TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/6 G307 2181178-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.07.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.07.2020

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

G307 2181178-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, StA.: Irak, geboren am XXXX, vertreten durch den Migrantenverein St. Marx in 1030 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.12.2017, Zahl XXXX zu Recht erkannt:

A)       

I.       Der Beschwerde gegen (den noch offenen) Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX, StA.: Irak, geboren am XXXX, gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.

II.      Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine für ein Jahr gültige befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß § 133 Abs. 4 B-VG n i c h t z u l ä s s i g .


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 29.09.2015 einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005).

2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Marchegg AGM die polizeiliche Erstbefragung des BF statt.

3. Am 05.04.2017 wurde der BF im Asylverfahren niederschriftlich durch ein Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Regionaldirektion Wien (im Folgenden: BFA) zu seinen Fluchtgründen, der Fluchtroute und persönlichen Verhältnissen einvernommen.

4. Mit den oben im Spruch genannten Bescheid des BFA, dem BF persönlich zugestellt am 06.12.2017, wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.), sowie gemäß § 55 Abs. 1 und 3 FPG eine zweiwöchige Frist zur freiwilligen Ausreise festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

5. Mit am 25.12.2017 datierten und am selben Tag beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch die im Spruch angeführte Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde beantragt, dem BF Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen, allenfalls diesem subsidiären Schutz zu gewähren, allenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an die erste Instanz zurückzuverweisen, einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation im Irak beschäftigt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, damit der BF die vorgeworfene Kritik an seinem Vorbringen widerlegen könne, allenfalls die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären, allenfalls einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, allenfalls festzustellen, dass die Abschiebung in den Irak unzulässig sei.

6. Die gegenständliche Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA am 28.12.2017 vorgelegt und sind dort am 29.12.2017 eingelangt.

7. Am 02.07.2019 fand in der Außenstelle Graz des Bundesverwaltungsgerichtes eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher die BF und dessen RV teilnahmen.

8. Mit Erkenntnis des BVwG, Zahl G307 2181178-1/7E vom 12.08.2019 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes als unbegründet abgewiesen und die Revision nicht für zulässig erklärt.

9. Dagegen erhob der BF durch seine gewillkürte Rechtsvertretung außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH).

10. Mit Erkenntnis des VwGH vom 27.04.2020, Zahl Ra 2019/19/0455-13 wies dieser die Revision, soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers (hier: BF) betreffend die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet, zurück und erkannte zu Recht, dass das angefochtene Erkenntnis insoweit, als damit die Beschwerde des Revisionswerbers (BF) gegen die übrigen Spruchpunkte (Nichtgewährung von subsidiärem Schutz und die darauf aufbauenden Spruchpunkte) abgewiesen wurde, wegen Rechtwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werde.

11. Mit Schreiben des erkennenden Gerichtes vom 09.06.2020, der RV des BF zugestellt am 12.06.2020, wurde diesem im Rahmen einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme (im Folgenden: VEB) Parteiengehör zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat, insbesondere betreffend die Region XXXX, eingeräumt.

Hiezu gab der BF keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Namen und Geburtsdatum), ist irakischer Staatsbürger, ledig, schiitischer Moslem und Angehöriger der Volksgruppe Araber. Seine Muttersprache ist Arabisch. Es konnte nicht festgestellt werden, dass er derzeit mit XXXX, geboren am XXXX, marokkanische Staatsbürgerin mit Asylwerberstatus im gemeinsamen Haushalt lebt und mit dieser seit Beginn des Jahres 2019 eine Beziehung führt.

1.2. Der BF besuchte in XXXX 6 Jahre lang die Grund-, 3 Jahre die Mittelschule und danach 3 Jahre das Gymnasium. Die Reifeprüfung legte er nicht ab und verfügt über keine Berufsausbildung. Im Irak verdiente er sich seinen Lebensunterhalt durch Mithilfe im Restaurant seines Vaters. Seine Eltern, sein Bruder und drei weitere Schwestern leben noch im Irak. In Österreich leben nur entfernte Verwandte des BF, mit welchen der BF keinen intensiven Kontakt pflegt. Er besucht derzeit keine Kurse und konnten über die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin (LG) hinaus keine weiteren gesellschaftlichen, sprachlichen oder beruflichen Bindungen im Bundesgebiet ausgemacht werden.

1.3. Der BF reiste am 11.09.2015 von XXXX nach XXXX und von dort nach XXXX . Über den Seeweg begab er sich nach Griechenland und über den Landweg nach Österreich, wo er am 29.09.2015 den gegenständlichen Antrag stelle.

1.4. Der BF verfügt über Deutschkenntnisse des Niveaus „A2“ ist strafrechtlich unbescholten, gesund und geht derzeit keiner Beschäftigung im Bundesgebiet nach.

1.5. Zum Irak, insbesondere zur Region XXXX wird festgestellt:

Demonstrationen und Proteste in der jüngsten Vergangenheit

1. Forderungen der Demonstranten
2. Ausbreitung und Intensität der Proteste
3. Reaktion der Politik
4. Angriffe gegen Demonstranten und Aktivisten: Zivile Tote und Verletzte
5. Angriffe gegen Journalien und Medien
6. Angriffe auf Büros pro-iranischer Milizen vonseiten der Demonstranten
7. Quellen

1. Forderungen der Demonstranten

Die Protestbewegung, die am 1. Oktober 2019 in Bagdad und in den südlichen irakischen Provinzen ihren Anfang nahm, setzt sich aus Personen unterschiedlichen Alters und Geschlechts zusammen. Die Demonstranten drücken auf der Straße ihre Frustration über hohe Jugendarbeitslosigkeit, mangelhafte öffentliche Dienste und chronische Korruption im Land aus. Simona Foltyn, eine in Bagdad ansässige Journalistin, erklärt gegenüber BBC, dass die Proteste aus einem Graswurzelbewegung gewachsen seien. Die Beteiligung politischer Parteien weisen Demonstranten strikt zurück (BBC, 3. Oktober 2019)[i]. Insbesondere Studenten entwickelten sich laut Al Jazeera zum Rückgrat der Protestbewegung (Al Jazeera, 10. Februar 2020) [ii].

Die Demonstranten fordern weiters das Ende des politischen Systems der letzten sechzehn Jahre, welches Regierungsbestellungen auf der Grundlage von konfessionellen oder ethnischen Quoten (ein System, das als Muhassasa bezeichnet wird) vorsieht (BBC, 7. Oktober 2019). Die Demonstranten fühlen sich politisch entmachtet und sehen den Rückgriff auf Straßenaktionen als einzige Form, sich politisch zu beteiligen (ICG, 10. Oktober 2019)[iii].

Viele der Proteste, insbesondere in der südlichen schiitischen Mehrheitsregion, richten sich außerdem gegen den starken ausländischen Einfluss im Land, einschließlich dem des benachbarten Iran (RFE / RL, 17. November 2019)[iv].

