Entscheidungsdatum
30.09.2019Norm
AsylG 2005 §9 Abs1Spruch
W279 2220147-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX.1991 , StA: Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .05.2019, Zl: XXXX , beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Der (BF) gelangte unberechtigt in das Bundesgebiet und stellte am XXXX 04.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX 04.2015 gab der BF zu Protokoll, dass er in der Provinz Ghor geboren sei und 10 Jahre in Pakistan und im Iran die Grundschule besucht habe. Seine Eltern seien bereits verstorben und sein Bruder sowie seine beiden Schwestern seien im Iran wohnhaft. Im Alter von zwei Jahren habe er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern Afghanistan verlassen.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am XXXX 05.2016 führte der BF vor dem Bundesamt und Fremdenwesen (im Folgenden: BFA) aus, dass er sich von seinem zweiten Lebensjahr bis 2013 in Quetta, Pakistan aufgehalten habe und nach dem Tod seiner Mutter in den Iran geflohen sei. In Afghanistan könne der BF keine familiären Anknüpfungspunkte mehr aufweisen und habe sich nach seiner Flucht als Kleinkind auch nicht mehr in seinem Herkunftsstaat aufgehalten.
Mit Bescheid des BFA vom XXXX 05.2016, Zl. XXXX , wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Ihm wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 31.05.2017 erteilt. Begründend wurde ausgeführt, dass der BF von frühester Kindheit an in Pakistan aufgewachsen sei, weshalb auch als glaubhaft zu befinden gewesen sei, dass der BF im Fall der Rückkehr nach Afghanistan mit äußerst großen Schwierigkeiten zu kämpfen hätte, sich dort eine Existenz aufzubauen und Fuß zu fassen. Seinen glaubhaften Angaben zufolge verfüge er in Afghanistan auch über keine tragfähigen familiären Anknüpfungspunkte.
Mit Bescheid des BFA vom XXXX 05.2017 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 31.05.2019 verlängert.
Im Rahmen einer erneuten niederschriftlichen Einvernahme vom XXXX 04.2019 gab der BF zu Protokoll, dass er keine Eltern mehr habe und familiäre Anknüpfungspunkte in Form zweier Schwestern sowie zweier Onkel habe, die beide im Iran leben würden. Über etwaiger Verwandte der väterlichen Linie habe er keine näheren Informationen, Kontakt bestehe nur zu seinen beiden Schwestern. Zur Frage, ob seine Onkeln noch Kontakt zu der Verwandtschaft in Afghanistan hätten, entgegnete der BF, dass damals alle ausgereist seien. Die gesamte Familie habe sich im Februar 2013 aufgrund der schlechten Sicherheitslage in den Iran begeben. In Pakistan habe der BF ebenfalls keine Familienangehörigen mehr. Auf Nachfrage, dass schwer vorstellbar sei, dass sich keiner seiner Verwandten mehr in seiner Heimatprovinz Daikundi aufhalte, erwiderte der BF, dass er lediglich mit seinen Schwestern in Kontakt stehe, weshalb er über weitschichtige Verwandten keine Informationen habe. Befragt, ob er über seine Schwestern den Kontakt zu seinen Onkeln herstellen und damit eventuell vorhandene Angehörige in Daikundi kontaktieren könnte, gab der BF an, dass er nicht wisse, ob es tatsächlich noch Verwandtschaft gebe, er habe jedenfalls zu einem Onkel keinen Kontakt mehr, da er zuvor eine Heirat mit seiner Tochter abgelehnt habe.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX 05.2019 wurde der vormals zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und der Antrag vom XXXX 03.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Unter einem wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG idgF erlassen (Spruchpunkt IV.), sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.), und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde ausgeführt, dass hinsichtlich der familiären und sozialen Kontakte in Afghanistan anzuführen sei, dass er behauptet habe, lediglich zwei Onkeln und zwei Schwestern zu haben, welche sich im Iran aufhalten würden und er Kontakt zu den Schwestern hätte. Demgegenüber widersprüchlich sei aber, dass der BF bei der Einvernahme im Asylverfahren noch angegeben habe, lediglich mit seinen Geschwistern in den Iran geflohen zu sein. Diesbezüglich sei auch seitens der Behörde anzuführen, dass er in der aktuellen Einvernahme seinen Bruder komplett negiere und auch hinsichtlich seines Verbleibens keine Informationen anführe. Die Behörde müsse daher von einem offensichtlichen, bewussten Verschweigen des Bruders ausgehen. Weiters sei es vor diesem Hintergrund für die Behörde nicht glaubhaft, dass er nicht nach Angehörigen gefragt habe oder dass auch die Großeltern nach Pakistan gezogen seien. Im Lichte der afghanischen Großfamilien stelle die Behörde somit fest, dass er mittelbar über seine Schwestern bzw. Onkeln auf familiäre und soziale Netzwerke in Afghanistan Zugriff habe und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auf vorhandene Familienangehörige als auch Unterstützung seiner Volksgruppe zurückgreifen könne, so wie er auch auf diese Unterstützung in Österreich zählen könne.
Gegen den gegenständlichen Bescheid des BFA wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Hierin wird insbesondere ausgeführt, dass die belangte Behörde entgegen richtlinienkonformer Interpretation der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt hätten, nicht dargelegt habe. Der VwGH habe festgestellt, dass die Annahme einer grundlegenden politischen Veränderung im Herkunftsstaat eine gewisse Konsolidierung der Verhältnisse voraussetzt, für deren Beurteilung es in der Regel eines längeren Beobachtungszeitraumes bedürfe. Der Verfassungsgerichthof habe in Hinblick auf die Begründungsanforderungen in Aberkennungsbescheiden als Grundsatz festgehalten, dass ein "rechtskräftig" entschiedener Sachverhalt nicht grundlos neuerlich untersucht und anders entschieden werden dürfe. Konkrete Feststellungen zu den maßgeblichen Änderungen auf Sachverhaltsebene sowie eine vergleichende Darstellung des Sachverhalts der ursprünglich zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und zur erfolgten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung geführt habe, würden fehlen bzw. ins Leere laufen. Soweit das Bundesamt eine Änderung der Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere in den Städten Herat und Mazar-e Sharif ins Treffen führe, sei zu bemerken, dass im Vergleich zu den dem Bescheid des Bundesamtes von 2016 und 2017 zugrunde gelegten Länderfeststellungen eine dauerhafte und nachhaltige Verbesserung der Lage in der ursprünglichen Heimatprovinz des BF bzw. an den Orten einer in Betracht kommenden innerstaatlichen Fluchtalternative, die im Übrigen wohl erst nach einem angemessenen Beobachtungszeitraum feststellbar wäre, aus den im angefochtenen Bescheid angeführten Länderberichten nicht erkennbar sei. Das Bundesamt führe auch eine Änderung der persönlichen Umstände des BF an. Diese begründe es einerseits mit der Bildung des BF, die er zwischenzeitlich in Österreich erhalten habe, andererseits mit seiner Arbeitserfahrung in Österreich. Zweitens führe das Bundesamt in Bezug auf die Veränderung der individuellen Situation des BF an, dass ihn seine Familie im Iran unterstützen könnte. Er hätte die Möglichkeit, auf bestehende Netzwerke zurückzugreifen. Diesbezüglich sei festzuhalten, dass sich die Familie des BF seit seiner Ausreise im Iran befinde und diese sowohl im Zeitpunkt der Zuerkennung des Status sowie im Zeitpunkt der Verlängerung sowie aktuell nicht in der Lage sei, den BF finanziell zu unterstützen. Wäre die Behörde ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nachgekommen und hätte der BF über den Verbleib seines Bruders befragt, dann hätte der BF angeben können, dass sein Bruder vor 13 Jahren in Pakistan verschwunden sei und von diesem nichts mehr wisse. Nachdem die Behörde ihrer Verpflichtung zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht nachgekommen sei, sondern vielmehr dem BF unterstellt habe, er habe seinen Bruder oder dessen Verbleib geleugnet, habe sie den Bescheid mit massiver Rechtswidrigkeit und Aktenwidrigkeit belastet. Es sei für die Behörde nicht glaubhaft, dass auch die Großeltern nach Pakistan gezogen seien, lasse jedoch gänzlich unbegründet, weshalb sie dies als nicht glaubhaft ansehe, zumal die Behörde dazu keinerlei Ermittlungen getätigt habe. Die Behörde gehe irrigerweise davon aus, dass der BF gemeinsam mit seinen Großeltern nach Pakistan ausgereist sei. Tatsächlich seien die Großeltern schon vor sehr langer Zeit direkt in den Iran ausgereist. In Bezug auf die Verwandtschaftsverhältnisse des BF sei daher keinerlei Änderung der Umstände eingetreten, die eine Aberkennung begründen könnte, sondern würden die diesbezüglichen Feststellungen der Behörde auf unbegründeten, ins Leere gehenden Mutmaßungen der Behörde beruhen. Es sei zu betonen, dass auch der Vergleich der Länderberichte, die zur damaligen Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter geführt hätten, bzw. jener, die zur Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung herangezogen worden seien und derer, die das Bundesamt nunmehr als Entscheidungsgrundlage heranziehe, keine wesentliche Verbesserung der Lage zeige. Die belangte Behörde vermöge nicht hinreichend darzulegen, auf welcher Basis sie zu dem Schluss gelange, dass eine nachhaltige Verbesserung der Sicherheitslage dergestalt eingetreten sei, dass nunmehr die Rückkehr des BF nach Afghanistan in Hinblick auf die vermeintliche vorliegende innerstaatliche Fluchtalternative zulässig erscheine. Der Begründung sei insbesondere wie auch immer gearteter Vergleich einschlägiger Länderberichte zu den Zeitpunkten der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bzw. der letztmaligen Verlängerung der diesbezüglichen Aufenthaltsberechtigung und dem jetzigen Zeitpunkt zu entnehmen, weshalb es der belangten Behörde auch nicht gelungen sei, stringent und nachvollziehbar zu begründen, dass eine maßgebliche und nachhaltige Verbesserung der Sicherheits-und Versorgungslage stattgefunden habe. Beantragt wurde die Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Der Beschwerde wurden ein ÖSD Zertifikat auf dem Niveau A2 vom XXXX 02.2018, ein ÖSD Zertifikat auf dem Niveau A1 vom XXXX 12.2016, eine Teilnahmebestätigung "Europäischer Workshop Trockensteinmauern" von XXXX 04.2016 bis XXXX 04.2016 und eine Teilnahmebestätigung "Kompetenzcheck berufliche Integration Männer ab 25 Jahre- Region West" angeschlossen.
In einer Stellungnahme vom XXXX 06.2019 wurde vom BFA ausgeführt, dass das gesamte Vorbringen hinsichtlich seiner Glaubwürdigkeit und Plausibilität gewürdigt worden sei und demnach auch die korrekten Entscheidungen sowie Feststellungen vor dem Hintergrund der vorliegenden, aktuellen Länderfeststellungen getroffen worden seien.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Stattgabe der Beschwerde und Behebung
§ 28 Abs. 1 bis Abs. 3 VwGVG lautet:
"(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."
Seit seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert ist, weswegen die in § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (vgl. VwGH 20.06.2017, Ra 2017/18/0117; VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123). Die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungs-möglichkeit ist sohin als eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte zu betrachten, weshalb sie nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken in Frage kommt (vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt, bloß ansatzweise ermittelt oder konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 20.06.2017, Ra 2017/18/0117; VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Im gegenständlichen Fall sind dem BFA derart schwerwiegende Ermittlungsmängel anzulasten, die ein Vorgehen gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG rechtfertigen:
Das BFA hat im gegenständlichen Fall zu Recht erkannt, dass zunächst das Vorliegen eines Tatbestandes des § 9 Abs. 1 AsylG zu prüfen ist, wobei sich das BFA auf die im gegenständlichen Fall allein in Frage kommende Ziffer 1. leg.cit. bezogen hat. Dem BFA ist weiters auch darin beizupflichten, dass nicht nur eine Änderung der allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation im Herkunftsland zu einer Aberkennung nach dieser Bestimmung führen kann, sondern auch eine Veränderung in den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers.
Diesbezüglich führt das BFA in der angefochtenen Entscheidung aus, dass der BF "mittelbar über seine Schwestern einen Zugriff auf familiäre und soziale Netzwerke" habe, was sich jedoch bei näherer Betrachtung nach dem derzeitigen Ermittlungsstand als aktenwidrig darstellt:
Der BF hat zwar angegeben, dass sich seine Onkel sowie seine beiden Schwestern im Iran befänden, doch hat er gleichzeitig ausdrücklich vorgebracht, dass er lediglich zu seinen Schwestern Kontakt habe. Es kann jedenfalls nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der BF nach einer so langen kontaktlosen Zeit mittelbar über seine Schwestern Kontakt zu etwaigen, weitschichtigen Verwandten in Afghanistan aufnehmen und Unterstützung erlangen könnte. Konkrete Beweise, dass im Herkunftsstaat tatsächlich noch familiäre Anknüpfungspunkte des BF bestehen, kann die belangte Behörde nicht vorweisen. Aus dem bloßen Umstand, dass der BF in der neuerlichen Einvernahme seinen Bruder nicht mehr erwähnt hat, kann jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass er nunmehr auf ein soziales Netzwerk im Heimatstaat zugreifen kann.
Das weitere Argument des BFA der angefochtenen Entscheidung, dass es nicht glaubhaft sei, dass der BF sich nicht über weitere Verwandte erkundigt habe bzw. auch seine Großeltern nach Pakistan gezogen seien, ist insofern verfehlt, als der BF in seiner Einvernahme vom XXXX 04.2019 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die gesamte Familie nach Pakistan und in weiterer Folge 2013 in den Iran gezogen sei. Vor dem Hintergrund kann nicht erkannt werden, dass der BF ein "familiäres Netzwerk" in Afghanistan zur Verfügung hätte.
Auch bezüglich des im Bescheid enthaltenen Hinweises auf "bestehende Netzwerke in Afghanistan" in Form der Volksgruppe der Hazara ist nicht ersichtlich, woraus die belangte Behörde diesbezüglich eine völlig geänderte subjektive Situation im Falle einer Rückkehr ableitet, zumal auch insoweit seit Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten keine Änderung des Sachverhalts eingetreten ist.
Der Schluss des BFA, dass der BF mittlerweile ein unterstützendes familiäres und soziales Netz wiedererlangt hätte, ist somit nach der Aktenlage in keinster Weise tragfähig.
Wenn das BFA demgegenüber von tragfähigen familiären Anknüpfungspunkte in Afghanistan ausgeht, hätte es dies durch entsprechende Ermittlungsergebnisse, die jedoch unterblieben sind, untermauern müssen.
Für eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aufgrund geänderter Umstände liegt somit keine tragfähige Sachverhaltsermittlung seitens der ersten Instanz vor. Somit hat auch die Begründung zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in der angefochtenen Entscheidung keine tragfähige Sachverhaltsgrundlage.
Da der angefochtene Bescheid zu den dargelegten Punkten grob mangelhaft geblieben ist und die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im gegebenen Fall mit keiner erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, war gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG mit Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde vorzugehen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im vorliegenden Fall liegen die tragenden Elemente der Entscheidung in der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedsstaat, die auf den umfassenden und aktuellen Feststellungen der Behörde über die Lage im Vertragsstaat beruht, sowie in der Bewertung der Intensität des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers und demgemäß in Tatbestandsfragen.
Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung RückkehrsituationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W279.2220147.1.00Im RIS seit
04.12.2020Zuletzt aktualisiert am
04.12.2020