Entscheidungsdatum
12.09.2019Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §71 Abs1 Z1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Kasper-Neumann über die Beschwerde des
Herrn A. B., vom 28.1.2019,
gegen den Bescheid der
Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 15.1.2019, Zl. VStV/..., betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand,
zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 15.01.2019 zur Zahl VStV/... wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 29.10.2018 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 Abs 1 Z 1 AVG nicht bewilligt.
Begründend führte die belangte Behörde dazu aus, die Zustellung des Straferkenntnisses an die ausgewiesene Rechtsanwältin Mag. C. D. durch eigenhändige Übernahme am 22.11.2017 sei erwiesen. In dem Unterlassen der Ergreifung eines Rechtsmittels durch eine berufsmäßige Rechtsvertretung während des Zeitraumes von nahezu einem Jahr könne keinesfalls ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis, geschweige denn ein minderer Grad des Versehens, erkannt werden. Jede Fehlleistung der gewählten Rechtsvertretung sei der Sphäre des Vertretenen zuzuordnen.
In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde vom 28.01.2019 nahm der Beschwerdeführer auf die Nichtbewilligung seines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 Abs 1 Z 1 AVG nicht Bezug, sondern erstattete stattdessen ein ausführliches Vorbringen zur Richtigkeit des ursprünglichen Straferkenntnisses.
Der Verfahrensgang stellt sich wie folgt dar: Aufgrund einer Anzeige vom 01.07.2017 wurden über den Beschwerdeführer mit Strafverfügung vom 12.07.2017 wegen zwei Übertretungen der Wiener Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen Betriebsordnung sowie jeweils einer Übertretung des Wiener Landessicherheitsgesetzes und des Sicherheitspolizeigesetzes Geldstrafen in Höhe von insgesamt 650,- Euro verhängt. Gegen diese Strafverfügung erhob der Beschwerdeführer zunächst per E-Mail vom 27.07.2017 selbst Einspruch. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer mit Schreiben der belangten Behörde vom 11.09.2017 zur Rechtfertigung aufgefordert.
Der Beschwerdeführer gab daraufhin durch seine ausgewiesene rechtsfreundliche Vertreterin, Frau Mag. C. D., per E-Mail vom 17.10.2017 eine Stellungnahme zur Rechtfertigung ab. In weiterer Folge erging durch die belangte Behörde aufgrund der zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen am 20.11.2017 ein Straferkenntnis. Dieses Straferkenntnis wurde von der rechts-freundlichen Vertreterin des Beschwerdeführers laut Zustellnachweis am 22.11.2017 persönlich übernommen.
Am 08.02.2018 erging durch die belangte Behörde eine Mahnung an den Beschwerdeführer, mit der er abermals zur Zahlung des im Straferkenntnis vom 20.11.2017 verhängten Betrages von 715,- Euro aufgefordert wurde.
Mit Schreiben vom 29.10.2018, eingelangt bei der belangten Behörde am 31.10.2018, gab die E. Rechtsanwälte OG bekannt, den Beschwerdeführer nunmehr rechtsfreundlich zu vertreten, erstattete dazu den folgenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 Abs 1 Z 1 AVG und erhob dazu gleichzeitig Beschwerde gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 20.11.2017:
„Aus advokatorischer Vorsicht wird der nachstehende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und wie folgt begründet:
Der Antragsteller arbeitet als Taxilenker in Wien. In sämtlichen Verwaltungsverfahren wurde der Antragsteller rechtsfreundlich durch die Rechtsanwältin Frau Mag. C. D., Wien, F.-gasse, vertreten. Am Montag, den 15.10.2018 war der Antragsteller in der Landespolizeidirektion Wien, Sicherheits- u. Verwaltungspolizeiliche Abteilung – Verkehrsamt, 1030 Wien, Dietrichgasse 27, vorsprechen. Bei dieser Vorsprache wurde dem Antragsteller das gegenständliche Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 20.11.2017 zur GZ: VStV/... übergeben. Dieser Bescheid wurde dem Antragsteller zu keinem Zeitpunkt zugestellt. Auch seine rechtsfreundliche Vorvertretung hat ihn über diesen gegenständlichen Bescheid nicht in Kenntnis gesetzt. Der Antragsteller wurde von seiner Vorvertretung, Rechtsanwältin Mag. C. D., jedenfalls über die Existenz des Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 20.11.2017 zur GZ: VStV/... nicht informiert. Es wird daher vermutet, dass der Vorvertretung dieser gegenständliche Bescheid nicht zugestellt wurde. Der Antragsteller konnte sohin auch keine Beschwerde gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 20.11.2017 zur GZ: VStV/... erheben. Es wird die zeugenschaftliche Einvernahme von Rechtsanwältin Frau Mag. C. D. beantragt.
Am Montag den 15.10.2018 wurde der Antragsteller in Kenntnis gesetzt, dass trotz Bestehens des Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 20.11.2017 zur GZ: VStV/... kein Rechtsmittel gegen dieses erhoben wurde.