2. Ausbreitung und Intensität der Proteste

Laut UNAMI versammelten sich rund 3.000 Menschen am 1. Oktober 2019 auf dem Tahrir-Platz im Zentrum Bagdads (UNAMI, Oktober 2019, S.4)[v]. Die Demonstrationen breiteten sich in Provinzen im Süd- und Zentralirak aus, darunter Babil, Dhi-Qar, Diyala, Karbala, Maysan, Muthana, Nadschaf, Qadisiya und Wasit (UNAMI, Oktober 2019, S.3). Die kurdischen Regionen im Norden, sowie die sunnitischen Mehrheitsgebiete im Westen blieben größtenteils ruhig (BBC, 3. Oktober 2019).

Die erste Phase der Protestbewegung dauerte vom 1. bis zum 9. Oktober an (OHCHR, 29. Oktober 2019)[vi]. Laut eines Sprechers des Innenministeriums, Saad Maan, hatten Demonstranten 51 öffentliche Gebäude und acht Parteizentralen während dieser ersten Protestphase in Brand gesetzt (HRW, 10. Oktober 2019)[vii].

Eine zweite Protestwelle brach am 24. Oktober in Bagdad und Provinzen Süd- und Zentraliraks aus (AI, 29. Oktober 2019)[viii]. Während der zweiten Welle des Protests erweiterte sich der Kreis der Demonstranten. Lokalen Berichten zufolge schlossen sich ab dem 27. Oktober vermehrt auch SchülerInnen und Studierende in Bagdad und anderen Städten den Protesten an (BAMF, 28. Oktober 2019, S.4)[ix]. Darüber hinaus rief die irakische Lehrergewerkschaft zur Unterstützung der Proteste zu einem Generalstreik auf, der zur Schließung von Schulen in Nadschaf, Al Muthanna, Dhi-Qar, Basra, Babil, Karbala und Maysan führte. Auch MitarbeiterInnen des Gesundheitssektors nahmen an den Protesten teil (ACLED, 19. November 2019, S.2)[x]. Im Süden des Irak blockierten Demonstranten wichtige Häfen wie Umm Qasr und Khor Al Zubair sowie Ölfelder in der Provinz Basra (ACLED, 26. November 2019, S.2). Die Demonstrationen dauerten im Dezember weiter an, mit tausenden Protestierenden im Südirak, die nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Adel Abdel Mahdi einen unabhängigen Kandidaten forderten (Al Jazeera, 22. Dezember 2019).


Genaue Angaben zur Anzahl der Demonstranten konnten nicht gefunden werden, doch gab UNAMI im November an, dass zwischen dem 29. Oktober und dem 4. November die Zahl der Demonstranten in Bagdad schätzungsweise eine Million erreichte (UNAMI, November 2019, S.4).

Die Protestbewegung, die eine Revision des politischen Systems im Irak forderte, setzte sich im Jänner fort (Al Jazeera, 11. Jänner 2020, Al Jazeera, 19. Jänner 2020). Zeitgleich führten US-Angriffe gegen die vom Iran unterstützten Volksmobilisierungskräfte (Popular Mobilization Forces, PMF), sowie der tödliche Angriff auf den iranischen General Qasem Soleimani nahe des Flughafens Bagdad am 3. Jänner 2020 zu separaten Demonstrationen, die von pro-iranischen Gruppierungen angeführt wurden und die sich gegen amerikanischen Einfluss im Land richteten (Washington Institute, 10. Jänner 2020[xi]). Viele der Demonstranten der Oktoberbewegung distanzierten sich von diesen Protesten (Al Jazeera, 31. Dezember 2019, Al Jazeera, 2. Jänner 2020) und drückten ihre Befürchtung aus, dass ihre monatelangen Demonstrationen und Forderungen von der Bewegung gegen die US-Militärpräsenz überschattet werden könnte (RFE/RL, 24. Jänner 2020).

3. Reaktion der Politik

Premieminister Adel Abdel Mahdi zeigte sich öffentlich von Beginn der Proteste um eine Lösung bemüht (RFE/RL, 1. Oktober 2019). Am 8. Oktober 2019 stimmte das Parlament über ein Maßnahmenpaket ab, das unter anderem Ausbildungsprogramme für junge Arbeitslose und die Bereitstellung einer monatlichen Unterstützungsleistung für Familien unter der Armutsgrenze ermöglichen sollte. Der Ministerrat legte daraufhin ein zweites 13-Punkte-Paket vor, das sich unter anderem mit Subventionen und der Bereitstellung von Wohnraum für Arme befasste. Am 16. Oktober kündigte der Oberste Justizrat die Einrichtung eines zentralen Strafgerichtshofs zur Korruptionsbekämpfung an (UNAMI, Oktober 2019, S.9). Das Ministerium für Arbeit und Soziales hat seitdem damit begonnen, gewissen benachteiligten Familien monatliche Auszahlungen zukommen zu lassen (Baghdad Post, 20. Jänner 2020[xii]). Des Weiteren konnten keine Quellen gefunden werden, die über die Umsetzungen der oben genannten Regierungsvorhaben berichten.

Als Reaktion auf die hohe Zahl der Todesopfer stimmte Premierminister Adel Abdel Mahdi am 22. Oktober den Empfehlungen einer Untersuchung der Todesfälle zu. Dazu gehörten die Entlassung hochrangiger Sicherheitsbeamter (HRW, 27. Oktober 2019). Gleichzeitig setzte Mahdi am 26. Oktober die Streitkräfte des Anti-Terror-Dienstes des Landes auf den Straßen der Hauptstadt Bagdad und der südlichen Stadt Nasiriyah ein und befahl ihnen laut Reuters "alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen", um die Proteste zu beenden (RFE/RL, 27. Oktober 2019).

Am 29. November beugte sich Adel Abdel Mahdi dem innenpolitischen Druck sowie dem Wunsch der Demonstranten und kündigte seinen Rücktritt als Ministerpräsident an (HRW, 2. Dezember 2019). Am 24. Dezember verabschiedete das irakische Parlament ein neues Wahlgesetz, doch ein neuer Premierminister war noch nicht gefunden worden (Reuters, 24. Dezember 2019[xiii]). Am 1. Februar wurde Mohammed Tawfiq Allawi, ein ehemaliger Kommunikationsminister, zum Premierminister ernannt (Al Jazeera, 1. Februar 2020).

Human Rights Watch berichtete am 31. Jänner von einer scheinbar koordinierten Kampagne der Behörden vom 25. bis zum 27. Jänner die Besetzung der zentralen Plätze in Bagdad, Basra und Nasiriya durch die Demonstranten zu beenden. Die Zelte der Demonstranten wurden in Brand gesetzt, scharfe Munition abgefeuert und Demonstrierende festgenommen (HRW, 31. Jänner 2020).

