TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/21 W208 2156001-2

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Veröffentlicht am 21.07.2020
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Entscheidungsdatum

21.07.2020

Norm

AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §55

Spruch

W208 2156001-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , geboren XXXX , Staatsangehörigkeit AFGHANISTAN, vertreten durch EMBACHER/ NEUGSCHWENDTNER Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des BUNDESAMTES FÜR FREMDENWESEN UND ASYL, Regionaldirektion NIEDERÖSTERREICH, vom 15.11.2019, Zl. 1045733001 – 190750354/BMI-BFA_NOE_RD, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) hat nach schlepperunterstützter und unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 19.11.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG) gestellt.

2. Mit Bescheid vom 19.04.2017, Zl. 1045733001-140190573, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte gemäß § 57 AsylG dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).

3. Gegen diesen Bescheid wurde von der gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG dem BF zur Seite gestellten und zum damaligen Zeitpunkt bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation am 27.04.2017 Beschwerde eingebracht, welche das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.09.2018 mit Erkenntnis vom 11.06.2019 zu W169 2156001-1/14E als unbegründet abwies und den Bescheid vom 19.04.2017 vollinhaltlich bestätigte.

4. Am 19.06.2019 stellte der BF einen ersten Antrag auf Erstreckung der in Spruchpunkt IV. des Bescheides vom 19.04.2017 gesetzten 14-tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG bis zum 30.09.2019. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF beabsichtige bis 30.09.2019 auszureisen. Es würden besondere Gründe überwiegen, aufgrund derer der BF nicht in der Lage sei, die Reisevorbereitungen fristgerecht zu treffen. Die Fristerstreckung sei notwendig, damit der BF nach Verlängerung der Ausreisefrist alle für die Ausreise notwendigen Dokumente beschaffen könne. Die Ausstellung dieser dauere mehrere Wochen. Erst nach Ausstellung der Dokumente könnte der BF ein Flugticket buchen.

5. Mit Verbesserungsauftrag vom 10.09.2019 forderte das BFA den BF auf, binnen einer Woche konkrete Angaben zu seinen Ausreiseplänen zu machen und diese auch anhand von Unterlagen zu belegen. Insbesondere wurde er aufgefordert, die besonderen Umstände, die ihm bis zum jetzigen Zeitpunkt eine Ausreise nicht ermöglicht hätten, zu erläutern. Widrigenfalls werde das Anbringen nicht behandelt und gemäß § 13 Abs 3 und Abs 4 AVG zurückgewiesen.

6. In der daraufhin ergangenen Stellungnahme vom 13.09.2019 führte der BF aus, dass nicht mehr von einem unverzüglichen Auftrag zur Verbesserung gemäß § 13 Abs 3 AVG ausgegangen werden könne, zumal beinahe drei Monate seit Antragstellung vergangen seien. Dazu komme, dass § 13 Abs 3 AVG nicht als Grundlage für nach Ansicht der belangten Behörde erforderliche inhaltliche Ergänzungen herangezogen werden dürften. Der Antrag vom 19.06.2019 sei formal richtig gestellt worden. Sollte die belangte Behörde der Ansicht sein, die Begründung sei nicht ausreichend, wäre sie maximal zur Abweisung und nicht zur Zurückweisung des Antrages berechtigt. Eine Zurückweisung aus formalen Mängeln wäre gesetzwidrig, der Antrag sei auch ausreichend begründet. Für den BF bestehe derzeit keine Ausreiseverpflichtung. Gemäß § 53 Abs 3 FPG sei zwar ein Termin bekannt zu geben, dieser müsse aber nicht datumsmäßig festgelegt werden, was sich aus § 53 Abs 2 FPG ergebe, der die Frist zur Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft des Bescheides bestimme. Der Antrag werde daher dahingehend modifiziert, dass für den Fall, dass der Bescheid durchsetzbar werde, die Frist zur Ausreise nicht 14 Tage sondern 3 Monate betrage.

7. Der gegen das Erkenntnis vom 11.06.2019 gerichteten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) gemäß Art 144 Abs 1 B-VG wurde vom VfGH mit Beschluss vom 30.07.2019 die aufschiebende Wirkung zuerkannt. In der Folge lehnte der VfGH die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 24.09.2019, E 2766/2019-7, ab und trat mit Beschluss vom 07.11.2019, E 2766/2019-9, die Beschwerde gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zur Entscheidung ab.

8. Am 11.11.2019 stellte der BF einen zweiten Antrag auf Erstreckung der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG, diesmal bis zum 31.01.2020. Begründend führte er im Wesentlichen Folgendes aus: Der VfGH habe der Beschwerde des BF gegen das Erkenntnis des BVwG vom 11.06.2019, W169 2156001-1/14E, die aufschiebende Wirkung zuerkannt und mit Beschluss vom 24.09.2019 die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Dieser Beschluss sei dem BF am 29.10.2019 zugestellt worden. Die Frist zur freiwilligen Ausreise habe am Tag der Zustellung des Beschlusses vom 24.09.2019, somit am 29.10.2019, zu laufen begonnen und ende am 12.11.2019. Der BF würde beabsichtigen bis 31.01.2020 auszureisen. Weiters wiederholte er die bereits im Antrag vom 19.06.2019 geltend gemachten besonderen Umstände (Reisevorbereitungen, Beschaffung von notwendigen Dokumente) und stellte den Antrag, die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs 2 und 3 laufend bis zum Ausreisedatum 31.01.2020 neu festzusetzen.

9. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 15.11.2019, Zl. 1045733001 – 190750354/BMI-BFA_NOE_RD, wies das BFA den Antrag auf Verlängerung der mit Bescheid vom 19.04.2017, Zl. 1045733001/140190573, festgesetzten Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

Begründend führte es darin im Wesentlichen Folgendes aus: Der BF habe trotz laufenden Verfahrens vor dem VwGH angegeben bis 31.01.2020 ausreisen zu wollen. Diese Frist werde wohl nicht zu halten sein, da davon auszugehen sei, dass die Bemühungen des BF, die freiwillige Ausreise zu organisieren, während des laufenden Verfahrens vor dem VwGH wieder ruhen würden. Inhaltlich habe der BF trotz Verbesserungsauftrag und mehrfacher Antragstellung auf Fristverlängerung keine detaillierten Angaben gemacht, welche konkreten Maßnahmen er bereits ergriffen habe, oder ergreifen werde, um freiwillig auszureisen. Die besonderen Umstände, aufgrund derer er nicht in kürzerer Zeit ausreisen könnte, habe er der Behörde gegenüber nicht erklärt.

In rechtlicher Hinsicht führte das BFA überdies aus, der BF habe im Rahmen seiner Beschwerdeerhebung gegen den negativen Bescheid des BFA vom 19.04.2017 kein entsprechendes Vorbringen erstattet, wonach ein Überwiegen besonderer Umstände gegeben sei, sodass kein längerer Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage für die freiwillige Ausreise festzusetzen gewesen sei. Mit Entscheidung des BVwG vom 11.06.2019 sei die Beschwerde gegen diesen Bescheid und damit auch die von der belangten Behörde festgesetzte Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen als unbegründet abgewiesen worden. Diese Entscheidung sei am 14.06.2019 in Rechtskraft erwachsen. Da die gemeinsam mit der Rückkehrentscheidung festzusetzende Frist einen Bestandteil des Spruches des Bescheides vom 19.04.2019 bilde, und von dessen Rechtskraft erfasst sei, stelle ein derartiges Ansuchen im Ergebnis ein Begehren auf Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache dar und zwar selbst dann, wenn das Begehren nicht ausdrücklich dahingehend laute (vgl VwGH 12.10.2010, 2009/06/0317; 19.01.2010, 2009/05/0097). Als wesentliche Begründung für den Antrag auf Abänderung des rechtskräftigen Bescheides werde nun angegeben, dass der BF nicht in der Lage sei, die Reisevorbereitungen fristgerecht zu treffen, weswegen um Erstreckung der Frist bis zum 31.01.2020 angesucht werde. Damit würde er aber keine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage vorbringen. Außerdem sei es dem BF mit diesem oberflächlich gehaltenen Vorbringen auch nicht gelungen, das Überwiegen besonderer Umstände iSd § 55 Abs. 3 FPG nachzuweisen, da die Absicht auf freiwillige Ausreise nicht erkannt werden könne, zumal sich der BF weiterhin in Österreich aufhalte. Dem Ansuchen um Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise stehe daher gemäß § 68 Abs 1 AVG res iudicata entgegen. Ergänzend sei festzuhalten, dass gemäß § 68 Abs 7 leg. cit. auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts niemandem ein Anspruch zustehe. Ob eine Behörde von dem Abänderungs- und Behebungsrecht nach § 68 Abs 7 AVG Gebrauch machen wolle, sei damit in ihr freies Ermessen gestellt. Auch aus diesem Grund sei eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache vorzunehmen gewesen.

10. Dagegen brachte der BF durch seinen Rechtsvertreter fristgerecht mit Schriftsatz vom 26.11.2019 die nunmehr verfahrensgegenständliche Beschwerde ein.

Begründend brachte der BF im Wesentlichen Folgendes vor: Die belangte Behörde belaste den angefochtenen Bescheid mit Willkür, da sie die Rechtslage mehrmals grob verkannt habe, ihre Entscheidung nicht rechtskonform begründet habe und aus dem gesamtem Bescheid nicht ersichtlich sei, welchen der Anträge des BF auf Verlängerung der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 FPG sie gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückweisen möchte. Gemäß § 55 FPG könne die Frist zur freiwilligen Ausreise bei Überwiegen besonderer Umstände einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen vierzehn Tage festgesetzt werden. Die Frist zur freiwilligen Ausreise des BF sei noch nie mit einem längeren Zeitraum festgesetzt worden und die belangte Behörde behaupte dies auch nicht. Die Anträge des BF auf Erstreckung der Frist zur freiwilligen Ausreise hätten jeweils einen unterschiedlichen Sachverhalt und unterschiedliche Zeiträume betroffen, was in den Anträgen und Stellungnahmen auch dargelegt worden sei. Die belangte Behörde dürfe daher keinen der Anträge des BF auf Verlängerung der Frist zur freiwilligen Ausreise wegen entschiedener Sache zurückweisen, da die Frist zur freiwilligen Ausreise noch nie verlängert worden sei und über den jeweiligen Sachverhalt noch nicht entschieden worden sei.

Art 7 Abs 2 der Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG) normiere, dass die Frist zur freiwilligen Ausreise, um einen angemessenen Zeitraum zu verlängern sei, wenn besondere Umstände vorliegen würden. § 55 Abs 3 FPG normiere, dass die Frist zur freiwilligen Ausreise einmalig mit einem längerem Zeitraum als 14 Tage festzusetzen sei, wenn besondere Umstände überwiegen. § 55 FPG wiederspreche der RL 2008/115/EG, da eine Verlängerung der Frist zur freiwilligen Ausreise auch mehrfach notwendig sein könne und diese gemäß der Richtlinie gewährt werden müsse, wenn besondere Umstände vorliegen würden. Ein derartiger Umstand liege jedenfalls vor, wenn der Betroffene wie im Fall des BF aufgrund aufschiebender Wirkung eines Rechtsmittels nicht verpflichtet sei auszureisen und auch nicht abgeschoben werden könne. Die belangte Behörde habe im vorliegenden Fall § 55 FPG richtlinienkonform zu interpretieren und die Frist zur freiwilligen Ausreise zu verlängern, da besondere Umstände vorliegen würden. Da § 37 AVG gelte und der belangten Behörde bekannt gewesen sei, dass aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, hätte die belangte Behörde auch amtswegig ihre Ermittlungspflicht wahrnehmen müssen, das Vorliegen besonderer Umstände feststellen müssen und die Frist zur freiwilligen Ausreise neu festsetzen oder verlängern müssen.

Schon § 10 Abs 8 AsylG idF BGBl. I. Nr. 38/2011, die Vorgängerbestimmung des § 55 Abs 3 FPG sei in Umsetzung der RL 2008/115/EG erlassen worden:

„(8) Mit Erlassung der Ausweisung ist der Fremde über seine Pflicht zur unverzüglichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde (§ 55a FPG) zu informieren, insbesondere auf Rückkehrhilfe, sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (§ 46 FPG) hinzuweisen."

