Entscheidungsdatum
15.06.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G304 2176720-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , alias XXXX geb XXXX alias XXXX , StA. Irak, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.03.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 04.10.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) vom 09.07.2015 auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.), dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 52 Abs. 9 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).
2. Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben.
3. Nach Beschwerdevorlage vor das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) wurde mit Beschluss des BVwG vom 19.01.2018 der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückverwiesen.
4. Nach ergänzenden Ermittlungen wurde mit dem im Sprucheinleitungssatz angeführten Bescheid des BFA vom 27.03.2019 der Antrag des BF vom 09.07.2015 auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.), dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).
5. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen, in eventu dem BF den Status des Asyl-, in eventu den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu die Rückkehrentscheidung aufzuheben und ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
6. Am 29.04.2019 langte die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist irakischer Staatsangehöriger, arabischer Volksgruppenangehöriger, sunnitischer Moslem und stammt aus XXXX .
1.2. Er hat in seinem Herkunftsstaat seine Eltern und sechs Brüder. Diese Familienangehörigen des BF wohnen alle in XXXX in einem Haus zusammen und leben von Erwerbseinkünften aus dem Geschäft seines Vaters. Der BF hat in seiner Herkunftsstadt außerdem noch zwei Onkeln mütterlicherseits und eine Tante väterlicherseits.
In Österreich hat der BF keine Familienangehörigen. Er ist nicht verheiratet und hat keine Kinder, möchte aber, wie er in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 10.05.2019 angab, in Österreich arbeiten und auch gerne heiraten (AS 55), demnach ein Privat- und Familienleben aufbauen.
1.3. Der BF hat sich am 21.06.2015 zur Ausreise aus dem Irak entschlossen, seine Familienangehörigen im Irak zurückgelassen und ist am 21.06.2015 von seinem Herkunftsstaat legal mit dem Flugzeug in die Türkei und von dort weiter schlepperunterstützt über Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn bis nach Österreich gereist. Das Geld für die schlepperunterstützte Reise hat der BF von einem Onkel mütterlicherseits erhalten, zu dem er ein gutes Verhältnis hat.
1.4. Nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 09.07.2015 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF wurde am 09.07.2015 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 10.05.2017 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.
Kurze Zeit nach seiner Einreise und Asylantragstellung am 09.07.2015 erklärte der BF am 14.07.2015, zu beabsichtigen, freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren. Eine Woche später – am 21.07.2015 – hat der BF seine Absicht, freiwillig in den Irak zurückzukehren, wieder widerrufen.
Der BF gab später im Verfahren – in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 13.03.2019 – diesbezüglich an, er habe nach Aufforderung das Formular für die freiwillige Rückkehr einfach unterschrieben, ohne gewusst zu haben, was er unterschreibe.
Konkret sagte der BF nach Vorhalt „dafür gibt es einen Dolmetscher“:
„Sie sagten mir, dass ich dort unterschreiben soll. Ich wusste nicht, wofür das Formular ist.“ (AS 330)
Fest steht jedenfalls, dass auf dem mit 21.07.2015 datierten Formular über „Widerruf / Abbruch der freiwilligen Rückkehr“
? angekreuzt ist, dass der BF ursprünglich am 14.07.2015 die Absicht auf freiwillige Rückkehr bekannt gegeben hat, er darüber informiert wurde, dass mit der Ausreise das Asylverfahren als gegenstandslos abgelegt wird, und der Inhalt ihm von einer sprachkundigen Vertrauensperson erklärt wurde, und
? als „Grund“ für den „Widerruf der freiwilligen Rückkehr“ „angeführt“ ist, „der Klient hat seine Meinung geändert“. (AS 27).
Mit Bescheid des BFA vom 04.10.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asyl- als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen.
Nach Erhebung einer Beschwerde dagegen wurde mit Beschluss des BVwG vom 19.01.2018 dieser Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückverwiesen.
Es folgte eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA am 13.03.2019.
Nach ergänzenden Ermittlungen wurde mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 27.03.2019 wieder der Antrag des BF sowohl hinsichtlich des Status des Asyl- als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen.
1.5. Der BF brachte in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 10.07.2015 als Fluchtgrund vor, er habe in seinem Herkunftsstaat bei einem Anschlag Verbrennungen erlitten, sei dadurch verunstaltet und aus diesem Grund von seinen Brüdern verstoßen worden. Am Anschlagsort sei er zufällig anwesend gewesen. Viele Menschen seien bei diesem Anschlag getötet und einige verletzt worden. Nach Krankenhausaufenthalten habe der BF noch zwei bis drei Jahre lang bei seinen Eltern gelebt, bis er aus dem Irak ausgereist sei. Seine Mutter habe sich um ihn gekümmert und sein Vater habe ihn in seinem Geschäft mitarbeiten lassen. Der BF habe dort auch Reinigungsarbeiten verrichtet. Die Brüder hätten dann seinen Eltern gedroht, sie ebenso aus dem Haus zu werfen, sollten sie den BF weiterhin unterstützen.
Dass der BF, wie er vor dem BFA vorbrachte, von seinen Brüdern verstoßen wurde, weil er Opfer eines Anschlags wurde und bei ihm Spuren von dabei erlittenen Verbrennungen bzw. Hautverletzungen sichtbar sind, wird nicht für glaubwürdig gehalten, und damit in weiterer Folge auch nicht, dass den Eltern des BF von seinen Brüdern gedroht worden wäre, diese wie den BF aus dem Haus zu werfen, sollten sie den BF weiterhin unterstützen.
Angesichts der Brandwunden beim BF war hingegen glaubwürdig und feststellbar, dass der BF bei einem Vorfall im Irak Verbrennungen erlitten hat und folglich im Krankenhaus und danach von seiner Mutter – mit Salben und Schmerztabletten – behandelt wurde.
Festgestellt wird zudem, dass der BF nach seiner Ausreise aus dem Irak den Kontakt zu seinen Familienangehörigen im Irak stets aufrecht gehalten hat.