4. Angriffe gegen Demonstranten und AktivistInnen: Zivile Tote und Verletzte

Die genaue Zahl der bei Protesten Getöteten und Verletzten ist unklar. Human Rights Watch berichtet, dass laut irakischem Gesundheitsministerium die Zahl der Todesopfer Mitte Dezember 511 Menschen erreicht habe (HRW, 16. Dezember 2019). Laut der irakischen Menschenrechtskommission wurden bis Ende Dezember mindestens 490 Demonstranten getötet (ABC News, 28. Dezember 2019)[xiv]. Amnesty International geht mit 23. Jänner von mehr als 600 Menschen aus, die seit Oktober im Zusammenhang mit den Protesten ihr Leben verloren haben (AI, 23. Jänner 2020).

Wie von RFE berichtet setzte die Bereitschaftspolizei bereits am ersten Tag der Proteste Tränengas, Wasserwerfer und scharfe Munition ein, um die Menge auseinanderzutreiben (RFE/RL, 1. Oktober 2019). Laut UNAMI wurden Sicherheitskräfte - die sowohl dem Innenministerium als auch dem Verteidigungsministerium unterstehen - vom Nationalen Operationskommando beauftragt, die Demonstrationen in Schach zu halten. Zu den Sicherheitskräften gehören die Bereitschaftspolizei, Anti-Terror-Streitkräfte, Polizeispezialkräfte, die Bundespolizei, SWAT-Teams, der Facility Protection Service (FPS), die Police Rescue Force sowie Geheimdienstoffiziere und Einheiten, die für den Schutz in der ehemaligen Internationalen Zone zuständig sind. Es könne nicht mit Sicherheit gesagt werden, welche Einheit welche Angriffe auf Demonstranten durchgeführt habe, da es viele verschiedene Uniformen gebe und keine identifizierbaren Embleme benutzt worden seien. Mehrere Quellen führten mögliche Verstöße, einschließlich des Einsatzes scharfer Munition, auf bewaffnete Männer zurück, die als „schwarz gekleidet mit vermummten Gesichtern“ beschrieben wurden (UNAMI, Oktober 2019, S.3). UNAMI bezieht sich weiters auf eine Vielzahl glaubwürdiger und konsistenter Berichterstattungen, aus denen hervorging, dass unbekannte Scharfschützen von Dächern und aus leer stehenden Gebäuden gezielt auf unbewaffnete Demonstranten schossen (UNAMI, Oktober 2019, S.5).

In Interviews mit Human Rights Watch am 10. Oktober berichten Demonstranten, dass die Bereitschaftspolizei, SWAT-Teams, Geheimdienstoffiziere, Mitarbeiter der Police Tactical Support Unit (TSU), sowie Sicherheitspersonal der Badr Gruppierung (eine Untergruppe der Volksverteidigungskräfte (Popular Mobilization Forces, PMF) Angriffe gegen Demonstranten durchgeführt hätten (HRW, 10. Oktober 2019).

UNAMI dokumentierte in der ersten Oktoberwoche Tote und Verletzte im Zusammenhang mit Demonstrationen in Bagdad sowie in den südlichen Provinzen Dhi-Qar, Diwaniya, Maysan, Wasit, Nadschaf und Babil (UNAMI, Oktober 2019, S. 4). Am 22. Oktober 2019 veröffentlichte die irakische Regierung die Ergebnisse der Ermittlungen zu Toten und Verletzten während der vorangegangen Proteste. Zwischen dem 1. und 9. Oktober 2019 wurden den Ermittlungen zufolge 157 Personen (inkl. acht Sicherheitskräfte) getötet und mehr als 3.000 Personen verletzt. Die zweite Phase der Protestwelle führte zu weiteren Todesfällen (BAMF, 28. Oktober 2019). Wie von OMCT berichtet wurde auch den gesamten November hindurch von Sicherheitskräften scharfe Munition gegen Demonstrierende, insbesondere in Bagdad, Basra, Nasiriyah und Nadschaf eingesetzt (OMCT, 3. Dezember 2019)[xv]. Laut einer Darstellung von ACLED verliefen Demonstrationen im Dezember generell friedlicher als in den Wochen davor, doch nahmen gezielte Tötungen und Fälle von Verschwindenlassen von AktivistInnen zu (ACLED, 18. Dezember 2019, S.1).

UNAMI erhielt übereinstimmende Berichte, wonach MenschenrechtsaktivistInnen explizite Warnungen und Morddrohungen erhielten, nicht an Demonstrationen teilzunehmen (UNAMI, Oktober 2019, S.8). Am 2. Oktober wurden der Aktivist und Karikaturist Hussein Adel Madani und seine Frau von unbekannten Angreifern in ihrer Wohnung in Basra erschossen. Lokalen Medienberichten zufolge sollen beide zuvor an Demonstrationen teilgenommen haben (BAMF, 7. Oktober 2019, S.4). Amnesty International berichtet weiters von Entführungen und von Fällen von Verschwindenlassen von AktivistInnen, darunter eines Anwalts, der Demonstranten vertrat, sowie eines Arztes (AI, 18. Oktober 2019). OMCT dokumentierte im November eine weitere Entführung, sowie einen Mord an AktivistInnen (OMCT, 12. November 2019). Laut von Amnesty International geführten Interviews sollen in der ersten Dezemberhälfte mehrere Demonstranten und AktivistInnen, meist auf dem Weg nach Hause von Protesten, gezielt entführt, angeschossen oder getötet worden sein (AI, 13. Dezember 2019).

Human Rights Watch berichtet nach Interviews mit MedizinerInnen im November, dass die irakischen Sicherheitskräfte seit Beginn der Protestwelle am 25. Oktober 2019 medizinische Mitarbeiter wegen der Behandlung von Demonstranten angegriffen und mit Tränengas und scharfer Munition auf medizinische Mitarbeiter, Zelte und Krankenwagen geschossen hätten (HRW, 14. November 2019).

Eine Anzahl von Medien berichtete im Jänner 2020, dass die Angriffe gegen AktivistInnen fortgesetzt wurden, mit teils tödlichem Ausgang (Basnews, 14. Jänner 2020[xvi], RFE/RL, 18. Jänner 2020, Al-Monitor, 21. Jänner 2020) [xvii]. Amnesty International bestätigt Ende Jänner weiters den Einsatz von scharfer Munition und tödlichen Rauchgranaten gegen Demonstrierende. AktivistInnen waren außerdem Einschüchterungen, Verhaftungen und Folter ausgesetzt (AI, 23. Jänner 2020).

