TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/30 W241 2232683-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.07.2020
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Entscheidungsdatum

30.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §56 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W241 2232683-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, vertreten durch RA Mag. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2020, Zl. 1138469708/200368625, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005, § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 3, 46, 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Dem Beschwerdeführer (in weiterer Folge BF), einem Staatsangehörigen der Volksrepublik China, wurde am 18.01.2017 erstmals ein Aufenthaltstitel „Studierender“, gültig bis 18.01.2018, erteilt. Er reiste am 14.02.2017 ins Bundesgebiet ein. Der Aufenthaltstitel wurde am 19.01.2018 für ein weiteres Jahr verlängert. Am 18.12.2018 stellte der BF einen Verlängerungsantrag. Mit Bescheid der MA 35 vom 17.04.2018 wurde der Verlängerungsantrag mangels Studienerfolgs abgewiesen. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde vom Verwaltungsgericht Wien am 11.06.2019, VGW-151/060/7216/2019-1, als unbegründet abgewiesen.

2. Mit Schreiben vom 22.07.2019 wurde der BF von der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung verständigt und ihm Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme gegeben.

In einer Stellungnahme vom 14.08.2019, eingelangt am 19.08.2019, brachte der BF vor, dass er sich seit Februar 2017 zum Zweck des Studiums in Österreich aufhalte. Der BF übe keine Erwerbstätigkeit aus und bestreite seinen Lebensunterhalt durch das ihm von den Eltern zur Verfügung gestellte Vermögen.

3. Der Stellungnahme lag der gegenständliche Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen nach § 56 Abs. 1 AsylG bei. Dabei gab der BF an, über ein Guthaben in der Höhe von 800,- € zu verfügen, krankenversichert zu sein und in Österreich über ein soziales Netz in Form von Freundschaften zu verfügen.

4. Mit Schreiben vom 08.05.2020 wurden Kopien der Geburtsurkunde und des Reisepasses des BF sowie ein Deutschzertifikat A2 vorgelegt.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2020 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) Nach § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Nach § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach China gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen (richtigerweise 14 Tage) ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 AsylG nicht erfülle. Er sei in Österreich nicht familiär verankert. Ein schützenswertes Privatleben habe nicht festgestellt werden können. Der BF gehe keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach.

6. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 30.06.2020 Beschwerde erhoben und vorgebracht, dass das Bundesamt auch bei Beantragung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG die Rechtmäßigkeit einer Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zu prüfen habe. Gegenständliche habe die Behörde keine Abwägung hinsichtlich eines schutzwürdigen Privatlebens vorgenommen. Der BF verfüge über ein Netz an Freunden und Bekannten, wobei diese Bindungen derart stark ausgeprägt seien, dass von einem schützenswerten Privatleben gesprochen werden könne. Der BF habe keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung begangen und sei strafrechtlich unbescholten. Der Eingriff der belangten Behörde sei somit nicht rechtmäßig und hätte ein Aufenthaltstitel erteilt werden müssen. Die Behörde habe es weiters unterlassen, dem BF Parteiengehör zu gewähren. Auch fehle eine Begründung, inwieweit kein schützenswertes Privatleben gegeben sei. Abschließend wurden die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach „§ 55 AsylG“, in eventu die Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung des Verfahrens beantragt.

7. Die Vorlage der Beschwerde und des Verwaltungsaktes an das Bundesverwaltungsgericht erfolgte am 03.07.2020.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger der Volksrepublik China, seine Identität steht aufgrund des vorgelegten Reisepasses fest.

1.2. Der BF reiste am 14.02.2017 ins Bundesgebiet ein und hielt sich seither (mit kurzen Unterbrechungen) durchgehend hier auf.

