Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der D, vertreten durch Dr. Günther Riess, Rechtsanwalt in Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 38, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 8. Oktober 1993, Zl. MD/Präs.Abt.II-7197/1993, betreffend die Erteilung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. S, 2. H), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
Mit Bescheid vom 14. Juli 1993 wurde dem Erstmitbeteiligten die Baubewilligung zur Errichtung eines Wohn- und Bürogebäudes auf der Gp. 2425/1, KG. Hötting, unter Vorschreibung bestimmter Auflagen erteilt. Die bauliche Anlage sollte aus einem Untergeschoß, einem Erdgeschoß sowie einem Obergeschoß und einem ausgebauten Dachgeschoß bestehen, wobei im Erd- und Obergeschoß jeweils drei Zweizimmerwohnungen und im Dachgeschoß zwei Büroeinheiten vorgesehen waren. Die Tiefgarage sollte so gebaut werden, daß sie zur Hälfte als Schutzraum zur Unterbringung von 130 Personen geeignet ist. Die von der Beschwerdeführerin bei der mündlichen Bauverhandlung als Nachbarin erhobenen Einwendungen wurden von der Behörde zum Teil gemäß § 30 Abs. 2 Tiroler Bauordnung zurückgewiesen, teilweise gemäß § 30 Abs. 3 Tiroler Bauordnung als unbegründet abgewiesen. Zum Vorwurf der Beschwerdeführerin, der Abstand zur östlichen Grundgrenze sei nicht eingehalten, führte die Behörde aus, daß die Grenzabstände jeweils mehr als das 0,7-fache der Wandhöhe ausmachten und daher den Bestimmungen der Tiroler Bauordnung entsprächen. Betreffend die Wandhöhe sei auf die Ausnahmebestimmung des § 7 Abs. 2 sechster Satz Tiroler Bauordnung zu verweisen. Durch den Ausbau des Dachgeschoßes komme es zu keiner Erhöhung der Wandhöhe an der der Beschwerdeführerin zugekehrten Seite. Auch die Feststellung, daß die Geschoßflächendichte nicht eingehalten werde, sei falsch. Bei der Ermittlung der Geschoßflächendichte sei nur die Fläche des Erdgeschoßes und des Obergeschoßes als Vollgeschoß heranzuziehen. Die unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 3 Abs. 4 zweiter Satz Tiroler Bauordnung vorgenommene Berechnung zeige, daß die so ermittelte Fläche kleiner als die Hälfte der Grundfläche des Dachgeschoßes sei. Das Dachgeschoß sei nach seiner plangemäßen Ausstattung und Verwendung als Büroraum gemäß § 25 Abs. 2 letzter Satz Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 nicht in die zulässige Geschoßflächendichte einzurechnen. Einen Verstoß gegen die Widmung als Wohngebiet verneinte die Behörde mit der Begründung, daß die Errichtung der vorgesehenen Wohnungen samt Nebenräumen und der Büros sowohl im Wohngebiet gemäß § 12 Tiroler Raumordnungsgesetz (1984) als auch im Mischgebiet gemäß § 14 Abs. 1 Tiroler Raumordnungsgesetz (1984) zulässig sei. Im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin befürchtete erhöhte Brandgefahr berief sich die Behörde auf die Gutachten der zuständigen Brandsachverständigen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte sich die Beschwerdeführerin zunächst gegen die ihrer Auffassung nach überdimensionierten, im Keller befindlichen Schutzräume. Weiters wiederholte die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen betreffend die zulässige Geschoßflächendichte, welche durch die Unterbringung von zwei Büroeinheiten im Dachgeschoß überschritten würde, da die Geschoßflächen dieser Büroeinheiten entgegen der Auffassung der Behörde erster Instanz der Berechnung zugrunde gelegt hätten werden müssen. Wie schon im Rahmen der mündlichen Verhandlung machte die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung abschließend Einwendungen im Hinblick auf die zu erwartende Lärm- und Geruchsbelästigung (im Zusammenhang mit der Tiefgarage) und die daraus resultierende Gesundheitsgefährdung sowie betreffend die erhöhte Brandgefahr.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. Oktober 1993 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Den von der Beschwerdeführerin gegen die Schutzräume erhobenen Einwendungen hielt die belangte Behörde entgegen, daß die Vorschriften der Tiroler Bauordnung in bezug auf die Errichtungspflicht von Schutzräumen nur die Mindesterfordernisse hinsichtlich Größe und Ausstattung normierten. Den Baubehörden stehe eine Reduktionsmöglichkeit allenfalls überdimensionierter Schutzräume infolge eines fehlenden gestalterischen Mitspracherechtes nicht zu. Die genannten Räumlichkeiten befänden sich überdies im Keller, weshalb nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Nachbarrechte nicht beeinträchtigt werden könnten. Betreffend die geltend gemachte Überschreitung der Geschoßflächendichte verwies die belangte Behörde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, derzufolge der Nachbar diesbezüglich nur dann über ein Mitspracherecht verfüge, wenn mit der Vorschrift des § 25 Abs. 2 Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 auch die Einhaltung von Grenzabständen und der höchstzulässigen Gebäudehöhe gewährleistet werden solle. Zur Beurteilung, ob Büroeinheiten als ständige Aufenthaltsräume im Sinne der gesetzlichen Festlegung des Raumordnungsgesetzes zu qualifizieren seien, wies die belangte Behörde ebenfalls auf die Bestimmung des § 25 Abs. 2 Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 hin und untermauerte den von ihr vertretenen Standpunkt mit weiteren Ausführungen. Zur Frage der Widmungskonformität stellte die belangte Behörde fest, daß das zur Bebauung vorgesehene Grundstück nach dem rechtskräftigen Flächenwidmungsplan zum Teil im "Mischgebiet" und zum Teil im "Wohngebiet" gelegen sei. Abgesehen davon, daß die geplante Tiefgarage schon unter Zugrundelegung der Bestimmungen der §§ 12 und 14 Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 widmungskonform sei, vertrete die belangte Behörde die Auffassung, daß die Unterbringung von Pkws in Tiefgaragen in bezug auf Lärm- und Geruchsemissionen für die Nachbarschaft die bessere Lösung darstelle als ebenerdige Abstellplätze. Betreffend die von der Beschwerdeführerin vermutete erhöhte Brandgefahr verwies die belangte Behörde auf die dem Verfahren beigezogenen Amtssachverständigen, welche keine Einwände gegen das Projekt erhoben hätten.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 1. März 1994, B 1981/93-6, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die belangte Behörde erstattete unter gleichzeitiger Vorlage der Verwaltungsakten eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen für den Beschwerdefall sind die Tiroler Bauordnung 1989, LGBl. Nr. 33, in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung und das Tiroler Raumordnungsgesetz 1984, da der angefochtene Bescheid im Oktober 1993 erlassen wurde.
2. Die Beschwerdeführerin fühlt sich zunächst in dem ihrer Meinung nach aus § 30 Abs. 4 Tiroler Bauordnung ableitbaren subjektiv-öffentlichen Nachbarrecht auf Einhaltung der Geschoßflächendichte verletzt. Die von der Behörde angenommene höchstzulässige Geschoßflächendichte von 0,5 werde in Wahrheit überschritten und betrage, wenn man die im Dachgeschoß geplanten zwei Büroeinheiten in der Berechnung berücksichtige, 0,63. Die Beschwerdeführerin wendet sich im wesentlichen dagegen, daß die Behörde die Büroeinheiten unberücksichtigt gelassen habe und eine Begründung dafür schuldig geblieben sei, warum diese Räumlichkeiten nicht als "ständige Aufenthaltsräume" im Sinne des § 25 Abs. 2 Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 qualifiziert werden könnten.
Dazu ist folgendes festzustellen:
Wie sowohl die belangte Behörde als auch letztlich die Beschwerdeführerin selbst erkannt haben, kommt dem Nachbarn nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht auf Einhaltung der Geschoßflächendichte nur dann zu, wenn mit dieser Vorschrift auch die Einhaltung der Grenzabstände oder der höchstzulässigen Gebäudehöhen gewährleistet werden soll. Wenn Abstände und Gebäudehöhen auf andere Weise festgelegt sind, besitzt der Nachbar nach § 25 Abs. 2 Tiroler Raumordnungsgesetz keinen solchen Rechtsanspruch (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 8. Mai 1980, Zl. 2258/79, Slg.Nr. 10.119/A, vom 28. März 1996, Zl. 96/06/0040, oder vom 30. Mai 1996, Zl. 96/06/0088).
Hinsichtlich der Seitenabstände kommt jedenfalls § 7 TBO zur Anwendung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. August 1996, Zl. 96/06/0109). Weiters sieht der im Verfahren genannte Bebauungsplan mit der Bezeichnung Nr. 23/i eine Bauhöhe von maximal zwei Vollgeschoßen und eine höchstzulässige Wandhöhe von 7,5 m vor. Dies bedeutet für die Frage des Mitspracherechtes des Nachbarn in bezug auf die Geschoßflächendichte, daß ein solches subjektiv-öffentliches Recht gemäß § 25 Abs. 2 Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 aufgrund der diesbezüglichen Festlegungen im geltenden Bebauungsplan im konkreten Fall nicht besteht. Daher kann die Beschwerdeführerin insoweit nicht in einem subjektiven Recht verletzt sein.
3. Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführerin in bezug auf die Geschoßflächendichte aus den oben angeführten Gründen kein subjektiv-öffentliches Recht zusteht, ist auf die von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Fragen, ob die Behörde bei der Berechnung der Geschoßflächendichte die im Dachgeschoß geplanten Büroeinheiten berücksichtigen hätte müssen, ob es sich bei den Büros um "ständige Aufenthaltsräume" handelt oder ob das Dachgeschoß ein Vollgeschoß im Sinne des § 25 Abs. 2 Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 darstelle, nicht näher einzugehen.
4. Zu der in der Beschwerde geltend gemachten Verletzung im Recht auf Einhaltung der zulässigen Bauhöhe ist folgendes auszuführen:
Abgesehen davon, daß die Anwendung der Ausnahmebestimmung in § 7 Abs. 6 TBO für untergeordnete Bauteile (hier: das Stiegenhaus) keine "Durchlöcherung" der im Bebauungsplan festgesetzten zulässigen Bauhöhe darstellt, hat sich die Beschwerdeführerin in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid nicht gegen die bewilligte Bauhöhe gewendet. Die belangte Behörde war daher nicht gehalten, im angefochtenen Bescheid (bei der Entscheidung über die Berufung der Beschwerdeführerin) im Sinne der sich aus § 67 erster Halbsatz iVm § 58 Abs. 2 AVG ergebenden Pflicht zur Begründung in dem Rahmen, in dem dem Antrag der Partei nicht Rechnung getragen wird, näher auf die Frage der Gebäudehöhe einzugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1994, Zl. 94/12/0114). Im Hinblick darauf ist auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen mangels Aufrechterhaltung der entsprechenden Einwendung in der Berufung nicht näher einzugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 94/06/0111).
5. Berechtigt ist die Beschwerde jedoch im Hinblick auf die Frage der möglichen Auswirkungen des Bauprojekts auf das Grundstück der Beschwerdeführerin.
Die Beschwerdeführerin hat in ihren Einwendungen im Verfahren vor der Behörde erster Instanz unter Berufung auf "kritisch einzustufende Bauzustände" Auswirkungen auf ihr Grundstück durch Böschungsbruch und ungleichmäßige Setzungen durch eine Grundwasserabsenkung geltend gemacht. Die Behörde erster Instanz hat daraufhin in ihrem Bescheid der mitbeteiligten Partei die Auflage erteilt, vor Baubeginn einen technischen Bericht, der insbesondere auch die Absicherung des Geländes der Nachbargrundstücke betreffen sollte, vorzulegen. Im Hinblick darauf, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof ein subjektives Recht des Nachbarn auf Hintanhaltung von Auswirkungen auf sein Grundstück besteht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. März 1995, Zl. 94/06/0236, und die darin genannten Erkenntnisse zu Sachverhalten, in denen Auswirkungen aufgrund der Bodenverhältnisse auf dem zu bebauenden Grundstück geltend gemacht waren), betraf die diesbezügliche Einwendung der Beschwerdeführerin nicht einen Bereich, in dem ihr kein subjektives Recht zukäme. Die von der belangten Behörde bestätigte Zurückweisung der diesbezüglichen Einwendung, die von der Beschwerdeführerin auch in der Berufung aufrechterhalten wurde, erfolgte daher verfehlt. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid ausgehend von ihrer verfehlten Rechtsansicht nicht dargelegt, inwiefern (aufgrund sachverständiger Äußerungen) die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Auswirkungen nicht zu erwarten sind. Sie belastete daher den Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhalts.
6. Aus den unter 5. dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den verzeichneten Aufwand für die Einbringung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, da auch im Falle einer Abtretung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof der Schriftsatzaufwand vor dem Verwaltungsgerichtshof nur einmal gebührt, und zu viel verzeichneten Stempelaufwand für die Beschwerdeergänzung.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1994060072.X00Im RIS seit
20.11.2000