Anfang Februar entzog der einflussreiche schiitische Kleriker Muqtada al-Sadr der Protestbewegung seine Unterstützung (Al Monitor, 3. Februar 2020). In Folge kam es zu Angriffen von Unterstützern des Klerikers auf Protestlager der Demonstranten (NPR, 21. Februar 2020[xviii], Haaretz, 15. Februar 2020[xix]). Bei Zusammenstößen der zwei Gruppen wurden am 5. Februar im Nadschaf mindestens acht Demonstranten getötet und mehr als 50 verletzt (RFE/RL, 6. Februar 2020). Aus Bagdad wurde berichtet, dass sich Anhänger Sadrs in Nachahmung der Friedenstruppen der Vereinten Nationen blaue Schirmmützen aufsetzten, Zelte durchsuchten, Demonstranten aus ihren Hauptquartieren warfen und einige der Demonstranten den irakischen Sicherheitskräften zur Festnahme übergaben (NPR, 21. Februar 2020). Laut UNAMI wurden am Abend des 14., 15. und 16. in Bagdad friedliche Demonstranten mit „Jagdwaffen“ angegriffen, wobei mindestens 50 verletzt wurden (UNAMI, 17. Februar 2020). Berichten zufolge wurde am 23. Februar ein Demonstrant von Sicherheitskräften im Zentrum von Bagdad erschossen und mindestens sechs wurden verletzt (The Republic, 23. Februar 2020[xx]).

5. Angriffe gegen JournalistInnen und Medien

Reporter ohne Grenzen (RSF) und UNAMI berichten im Oktober 2019 von Verhaftungen, Einschüchterungen und Belästigungen von JournalistInnen (RSF, 4. Oktober 2019[xxi], UNAMI, Oktober 2019, S.7).

Am 5. Oktober dokumentierte UNAMI fünf Razzien bei Satellitenfernsehkanälen im Zentrum Bagdads, die sich mit den Demonstrationen befasst hatten. Mitarbeiter wurden von Männern in schwarzen Uniformen ohne Abzeichen und mit verhüllten Gesichtern angegriffen. Räumlichkeiten wurden untersucht, Festplatten und Computer gestohlen und Gebäude in Brand gesetzt (UNAMI, Oktober 2019, S.8). RSF nannte Al-Arabiya, Dijlah TV, NRT und Alghad TV als betroffene Fernsehsender (RSF, 8. Oktober 2019).

Die Regierung sperrte den Zugang zu sozialen Medien am Nachmittag des 2. Oktober, bevor sie die Internetverbindung vom 3. bis zum 9. Oktober vollständig blockierte (UNAMI, Oktober 2019, S.8). Human Rights Watch berichtet, dass der Internetzugang in weiterer Folge auch Anfang November größtenteils gesperrt war. Laut NetBlocks, einer unabhängigen internationalen Gruppierung, die Internetzugang überwacht, gehörten die Störungen im Irak zu den schwerwiegendsten, die im Jahr 2019 in einem Land beobachtet wurden (HRW, 10. November 2019).

Auch in der zweiten Phase der Protestwelle beobachtete UNAMI eine Fortsetzung der Bemühungen der Regierung, die Berichterstattung über die Demonstrationen zu unterdrücken, einschließlich Erklärungen, die möglicherweise als Einschüchterungsversuche gegenüber den Medien angesehen werden könnten, und einer anhaltenden Sperrung des Zugangs zu sozialen Medien. Am 25. und 26. Oktober berichteten lokale Medienbüros von Dijlah TV, Al Sharqiya News, NRT, Al-Arabiya, Al-Hadath sowie Al Hurra, dass sie suspendiert oder ihre Arbeit anderweitig unterbrochen wurde (UNAMI, November 2019, S.6).

Am 21. November 2019 veröffentlichte die Kommunikations- und Medienkommission, die staatliche Regulierungsbehörde für Medien im Irak, ein Schreiben, in dem die Schließung der folgenden Kanäle für drei Monate angeordnet wurde: Al-Arabiya Al-Hadath, NRT, ANB, Dijlah, Al-Sharqiya, Al-Falludscha, Al-Rasheed und Hona Bagdad, zusätzlich zur Verlängerung der Schließung von Al-Hurra um weitere drei Monate (OMCT, 3. Dezember 2019).

JournalistInnen, die über Demonstrationen berichteten, waren weiterhin dem Risiko von Verletzungen und Festnahmen ausgesetzt (UNAMI, November 2019, S.6). Laut einem Bericht der Press Freedom Advocacy Association wurden 33 JournalistInnen im Oktober 2019 von Mitgliedern unbekannter Milizen mit dem Tode bedroht (Rudaw, 1. November 2019)[xxii].

RSF berichtet außerdem von der Erschießung des Schriftstellers und Journalisten Amjed Al-Dahamat am 7. November, sowie der Entführung von Muhammad Al-Shamari, Mitglied des irakischen Observatoriums für Pressefreiheit (RSF, 22. November 2019). Am 10. Jänner 2020 wurden zwei weitere Journalisten, Ahmad Abdelsamad, ein Reporter des irakischen Fernsehsenders Dijlah TV, und sein Kameramann Safaa Ghali, in Basra von unbekannten bewaffneten Männern erschossen, nachdem sie über Anti-Regierungs-Proteste berichtet hatten (RSF, 11. Jänner 2020).

6. Angriffe auf Büros pro-iranischer Milizen vonseiten der Demonstranten

Das Carnegie Middle East Center zitiert den Forscher Aymenn Jawad al-Tamimi, der aussagt, dass sich die antiiranische Stimmung der irakischen Demonstranten unter anderem durch Brandanschläge auf Stützpunkte iranisch unterstützter Fraktionen innerhalb der Volksmobilisierungskräfte (PMF) wie Asa‘ib Ahl al-Haq, der Badr Organisation und Harakat al-Abdal in mehreren Provinzen Iraks Ausdruck verliehen habe (Carnegie Middle East Center, 14. November 2019[xxiii]). Am Wochenende vom 4. bis 5. Oktober setzten Demonstranten zum Beispiel die Büros führender schiitischer islamistischer Parteien oder Milizen in Nasiriya (einschließlich Daawa, Hikma und Asai‘b Ahl al-Haq) in Brand (ICG, 10. Oktober 2019).

In Karbala griffen Demonstranten am 3. November das iranische Konsulat an (RFE/RL, 4. November 2019). In Nadschaf setzten Demonstranten drei Wochen später das iranische Konsulat der Stadt in Brand (BBC, 28. November 2019). Dasselbe Konsulat wurde am 1. Dezember ein weiteres Mal in Brand gesetzt (RFE/RL, 1. Dezember 2019).

Die mangelnde Reaktion der Demonstranten auf die Tötung General Soleimanis schuf eine weitere Kluft zwischen Demonstranten und PMF, die laut einer Zusammenstellung von ACLED im Jänner zu Gewaltakten der PMF gegen Demonstranten und Angriffe der Protestierenden gegen PMF Büros führte (ACLED, 16. Jänner 2020). Laut Basnews setzten am 13. Jänner 2020 Demonstranten in Karbala ein Hauptquartier der Badr-Organisation in Brand (Basnews, 14. Jänner 2020).