Der BF kann bei einer Rückkehr von seinen Familienangehörigen in XXXX Unterstützung erwarten. Vor Ausreise des BF sorgte sich sowohl seine Mutter als auch sein Vater, der ihn bis zur Ausreise in seinem Geschäft in XXXX mitarbeiten bzw. mithelfen lassen hat, um ihn. Von einem Onkel mütterlicherseits hat der BF Geld für seine schlepperunterstützte Reise erhalten, und während seines Aufenthaltes in Österreich hat der BF einmal ungefähr im März 2018, etwas mehr als zweieinhalb Jahre nach seiner Einreise im Juli 2015, von seiner Mutter 100.000 irakische Dinar, umgerechnet EUR 74,20, zugeschickt bekommen.
Der BF hatte im Irak keine Probleme mit Behörden, aufgrund seiner Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit und keine gröbere Probleme mit Privatpersonen, war kein Mitglied einer politischen Partei, nicht politisch tätig und nie in Haft oder strafrechtlich verfolgt.
Festgestellt wird, dass der BF in Erwartung besserer Lebensbedingungen im Ausland am 21.06.2015 problemlos legal mit dem Flugzeug von XXXX in die Türkei ausgereist ist.
1.6. Der BF ist gesundheitlich beeinträchtigt. Er leidet seit einem Vorfall im Irak, bei dem er Verbrennungen bzw. Hautverletzungen erlitten hat, an Hautbeschwerden mit Juckreiz und Schmerzen. Nach einem Krankenhausaufenthalt hat für ihn seine Mutter Salben gekauft und ihn damit ein- bis zweimal täglich eingeschmiert, und für ihn auch Tabletten gegen seine Schmerzen besorgt.
In Österreich wurden die Hautbeschwerden des BF ebenso mit einer Salbe behandelt. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 13.03.2019 befragt, wie es ihm mit seiner Hauterkrankung gehe, gab der BF an:
„Gott sei Dank geht es mir gut. Manchmal juckt mich meine Haut.“ (AS 329).
Bereits im Irak konnte die Behandlung seiner Hautbeschwerden mit Salben zu einer Besserung seiner Beschwerden führen, wenn es bei den in seinem Herkunftsstaat angewendeten Salben auch nicht um so gut wirksame Salben wie bei den in Österreich angewendeten handeln mag.
Der BF leidet zudem an Hepatopathie (d.i. Lebererkrankung) unklarer Genese, ausgeprägter antrumbetonter Pangastritits (d.i. chronische Gastritis), Alkohol- und Nikotinabhängigkeit und einer Anpassungsstörung bzw. psychischen Beeinträchtigung unbestimmten Grades.
Er hat außerdem trockene Augen und deswegen bereits im Irak Augentropfen genommen.
1.7. Der BF konnte während seines bislang vier Jahre und 11 Monate langen Aufenthaltes in Österreich einige Sozialkontakte knüpfen und hat in seiner Wohnortgemeinde sowohl mit Irakern als auch mit Österreichern Kontakt. Seine Freizeit verbringt der BF jedoch nur mit Irakern, hat er doch keine österreichischen Freunde.
Der BF konnte sich in Österreich einige Deutschkenntnisse aneignen. Er hat nachweislich an einem Alphabetisierungskurs teilgenommen bzw. vom 08.06.2016 bis 20.07.2016 die Bildungsveranstaltung „Alphabetisierung Vorkurs 2 Deutsch als Fremd- /Zweisprache“ mit 75 Unterrichtseinheiten besucht.
Er ist im September, November 2015, März, August, September 2016 und April 2017 bei seiner Wohnortgemeinde zudem nachweislich ehrenamtlicher Tätigkeit im Ausmaß von 22 Stunden monatlich nachgegangen, und möchte, wie er vor dem BFA angab, in Österreich arbeiten. Bislang lebte der BF in Österreich von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Einmal ungefähr im März 2018 hat er, wie er am 13.03.2019 vor dem BFA glaubhaft angab, von seiner Mutter 100.000 irakische Dinar, umgerechnet EUR 74,20 zugeschickt bekommen (AS 328).
Abgesehen von seiner vorgelegten Teilnahmebescheinigung über den Besuch eines Alphabetisierungskurses, einer vorgelegten Bestätigung seiner Wohnortgemeinde über ehrenamtliche Tätigkeit, worin auch sehr gute deutsche Sprachkenntnisse des BF angeführt wurden, hat der BF keine weiteren Integrationsnachweise vorgelegt bzw. nachgereicht.
Festgestellt wird, dass der BF arbeitsfähig ist, auch mit seinen Hautverletzungen Reinigungsarbeiten und einfache Hilfstätigkeiten durchführen kann und bei einer Rückkehr in seine Herkunftsstadt XXXX wieder im Geschäft seines Vaters, in dem der BF bereits vor seiner Ausreise mitgeholfen und einfache Hilfstätigkeiten wie Reinigungsarbeiten ausgeführt hat, mitarbeiten können wird.
2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:
2.1. Sicherheitslage
Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018). IS-Kampfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv, die Sicherheitslage ist veränderlich (CRS 4.10.2018). Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig.
Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch
die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.2.2018).
Quellen:
- AA – Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertiges- amt-bericht-ueber die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irakstand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018
- CRS – Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress, https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf, Zugriff 29.10.2018
- MIGRI – Finnische Immigrationsbehörde (6.2.2018): Finnish Immigration Service report: Security in Iraq variable but improving,
https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish_immigration_service_report_security_in_iraq_variable
_but_improving/10061710, Zugriff 30.10.2018
2.2. Sunnitische Araber
Die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003, insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al-Maliki (2006 bis 2014), aus öffentlichen Positionen gedrängt. Mangels anerkannter Führungspersönlichkeiten fällt es den sunnitischen Arabern weiterhin schwer, ihren Einfluss auf nationaler Ebene geltend zu machen. Oftmals werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt. Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richteten sich 2017 vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger (AA 12.2.2018).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018
2.3. Medizinische Versorgung
Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt (AA 12.2.2018). Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstgelegenen Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 13.6.2018).
Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung. Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. (GIZ 11.2018).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018
? GIZ – Deutsche Gesellschaft für internationalen Zusammenarbeit (11.2018): Irak – Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/#c37767, Zugriff 20.11.2018
? IOM – International Organization for Migration (13.6.2018): Länderinformationsblatt Irak (2017), https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_irak-dl-de-pdf; jsessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1_cid294?_blob=publicationFile, Zugriff 16.10.2018
2.4. Rückkehr
Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. (AA 12.2.2018).
Quelle:
? AA – Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem diesbezüglichen Akteninhalt.
2.2. Zur Person des BF und zu seiner Ausreise aus dem Irak und seiner Reise nach Österreich:
2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität, Staats- und Religionszugehörigkeit sowie zur Muttersprache des BF getroffen wurden, beruhen diese auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.
2.2.2. Der BF gab in seiner Erstbefragung glaubhaft an, am 21.06.2015 den Entschluss zu seiner Ausreise aus dem Irak gefasst, noch an diesem Tag legal von XXXX in die Türkei geflogen und dann von dort schlepperunterstützt über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn bis nach Österreich gereist zu sein (AS 5f).
Ebenso glaubhaft war die Angabe des BF in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 10.05.2017, das Geld für seine schlepperunterstützte Reise von seinem Onkel erhalten zu haben (AS 52). Wie viel Geld er dafür jedoch erhalten hat, war nicht feststellbar, sprach der BF doch laut den jeweiligen Einvernahmeprotokollen in der Erstbefragung von ca. EUR 3.500,- (AS 7), in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA hingegen von 3.500,- bis 4.000,- US-Dollar (AS 52).
Dass der BF, wie er in seiner Erstbefragung angab, seinen Reisepass bei Freunden in der Türkei zurückgelassen hat (AS 5), wird nicht für glaubwürdig gehalten, nicht nur deshalb, weil es keinen nachvollziehbaren Grund dafür gibt bzw. der BF keinen solchen anführen konnte, warum er seinen Reisepass bei Freunden in der Türkei zurückgelassen haben will, sondern auch deshalb, weil er sich diesbezüglich in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 13.03.2019 widersprochen hat, gab er in dieser doch an, sein Reisepass sei in der Türkei verloren gegangen und seien sein Reisepass und seine Befunde aus seinem Rucksack herausgefallen (AS 327).
Nach Vorhalt in seiner Einvernahme am 13.03.2019, die Geschichte mit dem verlorenen Reisepass werde sehr oft erzählt, aufgrund des diesbezüglich widersprüchlichen Vorbringens des BF könne dies nicht geglaubt werden, gab der BF an:
„Ich beschwöre, dass mein Reisepass im Meer verloren ging.“ (As 327).
2.2.3. Der BF gab am 13.03.2019 vor dem BFA an, seinen Personalausweis und seinen Staatsbürgerschaftsnachweis nicht verloren zu haben, habe er diese Dokumente doch woanders gehabt als seinen Reisepass und seine Befunde, die aus seinem Rucksack gefallen seien.
Etwas später gab der BF unter Bezugnahme auf seine Erstbefragung an:
„(…) damals hat die Polizei meinen Rucksack durchsucht und mein Reisepass war nicht dabei.“ (AS 327).
In der Beschwerde gegen den gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 27.03.2019 wurde vorgebracht, der BF habe alle auf der Flucht mit sich geführten Dokumente und Unterlagen im Meer verloren und sich die im Asylverfahren vorgelegten Unterlagen nach Österreich schicken lassen (AS 576).
Fest steht, dass der BF seinen Personalausweis und Staatsbürgerschaftsnachweis in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 10.05.2017 vorgelegt hat.
Seine schwankende Angabe vor dem BFA am 13.03.2019, er wisse nicht mehr, ob er seinen Personalausweis und Staatsbürgerschaftsnachweis bereits bei der Erstbefragung oder bei seiner darauffolgenden Einvernahme vor dem BFA vorgelegt hat, woraufhin ihm gesagt worden sei, die Vorlage sei am 10.05.2017 erfolgt, spricht zudem dafür, dass der BF bereits zum Zeitpunkt seiner Einreise am 09.07.2017 und damit vor seiner rund ein Jahr später erfolgten Einvernahme vor dem BFA am 10.05.2017 im Besitz seines Personalausweises und Staatsbürgerschaftsnachweises war und er sich diese Dokumente nicht, wie in der Beschwerde gegen den Bescheid vom 04.10.2017 angegeben, im Nachhinein nach Österreich schicken lassen hat (AS 253).
Dies wäre zudem gar nicht möglich gewesen, wenn es sich bereits bei den vom BF auf der Reise mit sich geführten laut seinen Angaben verlorenen Dokumenten um Originale gehandelt hätte, handelt es sich doch beim vom BF am 10.05.2017 vor dem BFA vorgelegten Personalausweis, wie im Zuge des behördlichen Ermittlungsverfahren nach einer Echtheitsprüfung bzw. kriminalpolizeilichen Untersuchung festgestellt und von der Landespolizeidirektion dem BFA mit Schreiben vom 14.09.2017 mitgeteilt (AS 101), um ein Originaldokument, bei welchem keine Abänderungen in den Ausfüllschriften bzw. keine Auswechselung des Lichtbildes festgestellt werden konnten.
2.3. Zur individuellen Situation des BF in seinem Herkunftsstaat:
2.3.1. Dass der BF aus XXXX stammt, beruht auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt, ebenso wie die Feststellung, dass der BF bei seiner Ausreise im Juni 2015 seine Eltern und sechs Brüder im Irak zurückgelassen hat.
2.3.2. Dass der BF mit seinen im Irak verbliebenen Familienangehörigen aufrechten Kontakt hat, beruht auf seinen eigenen Angaben in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 10.05.2017, konnte er in dieser doch rund zwei Jahre nach seiner Einreise, Asylantragstellung und Erstbefragung am 09.07.2015, befragt danach, welche Verwandte noch in seinem Herkunftsstaat leben, in der Gegenwartsform angeben:
„Meine Eltern und sechs Brüder. Alle wohnen in XXXX .“ (AS 53).
Der BF konnte am 10.05.2017 vor dem BFA seinen aufrechten Kontakt zu seinem Vater zudem insofern bestätigen, als er befragt danach, ob sein Vater sein Geschäft noch innehat, dies mit folgenden Worten bestätigen konnte:
„Nachgefragt, mein Vater hat das Geschäft noch.“ (AS 52).