Der VwGH habe am 16.05.2013 zu 2012/21/0072 entschieden, dass ein Antragsrecht bezüglich eines Antrags auf Verlängerung der Frist zur freiwilligen Ausreise bestehe, auch wenn schon eine Frist zur freiwilligen Ausreise rechtskräftig festgesetzt worden sei.

„Die von den Genannten gestellten Anträge auf Gewährung von internationalem Schutz wurden im Instanzenzug mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 16. Dezember 2011 vollinhaltlich abgewiesen; unter einem wurde die Ausweisung der Mitbeteiligten ‚nach Belarus‘ verfügt. In der angeschlossenen Belehrung wurden die Mitbeteiligten darauf hingewiesen, dass sie gemäß § 10 Abs. 7 erster Satz AsylG 2005 innerhalb von 14 Tagen auszureisen hätten. Weiters wurden die Mitbeteiligten über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde informiert.“

Auch ohne explizite Regelung, dass die Verlängerung der Frist zur freiwilligen Ausreise auf Antrag möglich sei, bestehe ein diesbezügliches Antragsrecht. Die belangte Behörde sei zuständig und verpflichtet, bei Vorliegen besonderer Umstände die Frist zur freiwilligen Ausreise zu verlängern. Der BF sei Partei des Verfahrens und nehme durch Ausübung seines Antragsrechtes die Tätigkeit der belangten Behörde gemäß § 8 AVG in Anspruch. Mit dem Antrag löse der BF eine Entscheidungspflicht der belangten Behörde aus. Auch nach Ablauf der beantragten Frist habe der BF grundsätzlich ein rechtliches Interesse an einer Entscheidung über seine Anträge. Die belangte Behörde sei verpflichtet, darüber zu entscheiden. Das rechtliche Interesse des BF liege jedenfalls darin, dass er für Aufenthalt oder Einreise innerhalb der gewährten Frist zur freiwilligen Ausreise nicht wegen rechtswidriger Einreise oder rechtswidrigem Aufenthalt gemäß § 120 FPG bestraft werden dürfe und eine Entscheidung in einem derartigen Verfahren einer Bestrafung entgegenhalten könne. Es sei daher auch noch nach Ablauf der Frist relevant, ob die Frist zur freiwilligen Ausreise keinen Verwaltungsstraftatbestand darstelle. Auch wenn die Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde erst nach Ablauf der beantragten Frist zur freiwilligen Ausreise ergehen sollte, liege dementsprechend trotzdem Beschwer des BF vor.

11. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am 02.12.2019 vom BFA vorgelegt.

12. Die nach Abtretung der Beschwerde durch den VfGH vom BF erhobene außerordentliche Revision an den VwGH wies dieser mit Beschluss vom 24.01.2020, Ra 2020/18/0008-4, zurück.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen

Der im Punkt I.1. – I.8. angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird festgestellt. Insbesondere wird festgestellt:

Mit Bescheid vom 19.04.2017, Zl. 1045733001-140190573, wurde u.a. der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 19.11.2014 abgewiesen, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und in Spruchpunkt IV. für die freiwillige Ausreise des BF eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft dieser Rückkehrentscheidung festgelegt.

Dieses Asylverfahren erwuchs mit Zustellung des Erkenntnisses des BVwG vom 11.06.2019 zu W169 2156001-1/14E, welches den Bescheid vollinhaltlich bestätigte, am 14.06.2019 in Rechtskraft.

Daraufhin hat der BF zunächst am 19.06.2019 einen Antrag auf Erstreckung der Frist für die freiwillige Ausreise bis zum 30.09.2019 und in der Folge am 11.11.2019 einen erneuten Antrag auf Fristerstreckung bis zum 31.01.2020 gestellt.

2. Beweiswürdigung:

Die oben getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs 4 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) innerhalb der Frist von vier Wochen bei der belangten Behörde eingebracht. Es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Beschwerde vor.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung liegt somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG nicht erforderlich, weil schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil A)

3.2. Gesetzliche Grundlagen

3.2.1. Entschiedene Sache nach § 68 AVG

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung (hier: Beschwerde) nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

„Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteienbegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Dies muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss. Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhaltes bewirkt, die für sich allein oder iVm anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann" (zB. VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; VwGH 14.12.1994, 94/03/0067; VwGH 27.09.2000, 98/12/0057; VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235).

Ist Sache der Entscheidung der Beschwerdeinstanz nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch der erstinstanzlichen Behörde zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend – bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache – entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) die Beschwerde abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Beschwerdeinstanz den gestellten Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf (VwGH 30.05.1995, 93/08/0207; 13.10.2011, 2011/22/0247).

Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, ist in jenen Fällen, in denen die Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, „Sache" eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. die Nachweis bei Hengstschläger/Leeb, AVG ErgBd (2017) § 28 VwGVG Rz. 39). Dem Verwaltungsgericht ist es demnach verwehrt, über diesen Rahmen hinaus in einer Entscheidung über die „Hauptsache" vorzugehen, weil dadurch der sachlichen Prüfung des gestellten Antrages und damit den Parteien eine Instanz genommen würde (vgl VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002; 17.12.2019, Ra 2017/04/0141).

3.2.2. Einräumung einer Frist für die freiwillige Ausreise nach § 55 FPG

Die bundesgesetzliche Verankerung der Frist für die freiwillige Ausreise gründet auf den europarechtlichen Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie, RL 2008/115/EG.

„Artikel 7

Freiwillige Ausreise

(1) Eine Rückkehrentscheidung sieht unbeschadet der Ausnahmen nach den Absätzen 2 und 4 eine angemessene Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise vor. Die Mitgliedstaaten können in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorsehen, dass diese Frist nur auf Antrag der betreffenden Drittstaatsangehörigen eingeräumt wird. In einem solchen Fall unterrichtet der Mitgliedstaat die betreffenden Drittstaatsangehörigen davon, dass die Möglichkeit besteht, einen solchen Antrag zu stellen.“

Die Frist nach Unterabsatz 1 steht einer früheren Ausreise der betreffenden Drittstaatsangehörigen nicht entgegen.

(2) Die Mitgliedstaaten verlängern — soweit erforderlich — die Frist für die freiwillige Ausreise unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls — wie etwa Aufenthaltsdauer, Vorhandensein schulpflichtiger Kinder und das Bestehen anderer familiärer und sozialer Bindungen — um einen angemessenen Zeitraum.

[…]

Erwägungsgrund (10) dieser Richtlinie lautet:

„Besteht keine Veranlassung zu der Annahme, dass das Rückkehrverfahren dadurch gefährdet wird, ist die freiwillige Rückkehr der Rückführung vorzuziehen, wobei eine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt werden sollte. Eine Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise sollte vorgesehen werden, wenn dies aufgrund der besonderen Umstände eines Einzelfalls als erforderlich erachtet wird. Zur Förderung der freiwilligen Rückkehr sollten die Mitgliedstaaten eine verstärkte Rückkehrhilfe und -beratung gewähren und die einschlägigen vom Europäischen Rückkehrfonds gebotenen Finanzierungsmöglichkeiten optimal nutzen.“

In Umsetzung dieser Richtlinie wurde § 55 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, erlassen.

„Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.“

3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhalts

3.3.1. Mit angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des BF auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise zurückgewiesen. Dies begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass entschiedene Sache gemäß § 68 AVG vorliege und der BF keine begründeten Ausführungen, die eine Fristverlängerung rechtfertigen würden, vorgebracht habe.

Dagegen wendet sich der BF in seiner Beschwerde und führt aus, dass die Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG nicht hätte erfolgen dürfen, zumal die Frist zur freiwilligen Ausreise noch nie verlängert worden und über den jeweiligen Sachverhalt noch nicht entschieden worden sei.

