Entscheidungsdatum
24.08.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W161 2138795-2/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2020, Zl. 1077848504-191281492, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in Österreich ein und stellte am 14.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 10.10.2016, Zl. 1077848504-150854983, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs.1 iVm § 2 Abs.1 Z.13 ASylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 55 und 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV).
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht die Beschwerde erhoben.
Mit Erkenntnis des BVwG vom 09.04.2019, GZ W 163 2138795-1/29E, wurde die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
Spruchpunkt IV. des Bescheides wurde dahingehend abgeändert, dass die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Haftentlassung festgesetzt wurde.
3. Am 04.07.2019 wurde vom BFA ein Festnahmeauftrag erlassen.
4. Mit Schreiben vom 16.12.2019 wurde der nunmehrige Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot in Kenntnis gesetzt und ihm ein schriftliches Parteiengehör eingeräumt.
Am 23.12.2019 gab der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme ab.
5. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 11.07.2019, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen der Begehung von drei Verbrechen und mehrerer Vergehen zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren verurteilt.
Mit Entscheidung des OLG XXXX vom 20.05.2020, XXXX wurde die gegen den Beschwerdeführer verhängte Strafe auf neun Jahre angehoben.
Der BF befand sich seit 28.03.2019 in Untersuchungshaft, am 27.05.2020 erfolgte sein Strafantritt.
Das errechnete Strafende ergibt sich mit 28.03.2028, eine mögliche Entlassung nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe ergibt sich mit 28.09.2023, eine mögliche Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe ergibt sich mit 28.03.2025.
6. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), wurde dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z0 FPG gegen den BF ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).
Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Am 03.08.2020 langte die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan.
1.2. Sein Antrag auf internationalen Schutz vom 14.07.2015 wurde vom BFA vollinhaltlich negativ entschieden. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen mit der Abänderung, dass die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Haftentlassung festgesetzt wurde. Diese Entscheidung erwuchs am 10.04.2019 in Rechtskraft.
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 11.07.2019, abgeändert durch die Entscheidung des OLG XXXX vom 20.05.2020, wurde der nunmehrige BF zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Jahren verurteilt, der Strafantritt erfolge am 27.05.2020.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen beruhen auf dem vorliegenden Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.
Da sich die gegenständliche – zulässige und rechtzeitige – Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1
B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.
Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebrauch macht.
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).
3.2. Im vorliegenden Fall war das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren aus nachstehenden Gründen mangelhaft, weshalb spruchgemäß zu entscheiden und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen ist.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Begründung des Bescheids nicht entnommen werden kann, auf welcher Grundlage die Spruchpunkte I. bis III. neuerlich erlassen wurden, obwohl es dazu bereits eine rechtskräftige Entscheidung gibt.
Die erstinstanzliche Behörde hat es im vorliegenden Fall insbesondere unterlassen zu erheben, welche Straftaten der Beschwerdeführer konkret begangen hat, welche Strafe deshalb verhängt wurde und welche Strafbemessungsgründe maßgeblich waren. Die erstinstanzliche Behörde sich mit der Verurteilung des BF gar nicht auseinandergesetzt hat. Im Bescheid wird nur pauschal behauptet, der BF habe ein Verhalten gesetzt, das die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde, sodass eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot zu erlassen sei.
Es wäre für die Behörde leicht möglich gewesen, das der Verurteilung zugrundeliegende Urteil zu beschaffen, sich damit auseinanderzusetzen und entsprechende Feststellungen im Bescheid darüber zu treffen. Wenn im Bescheid festgehalten wird: „Wie bereits ausführlich dargelegt, haben Sie durch die Begehung der bereits im Detail angeführten strafrechtlichen Delikte in besonders geschützte menschliche Rechtsgüter eingegriffen und damit eindeutig Ihre negative Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung dokumentiert.“, so ist diese Feststellung aktenwidrig, da, wie bereits dargelegt, jegliche Feststellung zur Art der Delikte, die der BF begangen hat, im Bescheid fehlen.
Auch die Begründung zu Spruchpunkt IV. (“ Diese Voraussetzungen liegen auf Grund Ihres Verhaltens und der daraus resultierenden rechtskräftigen Verurteilungen im Bundesgebiet vor.“ ) ist unrichtig, da nur eine Verurteilung vorliegt.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte auch vor Erlassung des angefochtenen Bescheides keine einzige Einvernahme mit dem Beschwerdeführer durch. Der Beschwerdeführer wurde mit Schreiben vom 16.12.2019 vom Ergebnis einer Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt und ihm ein schriftliches Parteiengehör eingeräumt.
Die Behörde hat das Verfahren insofern mit einem gravierenden Ermittlungsmangel belastet, als sie im Vorfeld der Bescheiderlassung keine Einvernahme des Beschwerdeführers durchgeführt hat. Aufgrund der Tatsache, dass dieser zuletzt anlässlich seines im Jahr 2019 rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens am 12.02.2019 einer behördlichen Befragung unterzogen worden ist, wäre eine solche mündliche Einvernahme des Beschwerdeführers jedenfalls erforderlich gewesen, um dessen aktuelle Situation im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan sowie seine derzeitigen privaten und familiären Lebensumstände in Österreich feststellen zu können.
Die im Schreiben der Behörde getroffenen Ausführungen und insbesondere die Fragen, zu deren Beantwortung der Beschwerdeführer binnen einwöchiger Frist aufgefordert worden ist, stellen keine taugliche Grundlage zur Ermittlung des verfahrensrelevanten Sachverhaltes dar. Die Behörde hat den Beschwerdeführer lediglich mit knappem Verweis auf seine Straffälligkeit über die Gründe für die intendierte Rückkehrentscheidung, gekoppelt mit einem Einreiseverbot sowie der Verhängung von Schubhaft mit Abschiebung in das Herkunftsland, informiert. Die im Schreiben des Bundesamtes aufgelisteten sehr knappen und teils stichwortartigen Fragestellungen können für eine rechtsunkundige und im Verfahren nicht vertretene Person wohl nicht ausreichend Aufschluss darüber geben, zu welchen konkreten Sachverhalten in welchem Umfang Stellung zu beziehen wäre.
Die Behörde hat im Vorfeld der Bescheiderlassung - mit Ausnahme der Zustellung des dargestellten Schreibens zur Gewährung von Parteiengehör, welches jedoch kein geeignetes Mittel zur Erhebung aller relevanten Sachverhaltsaspekte darstellt - keine erkennbaren Ermittlungsschritte durchgeführt. Wie dargelegt, hat sich die Behörde weder erkennbar mit der konkreten Veruteilung des Beschwerdeführers befasst, noch wurde eine mündliche Einvernahme abgehalten, um den Beschwerdeführer zu den verfahrensrelevanten Aspekten seiner Rückkehrsituation sowie seiner aktuellen Lebensumstände in Österreich zu befragen.
Die aufgezeigten gravierenden Ermittlungsmängel erwecken den Eindruck, dass die Behörde die erforderlichen Verfahrenshandlungen bewusst an das Bundesverwaltungsgericht zu delegieren versuchte.
Auch ist im vorliegenden Fall die rechtliche Beurteilung in angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar und ergibt sich aus dem Bescheid nicht, aufgrund welchen Sachverhalts die erstinstanzliche Behörde die im Spruch angeführten Gesetzesbestimmungen zur Anwendung brachte.
So kann die im Spruch angeführte Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 5 FPG im vorliegenden Fall wohl nicht auf diese Gesetzesbestimmung gestützt werden. Absatz 5 leg.cit. bezieht sich auf Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ verfügten. Derartiges kann dem Akt und dem Bescheid nicht entnommen werden. Die Bescheidbegründung zu Spruchpunkt II. bezieht sich auch nicht auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle, sondern auf § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG.
In Spruchpunkt III. fehlt das Land, in welches die Abschiebung vorgenommen werden soll.
Auch in Spruchpunkt IV. ist im Spruch die Zitierung von § 53 Abs. 3 Z.0 FPG falsch.
In der rechtlichen Beurteilung findet sich dazu Folgendes: „Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden (§ 53 Abs. 1 FPG).
Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist dieses vorbehaltlich Absatz 3 für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen, wobei bei der Bemessung der Dauer das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen einzubeziehen und zu berücksichtigen ist, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Ziffer 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn wie in Ihrem Fall, ein Drittstaatsangehöriger gem. Ziffer 1 von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehen Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Diese Voraussetzungen liegen auf Grund Ihres Verhalten und der daraus resultierenden rechtskräftigen Verurteilungen im Bundesgebiet vor.
Sie wurden seit Ihrer illegalen Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig wegen einschlägiger Straftaten von einem inländischen Gericht verurteilt.“
Die Behörde geht in der Begründung offensichtlich davon aus, dass ein Tatbestand nach § 53 Abs.3 Z.1 FPG vorliegt. Tatsächlich ist für den vorliegenden Fall jedoch die Bestimmung des § 53 Abs.3 Z. 5 FPG heranzuziehen.
Zu den Spruchpunkten V. und VI. ist anzuführen, dass nach der im Spruch zitierten Bestimmung des § 18 Abs. 2 Z1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt dann abzuerkennen ist, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
In casu erfolgte der Strafantritt des BF am 27.05.2020, sein Strafende ist am 28.03.2028, die frühestmögliche Entlassung aus der Haft nach Verbüßung der Hälfte der Strafe könnte am 28.09.2023 erfolgen. Von einer sofortigen Ausreise vor Verbüßung der Strafhaft kann daher im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.
Zu diesem Punkt ist ergänzend anzuführen, dass im Spruch lediglich § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG angeführt wird, während in der Begründung zu Spruchpunkt VI. angeführt wird, der Tatbestand der Z. 1 und 3 sei in diesem Fall erfüllt. Bei Zugrundelegung dieser Rechtsansicht hätte die Z.3 auch im Spruch angeführt werden müssen.
Die erstinstanzliche Behörde hat sich somit, wie dargelegt, vor ihrer Entscheidung mit dem wesentlichen Sachverhalt nicht ausreichend auseinandergesetzt und in der Folge unvollständige bzw. aktenwidrige Feststellungen getroffen sowie auch in rechtlicher Hinsicht falsche Bestimmungen zur Anwendung gebracht.
Zusammengefasst ist festzustellen, dass sich das Bundesamt in unzureichender und im Ergebnis untauglicher Weise mit den im Bescheid zu entscheidenden Punkten auseinandergesetzt hat. Im gegenständlichen Fall erweist sich daher der angefochtene Bescheid des Bundesamtes und das diesem zugrundeliegende Verfahren in besonders gravierender Weise als mangelhaft. Die entscheidenden Ermittlungshandlungen, welche grundsätzlich von der belangten Behörde durchzuführen sind, wären demnach nahezu zur Gänze erstmals durch das Verwaltungsgericht zu tätigen.
4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da im gegenständlichen bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung StraftatEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W161.2138795.2.00Im RIS seit
04.12.2020Zuletzt aktualisiert am
04.12.2020