In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 13.03.2019 gab der BF glaubhaft an, dass seine Eltern mit seinen sechs Brüdern in einem Haus zusammen wohnen und von einem Laden, in welchem auch der BF gearbeitet habe, leben (AS 328).
Auch in der verfahrensgegenständlichen Beschwerde gegen den nach Verfahrensergänzung erlassenen Bescheid des BFA vom 27.03.2019 und auch danach wurde nichts vorgebracht, was gegen einen aufrechten Kontakt de BF zu seinen in XXXX verbliebenen Familienangehörigen sprechen würde.
Dass der BF von seinen Familienangehörigen Unterstützung erwarten kann, ergab sich daraus, dass er, wie am 10.05.2017 vor dem BFA glaubhaft angegeben, bereits vor seiner Ausreise von seinen Eltern unterstützt wurde – seine Mutter passte auf ihn auf und sein Vater ließ ihn in seinem Geschäft mitarbeiten (AS 54), und von einem Onkel mütterlicherseits das Geld für seine schlepperunterstützte Reise erhalten und einmal, laut Angabe des BF vor dem BFA am 13.03.2019 vor ca. einem Jahr, demnach ungefähr im März 2018, von seiner Mutter 100.000 irakische Dinar geschickt bekommen hat (AS 328).
Es ist aufgrund des glaubhaften Vorbringens des BF vor dem BFA am 13.03.2019, zu seinem Onkel, von dem er das Geld für die Reise erhalten habe, ein gutes Verhältnis zu haben (AS 328), jedenfalls davon auszugehen, dass er fortwährenden Kontakt zu diesem Onkel hat.
Sein Vorbringen später in der Einvernahme, befragt danach, wie es seinem Onkel gehe, von dem er das Geld bekommen habe, mit seinem Onkel, seit er in Österreich ist, keinen Kontakt mehr zu haben, kann nicht geglaubt werden, zumal er dieser Angabe im Wissen über die aktuelle Befindlichkeit seines Onkels, was nur bei aufrechtem Kontakt möglich ist, hinzufügte:
„Finanziell geht es ihm gut. (…).“ (AS 329).
Der Nachsatz des BF, „er (sein Onkel) arbeitet als Schiffskoch auf dem Meer“, ist widersprüchlich zu seiner Angabe zuvor in der Einvernahme, beide Onkeln mütterlicherseits, demnach somit auch der Onkel mütterlicherseits, von dem er das Geld für die Reise bekommen hat, leben in XXXX .
Der besagte Onkel, der, wie der BF glaubhaft angab, ein gutes Verhältnis zum BF hat und dem es finanziell gut geht, hält sich somit wie die übrigen Verwandten des BF – seine Eltern, sechs Brüder samt Familie seiner vier verheirateten Brüder, sein weiterer Onkel mütterlicherseits und seine Tante väterlicherseits – in XXXX auf.
Festgestellt wird, dass der BF zu seinen Familienangehörigen und besonders zu seinen Eltern und Brüdern im Irak aufrechten Kontakt hat, ansonsten er auch über deren aktuellen Lebensumstände in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 13.03.2019 keine aktuellen Angaben machen können hätte.
2.3.3. Dass der BF im Irak keine Schule besucht und in XXXX im Geschäft seines Vaters mitgeholfen bzw. mitgearbeitet hat – auch vor seiner Ausreise, beruht auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben vor dem BFA (AS 52, 54).
2.4. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Dem Fluchtvorbringen des BF in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 10.05.2017, wegen seiner Verunstaltung infolge der bei einem Anschlag erlittenen Verbrennungen bzw. Hautverletzungen von seinen Brüdern verstoßen worden zu sein (AS 53), wird nicht geglaubt.
Der BF konnte nicht einmal ungefähr angeben, wann der Anschlag stattgefunden habe. Er gab, befragt danach, wann der Anschlag gewesen und was passiert sei, Folgendes an:
„Ich weiß es nicht mehr. Ich erinnere mich nicht mehr. Nachgefragt, ich weiß auch nicht, wie alt ich zu der Zeit war.“ (AS 54)
Der BF sei zufällig am Anschlagsort gewesen. Viele Menschen seien dabei getötet und einige verletzt worden.
Der BF gab dann befragt danach, wie lange er nach dem Anschlag im Krankenhaus gewesen sei, an:
„Ca. insgesamt sechs Monate im Krankenhaus (…) und (…). Nachgefragt, ja beide sind in XXXX .“ (AS 54).
Befragt, wo der BF die Zeit nach dem Anschlag und seinen Krankenhausaufenthalten verbracht bzw. wie lange er nach dem Anschlag noch im Irak gewesen sei, gab der BF an:
„Zwei bis drei Jahre. Ich lebte bei meinen Eltern und meine Mutter hat auf mich aufgepasst.“ (AS 54).
Nach diesen Fragebeantwortungen des BF, wonach der BF nach dem Anschlag insgesamt ungefähr sechs Monate im Krankenhaus und darauf bis zur Ausreise noch zwei bis drei Jahre bei seinen Eltern verbracht habe, ist der Anschlagszeitpunkt, rückgerechnet vom in der Erstbefragung glaubhaft angeführten Ausreisezeitpunkt am 21.06.2015, zweieinhalb oder dreieinhalb Jahre vor Ausreise des BF, demnach Anfang des Jahres 2012 oder 2013, einzuordnen.
Nach einem vorgelegten Befundbericht vom 15.05.2017 (aus Österreich) habe der BF laut seinen Angaben „ca. 2007“ während eines Bombenangriffs im Irak großflächige Hautverletzungen erlitten und seien in Österreich großflächige Ekzeme und ein Juckreiz am Körper des BF mit bestimmten näher angeführten Medikamenten behandelt worden.
Nach den in diesem Befundbericht wiedergegebenen Angaben des BF habe der „Anschlag“ bzw. „Bombenangriff“ „ca. 2007“, und nicht, wie aus Angaben des BF vor dem BFA am 10.05.2017 in Zusammenschau mit dem in der Erstbefragung glaubhaft vorgebrachten Ausreisezeitpunkt am 21.06.2015 hervorgehend, Anfang 2012 oder Anfang 2013 stattgefunden.
