TE Bvwg Beschluss 2020/8/17 I419 2232819-1

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Veröffentlicht am 17.08.2020
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Entscheidungsdatum

17.08.2020

Norm

AVG §13 Abs7
B-VG Art133 Abs4
FPG §88
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs2

Spruch

I419 2232819-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX , StA. NIGERIA alias Liberia, vertreten durch DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 08.06.2020, Zl. 732550701-200454276:

A) Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Fremdenpasses ab.

In der am 07.07.2020 beim BFA eingelangten Beschwerde wird vorgebracht, der Beschwerdeführer habe bisher immer einen Fremdenpass erhalten, und der Bescheid sei nicht nachvollziehbar, weil er nur auf den Akteninhalt verweise.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zunächst wird der unter Punkt I dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

Der Beschwerdeführer stammt aus Nigeria und spricht unter anderem südnigerianisches Englisch. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 10.06.2020 nachweislich zugestellt und enthielt eine auch in Englisch abgefasste Rechtsmittelbelehrung. Am 30.06.2020 zog er mittels eines von ihm unterschriebenen Formulars des BFA erstens den Passantrag zurück und verzichtete nach erfolgter Belehrung zweitens auf die Einbringung einer Beschwerde gegen den ihm zugestellten Bescheid.

Der Beschwerdeführer ist seit 2003 mit kurzen Unterbrechungen im Inland mit Hauptwohnsitz gemeldet. Er führte von 2005 bis 2009 eine Beziehung mit einer hier geborenen Österreicherin, mit der er eine Tochter hat, war mit der Genannten mehrere Jahre mit gemeinsamem Wohnsitz verheiratet und hat eine bis 2022 gültige Rot-weiß-rot-Karte plus inne. Im April 2010 hat er bei der PI Frastanz angegeben, Deutsch besser lesen als sprechen zu können. Seit 2005 war er mit Unterbrechungen berufstätig, mehrmals auch im Gastgewerbe.

Das Verwaltungsgericht übermittelte der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers dessen Verzichtserklärung in Kopie und räumte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des VwGH eine Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme ein. Die Frist endete am 07.08.2020, ohne dass eine Stellungnahme erstattet oder die Beschwerde zurückgezogen worden wäre.

Es wurde nicht vorgebracht, dass der Beschwerdeführer den Erklärungsinhalt seines Verzichts aus sprachlichen oder anderen Gründen nicht verstanden hätte. Er wusste, was der Inhalt und die Folgen seiner Erklärung sind, und war in der Lage, sich der Tragweite des Verzichts bewusst zu sein und erklärte diesen aus freien Stücken.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt des Verwaltungsaktes des BFA und des Gerichtsakts einschließlich der Beschwerde. Ferner wurden die Akten der unter der Aliasidentität des Beschwerdeführers beim AsylGH (A3 246091-2/2010) und beim UBAS (246091/0-XII/37/04) geführten Beschwerdeverfahren eingesehen. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Integrierten Fremdenregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Register der Sozialversicherungen und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer die von ihm eigenhändig unterfertigte schriftliche Erklärung eines Beschwerdeverzichts abgegeben hat (AS 43), wird in der Beschwerde nicht erwähnt. Nach Mitteilung dieser Erklärung an die Rechtsvertretung wurde die Beschwerde aber auch in keiner Weise ergänzt, also auch nicht dahingehend, dass der Rechtsmittelverzicht nicht oder z. B. irrtümlich abgegeben worden wäre.

Demnach konnte das Gericht vom Inhalt der Erklärung ausgehend feststellen, dass der Beschwerdeführer belehrt wurde und wusste, was der Inhalt und die Folgen seiner Erklärung sind. Im Hinblick auf die Feststellungen zum Familienleben und zur Berufstätigkeit, die Aufenthaltsdauer, aber auch das Ausbleiben einer Stellungnahme der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers, geht das Gericht davon aus, dass hinreichend Grund zur Annahme der nötigen Sprachkompetenz des Beschwerdeführers bei der Abgabe seines Verzichts besteht und dieser sich auch klar war, dass es ihm freistand, eine solche Erklärung abzugeben, zumal auch die Rechtsmittelbelehrung nicht anders zu verstehen ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) (Zurückweisung als unzulässig):

3.1 Nach § 7 Abs. 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.

Die ständige Rechtsprechung des VwGH, wonach ein Berufungsverzicht eines Fremden ohne Beiziehung eines Dolmetschers nur dann wirksam ist, wenn feststeht bzw. ausreichend ermittelt wurde, dass der Fremde im Zeitpunkt der Abgabe des Berufungsverzichtes der deutschen Sprache hinlänglich mächtig war, um sich der Tragweite des Verzichts bewusst zu sein und ein Willensmangel ausgeschlossen werden kann, ist auf Grund der vergleichbaren Tragweite der Erklärung auch auf den Verzicht auf eine Beschwerde bzw. die Zurückziehung einer Beschwerde anzuwenden. (VwGH 27.04.2016, Ra 2015/10/0111 mwN)

Das gilt im Beschwerdeverfahren dem Grundsatz der materiellen Wahrheit nach auch dann, wenn ein solcher Willensmangel etc. nicht vorgebracht wurde, wie hier. Demgemäß war amtswegig zu ermitteln, ob die angeführte Voraussetzung vorlag, auch wenn ihr Vorliegen nicht bestritten wurde.

3.2 Mit Blick auf die getroffenen Feststellungen wird fallbezogen dieser Judikatur entsprechend von einem rechtlich wirksamen Beschwerdeverzicht ausgegangen. Damit ist eine Beschwerde zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zulässig.

Unzulässige Rechtsmittel sind zurückzuweisen, wie sich aus § 28 Abs. 1 VwGVG erschließt (vgl. VwGH 15.11.2019, Ra 2019/03/0129; 15.03.2018, Ra 2017/21/0254). Aus diesem ergibt sich ferner, dass die Zurückweisung einer Beschwerde mit Beschluss erfolgt.

3.3 Daher war die Beschwerde wie geschehen gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG beschlussmäßig als unzulässig zurückzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG ohne mündliche Verhandlung getroffen werden, weil aufgrund der Aktenlage bereits feststand, dass die Beschwerde zurückzuweisen ist.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es - wie gezeigt - an einer Rechtsprechung zur Wirksamkeit des Beschwerdeverzichts.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Antragstellung Antragszurückziehung Beschwerdeverzicht Beschwerdezurückziehung Fremdenpass Unzulässigkeit der Beschwerde Verzicht Zurückweisung Zurückziehung Zurückziehung Antrag Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I419.2232819.1.00

Im RIS seit

04.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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