TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/11 97/06/0121

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.09.1997
beobachten
merken

Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Umgebungslärm Vorarlberg;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
BauG Vlbg 1972 §31 Abs6;
VwGG §27;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer sowie die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der B in N, vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn,

Dr. Waibelstraße 10, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 6. Oktober 1995, Zl. BHDO II 4151-0011-95, betreffend die Abweisung eines Devolutionsantrages in einer Bausache (mitbeteiligte Partei: Stadt Dornbirn, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 29. September 1994 (eingelangt am 14. Oktober 1994) kam die Beschwerdeführerin bei der Baubehörde erster Instanz um die baubehördliche Bewilligung zwecks Errichtung eines Supermarktes auf einem Grundstück im Gemeindegebiet ein. Den Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß sich der Stadtplanungsausschuß der mitbeteiligten Gemeinde schon zuvor gegen dieses - sichtlich bereits bekannte - Vorhaben ausgesprochen hatte. Aus den Akten ergibt sich weiters, daß die Beschwerdeführerin (auch) die Erteilung einer entsprechenden Bewilligung nach dem (Vorarlberger) Landschaftsschutzgesetz beantragt hatte und diesbezüglich vor der belangten Behörde (insofern als Behörde erster Instanz) am 21. November 1994 eine mündliche Verhandlung stattfand, im Zuge derer ein Vertreter der mitbeteiligten Gemeinde eine ablehnende Stellungnahme erstattete. Am 27. März 1995 fand eine Besprechung offensichtlich vor einem Organwalter der Gemeinde ("Stadtplanung") statt, worüber ein Aktenvermerk mit diesem Datum aufgenommen wurde. Darin ist unter anderem festgehalten, daß ein Vertreter der Beschwerdeführerin "um Bearbeitung des Bauantrages im Sinne des geplanten Projekts" ersuche und auch "die städtebaulichen Zusammenhänge, welche der Stadtplanungsausschuß zur Ablehnung dieses Projekts am gegenständlichen Standort bewogen" hätten, erläutert worden seien, sowie, daß die Erlassung einer Bausperre in Aussicht genommen werde. Mit Bescheid vom 11. Mai 1995 erteilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin eine Bewilligung nach dem (Vorarlberger) Landschaftsschutzgesetz unter Vorschreibung verschiedener Auflagen, wogegen die mitbeteiligte Gemeinde Berufung erhob.

Zwischenzeitig hatte die Beschwerdeführerin am 15. Mai 1995 einen Devolutionsantrag vom selben Tag bei der Stadtvertretung der mitbeteiligten Gemeinde eingebracht und darin vorgebracht, daß die Baubehörde erster Instanz bislang über das Baugesuch vom 14. Oktober 1994 "ohne ersichtlichen Grund bis heute" nicht entschieden habe.

Mit Bescheid der Stadtvertretung der mitbeteiligten Gemeine vom 31. Juli 1995 wurde dieser Antrag als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde nach zusammengefaßter Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage (§ 73 AVG) ausgeführt, der eingebrachte Antrag sei im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG zulässig, weil die Behörde erster Instanz über den Bauantrag nicht innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 73 leg. cit. entschieden habe. Ein Devolutionsantrag sei aber von der Oberbehörde abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen sei. Nach der Judikatur sei die Verzögerung der Entscheidung dann ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen, wenn sie weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht worden sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1982, Slg. Nr. 10758/A). Das eingereichte Projekt der Beschwerdeführerin bedürfe außer der Baubewilligung noch einer Bewilligung nach dem Landschaftsschutzgesetz. Im Hinblick auf § 31 Abs. 6 des (Vorarlberger) Baugesetzes (BauG) dürfe die Baubewilligung erst nach Eintritt der Rechtskraft der Bewilligung nach dem Landschaftsschutzgesetz erteilt werden. Zum Zeitpunkt der Einbringung des Devolutionsantrages am 15. Mai 1995 habe es noch keine solche rechtskräftige Bewilligung gegeben, sodaß es der Baubehörde auch verwehrt gewesen sei, die beantragte Baubewilligung zu erteilen. Die tatsächlich eingetretene Verzögerung sei demnach nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung, in der sie ausführte, vorliegendenfalls habe sie (zu ergänzen: nach Einbringung des Baugesuches) "keine wie immer gearteten Anträge gestellt oder sonstwie auf das Verfahren Einfluß genommen", weshalb ein Verschulden ihrerseits an der Verzögerung auszuschließen sei. Da die Baubehörde erster Instanz "nicht einmal ein Bauverfahren durchgeführt" habe und somit auch keine Nachbarn oder sonstige Beteiligte irgendwelche Anträge gestellt hätten, sei ein Verschulden von dritter Seite an der Verzögerung ebenfalls nicht gegeben. Demnach sei die Verzögerung ausschließlich der Baubehörde erster Instanz zuzuordnen. Auch der Hinweis der Stadtvertretung auf § 31 Abs. 6 BauG sei verfehlt, weil es sich bei § 73 AVG "um ein zwingendes Bundesgesetz" handle, welches durch allfällige länderrechtliche Bestimmungen nicht abgeändert werden könne. Die Baubehörde sei somit verpflichtet, "sich an die einschlägigen bundesgesetzlichen Vorschriften zu halten" und dürfe sich nicht auf landesgesetzliche Bestimmungen berufen. Die diesbezügliche Regelung im Baugesetz widerspräche "dem einschlägigen Bundesrecht" und sei zudem verfassungswidrig (wurde näher ausgeführt).

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Nach zusammengefaßter Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage (§ 73 AVG bzw. § 31 Abs. 6 BauG) wurde begründend ausgeführt, es sei unzweifelhaft, daß der im § 73 Abs. 1 AVG genannte Zeitraum von sechs Monaten überschritten worden sei. Zu prüfen sei daher, ob gemäß § 73 Abs. 2 letzter Satz leg. cit. die eingetretene Verzögerung ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen sei. Ein Mitverschulden der Beschwerdeführerin sowie von Dritten sei, wie zutreffend ausgeführt worden sei, auszuschließen. Zutreffend verweise aber die Stadtvertretung der mitbeteiligten Gemeinde im bekämpften Bescheid auf § 31 Abs. 6 BauG. Aufgrund der Aktenlage stehe fest, daß für das Bauvorhaben aufgrund der Ausmaße des geplanten Objektes eine Bewilligungspflicht nach dem Landschaftsschutzgesetz gegeben sei. Über Antrag der Beschwerdeführerin sei diese Bewilligung mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. Mai 1995 erteilt worden. Infolge der dagegen von der mitbeteiligten Gemeinde erhobenen Berufung habe diese Bewilligung vorerst keine Rechtskraft erlangt. Nach Auffassung der belangten Behörde sei dieser Umstand im Hinblick auf § 31 Abs. 6 BauG als gesetzliches Hindernis anzusehen, welches jedenfalls eine Erledigung des Bauantrages bis zur Einbringung des Devolutionsantrages nicht zugelassen habe (Hinweis auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 1993, Zl. 93/03/0008, und vom 19. Dezember 1994, Zl. 94/10/0119). Im übrigen teile die belangte Behörde nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, daß § 31 Abs. 6 BauG verfassungswidrig sei (wurde näher ausgeführt).

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 25. Februar 1997, B 3618/95-6, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörde oder der unabhängige Verwaltungssenat verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Abs. 2 dieser Bestimmung normiert, daß dann, wenn der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt wird, auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde übergeht. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Nach § 31 Abs. 6 des (Vorarlberger) Baugesetzes (BauG), LGBl. Nr. 39/1972, darf, wenn ein Vorhaben außer der Baubewilligung noch einer Bewilligung nach anderen landesrechtlichen Vorschriften bedarf, die Baubewilligung erst nach Eintritt der Rechtskraft der anderen Bewilligung erteilt werden.

Im Beschwerdefall ist unstrittig, daß für das geplante Vorhaben außer der angestrebten Baubewilligung noch eine weitere Bewilligung nach landesrechtlichen Vorschriften erforderlich war, und eine solche rechtskräftige Bewilligung zum Zeitpunkt der Einbringung des Devolutionsantrages nicht vorlag. Die Beschwerdeführerin macht aber geltend, die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung sei dessen ungeachtet unzutreffend, weil § 31 Abs. 6 BauG die Anwendung des § 73 Abs. 1 AVG nicht ausschließe. Die Behörde wäre "möglicherweise berechtigt gewesen", den Bauantrag abzuweisen; § 31 Abs. 6 BauG berechtige die Behörde aber nicht, mit der Entscheidung über den Bauantrag über die Frist des § 63 Abs. 1 AVG hinaus zuzuwarten.

Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu. Die belangte Behörde stützt sich im angefochtenen Bescheid zu Unrecht auf die hg. Beschlüsse vom 24. Februar 1993, Zl. 93/03/0008, sowie vom 19. Dezember 1994, Zl. 94/10/0119, aus denen vorliegendenfalls nichts zu gewinnen ist: In ersterem Fall wurde eine Säumnisbeschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, die (damals) belangte Behörde, der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, sei seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 452/1992 nicht mehr als Devolutionsbehörde zur Entscheidung über die in jenem Verfahren erhobene Berufung zuständig, weshalb seine Entscheidungspflicht weggefallen sei. Eine Entscheidung durch die belangte Behörde stehe demnach ein gesetzliches Hindernis in Form der geänderten Zuständigkeitsbestimmung entgegen, weshalb die Säumnisbeschwerde unzulässig sei. Im zweiten Fall (Beschluß Zl. 94/10/0119) ging es ebenfalls um eine Säumnisbeschwerde. Der Verwaltungsgerichtshof erachtete jene Säumnisbeschwerde als zulässig und führte unter anderem aus, eine Hemmung der Entscheidungspflicht (der damals belangten Behörde) durch ein gesetzliches Hindernis sei nicht ersichtlich.

Daraus ist aber für den Beschwerdefall nichts zu gewinnen, weil ein solches gesetzliches Hindernis, entgegen der Annahme der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, nicht vorliegt: Wie der Verwaltungsgerichtshof nämlich bereits in seinem Erkenntnis vom 11. September 1986, Zl. 83/06/0160, ausgeführt hat, läßt der Wortlaut des § 31 Abs. 6 BauG keinen Zweifel daran, daß diese Bestimmung lediglich die Erteilung von Baubewilligungen zu einem Zeitpunkt, zu dem eine andere landesrechtliche, für das Vorhaben erforderliche Bewilligung noch aussteht, hintanhalten will, nach dieser Bestimmung ist es der Baubehörde jedoch nicht verwehrt, das Bauansuchen zu versagen. Das von der belangten Behörde angenommene (absolute) Entscheidungshindernis bestand daher nicht. Schon die Baubehörde erster Instanz war daher nicht gehindert, über das Gesuch innerhalb der Sechs-Monatsfrist des § 73 Abs. 1 AVG (wenngleich abweislich, wenn man davon ausgeht, daß im Sinne des § 31 Abs. 6 BauG eine weitere Bewilligung erforderlich war) zu entscheiden. Die Beschwerdeführerin hat im übrigen noch vor Ablauf dieser Frist auf einer Entscheidung über das Baugesuch beharrt (siehe den in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebenen Aktenvermerk vom 27. März 1995). Die Abweisung des Devolutionsantrages durch die Oberbehörde erfolgte demnach zu Unrecht; dadurch, daß die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Verwaltungsgerichtshof verkennt in diesem Zusammenhang nicht, daß das Interesse der Beschwerdeführerin freilich zunächst darauf gerichtet war, eine antragsgemäße Entscheidung der Baubehörde über ihr Baugesuch zu erwirken; mit einer abweislichen Entscheidung ist ihr aber auch insoweit gedient, als ihr dadurch die Möglichkeit eröffnet wird, die entsprechenden Dispositionen zu treffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da zuzüglich zum Schriftsatzaufwand nicht auch noch Umsatzsteuer zuzuerkennen ist, war das entsprechende Mehrbegehren abzuweisen (siehe die in Dolp, die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 697 wiedergegebene hg. Judikatur).

Schlagworte

Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - Einstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997060121.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten