TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/11 94/07/0152

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Veröffentlicht am 11.09.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §62;
AVG §63 Abs1;
AVG §68 Abs1;
WRG 1959 §107 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Rose, über die Beschwerde der HESPA Holzeinkaufstelle der Schweizerischen Papier- und Zellstoffindustrie in Luzern, vertreten durch Dr. Wilhelm Kubin, Rechtsanwalt in Graz, Raubergasse 16/I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 25. August 1994, Zl. 411.295/02-I 4/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen eine wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Waldensteiner Holzverwertungsgesellschaft m.b.H. in Waldenstein, vertreten durch Dr. Dagmar Arnetzl und Dr. Maximilian Geiger, Rechtsanwälte in Graz, Jakominiplatz 16), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine nach Schweizer Obligationenrecht gebildete Genossenschaft. Sie hat am Waldensteiner Bach im Lavanttal Fischereirechte.

Die mitbeteiligte Partei des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (MP) hatte beim Landeshauptmann von Kärnten (LH) die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Kleinkraftwerkes am Waldensteiner Bach beantragt. Nach Beendigung eines anhängig gewesenen Widerstreitverfahrens hatte die MP ihr Projekt überarbeitet und im überarbeiteten Projekt den Fischereiberechtigten am Waldensteiner Bach unter der Bezeichnung "HESPA-Domäne" bekanntgegeben.

Mit Kundmachung vom 21. Mai 1993 beraumte der LH über das geänderte Projekt der MP für den 16. Juni 1993 die mündliche Verhandlung an, zu welcher als Fischereiberechtigter die "HESPA-Domäne" persönlich geladen wurde. Zu dieser mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 1993 erschien ein Vertreter des so bezeichneten Fischereiberechtigten, welcher sich gegen die Errichtung des geplanten Kraftwerks mit der Begründung aussprach, daß die "HESPA-Domäne" als Fischereiberechtigte ihr bestes Fischwasser verlieren würde. Sollte das Projekt dennoch einer Bewilligung zugeführt werden, so sei vor Beginn der Bauarbeiten eine fischereiliche Beweissicherung durchzuführen, wobei im übrigen auf die Stellungnahme der beigezogenen Amtssachverständigen verwiesen werde.

Mit seinem Bescheid vom 12. August 1993 erteilte der LH der MP die beantragte wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung des projektierten Kraftwerkes für die Nutzung der Wasserkräfte des Waldensteiner Baches unter entsprechenden Bedingungen und Auflagen, wies die Einwendungen der Fischereiberechtigten "HESPA-Domäne" als unbegründet ab und behielt die Entscheidung über die fischereiliche Entschädigung gemäß § 117 Abs. 2 WRG 1959 einem Nachtragsbescheid vor. Dieser Bescheid bezeichnete in seiner Zustellverfügung den Fischereiberechtigten wiederum als "HESPA-Domäne" und wurde dem auf diese Weise benannten Bescheidadressaten offenbar versehentlich zweimal, nämlich sowohl am 16. als auch am 20. August 1993 zugestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin eine Berufung, in welcher sie u.a. darauf hinwies, daß der Bescheid des LH verfehlterweise die "HESPA-Domäne (Adresse)" bezeichne und insoweit an eine "Nichtperson" ergangen sei. Tatsächlich fischereiberechtigt sei die Beschwerdeführerin, an welche der Bescheid des LH in gesetzwidriger Weise nicht zugestellt worden sei. Nach einem entsprechenden Vorbringen zur Sache begehrte die Beschwerdeführerin, welche als Tag der (unrichtigen) Zustellung des Bescheides des LH an die "HESPA-Domäne" den 20. August 1993 nannte, die Aufhebung des Bescheides des LH.

Mit Bescheid vom 18. Mai 1994 wies die belangte Behörde diese Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des LH vom 12. August 1993 mit der Begründung zurück, daß die Berufung verspätet erhoben worden sei. Der Einwand der Beschwerdeführerin, daß der Bescheid an eine "falsche Adresse" abgefertigt worden sei, gehe insofern ins Leere, als die Beschwerdeführerin im Bewilligungsverfahren keinen Einwand gegen die Verwendung der Adresse "Domäne HESPA" vorgebracht habe, diese Bezeichnung aber als Abkürzung der richtigen Bezeichnung der Beschwerdeführerin angesehen werden müsse. Die zweite Zustellung des Bescheides des LH an die Beschwerdeführerin am 20. August 1993 habe auf den mit der ersten Zustellung am 16. August 1993 begonnenen Lauf der Berufungsfrist keinen Einfluß nehmen können; ausgehend von der wirksamen ersten Zustellung des Bescheides des LH am 16. August 1993 an die Beschwerdeführerin sei ihre Berufung als verspätet anzusehen. Dieser Bescheid der belangten Behörde vom 18. Mai 1994 wurde vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes nicht angefochten.

Mit einem am 11. Juli 1994 beim LH eingelangten Schriftsatz begehrte die Beschwerdeführerin die Zustellung des Bescheides des LH vom 12. August 1993, welchem Ersuchen der LH dadurch entsprach, daß er seinen Bescheid der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsanwaltes am 27. Juli 1994 zustellte.

Innerhalb einer von diesem Zustelltag berechneten Berufungsfrist erhob die Beschwerdeführerin erneut Berufung gegen den Bescheid des LH vom 12. August 1993, in welcher sie darauf hinwies, am Verfahren nicht beteiligt worden zu sein, weil die am wasserrechtlichen Verfahren beteiligte "HESPA-Domäne" nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtspersönlichkeit habe. Selbst wenn man annehmen wollte, daß das Unterbleiben einer ordnungsgemäßen Ladung der fischereiberechtigten Beschwerdeführerin durch die tatsächliche Teilnahme einer für die "HESPA-Domäne" einschreitenden Person in der mündlichen Verhandlung vor dem LH saniert worden sein könnte, sei jedenfalls im erstinstanzlichen Bescheid durch die vorgeschriebenen Auflagen den berechtigten Interessen der Beschwerdeführerin zuwidergehandelt, und sie in den ihr zustehenden wasserrechtlich geschützten subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden. Es entspreche das bewilligte Projekt aus näher dargelegten Gründen in ökologischer Hinsicht nämlich nicht dem Stand der Technik.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde diese Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 68 Abs. 1 AVG aus dem Grunde der entschiedenen Sache zurückgewiesen, was die belangte Behörde mit dem Hinweis auf ihren in derselben Sache bereits ergangenen Berufungsbescheid vom 18. Mai 1994 begründete.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Erklärung begehrt, sich durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten als Fischereiberechtigte und in ihren Verfahrensrechten als verletzt anzusehen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift ebenso wie die MP die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin hält die Begründung des angefochtenen Bescheides deswegen für verfehlt, weil der Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde vom 18. Mai 1994 der Beschwerdeführerin gegenüber keine Rechtswirkungen entfalten könne; habe die belangte Behörde in ihrem Zurückweisungsbescheid vom 18. Mai 1994 doch eine Entscheidung über eine Berufung der Beschwerdeführerin getroffen, der ein dieser gegenüber wirksam erlassener erstinstanzlicher Bescheid gar nicht zugrunde gelegen sei. Mit dieser Auffassung verkennt die Beschwerdeführerin die Rechtslage.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind in einem Mehrparteienverfahren übergangene Parteien auch vor Zustellung des sie betreffenden Bescheides berechtigt, Berufung zu erheben. Mit der Erhebung einer Berufung gegen einen nicht wirksam zugestellten Bescheid verbraucht die Partei aber ihr Berufungsrecht mit der Wirkung, daß ihr in der Folge nicht mehr das Recht zusteht, gegen denselben Bescheid nach seiner Zustellung neuerlich Berufung zu erheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 1996, 95/07/0234, mit weiteren Nachweisen). Ob die belangte Behörde die erste Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des LH vom 12. August 1993 mit ihrem Bescheid vom 18. Mai 1994 rechtens zurückgewiesen hat, kann aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde nicht geprüft werden, da dieser Zurückweisungsbescheid der Berufungsbehörde mangels Anfechtung vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes unangreifbar geworden ist. Der mit der seinerzeitigen Berufungserhebung der beschwerdeführenden Partei verbundene Verbrauch ihres Berufungsrechtes aber stand der Zulässigkeit einer meritorischen Erledigung ihrer nach Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides am 27. Juli 1994 abermals erhobenen Berufung unabweislich entgegen, weshalb sich die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Zurückweisung dieser Berufung nicht als rechtswidrig erweist.

Zum gleichen Ergebnis führt eine Betrachtung des Beschwerdefalles im Lichte der Bestimmung des § 107 Abs. 2 WRG 1959. Nach dieser Bestimmung ist die verfahrensrechtliche Zulässigkeit der Erhebung von auch in Form einer Berufung erstatteten Einwendungen einer übergangenen Partei mit dem Zeitpunkt begrenzt, zu dem Unanfechtbarkeit des Bescheides im Hinblick auf alle tatsächlich am Verfahren beteiligten Parteien, also auf alle anderen Parteien als die übergangene, eingetreten ist (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1995, 95/07/0159, mit weiteren Nachweisen). Auch unter diesem Gesichtspunkt hat die Zurückweisung der abermals erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin durch den nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde diese in ihren geltend gemachten Rechten nicht verletzt.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994; die Abweisung des Kostenmehrbegehrens der MP beruht auf überhöht verzeichnetem Stempelgebührenaufwand insofern, als die Gegenschrift in lediglich zweifacher Ausfertigung zu überreichen und die ihr angeschlossene Beilage zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht als erforderlich anzusehen war.

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungsrecht und Präklusion (AVG §42 Abs1) Zurückweisung wegen entschiedener Sache Übergangene Partei

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1994070152.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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