7. Quellen

(Zugriff auf alle Quellen am 4. März 2020)

ABC News: Iraqi group says 490 protesters killed since October, 28. Dezember 2019
https://abcnews.go.com/International/wireStory/iraqi-group-490-protesters-killed-october-67956828

ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (Autor), veröffentlicht von ReliefWeb: ACLED Regional Overview – Middle East (10 – 16 November 2019), 19. November 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/en/file/local/2020561/acleddata.com-Regional+Overview+Middle+East+10++16+November+2019.pdf

ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (Autor), veröffentlicht von ReliefWeb: ACLED Regional Overview – Middle East (17 - 23 November 2019), 26. November 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/en/file/local/2020592/acleddata.com-Regional+Overview+Middle+East+17++23+November+2019.pdf

ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (Autor), veröffentlicht von ReliefWeb: ACLED Regional Overview – Middle East (8 - 14 December 2019), 18. Dezember 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/en/file/local/2021672/acleddata.com-Regional+Overview+Middle+East+8-14+December+2019.pdf

ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (Autor), veröffentlicht von ReliefWeb: ACLED Regional Overview – Middle East (5 - 11 January 2020), 16. Jänner 2020 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/en/file/local/2022928/ACLED+Regional+Overview+%E2%80%93+Middle+East+%285+-+11+January+2020%29.pdf

AI – Amnesty International: Iraq: Stop security forces from threatening, forcibly disappearing and abusing activists, 18. Oktober 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/de/dokument/2018594.html

AI – Amnesty International: Iraq: Horrific scenes as security forces resort to lethal force to disperse Karbala protests, 29. Oktober 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/de/dokument/2019142.html

AI – Amnesty International: Activist’s Fate Remains Unknown, 8. November 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/en/file/local/2019769/MDE1413692019ENGLISH.pdf

AI – Amnesty International: Iraq: End ‘campaign of terror’ targeting protesters, 13. Dezember 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.amnesty.org/en/latest/news/2019/12/iraq-end-campaign-of-terror-targeting-protesters/

AI – Amnesty International: Iraq: Protest death toll surges as security forces resume brutal repression, 23. Jänner 2020 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/de/dokument/2023297.html

Al Jazeera: Thousands protest in southern Iraq, demand independent PM, 22. Dezember 2019
https://www.aljazeera.com/news/2019/12/thousands-protest-southern-iraq-demanding-independent-pm-191222085726485.html

Al Jazeera: Pro-Iran protesters at US embassy in Baghdad gear up for sit-in, 31. Dezember 2019
https://www.aljazeera.com/news/2019/12/protesters-embassy-baghdad-gear-sit-191231130210231.html

Al Jazeera: Iraq: Anti-government protesters denounce pro-Iran crowds, 2. Jänner 2020
https://www.aljazeera.com/news/2020/01/iraq-anti-government-protesters-denounce-pro-iran-crowds-200102144314331.html

Al Jazeera: 'Keep your war away': Iraqis revive protests amid US-Iran tension, 11. Jänner 2020
https://www.aljazeera.com/news/2020/01/war-iraqis-revive-protests-iran-tension-200110201417699.html

Al Jazeera: Iraq protests swell with people angry at slow pace of reforms, 19. Jänner 2020
https://www.aljazeera.com/news/2020/01/iraq-protests-swell-people-angry-slow-pace-reforms-200119133035629.html

Al Jazeera: Mohammed Allawi appointed new Iraq PM, protesters reject him, 1. Februar 2020
https://www.aljazeera.com/news/2020/02/iraq-president-appoints-mohammed-allawi-pm-state-tv-200201150554113.html

Al Jazeera: Students are the 'backbone' of Iraq anti-government protests, 10. Februar 2020
https://www.aljazeera.com/news/2020/02/students-backbone-iraq-anti-government-protests-200205082617826.html

Al Monitor: Iraq reignites after ‘deadline’ expires and protesters killed, 21. Jänner 2020
https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2020/01/iraq-protests-baghdad-nasiriyah.html

Al Monitor: Iraqi Protests Swell Despite Clash With Sadrist Supporters, 3. Februar 2020
https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2020/01/iraq-protests-muqtada-sadr.html

Baghdad Post: Der Arbeitsminister kündigt den Start der zweiten Runde des Notfallzuschusses für die in der ersten Runde genannten Namen an
[???? ????? ???? ????? ?????? ??????? ?? ???? ??????? ??????? ???????? ??????? ??????], 20. Jänner 2020
https://www.thebaghdadpost.com/ar/Story/187062/%D9%88%D8%B2%D9%8A%D8%B1-%D8%A7%D9%84%D8%B9%D9%85%D9%84-%D9%8A%D8%B9%D9%84%D9%86-%D8%A5%D8%B7%D9%84%D8%A7%D9%82-%D8%A7%D9%84%D8%AF%D9%81%D8%B9%D8%A9-%D8%A7%D9%84%D8%AB%D8%A7%D9%86%D9%8A%D8%A9-%D9%85%D9%86-%D9%85%D9%86%D8%AD%D8%A9-%D8%A7%D9%84%D8%B7%D9%88%D8%A7%D8%B1%D8%A6-%D9%84%D9%84%D8%A3%D8%B3%D9%85%D8%A7%D8%A1-%D8%A7%D9%84%D9%85%D8%B4%D9%85%D9%88%D9%84%D8%A9-%D8%A8%D8%A7%D9%84%D9%88%D8%AC%D8%A8%D8%A9-%D8%A7%D9%84%D8%A3%D9%88%D9%84%D9%89

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland): Briefing Notes 7 October 2019, 7. Oktober 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/en/file/local/2018354/briefingnotes-kw41-2019.pdf

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland): Briefing Notes 28 October 2019, 28. Oktober 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/en/file/local/2020344/briefingnotes-kw44-2019.pdf

Basnews: Two Activists Shot Dead amid Iraq Protests, 14. Jänner 2020
http://www.basnews.com/index.php/en/news/iraq/574190

BBC News: Iraq protests: Shots fired as demonstrators defy Baghdad curfew, 3. Oktober 2019
https://www.bbc.com/news/world-middle-east-49919919

BBC News: Iraq protests: What's behind the anger?, 7. Oktober 2019
https://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-49960677

BBC News: Iraq unrest: Nearly 40 killed in fresh wave of protests, 28. November 2019
https://www.bbc.com/news/world-middle-east-50584123

Carnegie Middle East Center: How Deep Is Anti-Iranian Sentiment in Iraq?, 14. November 2019
https://carnegie-mec.org/diwan/80313

Haaretz: ‘Million-man’ Protests Threaten New Havoc in Iraq, 15. Februar 2020
https://www.haaretz.com/middle-east-news/iraq/.premium-upcoming-million-man-protests-threaten-new-havoc-in-baghdad-1.8531699

HRW – Human Rights Watch: Iraq: Lethal Force Used Against Protesters, 10. Oktober 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/de/dokument/2018222.html

