Entscheidungsdatum
02.07.2020Index
10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
VwGG §61 Abs1Text
Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch die Richterin Dr.in Oswald, LL.M. über den Antrag auf Verfahrenshilfe des Herrn A. B. auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollem Umfang zur Erhebung einer ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 4. März 2020, VGW-111/093/13053/2019-66, und gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 4. März 2020, VGW-111/093/14614/2019-19, folgenden
BESCHLUSS
I. Gemäß § 61 Abs. 2 iVm Abs. 1 VwGG wird dem Antrag auf Verfahrenshilfe stattgegeben und diese im vollen Umfang bewilligt.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Abs. 2 Z 3 VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.
B e g r ü n d u n g
Gemäß § 61 Abs. 1 VwGG sind, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass die Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Revision, des Fristsetzungsantrages, des Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahrens oder auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder des Antrages auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes und zur Vertretung bei der Verhandlung (§ 40) ein Rechtsanwalt beigegeben wird.
Hat das Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis oder Beschluss ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, entscheidet über den Antrag auf Verfahrenshilfe gemäß § 61 Abs. 2 VwGG das Verwaltungsgericht mit Beschluss. Die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung (§ 63 Abs. 1 ZPO) sind für seine Entscheidung nicht maßgeblich.
Zufolge § 63 Abs. 1 ZPO ist einer Partei Verfahrenshilfe soweit zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, als sie außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Als notwendiger Unterhalt ist derjenige Unterhalt anzusehen, den die Partei für sich und ihre Familie, für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung benötigt. Als mutwillig ist die Rechtsverfolgung besonders anzusehen, wenn eine nicht die Verfahrenshilfe beanspruchende Partei bei vollständiger Würdigung aller Umstände des Falles, besonders auch der für die Eintreibung ihres Anspruchs bestehenden Aussichten, von der Führung des Verfahrens absehen oder nur einen Teil des Anspruchs geltend machen würde.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 4.2.2020, VGW-111/093/13053/2019-66, wurde die Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 19.6.2019, Zl. …, betreffend die Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 70 der Bauordnung für Wien (BO für Wien), als unzulässig zurückgewiesen. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 4.2.2020, VGW-111/093/14614/2019-19, wurde die Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 18.9.2019, Zl. …, betreffend die Nichtzuerkennung seiner Parteistellung im Baubewilligungsverfahren gemäß § 134 Abs. 3 BO für Wien abgewiesen. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG wurde in beiden genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes Wien eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt.
Der Antragsteller brachte den gegenständlichen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof ein (Postaufgabe am 9.6.2020), der den Antrag zuständigkeitshalber an das Verwaltungsgericht Wien weiterleitete, wo dieser am 26.6.2020 einlangte.
Laut dem vom Antragsteller vorgelegten Vermögensbekenntnis vom 9.6.2020 lukriert dieser durch das Betreiben einer Schule jährliche Einnahmen in Höhe von € 3.586,73, wobei der Beschwerdeführer im Vermögensbekenntnis angibt, dass es sich dabei um das Reineinkommen handle. Weiters hat der Antragsteller Eigentum an einer näher genannten Liegenschaft, die jährlich € 6.190 an Mieteinnahmen einbringt. Der Beschwerdeführer gibt an, Einlagen auf Bankkonten in Höhe von in Summe -5,49 € zu besitzen. Weiters verfügt er über ein Wertpapierdepot mit einem derzeitigen Kurswert von € 16.421,-- und über zwei Lebensversicherungen. Als Verbindlichkeiten gibt er zwei Kredite in Höhe von € 14.731,36 und € 268.234,59 an. Für die Benützung seines eigenen Hauses, das aus Schlafzimmer, Wohnzimmer, Bad, Küche und Kellergeschoss besteht, bezahlt er monatlich € 450,--.
Als notwendiger Unterhalt wird ein zwischen dem „notdürftigen“ und dem „standesgemäßen“ Unterhalt liegender angesehen, der abstrakt zwischen dem statistischen Durchschnittseinkommen eines unselbständig Erwerbstätigen und dem Existenzminimum liegt und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls eine die Bedürfnisse des einzelnen berücksichtigende bescheidene Lebensführung gestattet. Als Faustregel kann gelten, dass einem alleinstehenden Verfahrenshilfewerber etwa € 1000 bis € 1400 monatlich verbleiben müssen (siehe dazu Fucik, in Rechberger/Klicka [Hrsg.], Kommentar ZPO5 [2019] § 63 Rz 3 mit Judikaturhinweisen).
Unter Beachtung der in Summe monatlich etwa € 814 ausmachenden Einnahmen des Antragstellers aus selbstständiger Tätigkeit und Mieterträgen war in Anbetracht der angegebenen Verbindlichkeiten trotz Vorliegens von Ersparnissen in Form einer Wertpapieranlage und zweier Lebensversicherungen gerade noch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer und nunmehrige Antragsteller nicht imstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten.
Dem Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe war daher spruchgemäß stattzugeben.
Da gemäß § 61 Abs. 2 VwGG im Fall, dass das Verwaltungsgericht ausgesprochen hat, dass die Revision zulässig ist, die Erfolgsaussichten bei der Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe außer Betracht zu bleiben haben, war die Frage der Rechtzeitigkeit einer etwaig nach Bewilligung der Verfahrenshilfe einzubringenden Revision nicht maßgeblich für die Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe.
Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 24 Abs. 1 VwGG Schriftsätze beim Verwaltungsgericht einzubringen sind. Unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof sind gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 VwGG u.a. Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes, in dem es ausgesprochen hat, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Da das Verwaltungsgericht Wien in seinen beiden oben genannten Entscheidungen vom 4.3.2020 jeweils ausgesprochen hat, dass die Revision zulässig ist, wäre der gegenständliche Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgericht Wien einzubringen gewesen, worauf in den Rechtsmittelbelehrungen der genannten Entscheidungen auch hingewiesen wurde. Gemäß § 26 Abs. 3 VwGG beginnt die Revisionsfrist nur dann mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes als Vertreter an diesen zu laufen, wenn der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der Revisionsfrist eingebracht wurde. Der gegenständliche innerhalb der Revisionsfrist beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Antrag langte beim Verwaltungsgericht Wien – über Weiterleitung durch den Verwaltungsgerichthof – am 26.6.2020 ein.
B e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss ist weder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof noch eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zulässig.
HINWEIS
Gemäß § 61 Abs. 5 VwGG wird der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer unter Anschluss einer Kopie des Beschlusses benachrichtigt, damit dieser einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle.
Schlagworte
Revision; VerfahrenshilfeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.111.093.7498.2020.RZuletzt aktualisiert am
04.12.2020