1.3. Ihm wurde am 18.01.2017 erstmals ein Aufenthaltstitel „Studierender“, gültig bis 18.01.2018, erteilt. Der Aufenthaltstitel wurde am 19.01.2018 für ein weiteres Jahr verlängert. Am 18.12.2018 stellte der BF einen Verlängerungsantrag. Mit Bescheid der MA 35 vom 17.04.2018 wurde der Verlängerungsantrag mangels Studienerfolgs abgewiesen. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde vom Verwaltungsgericht Wien am 11.06.2019, VGW-151/060/7216/2019-1, als unbegründet abgewiesen.

1.4. Seit Rechtskraft des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts Wien vom 11.06.2019 hält sich der BF ohne Aufenthaltstitel und damit illegal im Bundesgebiet auf.

1.5. Der BF stellte am 19.08.2019 den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen nach § 56 Abs. 1 AsylG.

1.6. Über Familienangehörige in Österreich verfügt der BF nicht, in China leben die Eltern des BF. Der Lebensunterhalt des BF in Österreich wird durch finanzielle Zuwendungen der Eltern finanziert. Der BF ist krankenversichert und nicht erwerbstätig.

1.7. Der BF verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2. Er reiste zum Zweck des Studiums nach Österreich ein, sein Aufenthaltstitel „Studierender“ wurde jedoch mangels Studienerfolgs nicht verlängert. Er war bisher nicht an einer österreichischen Universität oder Fachhochschule als ordentlicher Studierender zugelassen. Der BF verfügt in Österreich über soziale Kontakte. Der BF ist kein Mitglied in Vereinen oder Organisationen und geht keinen kulturellen oder sportlichen Aktivitäten nach. Er ist strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Eine Kopie des Reisepasses des BF befindet sich im Verwaltungsakt.

2.2. Der Aufenthalt des BF in Österreich ergibt sich ebenfalls zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt und der Kopie des Reisepasses.

2.3. Der Ablauf des Verfahrens, im Zuge dessen der Aufenthaltstitel „Studierender“ des BF letztlich nicht verlängert wurde, ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt, insbesondere aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien am 11.06.2019, VGW-151/060/7216/2019-1.

2.4. Da der Verlängerungsantrag des BF rechtskräftig abgewiesen wurde und er auch über keine anderen Aufenthaltstitel verfügt, war der Aufenthalt des BF ab Rechtskraft des Erkenntnisses des VwG Wien unrechtmäßig.

2.5. Die Antragstellung ergibt sich zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt.

2.6. Die familiären und finanziellen Verhältnisse des BF in China ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Angaben im Verfahren.

2.7. Die Deutschkenntnisse des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Deutschzertifikat. Der fehlende Studienerfolg und die bisher nicht erfolgte Zulassung als ordentlicher Studierender ergibt sich aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 11.06.2019, VGW-151/060/7216/2019-1. Gegenteiliges wurde auch in der Beschwerde nicht vorgebracht. Die privaten Verhältnisse des BF in Österreich ergeben sich aus seinen Angaben. Die Unbescholtenheit ergibt sich aus einem Strafregisterauszug.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu Spruchpunkt I.:

3.1.1. § 56 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls

1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,

2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und

3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.

(2) Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

(3) Die Behörde hat den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.

3.1.2. Gegenständlich beantragte der BF die Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 Abs. 1 AsylG durch Verwendung des dafür vorgesehenen Formulars.

Voraussetzung für die Erteilung dieses Aufenthaltstitels ist die Erfüllung der drei Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1 bis 3.

Z 1 sieht vor, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig sein muss. Der BF hält sich jedoch erst seit 14.02.2017, somit zum Zeitpunkt der Antragstellung am 19.08.2019 erst seit zweieinhalb Jahren, im Bundesgebiet auf. Schon die Voraussetzung des § 56 Abs. 1 Z 1 war daher nicht erfüllt. Auch in der Beschwerde wurde die Erfüllung der Voraussetzungen des § 56 AsylG nicht behauptet.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II.:

3.2.1. Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG zurück- oder abgewiesen wird. Auch das AsylG sieht eine entsprechende zwingende Verbindung von Aussprüchen nach § 55 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung vor. § 10 Abs. 3 AsylG lautet: "Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."(vgl. dazu VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/082)

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG BGBl I. Nr. 87/2012 idgF zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 9 Abs. 3 BFA-VG lautet:

„Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0198; VwGH vom 25.01.2018 Ra 2017/21/0218).

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR vom 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (EKMR vom 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH vom 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.

So fallen familiäre Beziehungen unter Erwachsenen jedoch nur dann unter den Schutz des Art. 8 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (VfGH vom 09.06.2006, B 1277/04; vom 26.01.2006, 2002/20/0423 und 2002/20/0235, vom 08.06.2006, 2003/01/0600; vom 29.03.2007, 2005/20/0040-0042)

Der ledige BF verfügt im österreichischen Bundesgebiet weder über familiäre noch über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte und lebt auch nicht in einer (eheähnlichen) Lebensgemeinschaft. Es liegen daher keine über die üblichen Bindungen hinausgehenden Abhängigkeiten oder faktische Familienbindungen vor, die unter den Begriff des „Familienlebens“ fallen, weshalb ein Eingriff in das Recht auf Familienleben iSd Art. 8 EMRK des BF auszuschließen ist. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls in das Privatleben des BF eingreifen.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). Art. 8 EMRK schützt unter anderem sowohl die individuelle Selbstbestimmung und persönliche Identität, als auch die freie Gestaltung der Lebensführung. In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Bei der Beurteilung der Frage, ob der BF in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwN).

3.2.2. Im gegenständlichen Fall verfügte der BF zunächst über einen Aufenthaltstitel „Studierender“, welcher jedoch nicht verlängert wurde. Die Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 11.06.2019 abgewiesen. Ab Rechtskraft dieser Entscheidung verfügte der BF nicht mehr über einen Aufenthaltstitel und hielt sich unrechtmäßig in Österreich auf. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des BF beträgt daher knapp zweieinhalb Jahre. Die gesamte Aufenthaltsdauer des BF in Österreich von knapp dreieinhalb Jahren ist im Sinne der oben angeführten Judikatur als sehr kurz zu bezeichnen. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ scheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09).

Der BF verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2. Außergewöhnlich gute Deutschkenntnisse konnten im Verfahren daher nicht nachgewiesen werden. Er war bisher im Bundesgebiet weder erwerbstätig noch ehrenamtlich tätig, ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation und geht auch keinen sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach. Hinsichtlich des Privatlebens des BF wurde im Verfahren lediglich freundschaftliche Beziehungen vorgebracht, welche jedoch weder durch die Nennung der Namen dieser Freunde noch durch die Vorlage von Unterstützungsschreiben untermauert wurden.

Zusammenfassend ergibt sich daher, dass der (rechtmäßige) Aufenthalt des BF nicht so lang gedauert hat, dass von einem Überwiegen der privaten Interessen an einer Fortsetzung des Aufenthalts auszugehen wäre, zumal dieser iSd Judikatur des VwGH als relativ kurz zu werten ist (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwH). In diesem Zusammenhang ist auch auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst die Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (vgl. VwGH vom 06.11.2009, Zl. 2008/18/0720 sowie vom 25.02.2010, Zl. 2010/18/0029).

Im Besonderen ist in diesem Zusammenhang auf die folgenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, in denen selbst nach langjährigem Aufenthalt und erfolgten Integrationsschritten seitens des Höchstgerichts die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bejaht wurde: VwGH 25.03.2010, 2009/21/0216 ua. (Familie; siebenjähriger Aufenthalt; selbständige Berufstätigkeit bzw. Schulbesuch; Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; keine staatliche Unterstützung), VwGH 18.03.2010, 2010/22/0023 (sechsjähriger Aufenthalt; enge Beziehung zu Geschwistern in Österreich; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Einstellungszusage; großer Freundes- und Bekanntenkreis), VwGH 25.02.2010, 2008/18/0411 (siebeneinhalbjähriger Aufenthalt; Berufstätigkeit; ein Jahr lang Ehe mit österreichischer Staatsbürgerin; Unbescholtenheit; enge Freundschaften zu Arbeitskollegen und ehemaligen Wohnungskollegen; andere in Österreich lebende Familienangehörige), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070 (rund achtjähriger Aufenthalt; drei Jahre Berufstätigkeit; gute Deutschkenntnisse; engen Kontakt zu Freundes- und Bekanntenkreis sowie Bruder in Österreich; Unbescholtenheit; kaum Kontakt zu seinen im Libanon verbliebenen Angehörigen), VwGH 23.03.2010, 2010/18/0038 (siebenjähriger Aufenthalt; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; beruflich integriert als Zeitungsausträger, Sportverein), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0031 (achtjähriger Aufenthalt; familiäre Bindung zu Onkel, der BF unterstützt; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Grundversorgung), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029 (knapp achtjähriger Aufenthalt; beabsichtigte Eheschließung mit öst. Staatsbürgerin; Sohn in Ö geboren; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; nahezu durchgehende Beschäftigung; sozial vielfältig vernetzt und integriert), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026 (siebenjähriger Aufenthalt; Mangel an familiären Bindungen; Unbescholtenheit; Deutschkenntnisse; fehlende Bindungen zum Heimatstaat; arbeitsrechtlicher Vorvertrag), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0187 (mehr als siebenjähriger Aufenthalt; Sohn besitzt österreichische Staatsbürgerschaft; Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; keine berufliche Integration), VwGH 13.04.2010, 2010/18/0078 (siebenjähriger Aufenthalt; jahrelange Erwerbstätigkeit; unbescholten; Freundes- und Bekanntenkreis; gute Deutschkenntnisse; Vereinsmitglied).

Das Bundesverwaltungsgericht kann auch sonst keine unzumutbaren Härten vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK in einer Rückkehr des BF nach China erkennen. Die Beziehungen des BF zu Österreich sind zum Entscheidungszeitpunkt verhältnismäßig schwach ausgeprägt, während er in seinem Herkunftsstaat, in welchem er den überwiegenden und prägenden Teil seines Lebens verbrachte, noch über seine Eltern, die ihn auch in Österreich finanziell unterstützt haben, verfügt. Aufgrund der relativ kurzen Ortsabwesenheit kann auch nicht gesagt werden, dass der BF seinem Kulturkreis völlig entrückt wäre, sodass sich der BF in China problemlos wieder eingliedern wird können.

Dass der BF strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).

Es wurde in der Beschwerde kein anderweitiger und relevanter Sachverhalt betreffend Privat- und Familienleben geltend gemacht. Auch wurde dies nicht etwa im Rahmen einer „Beschwerdeergänzung“ dargelegt.

Dazu wäre der BF, welcher im Beschwerdeverfahren auch von einem Rechtsanwalt vertreten ist, bei geänderten Umständen aber gegebenenfalls im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht verhalten, sind doch gerade dem persönlichen Bereich des BF zugehörige Sachverhalte, wie etwa private und familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich, für die Behörde [das Gericht] nicht ohne entsprechendes Vorbringen erkennbar (vgl. VwGH 30.1.2001, 2000/18/0001; VwGH 14.2.2002, 99/18/0199; 24.04.2001, 98/21/0399) und hat die Glaubhaftmachung im Wesentlichen auch durch entsprechende Bescheinigungsmittel, z.B. Bescheinigungen über den Abschluss von Deutschprüfungen, Heiratsurkunde, Beschäftigungsnachweis oder konkrete Beweisanbote etc. zu erfolgen, da idR eine bloße Behauptung zur Glaubhaftmachung nicht ausreicht.

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.

Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. In einem Verfahren nach den Bestimmungen des NAG sind aber auch die öffentlichen Interessen, insbesondere am wirtschaftlichen Wohl des Landes, entsprechend in die Prüfung einzubeziehen (z. B. Einkünfte, Integrationsvereinbarung, Quotenplatz), wird doch das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht absolut, sondern nur unter Gesetzesvorbehalt, verbürgt.

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass dem BF kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Der BF hat weder behauptet über ein anderes Aufenthaltsrecht zu verfügen noch ist ein solches im Ermittlungsverfahren hervorgekommen.

Die Erlassung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.

3.3. Zu Spruchpunkt III.:

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG. Das Vorliegen eines entsprechenden Sachverhaltes wurde im Verfahren nicht behauptet und ist dem erkennenden Gericht auch sonst nicht bekannt geworden.

Was die Ausbreitung des Coronavirus Covid-19 in der VR China betrifft, ist zum einem festzuhalten, dass der BF aktuell an keinen schwerwiegenden Krankheiten leidet, sondern gesund ist. Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF persönlich bei einer Rückkehr eine Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf erleiden würde. Der BF kommt weder aus der Provinz Hubei, noch zählt er zu einer der vulnerablen Gruppen, wie etwa alte oder chronisch kranke Personen. Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass auch die notorisch bekannten, täglich aktualisierten und in den Massenmedien kolportierten Zahlen gemessen an der Gesamtbevölkerung weit davon entfernt sind, ein für eine Schutzgewährung signifikantes Risiko aufzeigen, in China an einer Lungenkrankheit Covid-19 mit schweren Verlauf zu erkranken. Im Übrigen stellt sich die Situation in China aktuell schon wesentlich besser dar als in Europa. Ein Anstieg der Erkrankungszahlen wurde in den letzten Wochen nur lokal begrenzt vermeldet und von den chinesischen Behörden rasch eingedämmt, sodass in China aktuell nicht von einem höheren Ansteckungsrisiko als in Europa auszugehen ist.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde ebenfalls nicht behauptet und kam im Verfahren nicht hervor.

Die Abschiebung ist nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für die Volksrepublik China nicht.

Die Abschiebung des BF in die Volksrepublik China ist daher zulässig. Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich dieser Spruchpunkte als unbegründet abzuweisen.

3.4. Zu Spruchpunkt IV.:

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Gemäß § 55 Abs. 3 FPG kann die Frist bei Überwiegen besonderer Umstände für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.

Derartige besondere Umstände sind im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht worden, weshalb die vom Bundesamt gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise den gesetzlichen Bestimmungen entspricht.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich Spruchpunkt IV. als unbegründet abzuweisen.

3.5. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Gemäß Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02) – folgend: GRC – hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Zufolge Abs. 2 leg.cit. hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 14.03.2012, Zl. U 466/11 ua. zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 noch könne er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, stehe im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.

Der VwGH hat sich mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017, mit der Frage des Entfalls einer mündlichen Verhandlung unter Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG befasst, wobei dem Grunde nach die zuvor zitierte Judikaturlinie der Höchstgerichte beibehalten wird. Daraus resultierend ergeben sich für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG folgende maßgeblichen Kriterien: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Projiziert auf den vorliegenden Beschwerdefall bedeutet dies, dass aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Es hat sich auch in der Beschwerde kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit ergeben, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem BF zu erörtern. In der Beschwerde finden sich auch keine Hinweise, wonach eine weitere mündliche Verhandlung notwendig ist, zumal sich dort keine substantiierten Ausführungen finden, die dies erforderlich machen würden. In der Beschwerde werden lediglich Freundschaften und ein soziales Netz des BF geltend gemacht, wobei dieses Vorbringen der Entscheidung ohnehin zugrunde gelegt wurde, aber nicht geeignet war, eine anderslautende Entscheidung herbeizuführen.

Das BFA hat sich sohin ausreichend und abschließend mit dem Vorbringen des BF auseinandergesetzt. Die Ermittlung des Sachverhaltes durch das BFA war demnach nicht zu beanstanden.

Der maßgebliche Sachverhalt war demnach aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem BF mündlich zu erörtern gewesen wäre, sodass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht unterbleiben konnte.


Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.


Schlagworte

Interessenabwägung öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W241.2232683.1.00

Im RIS seit

04.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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