HRW – Human Rights Watch: Iraq: Protesters Killed by Teargas Canisters, 27. Oktober 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/de/dokument/2019092.html

HRW – Human Rights Watch: UN Should Focus on Protester Deaths in Iraq Rights Review, 10. November 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/de/dokument/2019802.html

HRW – Human Rights Watch: Iraq: Security Forces Attack Medics Treating Protesters , 14. November 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/de/dokument/2020037.html

HRW – Human Rights Watch: Iraq: Abductions Linked to Baghdad Protests, 2. Dezember 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/de/dokument/2020745.html

HRW – Human Rights Watch: Iraq: State Appears Complicit in Massacre of Protesters, 16. Dezember 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.hrw.org/news/2019/12/16/iraq-state-appears-complicit-massacre-protesters

HRW – Human Rights Watch: Iraq: Authorities Violently Remove Protesters, 31. Jänner 2020 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.hrw.org/news/2020/01/31/iraq-authorities-violently-remove-protesters

ICG – International Crisis Group: Widespread Protests Point to Iraq’s Cycle of Social Crisis, 10. Oktober 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/de/dokument/2018263.html

NPR: Iraq's Protests Shook The Government. Now The Movement Is Nearly Crushed, 21. Februar 2020
https://www.npr.org/2020/02/21/807725624/iraqs-powerful-protests-forced-political-change-now-they-re-nearly-crushed

OHCHR – UN Office of the High Commissioner for Human Rights: UN experts urge Iraq to ensure those behind violence against protesters are prosecuted, 29. Oktober 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/de/dokument/2019446.html

OMCT – World Organisation Against Torture: Iraq: Vicious tactics used against protesters and human rights defenders as death toll and arrests multiply, 12. November 2019
https://www.omct.org/statements/iraq/2019/11/d25594/

OMCT – World Organisation Against Torture: Iraq: Authorities must immediately end the use of lethal force against protesters and stop targeting activists, journalists and the media, 3. Dezember 2019
https://www.omct.org/statements/iraq/2019/12/d25625/

Reuters: Iraq passes electoral reforms but deadlock remains, 24. Dezember 2019
https://www.reuters.com/article/us-iraq-protests/iraq-passes-electoral-reforms-but-deadlock-remains-idUSKBN1YS157

RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty: Two Dead, Scores Wounded As Iraqi Police Clash With Protesters, 1. Oktober 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/de/dokument/2017581.html

RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty: Iraqi PM Sends Counter-Terror Force To Put Down Street Protests, 27. Oktober 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/de/dokument/2019047.html

RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty: Security Forces Shoot At Baghdad Protesters, Several Killed In Karbala, 4. November 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/de/dokument/2019395.html

RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty: Iraqi Protesters Seize Strategic Bridges In Baghdad, Move Closer To Green Zone, 17. November 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/de/dokument/2020298.html

RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty: Iraqi Protesters Torch Iranian Consulate For Second Time Within Week, 1. Dezember 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.rferl.org/a/iraqi-protesters-torch-iranian-consulate-for-second-time-within-week/30301841.html

RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty: Iraqi Protesters Clash With Sadr Backers In Deadly Najaf Standoff, 6. Jänner 2020 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/de/dokument/2024704.html

RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty: Two Demonstrators Killed In New Flare-Up Of Iraqi Anti-Government Protests, 18. Jänner 2020 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/de/dokument/2023031.html

RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty: Thousands Rally In Baghdad Against U.S. Military Presence, 24. Jänner 2020 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/de/dokument/2023373.html

RSF – Reporters Sans Frontières: Iraqi security forces attack reporters covering protests, 4. Oktober 2019
https://www.ecoi.net/de/dokument/2017597.html

RSF – Reporters Sans Frontières: Attacks on at least three Baghdad TV stations, 8. Oktober 2019
https://www.ecoi.net/de/dokument/2018003.html

RSF – Reporters Sans Frontières: Militias threaten journalists covering protests in Iraq, 22. November 2019
https://www.ecoi.net/de/dokument/2020650.html

RSF – Reporters Sans Frontières: Two Iraqi journalists shot dead after covering protests in Basra, 11. Jänner 2020
https://rsf.org/en/news/two-iraqi-journalists-shot-dead-after-covering-protests-basra?fbclid=IwAR3QV4S4mQSw3GGGGRlsd_SQrXbRrOc9eMqEL1yA9Mmz7EjnbDz60F7yaN8

Rudaw: Während des vergangenen Monats 89 Verstöße gegen die Pressefreiheit im Irak dokumentiert [??? 89 ???? ?????? ????? ??????? ?? ?????? ???? ????? ??????], 1. November 2019
https://www.rudaw.net/arabic/middleeast/iraq/0111201913

The Republic: Iraqi officials: 1 protester shot dead in fresh violence, 23. Februar 2020
http://www.therepublic.com/2020/02/23/ml-iraq-protests/

UNAMI – UN Assistance Mission for Iraq: Demonstrations in Iraq; 1-9 October 2019, Oktober 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/en/file/local/2019889/UNAMI_Special_Report_on_Demonstrations_in_Iraq_22_October_2019.pdf

UNAMI – UN Assistance Mission for Iraq: Demonstrations in Iraq: update; 25 October - 4 November 2019, November 2019 (verfügbar auf ecoi.net)
https://www.ecoi.net/en/file/local/2019890/2nd_UNAMI_Special_Report_on_Human_Rights_in_Iraq_Demonstrations_5_November_2019.pdf

UNAMI – United Nations Assistance Mission for Iraq: UN Representative Hennis-Plasschaert deplores use of hunting guns, renews call for protection of demonstrators, 17. Februar 2020
http://www.uniraq.com/index.php?option=com_k2&view=item&id=11855:un-representative-hennis-plasschaert-deplores-use-of-hunting-guns,-renews-call-for-protection-of-demonstrators&Itemid=605&lang=en

Washington Institute – The Washington Institute for Near East Policy, Fikra Forum: Iraqi Protesters on the Killing of Qassem Soleimani: The Protests Will Continue, 10. Jänner 2020
https://www.washingtoninstitute.org/fikraforum/view/iraqi-protesters-on-the-killing-of-qassem-soleimani-the-protests-will-conti

Zur Wasserkrise in Basra:

Seit fast 30 Jahren sind die irakischen Behörden nicht in der Lage, den Bewohnern von Basra ausreichend sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Dies hat zu ernsten Gesundheitsproblemen geführt und gipfelte in einer akuten Wasserkrise, die 2018 mindestens 118.000 Menschen ins Krankenhaus brachte und zu gewaltsamen Protesten führte.