Wenn der BF zudem moniert, dass aus dem gesamtem Bescheid nicht ersichtlich sei, welchen der Anträge des BF auf Verlängerung der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 FPG die belangte Behörde gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückweise, ist dem BF beizupflichten, zumal sich weder aus dem Spruch noch aus der Begründung des angefochtenen Bescheides eine dahingehende Konkretisierung ergibt. Da das BVwG in der vorliegenden Entscheidung lediglich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung zu überprüfen und keine Sachentscheidung zu treffen hat, steht diese mangelnde Konkretisierung der belangten Behörde einer Entscheidung des BVwG jedoch nicht entgegen.

Weiters verwies der BF in seiner Beschwerde auf Rechtsprechung des VwGH vom 16.05.2013 zu 2012/21/0072 wonach ein Antragsrecht bezüglich eines Antrags auf Verlängerung der Frist zur freiwilligen Ausreise bestehe, auch wenn schon eine Frist zur freiwilligen Ausreise rechtskräftig festgesetzt worden sei. Diesbezüglich ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Entscheidung noch auf Grundlage der „Vorgängerbestimmung“ des § 55 FPG, nämlich § 10 Abs 8 AsylG, idF BGBl. I Nr. 38/2011, ergangen ist und dementsprechend vor dem Hintergrund der alten Rechtslage - wonach über die Frist zur freiwilligen Ausreise noch nicht im Rahmen der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz abzusprechen war und es dafür regelmäßig eines gesonderten Antrages bedurfte - zu lesen und daher nicht direkt vergleichbar ist.

3.3.2. Im Ergebnis ist dem Vorbringen des BF aus nachstehenden Gründen zu folgen:

Nach geltender Rechtslage wird die Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 Abs 1 FPG gleichzeitig mit der Rückkehrentscheidung nach § 53 FPG festgelegt.

Absatz 2 dieser Bestimmung regelt, dass diese Frist mit 14 Tagen ab Rechtskraft des Bescheides festgelegt wird, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Absatz 3 leg. cit. normiert, dass bei Überwiegen besonderer Umstände die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden kann. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

Zunächst ist festzuhalten, dass aus dem Gesetz eindeutig hervorgeht, dass sofern dem BFA bereits vor Erlassung der Rückkehrentscheidung solche „besondere Umstände“ bekannt sind – oder der BF im Rahmen des behördlichen Ermittlungsverfahrens selbige vorbringt – es diese Abwägung vorzunehmen und eine allenfalls längere Frist für die freiwillige Ausreise gleichzeitig mit Erlassung der Rückkehrentscheidung in ihrem Bescheid festzulegen hat. Bei Beschwerdeerhebung hat das BVwG die Festlegung dieser Frist ebenso zu überprüfen und gegebenenfalls im Beschwerdeverfahren neu vorgebrachte „besondere Umstände“ des BF in seine Beurteilung miteinzubeziehen.

Dies wird jedoch nicht den Regelfall darstellen. Dass der BF nämlich bereits bei seinen ersten behördlichen Einvernahmen über seinen Antrag auf internationalen Schutz und damit in einem dementsprechend frühen Stadium seines Asylverfahrens, bereits konkrete und maßgebliche Umstände vorbringt, welche eine eventuelle Fristverlängerung bei einer potentiell drohenden positiven Rückkehrentscheidung notwendig machen würden, erscheint lebensfremd, zumal der BF in der Hoffnung auf eine positive Erledigung seines Antrages nicht bereits die positive Rückkehrentscheidung gegen ihn in Betracht ziehen wird und in eventu gleich „besondere Umstände“, für einen noch nicht absehbaren Zeitraum (arg: „14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung), geltend macht. Dem Gesetzeswortlaut nach (§ 55 Abs 3 letzter Satz FPG) hat der Drittstaatsangehörige nämlich auch neben dem Nachweis der besonderen Umstände einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.

Im Hinblick auf die verhältnismäßig lange Verfahrensdauer im Asylverfahren, werden sich genau diese „besonderen Umständen“, welche idR aus persönlichen Verhältnissen und Lebensumständen resultieren, regelmäßig ändern bzw entwickeln und muss eine Geltendmachung daher nicht nur bis zur formellen Rechtskraft des Bescheides, sondern auch danach zulässig sein, zumal der BF erst mit Zustellung der Entscheidung den tatsächlichen Termin für seine freiwillige Ausreise erfährt und Zweck der Einräumung der Fristverlängerung nach § 55 Abs 3 FPG ist, ihm von diesem Zeitpunkt an die Gelegenheit zu geben, einen neuen konkreten Termin für seine freiwillige Ausreise zu nennen und die entsprechend aktuellen und konkreten „besonderen Umstände“ nachzuweisen. Dafür hat das BFA dann gemäß § 37 AVG wiederum ein Ermittlungsverfahren zu führen.

Für diese Ansicht spricht auch, dass die als Beispiel in Judikatur und Lehre genannten „besonderen Umstände“ regelmäßig Umstände sind, die gerade aktuell und konkret aus der Lebenssituation und des persönlichen Umfeldes des BF resultieren (zB Abschluss eines laufenden Schulsemesters eines schulpflichtigen Kindes, vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschofer, Asyl- und Fremdenrecht (Stand 15.01.2016), § 55 FPG, K 16; VwGH 16.05.2013, 2012/21/0072) und nicht etwaige zukünftige Schwierigkeiten, die sich in Hinblick auf den unabsehbaren Zeitpunkt der tatsächlichen Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ergeben könnten.

Anzumerken ist überdies, dass auch nach der vom BF ins Treffen geführten alten Rechtslage nach § 10 Ab 8 AsylG idF BGBl. Nr. I 38/2011 eine (wenn auch explizit in dieser Gesetzesstelle als „Antrag“ bezeichnete und mit der Regelung nach § 55 FPG nicht direkt vergleichbar) Antragsstellung regelmäßig erst nach Erlassung einer Rückkehrentscheidung erfolgt ist (vgl dazu VwGH 16.05.2013, 2012/21/0072).

Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass die belangte Behörde – zumal sie vor dem angefochtenen Bescheid noch über keinen Antrag auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise des BF abgesprochen hat – den gegenständlichen Antrag (die Anträge) des BF nicht wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG hätte zurückweisen dürfen.

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass auch eine Zurückweisung des Antrages vom 19.06.2019 begründet mit einer Nichterfüllung des Verbesserungsauftrages vom 10.09.2019 nach § 13 Abs 3 AVG nicht rechtens gewesen wäre, da es sich beim Gegenstand des Verbesserungsauftrages um keinen verbesserungsfähigen Mangel iSd § 13 Abs 3 AVG gehandelt hat (vgl Hengstschäger/Leeb, AVG § 13, Rz 27 [Stand 1.1.2014, rdb.at], wonach die Behörde nur dann gemäß § 13 Abs 3 AVG vorgehen darf, wenn das Anbringen einen verbesserungsfähigen Mangel aufweist, von dem bloße Unzulänglichkeiten zu unterscheiden sind, die nicht die Vollständigkeit des Anbringens betreffen sondern sonst im Lichte der anzuwendenden Vorschriften wegen des Inhalts des darin vorgetragenen Begehrens oder einer Unbegründetheit die Erfolgsaussichten beeinträchtigen). Die Behörde hätte allenfalls die inhaltliche Begründung als unzureichend beurteilen und den Antrag folglich abweisen können.

3.3.3. Im Ergebnis ist sohin die Zurückweisung wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG zu Unrecht erfolgt und war der angefochtene Bescheid daher aufzuheben. Die belangte Behörde wird sich nunmehr nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens nach § 37 AVG, inhaltlich mit dem Antrag des BF auseinanderzusetzen und eine entsprechende Sachentscheidung zu fällen haben.

3.4. Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchteil B): Zulässigkeit der Revision

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es gibt keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob der Antrag auf Verlängerung zur Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs 3 FPG nur bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft des Asylverfahrens des BF gestellt werden kann. Die zur alten Rechtslage nach § 10 Abs 8 AsylG, idF BGBl. I Nr. 38/2011, ergangene Rechtsprechung hat sich mit der verfahrensgegenständlichen Frage auch nicht vergleichbar auseinandergesetzt.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung entschiedene Sache Ermittlungsverfahren Verbesserungsauftrag Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W208.2156001.2.00

Im RIS seit

04.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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