Sein am 10.05.2017 vor dem BFA zeitlich zusammenhängendes Vorbringen, nachdem er bei diesem Anschlag Verbrennungen erlitten habe, habe er nicht mehr gut ausgesehen, weswegen ihn seine Brüder nicht mehr haben wollten und er deswegen den Irak verlassen habe (AS 53), spricht zudem für eine Ausreise des BF zeitnah zum Anschlag und nicht erst zwei bis drei Jahre später.
Zwei bis drei Jahre lang hätte der BF jedenfalls nicht zusammen mit seinen Brüdern bei seinen Eltern im Haus verweilen können, wenn er tatsächlich wegen seiner Verunstaltung von seinen Brüdern verhasst gewesen wäre.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der BF in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 13.03.2019 befragt nach seinen im Irak verbliebenen Familienangehörigen und deren Lebensumständen im Irak vorgebracht hat, dass seine Eltern mit seinen sechs Brüdern in einem Haus zusammen wohnen und von einem Laden, in welchem auch der BF gearbeitet habe, leben (AS 328), ohne gegenüber seinen Brüdern, die ihn aus dem Haus geworfen haben sollen, eine erkennbare negative Stimmungsnote mitschwingen lassen zu haben, im Gegenteil, konnte er doch informiert über den aktuellen Beziehungsstand seiner Geschwister angeben, dass vier seiner Brüder verheiratet sind, zwei davon jedoch noch nicht.
Der BF brachte nach Vorhalt vor dem BFA am 13.03.2019, im Zuge von Anschlägen seien viele verstümmelt oder verbrannt worden und es sei nicht nachvollziehbar, deswegen von der eigenen Familie verstoßen zu werden, vor:
„Nachdem ich verwundet wurde, wollten mich meine Geschwister nicht mehr. Die Kinder warfen Steine nach mir und lachten mich aus.“ (AS 328).
Ob es sich bei den Kindern, die nach dem BF Steine geworfen haben sollen, um die Kinder seiner verheirateten Brüder oder um andere Kinder handelt, ging aus dem Vorbringen des BF nicht hervor.
Bei seinem Vorbringen, Kinder hätten Steine nach ihm geworfen und ihn ausgelacht, handelt es sich jedenfalls um ein erstmaliges, gesteigertes Vorbringen im Verfahren.
Dass der BF, wie vor dem BFA angegeben, unter anderem die auf seiner Reise mit sich geführten Befunde und Atteste betreffend seiner im Irak erlittenen Verletzungen im Meer verloren hat (AS 54), wird nicht für glaubwürdig gehalten.
Es macht vielmehr den Anschein, der BF habe hinsichtlich seiner im Irak erlittenen Verletzungen Hintergrund, Zeit und Ort verschleiern wollen.
In seiner gegenständlichen Beschwerde wurde vorgebracht:
„Dazu möchte der BF sagen, dass es in seinem Fall wohl augenscheinlich ist, dass er schwere Verbrennungen erlitten hat. Dass das im Irak bei einem Anschlag passiert sein könnte, ist wohl auch nicht unwahrscheinlich und dass seine Brüder danach nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten und sich für ihn geschämt haben, ist zwar moralisch verwerflich, aber durchaus vorstellbar.“ (AS 576).
Diesbezüglich war auffallend, dass im zweiten Konjunktiv darüber berichtet wurde, dass der BF bei einem Anschlag eines von mehreren Opfern gewesen sein soll – mit den Worten „dass das im Irak bei einem Anschlag passiert sein könnte, ist wohl auch nicht unwahrscheinlich“.
Die Art dieses Beschwerdevorbringens, es sei nicht unwahrscheinlich, dass der BF seine schweren Verbrennungen bei einem Anschlag erlitten haben könnte, deutet eher darauf hin, dass er sich die Verbrennungen nicht bei einem Anschlag, sondern bei einem anderen Vorfall zugezogen hat.
In Zusammenhang mit den beim BF sichtbaren Verletzungsspuren war daher jedenfalls nur feststellbar, dass der BF zu einem unbestimmten Zeitpunkt an einem unbestimmten Ort aus unbestimmter Ursache Verbrennungen bzw. Hautverletzungen erlitten und dadurch eine Verunstaltung erfahren hat.
Glaubhaft war auch, dass der BF wegen dieser erlittenen Verbrennungen bzw. Verletzungen im Krankhaus war und danach von seiner Mutter gepflegt bzw. umsorgt wurde.
Dem Vorbringen des BF, wegen seines Aussehens von seinen Brüdern verstoßen worden zu sein, konnte jedoch kein Glauben geschenkt werden.
Wie er in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 10.05.2017 befragt danach glaubhaft angab, hatte der BF im Irak keine Probleme mit Behörden, keine Probleme aufgrund seiner Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit, keine gröbere Probleme mit Privatpersonen, und war er außerdem kein Mitglied einer politischen Partei, nicht politisch tätig, nie in Haft und wurde er auch nie strafrechtlich verfolgt (AS 53).
Mit seiner Angabe, keine gröbere Probleme mit Privatpersonen gehabt zu haben, hat der BF seinem Vorbringen, seine Brüder hätten ihn aufgrund seines Aussehens hinausgeworfen, die Grundlage entzogen, hat er damit doch zugegeben, mit keinen Privatpersonen, somit auch nicht mit seinen Brüdern, gröbere Probleme gehabt zu haben.
Festgestellt werden konnte folglich, dass der BF nicht aus den von ihm angeführten Gründen, sondern aufgrund der allgemeinen schlechten Lage vor Ort aus dem Irak ausgereist ist, und dies problemlos legal mit dem Flugzeug in die Türkei, wo er seinen Angaben in der Erstbefragung zufolge Freunde hat.
Vor dem BFA am 13.03.2019 befragt, was er tun würde, wenn er jetzt am Flughafen in XXXX stehen würde, gab der BF an:
„Nein, ich will nicht. Alles außer das. Ich würde mich töten. Ich habe das Gefühl in Österreich ein Mensch zu sein.“ (AS 331).
Am 10.05.2017 brachte der BF vor dem BFA befragt danach, warum er nach Österreich gekommen bzw. was das Ziel seiner Reise gewesen sei, vor:
„Ich liebe Österreich, deswegen war Österreich mein Zielland. Andere Flüchtlinge haben mir gesagt, dass Österreich gut ist und die Menschenrechte achtet. Österreich hat mich gut behandelt und vor allem medizinisch, so wurden meine Zähne wieder hergerichtet.“ (AS 52).
Diese soeben wiedergegebenen Angaben des BF vor dem BFA am 10.05.2017 und 13.03.2019 zeugen vom Streben des BF nach besseren Lebensverhältnissen bzw. Lebensbedingungen in Österreich als in seinem Herkunftsstaat, und nicht von einer Flucht aufgrund einer individuellen Bedrohungssituation, welche bereits aufgrund seines unglaubwürdigen Fluchtvorbringens nicht erkennbar war.
2.5. In der gegenständlichen Beschwerde wurde zum Gesundheitszustand des BF Folgendes vorgebracht:
„Der BF leidet an massiven Hautbeschwerden. Er befindet sich in Österreich in Behandlung. Im Irak wurde der BF lediglich sechs Monate behandelt. Danach wurde ihm die medizinische Versorgung verwehrt und somit blieben die Probleme unbehandelt. Speziell wenn der BF Hitze oder Kälte ausgesetzt war, hatte er mit massiven Problemen und Schmerzen zu kämpfen. Im Falle einer Rückkehr würden diese gesundheitlichen Probleme wieder nicht behandelt werden und der BF wäre erneut diesen Schmerzen und Problemen ausgesetzt.“ (AS 577).
Davon, dass dem BF nach einer sechsmonatigen Behandlung im Irak die medizinische Versorgung verwehrt worden wäre, war zuvor im Verfahren nie die Rede. Vor dem BFA am 10.05.2017 sprach er davon, seine Mutter habe sich nach einem sechsmonatigen Krankenhausaufenthalt um ihn gekümmert, und am 13.03.2019 gab er konkretisiert an, seine Mutter habe Salben für ihn gekauft, ihn ein- bis zweimal täglich damit eingeschmiert, und auch Tabletten gegen die Schmerzen gekauft, was zu einer Besserung seiner Beschwerden geführt habe (AS 329).
In seiner Einvernahme vor dem BFA am 13.03.2019 gab der BF an, dass es ihm jetzt mit seiner Hauterkrankung wieder gut gehe:
„Manchmal juckt mich meine Haut. Ohne Salben geht es gar nicht.“ (AS 329)
Daraufhin folgte folgender Wortwechsel zwischen dem Leiter der Amtshandlung bzw. der Einvernahme und dem BF:
„LA: Im Irak hatten Sie weder die Augentropfen noch die Salben.
A: Augentropfen hatte ich schon aber keine Salben.
Vorhalt: Sie sagten, dass Ihre Mutter Salben für Sie kaufte.
A: Ich meinte Augentropfen, ich hatte wegen der trockenen Augen. Die hatte ich auch schon vor den Verbrennungen. Salben hatte ich aber die halfen nicht so. Ich konnte es aufgrund der Hitze nicht aushalten.“ (AS 329)
Der BF wollte offenbar sein Vorbringen so zurechtbiegen, dass daraus keine im Irak mögliche Behandlung seiner Hautbeschwerden mehr ableitbar ist. Dies ist ihm jedoch nicht gelungen:
Mit seinem Vorbringen nach Vorhalt, vorhin doch gesagt zu haben, dass seine Mutter Salben für ihn gekauft hat, er habe stattdessen (bzw. statt Salben) Augentropfen gemeint, wollte der BF nur seine vorherige Angabe „Augentropfen hatte ich schon aber keine Salben“ untermauern. Mit seinem nachfolgenden Vorbringen, „Salben hatte ich aber die halfen nicht so; ich konnte es aufgrund der Hitze nicht aushalten“, wollte der BF seine vorhin unwahre Angabe, zwar Augentropfen, jedoch keine Salben gehabt zu haben, offenbar vorsichtig wieder zu seinen Gunsten zurechtbiegen.
Fest steht, dass der BF anfangs befragt danach, ob er nach seinem Krankenhausaufenthalt „irgendeine Form der Behandlung gehabt“ habe, ausdrücklich angab, seine Mutter habe für ihn Salben gekauft, ihn ein- bis zweimal täglich damit eingeschmiert und für ihn auch Tabletten gegen die Schmerzen gekauft. (AS 329)
Sein Vorbringen, seine Mutter habe für ihn Salben gekauft, kann zudem gegenüber seiner späteren Angabe, nicht Salben, sondern Augentropfen gemeint zu haben, auch nicht als irrtümliches Vorbringen gewertet werden, gab er doch anfangs nicht nur an, seine Mutter habe Salben für ihn gekauft, sondern brachte er in diesem Zusammenhang auch vor, dass sie ihn mit diesen ein- bis zweimal täglich eingeschmiert habe, und ist ein „Einschmieren“ mit Augentropfen nicht möglich, weshalb ein irrtümliches Vorbringen über gekaufte Salben von vornherein ausscheidet.
Nach Behandlung des BF mit den von seiner Mutter gekauften Salben und Schmerzmitteln ist es jedenfalls auch zu einer Besserung seines Gesundheitszustandes gekommen, was aus folgendem Nachsatz des BF hervorgeht:
„Nachdem es besser wurde, wollten meine Brüder mich nicht mehr und warfen mich auf die Straße.“ (AS 329).
Der BF wurde dann gefragt, wie er (in Österreich) außer mit der Salbe und den Tropfen noch behandelt werde. Daraufhin folgte folgende Antwort des BF bzw. folgender Wortwechsel zwischen dem Leiter der Einvernahme und dem BF:
„A: Ja, ich muss wegen der Schmerzen in den Beinen Tabletten nehmen.
LA: Was ist mit Ihren Beinen?
A: Ich habe keine Schmerzen aber in der Nacht wenn ich schlafen gehe werden meine Beine taub.
LA: Seit wann haben Sie das?
A: Seit ca. 6 bis 7 Monaten.
LA: Haben Sie einen Befund?
A: Nein, ich habe keinen Befund.“ (AS 330)
Bezüglich der vorgebrachten Beschwerden mit seinen Beinen hat sich der BF insofern widersprochen, als er zunächst angab, wegen Schmerzen in den Beinen Tabletten zu nehmen, gleich darauf jedoch anführte, keine Schmerzen zu haben, in der Nacht, wenn er schlafen gehe, würden seine Beine jedoch taub.
Einen Befund bezüglich seiner diesbezüglichen Beschwerden konnte der BF jedenfalls nicht vorlegen, weshalb diese auch nicht weiter zu berücksichtigen waren.
Dass der BF am 10.05.2017 vor dem BFA befragt danach, warum er nach Österreich gekommen sei, auf gute medizinische Behandlung verwiesen hat und in Zusammenhang damit nicht die Behandlung seiner Hautbeschwerden, wofür er laut seinem Beschwerdevorbringen von April 2019 in seinem Herkunftsstaat ungenügende Behandlungsmöglichkeit gehabt haben soll, sondern seine Zahnsanierung erwähnt hat (AS 52), lässt jedenfalls darauf schließen, dass der BF mit seinen Hautbeschwerden bereits in seinem Herkunftsstaat hinreichend genug behandelt werden konnte, nur eben nicht so gut bzw. mit so gut wirksamen Medikamenten wie in Österreich.
Die festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des BF beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.
Dass der BF bei einer Rückkehr hinreichende medizinische Versorgung für all seine Beschwerden erwarten kann, ergibt sich aus seinem glaubhaften Vorbringen, in seiner Herkunftsstadt nach erlittenen Verbrennungen in einem Krankhaus und nach Krankenhausentlassung mit (in einer Apotheke) gekauften Salben und Schmerztabletten behandelt worden zu sein und gegen seine Augenbeschwerden bzw. seine trockenen Augen Augentropfen genommen zu haben, vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen, wonach die medizinische Versorgung vor allem in Städten, wo die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken, Apotheken und medizinischen Labore um ein Vielfaches größer als am Land ist, gewährleistet ist.
In der Beschwerde wurde bezüglich der Behandlung von psychisch kranken Personen und dem Umgang mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen auf folgende ACCORD-Berichte verwiesen:
? „ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Behandlungsmöglichkeiten bei psychischen Erkrankungen (z.B. bei posttraumatischer Belastungsstörung, Verfügbarkeit von Antidepressive und (sedierenden) Antipsychotika; Verfügbarkeit von Medikamenten gegen Bluthochdruck bzw. Herzprobleme [a-10861], 12. Februar 2019
https://www.ecoi.net/de/dokument/1457781.html (Zugriff am 24. April 2019)“ und
? „ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Überblick zur Lage von Menschen mit besonderen Bedürfnissen / Behinderungen [a-10457-v2], 2. Februar 2018
https://www.ecoi.net/de/dokument/1457781.html (Zugriff am 24. April 2019)“
Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass – auch nach der soeben zuerst angeführten ACCORD-Anfragebeantwortung – im Irak grundsätzlich, wenn auch mit bestimmten, in der Herkunftsstadt des BF „Al Basra“ wegen umfassender medizinischer Versorgung in Krankenhäusern und durch hinreichend Arztpersonal und mehr Apotheken (mit Medikamentenangebot) als am Land, gegenständlich jedoch nicht relevanten, Einschränkungen auch psychische Beeinträchtigungen behandelbar sind und somit grundsätzlich sowohl physische als auch psychische Beeinträchtigungen des BF im Irak behandelt werden können.
Dass der BF wegen seiner psychischen Beeinträchtigung – im vorgelegten Arztbefund vom 20.03.2019 wurde unter anderem ein Verdacht auf eine beim BF vorliegende posttraumatische Belastungsstörung angeführt (AS 583) und dem BF aufgrund seiner Anpassungsstörung und Alkoholabhängigkeit mit Verdacht auf posttraumatischer Belastungsstörung eine medikamentöse Therapie empfohlen (AS 584) – auch regelmäßige fachärztliche Beratung bzw. Betreuung und psychotherapeutische Behandlung benötigt, wurde durch keine vorgelegten bzw. nachgereichten Befunde nachgewiesen. Grundsätzliche ärztliche Versorgung – unter anderem in Krankenhäusern – und medikamentöse Versorgung, etwa über die Apotheke, in welcher die Mutter des BF vor seiner Ausreise für ihn Salben und Schmerztabletten besorgt hat, ist in XXXX jedenfalls gewährleistet.
Bezüglich der angeführten zweiten ACCORD-Anfragebeantwortung mit einem Überblick zur Lage von Menschen mit besonderen Bedürfnissen / Behinderungen [a-10457-v2] wird darauf hingewiesen, dass diese Berichterstattung sich vorwiegend auf Menschen mit Behinderungen bzw. schweren, die Arbeitsfähigkeit einschränkenden, am Arbeitsmarkt zu Diskriminierung führenden, gesundheitlichen Beeinträchtigungen bezieht, es sich beim BF jedoch um keinen behinderten und einen auch mit seinen Hautverletzungen grundsätzlich arbeitsfähigen, wenn auch aufgrund gewisser verletzungsbedingter Einschränkung nur im Bereich „einfacher Hilfstätigkeiten“ einsatzbaren, nunmehr 32 Jahre alten Mann handelt.
Wie bereits vor seiner Ausreise kann der BF daher auch nach Rückkehr in seinen Herkunftsstaat bzw. in seine Herkunftsstadt XXXX im familieneigenen Geschäft mitarbeiten und dabei auch Reinigungsarbeiten durchführen. Dass er dies kann, hat er in Österreich im Zuge nachgewiesener ehrenamtlicher Tätigkeit bei seiner Wohnortgemeinde bewiesen.
2.6. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Bestimmte von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen, bestehend aus diversen Länderberichten unterschiedlicher Quellen staatlicher und nichtstaatlicher Natur, werden auch in der gegenständlichen Entscheidung angeführt. Soweit diese Länderberichte älteren Datums sind, ist festzuhalten, dass diese gleich geblieben sind bzw. sich diese nicht in einer für die gegenständliche Entscheidung relevanten Weise geändert haben.
Hinzuweisen ist auf die laut einer aktuellen Reisewarnung des deutschen Auswärtigen Amtes im gesamten Irak volatil bleibenden Sicherheitslage:
„(…) Die Zahl der terroristischen Anschläge vor allem im Nord- und Zentralirak ist seit Langem sehr hoch.
Besonders gefährlich sind die Provinzen Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa 8Sindschar, Mossul, grenze zu Syrien), Salah Al-Din sowie der Norden der Provinz Babel. (…)“
Fest steht demnach, dass XXXX , die Herkunftsstadt des BF, in der gleichnamigen Provinz XXXX nicht als besonders gefährlich eingestuft wurde.
2.7. Zur individuellen Situation des BF in Österreich
Dass der BF in Österreich an einem Alphabetisierungskurs teilgenommen hat, beruht auf einer vorgelegten „Teilnahmebescheinigung“ vom 20.07.2016, wonach der BF vom 08.06.2016 bis 20.07.2016 die Bildungsveranstaltung „Alphabetisierung Vorkurs 2 Deutsch als Fremd- /Zweisprache“ mit 75 Unterrichtseinheiten besucht hat (AS 65).
In der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 04.10.2017 wurde vorgebracht:
„Ich bin am 09.07.2015, also vor zwei Jahren und drei Monaten nach Österreich gekommen. Ich habe inzwischen schon ganz gute Fortschritte im Erlernen der deutschen Sprache gemacht. Dabei ist zu bedenken, dass ich zunächst einmal Alphabetisierungskurse absolvieren musste. Ich bin aber ständig bemüht meine Deutschkenntnisse zu verbessern.“ (AS 261)
Dass sich der BF während seines bisherigen Aufenthaltes in Österreich einige Deutschkenntnisse aneignen konnte, ist durchaus glaubhaft. Abgesehen von der vorgelegten Teilnahmebescheinigung vom 20.07.2016 wurden jedenfalls keine weiteren Kursnachweise vorgelegt bzw. nachgereicht.
Dass der BF bei einer österreichischen Stadtgemeinde im September, November 2015, März, August, September 2016 und April 2017 im Ausmaß von 22 Stunden monatlich ehrenamtlicher Tätigkeit nachgegangen ist, beruht auf einer dies bescheinigenden Bestätigung vom 09.05.2017 (AS 67), in welcher auch sehr gute deutsche Sprachkenntnisse des BF angeführt wurden.
Wie aus dem Akteninhalt hervorgeht, lebte der BF im Bundesgebiet bislang von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und hat er einmal ungefähr im März 2018 von seiner Mutter 100.000 irakische Dinar, das sind umgerechnet, EUR 74,29, zugeschickt erhalten (AS 328).
Aufgefallen ist, dass der BF am 10.05.2017 vor dem BFA angab, derzeit bereit zu sein, jeden Job zu machen (AS 55), und auch am 13.03.2019 vor dem BFA betonte, dass er arbeiten und irgendeiner Arbeit nachgehen wolle und „jede Arbeit mache“ (AS 330), dann am 13.03.2019 befragt danach, wie sich seine gesundheitlichen Probleme auf seine Arbeitsfähigkeit auswirken, angab, zwar Medikamente zu nehmen, jedoch dennoch arbeiten zu können, gleich darauf befragt, ob er Einschränkungen habe, jedoch mitteilte, wegen seiner Verbrennungen nichts machen zu können (AS 331).
Daraufhin wurde dem BF vorgehalten, er habe gerade erst angegeben, arbeiten zu wollen, sage nunmehr jedoch, nichts machen zu können.
Diesem Vorhalt entgegnete der BF mit den Worten:
„Bauarbeiten kann ich nicht machen, aber ich kann Reinigungstätigkeiten ausführen. So etwas kann ich immer machen. Von der XXXX wurden wir einmal zu einem Flüchtlingslager gebracht. Wir malten dort die Wände aus. Da half ich auch mit.“ (AS 331).
Reinigungsarbeiten und einfache Hilfstätigkeiten, wie bereits vor seiner Ausreise im Geschäft seines Vaters, kann der BF demnach jedenfalls ausführen.
In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 10.05.2017 gab der BF befragt danach, wie er sich seine Zukunft in Österreich vorstelle, an:
„Ich möchte noch lernen, vor allem die Sprache und arbeiten. Ich bin derzeit bereit, jeden Job zu machen und würde auch gerne heiraten.“ (AS 55)
In seiner Einvernahme vor dem BFA am 13.03.2019 gab der BF an:
„Ich will arbeiten. Irgendeine Arbeit. Und ich möchte eine Familie gründen.“ (AS 55)
Der BF, der laut seinen glaubhaften Angaben vor dem BFA am 13.03.2019 nicht verheiratet ist und keine Kinder hat (AS 326) und in Österreich von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung lebt (AS 328), möchte sich demnach im Bundesgebiet ein nachhaltiges Privat- und Familienleben aufbauen.
Der BF gab in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 10.05.2017 an, in seiner Wohnortgemeinde sowohl zu Irakern als auch zu Österreichern zu haben (AS 54).
In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 13.03.2019 betonte der BF jedenfalls, seine Freizeit mit Irakern zu verbringen, österreichische Freunde habe er nicht (AS 330).
Festgestellt werden konnte somit, dass der BF während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet zwar einige Sozialkontakte knüpfen konnte und in seiner Wohnortgemeinde sowohl zu Irakern als auch zu Österreichern Kontakt hat, seine Freizeit jedoch nur mit Irakern verbringt, hat er doch keine österreichischen Freunde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 in der geltenden Fassung, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu Spruchpunkt I.) des angefochtenen Bescheides:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (und Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach der GFK) ist somit, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren dieser Konventionsgründe, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (VwGH vom 27.06.2016, Zl. Ra 2016/18/0098 mwN; und vom