Der 128-seitige Bericht „Basra is Thirsty: Iraq’s Failure to Manage the Water Crisis“ kommt zu dem Schluss, dass die Krise das Ergebnis komplexer Faktoren ist. Sollte nichts dagegen unternommen werden, wird es höchstwahrscheinlich durch verunreinigtes Trinkwasser zu Seuchen und einer anhaltenden wirtschaftlichen Notlage kommen. Die Behörden auf lokaler und nationaler Ebene haben nur wenig getan, um die Lage zu verbessern.

„Kurzsichtige Politiker geben erhöhte Niederschläge als Begründung dafür an, warum sie sich nicht mit Basras anhaltender Krise befassen müsse“, sagte Lama Fakih, die stellvertretende Leiterin der Abteilung Naher Osten bei Human Rights Watch. „Basra wird jedoch auch in den kommenden Jahren mit akuter Wasserknappheit und -verunreinigung zu kämpfen haben. Diese Krisen werden dramatische Folgen haben, wenn die Regierung nicht umgehend in gezielte, nachhaltige und dringend notwendige Verbesserungen investiert.“


Human Rights Watch führte Interviews mit 58 Einwohnern von Basra, Arbeitern in privaten und öffentlichen Wassereinrichtungen und medizinischem Fachpersonal. Auch wurden Wasserproben aus dem Schatt al-Arab Fluss sowie aus Kläranlagen und Wasserhähnen in Privathaushalten untersucht. Human Rights Watch sprach zudem mit Vertretern des Provinzrats von Basra, des Gouverneurbüros und der Ministerien für Wasserressourcen, der Gemeinden und der Ressorts Wasser- und Abwasser sowie Gesundheit- und Umwelt und Landwirtschaft. Akademische und gesundheitspolitische Daten sowie über 20 Jahre hinweg entstandene wissenschaftliche und kommerzielle Satellitenbilder der Region wurden analysiert, um die Ergebnisse des Berichts zu untermauern.

Basras wichtigste Wasserquellen sind der Schatt al-Arab Fluss und seine Süßwasserkanäle. Die irakischen Behörden haben die Wasserressourcen des Irak jedoch nicht ordnungsgemäß verwaltet und reguliert. Die vier Millionen Menschen im Gouvernement Basra, im Süden des Irak, wurden somit über Jahrzehnte hinweg ihres Rechts auf sauberes Trinkwasser beraubt. Dies gilt auch für die Besatzungszeit durch die von den USA und Großbritannien geführte Coalition Provisional Authjority. Wiederholtes staatliches Versagen seit den 1980er Jahren, darunter die schlechte Bewirtschaftung stromaufwärts gelegener Wasserquellen, die unzureichende Regulierung von Verschmutzung und Abwässern sowie die chronische Vernachlässigung und Misswirtschaft der Wasserinfrastruktur, haben dazu geführt, dass sich die Qualität dieser Wasserwege verschlechtert hat.

Aufgrund der Wasserverschmutzung und des Wassermangels müssen die Bewohner von Basra Trinkwasser kaufen. Die hohen Kosten hierfür, insbesondere während der Krise, treffen den ärmeren Teil der Bevölkerung am härtesten und machen diese Menschen besonders anfällig für Gefahren und Risiken durch unsicheres Leitungswasser.

Verschärft wurde die Krise durch weniger Süßwasser in den Flüssen, weil das Wasser stromaufwärts gestaut wurden. Die hängt mit Zuckerplantagen und anderen landwirtschaftlichen Entwicklungen, insbesondere im Iran, zusammen. Auch die geringeren Niederschläge in den letzten Jahrzehnten verschärften die Krise. Durch höhere Temperaturen, die durch den Klimawandel verursacht werden, wird das Wasser in der Region voraussichtlich noch knapper werden. Es gibt jedoch keine angemessenen Maßnahmen zur Minderung der schädlichen Auswirkungen. Hinzu kommt die nicht nachhaltige Wassernutzung in der Landwirtschaft und für Haushalte. Der Wassermangel hat dazu geführt, dass Meerwasser in den Schatt al-Arab eingedrungen ist. Dies führt dazu, dass das Wasser für die Menschen untrinkbar wird und auch nicht für die Bewässerung vieler Kulturpflanzen verwendet werden kan

Die öffentlichen Wasserwerke von Basra verfügen nicht über die nötige Technologie, um Salzwasser trinkbar zu machen. Dadurch wird der Einsatz von Chlor, einer Chemikalie, die häufig zur Wasseraufbereitung verwendet wird, weniger effektiv. Darüber hinaus sagen Experten, dass die Wasserbehörden Schwierigkeiten hatten, ausreichende Mengen an Chlor zu erhalten und zu verwenden. Grund hierfür sind strenge Kontrollen, die verhindern sollen, dass die Chemikalie in die Hände von Gruppen fällt, die sie bereits als Waffe eingesetzt haben.

Selbst wenn Chlor zugesetzt wird, können starke Trübungen oder ein hoher Salzgehalt im Wasser die Chlorierung weniger effektiv für die Abtötung von Bakterien machen. Darüber hinaus ist das Rohrleitungsnetz von Basra brüchig und fäkalienbelastetes Grundwasser gelangt in das Netz, so dass die zugeführte Chlormenge die in das System eintretenden neuen Schadstoffe wahrscheinlich nicht effektiv bekämpfen wird.

Auch verschließen die Behörden die Augen vor Aktivitäten, welche die Wasserressourcen von Basra belasten. Bei der Sichtung von Satellitenbildern dokumentierte Human Rights Watch zwei Stellen, bei denen es sich höchstwahrscheinlich um Ölteppiche handelt, die den Schatt al-Arab im Zentrum von Basra im Jahr 2018 belasteten. Auch wurden zwei Pipelines entdeckt, die regelmäßig große Mengen an Abfällen ins Wasser abgeben.

Im Sommer 2018 wurden mindestens 118.000 Menschen aufgrund von Symptomen ins Krankenhaus eingeliefert, die Ärzte in Verbindung mit der Wasserqualität gebracht hatten. Noch immer haben die Behörden keine offiziellen Untersuchungen zur Ursache dieser Gesundheitskrise veröffentlicht.

Mögliche Ursachen für die Krankheitsfälle im Jahr 2018 sind unter anderem Viren (z.B. das Norovirus), Parasiten (Giardien oder Kryptosporidien), Bakterien (z.B. Coli) und toxische Metalle aus Abwässern sowie Wasserverschmutzung durch Landwirtschaft und Industrie. Der hohe Salzgehalt des Wassers kann ebenfalls zum Ausbruch der Krise beigetragen haben, so die Experten, die zu der Zeit an Untersuchungen von entnommenen Wasserproben beteiligt waren

Human Rights Watch fand zudem Beweise für eine wahrscheinlich große Algenblüte im Schatt al-Arab während des Ausbruchs der Gesundheitskrise. Wasserverunreinigungen durch Abfälle und klimawandelbedingt höhere Temperaturen können zu dieser Situation beitragen. Die Regierung hat sich damit jedoch offenbar nicht beschäftigt. Die damals entnommenen Wasserproben wurden von den entsprechenden Laboren nicht auf schädliche Algen getestet.