Den Antragsteller trifft kein Verschulden, weil er davon ausgegangen ist, dass seine Rechtsanwältin binnen offener Frist ein Rechtsmittel gegen das Straferkenntnis erheben würde. Der Antragsteller wurde auch nicht darüber informiert, dass die Frist zur Einreichung eines Rechtsmittels verabsäumt wurde. Abschließend wird vorgebracht, dass daher vermutet wird, dass Vorvertretung der gegenständliche Bescheid nicht zugestellt wurde. Für den Fall, dass der Vorvertretung tatsächlich der Bescheid zugestellt worden sein sollte, so ist ihr offensichtlich ein „Fehler“ passiert bzw lag ein „Blackout“ von ihr bzw ihrem Sekretariat vor, so dass die Benachrichtigung über den gegenständlichen Bescheid an den Antragsteller unterlassen wurde. Jedenfalls lag weder beim Antragsteller noch bei seiner Vorvertretung ein grobes Verschulden vor.“
Per E-Mail vom 21.11.2018 gab die die E. Rechtsanwälte OG bekannt, dass das Vollmachtsverhältnis zum Beschwerdeführer nunmehr aufgelöst sei und fortan sämtliche Zustellungen an den Beschwerdeführer vorzunehmen seien.
Daraufhin erging am 15.01.2019 der nunmehr angefochtene Bescheid, der am 18.01.2019 fälschlicherweise (der Beschwerdeführer hatte zu diesem Zeitpunkt bereits nur mehr die obgenannte OG als Vertreterin) an die ehemalige rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers, Frau Mag. C. D., zugestellt wurde. Diese gab sodann per E-Mail vom 18.01.2019 bekannt, dass das Vollmachtsverhältnis zum Beschwerdeführer bereits seit Anfang Oktober 2018 nicht mehr aufrecht sei und dieser seinen gesamten Akt mitgenommen habe. Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag, den 18.01.2019, durch persönliche Übernahme zugestellt.
Die Feststellung des gegenständlichen Verfahrensganges ergibt sich unzweifelhaft aus den vorliegenden Urkunden und dabei insbesondere aus der Aktendokumentation der belangten Behörde.
In der rechtlichen Beurteilung ergibt sich Folgendes: Gemäß § 71 Abs 1 Z 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) ist auf Antrag der Partei gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Im Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 29.10.2018 brachte der Beschwerdeführer vor, es werde vermutet, dass das Straferkenntnis vom 20.11.2017 der damaligen rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers, Frau Mag. C. D., nicht zugestellt worden sei. Dagegen spricht der eindeutige Akteninhalt, da das Straferkenntnis vom 20.11.2017 laut Zustellnachweis jedenfalls durch Frau Mag. C. D. am 22.11.2017 persönlich übernommen wurde.
Auch den Ausführungen im Antrag, wonach der damaligen rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers offensichtlich ein „Fehler“ passiert bzw ein „Blackout“ von ihr bzw ihrem Sekretariat vorgelegen sei, so dass die Benachrichtigung über den gegenständlichen Bescheid an den Antragsteller unterlassen wurde und somit weder beim Antragsteller noch bei seiner Vorvertretung ein grobes Verschulden vorgelegen sei, ist nicht zu folgen.
Soweit sich eine Partei im Verfahren eines Rechtsvertreters bedient, ist ihr nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Verschulden dieses Vertreters wie eigenes Verschulden zuzurechnen (dazu VwGH, 15.09.2004, 2004/04/0126, mit Hinweis auf die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) S. 1558 f dargestellte Judikatur). Im Falle einer Fristversäumung hängt die Bewilligung der Wiedereinsetzung diesfalls (u.a.) davon ab, dass weder die Partei noch den bevollmächtigten Rechtsanwalt ein Verschulden trifft, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht (VwGH, 17.07.2008, 2007/21/0227). Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfrist grundsätzlich immer der Anwalt selbst verantwortlich (VwGH, 20.10.2010, 2008/08/0198).
Aus der Stellungnahme der Rechtsanwältin, Frau Mag. C. D., vom 18.01.2019, lässt sich zweifelsfrei ableiten, dass das Vertretungsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und ihr bis Anfang Oktober 2018 aufrecht war. Dementsprechend muss sich der Beschwerdeführer die Handlungen seiner rechtsfreundlichen Vertretung nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bis zur Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zurechnen lassen.
Grundsätzlich schließt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden des Vertreters eine Wiedereinsetzung nach § 71 AVG aus. Die Untätigkeit eines Vertreters bildet im allgemeinen keinen Wiedereinsetzungsgrund, es sei denn, der oder die Machthaber wären ihrerseits durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen, die Frist einzuhalten und es träfe sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens (VwGH, 26.07.2001, 2001/20/0377).
Im gegenständlichen Fall ergeben sich aus dem Akteninhalt jedoch keinerlei Hinweise auf ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis auf Seiten der Rechtsanwältin, Frau Mag. C. D.. Auch im Antrag auf Wiedereinsetzung wird lediglich ein „Fehler“ oder ein „Blackout“ der Vertreterin oder ihres Sekretariats vermutet. Es finden sich hierfür aber weder im Akt noch im Vorbringen des Beschwerdeführers irgendwelche konkrete Anhaltspunkte.
Im Ergebnis liegen somit gegenständlich keine Gründe nach § 71 Abs 1 Z 1 AVG vor, die eine Bewilligung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen würden. Der Bescheid der belangten Behörde erging daher zu Recht.
Die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision ergibt sich aus dem Umstand, dass keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Fristversäumung; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; unvorhergesehen; unabwendbarEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.021.053.2685.2019Zuletzt aktualisiert am
04.12.2020