. Aus den Sachverhaltsfeststellungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer arbeitsfähig und -willig ist. Er spricht nach wie vor die Landessprache und hat bereits in unterschiedlichen Landesteilen Nigerias gelebt, so dass ihm wieder zugemutet werden kann, sich in Nigeria niederzulassen. Bereits vor seiner Ausreise hat er Arbeitserfahrung als Verkäufer gesammelt und wird er sich durch Aufnahme einer, wenn auch anderen, Tätigkeit seinen Lebensunterhalt sichern können. Aus dem Länderinformationsblatt ergibt sich, wie oben ausgeführt, dass auch eine nach Nigeria zurückkehrende Person ohne familiären Rückhalt keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Die existenziellen Grundbedürfnisse können aus selbstständiger Arbeit gesichert werden und steht es dem Beschwerdeführer aus frei, Rückkehrhilfe oder das Angebot karitativer Einrichtungen anzunehmen.

Aus den Länderfeststellungen zu Nigeria ergeben sich ebenfalls keine Gründe, um davon ausgehen zu können, dass jeder zurückkehrende Staatsbürger einer reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sodass kein Rückführungshindernis im Lichte der Art. 2 und 3 EMRK feststellbar ist. Eine wesentliche Verschlechterung der Sicherheitslage in Nigeria, welche den Beschwerdeführer individuell und konkret betreffen würde, konnte nicht festgestellt werden.

Eine wesentliche Verschlechterung der Sicherheitslage in Nigeria, welche den Beschwerdeführer individuell und konkret beträfen, konnte nicht festgestellt werden.

In Bezug auf eine etwaige Rückkehrgefährdung im Sinne einer realen Gefahr einer Verletzung der in Art. 2 und 3 EMRK verankerten Rechte des Beschwerdeführers war daher ebenso keine Änderung erkennbar, auch nicht in Hinblick auf die Corona-Pandemie. Der Beschwerdeführer ist als junger Mann ohne Vorerkrankungen kein Angehöriger einer Risikogruppe und ist er, da es sich um eine weltweite Pandemie handelt, in Nigeria keinem anderen oder erhöhten Risiko ausgesetzt als in Österreich oder einem sonstigen Ort.

Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache war daher rechtmäßig, weshalb die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt II. abzuweisen war.

3.3. Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005:

Gemäß § 58 Abs. 1 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 („Aufenthaltstitel besonderer Schutz“) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG (bis zum FrÄG 2015: "rechtskräftig") auf Dauer für unzulässig erklärt wird (bis zum FrÄG 2015: "wurde"). Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs. 3 AsylG 2005).

Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG 2005 von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

Das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (gemeint wohl: für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz") gemäß § 57 AsylG 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die es nahelegen, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung, zur Zulässigkeit der Abschiebung und zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkte IV., V. und VI.):

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist einer Entscheidung nach dem AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, einer Ausweisung gemäß § 66 FPG oder eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Auch die inhaltliche Prüfung der Frage, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären war, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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