Das Gesundheitssystem im Irak verfügt über kein Beratungssystem, um die Bewohner über Verunreinigungen des Trinkwassers sowie über Maßnahmen zu informieren, die gegen entsprechende Schäden ergriffen werden können.

Regierungsprojekte zur Verbesserung der Wasserqualität sind aufgrund von Misswirtschaft und Korruption ausgeblieben. Jahrelang nutzten Landwirte und Unternehmen die Süßwasserkanäle, so dass für die öffentlichen Trinkwasseraufbereitungsanlagen von Basra nicht genügend Wasser vorhanden war.

All dies verletzt die Rechte der Einwohner von Basra auf sauberes Wasser, Sanitäranlagen, Gesundheit, Informationen und Eigentum (Land und Pflanzen), die in internationalem und nationalem Recht verankert sind.

Die Landwirtschaft ist die Haupteinnahmequelle für die ländlichen Gemeinden im Gouvernement Basra. Die Bewässerung mit salzhaltigem Wasser, das den Boden schädigt und Pflanzen tötet, und die Entwicklungen stromaufwärts haben die Pflanzenproduktion jedoch erheblich reduziert.

Um das Recht auf Wasser umzusetzen sind Regierungen dazu verpflichtet, auf einen uneingeschränkten Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen für alle, ohne Diskriminierung, hinzuarbeiten. Hierbei müssen die Bedürftigsten stets Vorrang haben. In Basra sind jedoch über 300.000 Einwohner nicht an das Wasser- und Kanalisationsnetz angeschlossen. Dies führt dazu, dass einige Bewohner die Wasserversorgung illegal anzapfen. Hierdurch kommt es zu Verunreinigungen, vermindertem Wasserdruck und Wasserverschwendung.

Am 22. Juli hat der bekannte Komiker Ahmed Waheed aus Basra gemeinsam mit Human Rights Watch ein Video veröffentlicht. Darin fordert er alle Iraker auf, von ihrer Regierung einen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser einzufordern. Zudem sollen die Iraker in den sozialen Medien Selfies posten, auf denen sie ein Glas Wasser in der Hand halten. Der Hashtag dazu lautet #CleanWaterForBasra – in Solidarität mit den Bewohnern der Stadt.

Die Behörden im Irak sollten unverzüglich ein Beratungssystem für das Gesundheitswesen einrichten. Sie sollten die Anwohner über Verunreinigungen des Trinkwassers und über Maßnahmen informieren, die zur Schadensminderung ergriffen werden können. Zudem sollten Protokolle für Regierungsbeamte erstellt werden, um auf Ratschläge zu reagieren und Schäden zu beheben.

Die lokalen und nationalen Behörden sollten eine landes- und ressortübergreifende, unabhängige Task Force für Wasser und Umwelt bilden, welche die Lage überwacht, Maßnahmen verschiedener Behörden koordiniert und die betroffenen Bevölkerungsgruppen konsultiert. Sie sollte die Ergebnisse der Berichte, die während der Gesundheitskrise 2018 in Auftrag gegeben wurden, und die langfristigen Pläne zur Vermeidung künftiger Wasserkrisen und zur Reaktion auf potenzielle Krisen veröffentlichen. Auch sollte sie die Entschädigung derjenigen sicherstellen, deren Lebensgrundlagen bedroht sind.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten geführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1 Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität (Namen und Geburtsdatum), Staatsbürgerschaft, Familienstand, den familiären Verhältnissen in In- und Ausland, dem Verbleib seiner Verwandten, Glaubensbekenntnis, dem Zeitpunkt der Ausreise, der Reiseroute, der hiefür benötigten Zeit, Schulbildung, Muttersprache, das Freisein von Obsorgepflichten sowie Volksgruppenzugehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf dem Inhalt der polizeilichen Erstbefragung, jenem der Einvernahme vor dem Bundesamt und dem der mündlichen Verhandlung.

Der BF legte zum Nachweis seiner Identität einen auf seinen Namen ausgestellten irakischen Personalausweis vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Der BF legte ein Sprachzertifikat des Niveaus „A2“ vor. In der Verhandlung vor dem BVwG gab er an, gesund zu sein. Anhaltspunkte für eine Arbeitsunfähigkeit gab es nicht. Dass der BF aktuell keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, folgt dem Inhalt des auf ihn lautenden Sozialversicherungsdatenauszug. Der Name des BF scheint im Firmenbuch – auch unter Heranziehung einer historischen Anfragemaske – nicht auf. Ferner wird an der vom BF erwähnten Anschrift „XXXX“ seit XXXX.2016 eine Bar geführt, deren gewerberechtliche Geschäftsführerin XXXX ist, was sich aus dem Firmen-ABC-Auszug der Wirtschaftskammer XXXX ergibt. Der vom BF genannte XXXX war bis dato Teilhaber dreier Unternehmen, jedoch bis jetzt keines Gastronomiebetriebes im XXXX. Weitere Bestätigungen oder Bescheinigungen dafür, dass der BF in einem Lokal namens „ XXXX“ in XXXX als Geschäftsführer tätig gewesen sein soll, lieferte er nicht.

Das ehrenamtliche Engagement beim Verein „ XXXX“ ist der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bestätigung zu entnehmen.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Die Ausführungen zur Lage im Irak, insbesondere zur Sicherheitslage und zur Wasserversorgung in Basra ergeben sich aus den in oben genannten Länderinformationen angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Diese wurden dem BV auch zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt, jedoch antwortete er hierauf nicht.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit und inhaltlichen Detailliertheit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Voraussetzungen dafür, einem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 subsidiären Schutz zu gewähren, unterscheiden sich im Ergebnis nicht von jenen nach § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 FrG (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; 28.06.2005, 2005/01/0080), weshalb zur Auslegung die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Bestimmungen herangezogen werden kann.

Nach dieser Rechtsprechung ist Voraussetzung für eine positive Entscheidung betreffend den subsidiären Schutz, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Landes in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 FrG gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 08.06.2000, 99/20/0203; 17.09.2008, 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 20.06.2002, 2002/18/0028; 06.11.2009, 2008/19/0174).

Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Der Asylwerber hat glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Fall seiner Abschiebung in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewendet werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509; 22.08.2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 02.08.2000, 98/21/0461; 25.01.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011).


Unter „realer Gefahr“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen („a sufficiently real risk“) im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu
§ 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560).

Die Anerkennung des Vorliegens einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person, die als Zivilperson die Gewährung von subsidiären Schutz beantragt, setzt nicht voraus, dass sie beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Eine solche Bedrohung liegt auch dann vor, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EUGH 17.02.2009, Elgafaji, C-465/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 45).

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, 2002/20/0582, 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, erkannt hat, ist bei der Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahr, die sich auf die persönlich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten