Entscheidungsdatum
25.08.2020Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W161 2234082-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. PHILIPPINEN, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2020, Zl. 1020288210-200082794, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 i.d.g.F. und § 61 FPG i.d.g.F. als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Philippinen, brachte am 21.01.2020 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein.
Eine EURODAC-Abfrage ergab keinen Treffer.
2. Bei der Erstbefragung am 22.01.2020 gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, sie habe ihren Herkunftsstaat erstmalig etwa im Jahr 2006 verlassen.
Sie sei mit einem Touristenvisum per Flugzeug direkt nach Österreich gekommen und habe bis zum Jahr 2018 in Österreich gelebt. Sie habe das Land wieder im Jahr 2018 in Richtung Philippinen verlassen. Von dort aus habe sie sich auf eine Arbeitsstelle in Deutschland beworben. Am 21.12.2018 sei sie dann legal mit einem Arbeitsvisum nach Deutschland gereist. Dort sei sie Angestellte im Haus der belgischen Botschaft gewesen und habe dort auch einen Ausweis bekommen. Dieser sei bis 27.01.2020 gültig. Da sie die Arbeit dort nicht mehr habe ertragen können, habe sie Deutschland illegal nach Österreich verlassen. Zu Deutschland könne sie nichts Gutes angeben. Österreich habe sie sehr gern. Auch würden ihre Geschwister hier leben. Sie haben XXXX schon als ihre Heimat angenommen. Sie habe in keinem anderen Land um Asyl angesucht. In Österreich würden zwei Schwestern von ihr leben, eine in XXXX , eine in Vorarlberg. Als Fluchtgrund gab die Beschwerdeführerin an, sie habe im Jahr 2006 große Probleme mit ihrem Gatten gehabt. Er habe ihr damals sehr wehgetan, sie habe in nicht sehen wollen und deswegen das Land nach Österreich verlassen. Bei ihrer zweiten Reise im Jahr 2018 habe sie einen Arbeitsvertrag bei der belgischen Botschaft in Deutschland bekommen. Die Arbeit dort sei für sie die Hölle gewesen, sie sei täglich anngebrüllt worden, deshalb habe sie Deutschland illegal nach Österreich verlassen. In ihrer Heimat habe sie keine Arbeit, wie könne sie dann dort leben.
3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) richtete am 23.01.2020 ein auf Art. 12 Abs. 2 oder 3 Dublin-III-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Deutschland.
Mit Schreiben vom 13.02.2020 lehnte Deutschland das Wiederaufnahmeersuchen zunächst ab.
Nach einer Remonstration von Österreich teilte Deutschland mit Schreiben vom 06.03.2020 mit, dass dem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung zugestimmt werde.
3. Nach Vollmachtsbekanntgabe am 24.01.2020 teilte die ausgewiesene Rechtsanwältin der nunmehrigen Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27.01.2020 mit, dass sie den am 21.01.2020 gestellten Antrag auf Verleihung österreichischen Asyls hiermit zurückziehe.
5.1. Bei der Einvernahme durch das BFA am 18.05.2020 gab die Beschwerdeführerin im Beisein ihrer Rechtsanwältin im Wesentlichen an, sie habe eine ausführliche Rechtsberatung in Anspruch genommen. Sie fühle sich physisch und psychisch in der Lage, Angaben zu ihren Asylverfahren zu tätigen. Sie habe bisher im Verfahren die Wahrheit gesagt und nichts zu ergänzen. Sie sei am XXXX in XXXX , Philippinen geboren, verheiratet und habe zwei Kindern. Sie sie philippinische Staatsbürgerin, habe vier Jahre die Volksschule, vier Jahre die Hauptschule und zwei Jahre lang ein College besucht und abgeschlossen. Sie habe nicht gearbeitet. Sie hätte früher vier Geschwister in Österreich gehabt, jetzt würden nur noch zwei leben, eine Schwester lebe in XXXX , mit dieser lebe sie in einem gemeinsamen Haushalt. Eine Schwester sei seit ca. 30 Jahren in Österreich und die andere Schwester sei circa 20 bis 25 Jahre hier, sie sei sich aber nicht sicher. Beide Schwestern hätten die österreichische Staatsbürgerschaft. Die Frage ob zu ihren Schwestern ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis bestehe, wurde von der Beschwerdeführerin bejaht. Sie gab weiters an, ihre Schwestern würden ihr Geld für das Essen und Kleidung geben und wenn sie etwas benötige. Ihr Partner, der am Tag der Niederschrift mit ihr mitgekommen wäre, sei immer für sie da. Er unterstütze sie in allen Situationen. Er sei der beste Freund ihres Neffen. Sie habe ihn 2018 anlässlich einer Geburtstagsfeier in XXXX kennengelernt. Befragt nach einem finanziellen oder sonstigen Abhängigkeitsverhältnis gab die Beschwerdeführerin an, ihr Partner gebe ihr monatlich 400 Euro als Taschengeld. Es sei richtig, dass sie in Deutschland eine Aufenthaltsbewilligung als „privates Hauspersonal“ gültig bis 27.01.2020 gehabt habe. Sie habe in Deutschland eine Legitimationskarte gehabt, darauf sei gestanden, dass diese bis 2020 gültig wäre. Sie sei nach ihrer Einreise in Deutschland mit dem Flugzeug am 28.12.2018 elf Monate in Deutschland gewesen. Sie habe Deutschland am achten oder zwölften Dezember 2019 verlassen. Sie sei direkt nach Österreich gereist und im Dezember hier angekommen. Sie sei sich nicht sicher, welcher Tag das gewesen wäre. Sie möchte nicht nach Deutschland zurück, sie möchte hierbleiben. Sie habe niemanden in Deutschland, sie habe nur hier in Österreich Familie und wenn eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen abgegeben werden müsse, werde das ihre Anwältin machen. Sie selber habe sonst nichts mehr zu sagen. Sie möchte einfach nicht mehr nach Deutschland zurück. Sie möchte in Österreich bleiben, weil ihre Geschwister und ihr Lebensgefährte hier seien, sie sei auch schon öfter in Österreich gewesen und kenne sich hier aus. Sie habe auch schon ein bisschen Deutsch gelernt und werde weiter Deutsch lernen. Über Befragung ihrer Vertreterin gab die Beschwerdeführerin an, ihr Chef in Deutschland sei aus Belgien. Er sei der Botschafter von Belgien gewesen und habe in Deutschland gelebt, jetzt sei ihr Chef wieder nach Belgien zurückgekehrt. Sie habe nach Rückübersetzung keine Einwendungen zum Protokoll vorzubringen, es sei alles vollständig und richtig protokolliert worden.
5.2. Am 23.06.2020 wurde der von der Beschwerdeführerin als „Lebensgefährte“ angegebene XXXX als Zeuge vor dem BFA befragt. Er gab hierbei an, die Beschwerdeführerin sei seine Lebensgefährtin. Er habe sie im Mai 2018 bei der Geburtstagsfeier eines Freundes wiedergetroffen, vom Sehen kenne er sie schon sehr lange, nämlich seit sein Freund ihre Nichte geheiratet hätte, vor acht Jahren. Von dem Zeitpunkt im Jahr 2018 an hätten sie telefoniert und sich regelmäßig gesehen und dann später begonnen, eine Beziehung zu führen. Auch in der Zeit, als die Beschwerdeführerin schon in Deutschland gewesen wäre, wäre sie schon seine Freundin gewesen. Er sei einmal im Monat hingefahren und habe sie besucht. Er sei ungefähr zehn Mal bei ihr in Deutschland zu Besuch gewesen. Er lebe mit der Beschwerdeführerin nicht in einem gemeinsamen Haushalt, sie lebe bei ihrer Schwester, diese habe die Patenschaft für sie übernommen und unterstütze sie auch. Befragt nach einem finanziellen oder sonstigen Abhängigkeitsverhältnis gab der Zeuge an: „Ja, sie ist abhängig von mir, ich überweise ihr jedes Monat 400 Euro, damit sie ihr Leben leben kann.“ Er treffe die Beschwerdeführerin jeden Tag.
5.3. Am 23.06.2020 erfolgte eine neuerliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem BFA. Sie gab an, sie habe ihr Heimatland im Jahr 2006 verlassen. Sie sei 13 Jahre in XXXX aufhältig gewesen, und zwar habe sie sich bei ihrer namentlich genannten Schwester aufgehalten. Sie sei dort nicht amtlich gemeldet gewesen. Sie wisse eigentlich gar nicht, ob sie dazwischen registriert worden sei. Befragt ob sie in diesem Zeitraum illegal in Österreich aufhältig gewesen wäre gab die Beschwerdeführerin an, sie sei mit einem österreichischen Touristenvisum eingereist, dann sei ihr Visum abgelaufen und XXXX habe ihren Fall übernommen. Sie habe den Fall beendet, weil sie den belgischen Arbeitgeber kennengelernt habe. Sie habe die ganze Zeit nichts gemacht. Sie sei erst im Jahr 2014 zu Rechtsanwalt XXXX gegangen, aber in der Zeit, in der sie illegal hier gewesen wäre, habe sie Deutsch gelernt. Im Jahr 2014 habe sie einen Arbeitgeber kennengelernt und Rechtsanwalt XXXX sei mit ihr zum Magistrat gegangen und habe für sie ein Visum beantragt. Sie hätte bei jemandem im Haushalt in Österreich arbeiten sollen, das sei dann aber nicht zustande gekommen. Sie habe später einen neuen Arbeitgeber kennengelernt. Sie habe über eine Freundin erfahren, dass der belgische Botschafter eine Hausangestellte suche und dadurch sei sie empfohlen worden und damit sie legal in Österreich bleiben könne, habe man sich darum gekümmert. Der Botschafter habe sie hier in XXXX noch interviewt und sie einstellen wollen, er hätte jedoch gemeint, sie müsse zuerst zurück auf die Philippinen und von dort nach Berlin einreisen. Sie hätte von Österreich nicht nach Berlin dürfen, da sie keine Papiere gehabt hätte. Sie hätte zuerst in ihr Heimatland müssen und habe dort einen neuen Reisepass beantragt, um dann wieder nach Europa zu kommen. Sie habe Österreich, wie sie denke im August 2018 verlassen, sie wäre circa drei Monate auf den Philippinen gewesen, weil sie auf ihren neuen Reisepass hätte warten müssen. Befragt nach ihrer Reiseroute nach Deutschland gab die Beschwerdeführerin an, sie habe bei der ersten Einvernahme eine falsche Reiseroute angegeben, sie könne sich nicht mehr erinnern, mit welcher Fluglinie sie geflogen sei, sie könne sich aber erinnern, dass sie über Istanbul geflogen wäre. Sie sei mit einem deutschen Visum eingereist und zwar am 22. oder 23. Dezember 2018. Ihre neue Arbeitsstelle habe sie am 01.01.2019 angetreten. Sie sei bis 08.12.2019 in Deutschland aufhältig gewesen. Sie sei als private Hausangestellte tätig gewesen, aber nebenbei habe sie auch serviert bei Events oder zu Hause, also eigentlich habe sie alles gemacht, nicht nur zu Hause. Sie habe ein Gehalt von € 1.600 bezogen, aber ihre Überstunden seien nie bezahlt worden. Sie habe Tag und Nacht gearbeitet, 12 bis 14 Stunden pro Tag. Die € 1.600 pro Monat habe sie erhalten, das Gehalt sei auf ihr Konto überwiesen worden. Sie habe in der belgischen Resistenz im Erdgeschoss gewohnt. Sie sei dieser Tätigkeit elf Monate nachgegangen. Befragt weshalb sie die Arbeit aufgegeben habe, gab die Beschwerdeführerin an, sie habe nicht mehr arbeiten wollen, weil sie alles für die Familie getan habe, aber die Ehefrau immer noch nicht zufrieden mit ihrer Arbeit gewesen wäre. Bei jedem kleinen Fehler hätte die Ehefrau sie angeschrieben. Es habe dann auch einen Vorfall gegeben, bei dem ihr ein Vorwurf gemacht worden wäre, weshalb die Fenster nicht geputzt wären. Die Ehefrau wäre mit ihrer Antwort nicht zufrieden gewesen und habe sie auf der linken Schulter geschlagen. Der Vorfall habe sich im Oktober 2019 abgespielt, im November habe der Botschafter sie vor die Wahl gestellt, nach Belgien mitzukommen oder wieder auf die Philippinen zurückzukehren. Sie habe jedoch nicht auf die Philippinen zurückwollen und deshalb ihren Freund angerufen und ihm gesagt, dass er sie abholen solle. Sie habe Deutschland am 08.12.2019 verlassen und sei seither durchgehend in Österreich aufhältig. Zu XXXX befragt gab sie an, sie würden eine Beziehung führen, aber noch nicht gemeinsam wohnen, sie wohne bei ihrer Schwester. Er habe eine eigene Wohnung, aber sie würden einander sehen und sie koche für ihn. Sie würden schon gerne mit ihm gemeinsam wohnen und am Wochenende übernachtet sie auch bei ihm. Sie habe ihn im Mai 2018 kennengelernt. Dieser unterstütze sie auf freiwilliger Basis, er gäbe ihr € 400 im Monat solange sie keine Arbeit habe. Sie treffe ihn täglich. Sie habe alles gesagt. Sie habe nur eine Bitte, dass sie bleiben dürfe. Sie habe nach der Rückübersetzung keine Einwendungen vorzubringen. Es sei alles vollständig und richtig protokolliert worden.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland gemäß Art. 12 Abs. 2 d Dublin-III-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, die Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG deren Abschiebung nach Deutschland zulässig sei.
Dieser Bescheid legt in seiner Begründung insbesondere auch ausführlich dar, dass in Deutschland die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich seien und den Grundsätzen des Unionsrechts genügen.
Zur Lage in Deutschland traf das BFA folgende Feststellungen (unkorrigiert und gekürzt):
Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die
erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet.
In Österreich gibt es mit Stand 03.08.2020, 07:35 Uhr: 21.304 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 718 Todesfälle; in Deutschland wurden zu diesem Zeitpunkt 211.220 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 9.154 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden.
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht, dies bestätigt auch Chinas Gesundheitsbehörde und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf. Menschen mit milden Symptomen erholen sich der WHO zufolge in zwei Wochen, solche mit schweren Symptomen brauchen drei bis sieben Wochen.
Zur Lage im Mitgliedsstaat:
Es kann nicht festgestellt werden, dass Sie in Deutschland systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen sind oder diese dort zu erwarten hätten.
Allgemeines zu Vorbringen von Asylwerbern in Dublin Verfahren:
Die Asylbehörden haben nicht nachzuprüfen, ob ein Mitgliedstaat generell sicher ist. Nur wenn sich im Einzelfall ergeben sollte, dass Grundrechte des Asylwerbers z.B. durch Kettenabschiebung bedroht sind, so wäre aus innerstaatlichen, verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben.
(VfGH 17.6.2005, B 336/05, UBAS zu 268.445/3-X/47/06 vom 14.03.2006)
Es ist nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörde, hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen. Auch aus dem Umstand, dass Anerkennungsquoten im Asylverfahren relativ gering seien, kann nicht automatisch darauf geschlossen werden, dass kein ordnungsgemäßes Verfahren geführt wird.“
(VwGH, 31.5.2005, Zl. 2002/20/0095)
Die höchstgerichtliche Judikatur ist gerade bei Anträgen ab 01.01.2006 aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 von besonderer Bedeutung.
Zu Deutschland werden folgende Feststellungen getroffen:
(Anmerkung: Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom 15.05.2020).
Allgemeines zum Asylverfahren
Letzte Änderung: 15.5.2020
In Deutschland existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten (AIDA 3.2019; vgl. BAMF o.D.a, BAMF o.D.b, BR o.D., UNHCR o.D.a, für ausführliche Informationen siehe dieselben Quellen).
Im Berichtsjahr 2019 wurden 142.509 Erstanträge vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entgegengenommen. Dies bedeutet gegenüber 2018 (161.931 Erstanträge) eine Abnahme der Erstantragszahlen um 12 %. 2019 wurden insgesamt 165.938 Asylanträge (Erstanträge und Folgeanträge) gestellt. Im gesamten Berichtsjahr 2019 wurden insgesamt 183.954 Entscheidungen über Asylanträge getroffen. Im Jahr zuvor waren es 216.873 Entscheidungen; dies bedeutet einen Rückgang um 15,2 %. Dabei lag die Gesamtschutzquote für alle Staatsangehörigkeiten im Berichtsjahr 2019 bei 38,2 % (70.239 positive Entscheidungen von insgesamt 183.954). Im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreswert (35,0 %) stieg die Gesamtschutzquote somit um 3,2 Prozentpunkte an (BAMF 2020). In den ersten vier Monaten 2020 hat die Zahl der Asylanträge im Vergleich zu den entsprechenden Zahlen des Vorjahrs weiter abgenommen.
(BAMF 4.2020)
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 4.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.a): Ablauf des Asylverfahrens, https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/AblaufAsylverfahrens/ablaufasylverfahrens-node.html, Zugriff 4.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens – Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=12, Zugriff 4.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2020): Aktuelle Zahlen (Ausgabe: Dezember 2019), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Statistik/AsylinZahlen/aktuelle-zahlen-dezember-2019.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 5.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (04.2020): Aktuelle Zahlen. April 2020, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Statistik/AsylinZahlen/aktuelle-zahlen-april-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=6, Zugriff 11.5.2020
Dublin-Rückkehrer
Letzte Änderung: 15.5.2020
Es gibt keine Berichte, dass Dublin-Rückkehrer in Deutschland Schwierigkeiten beim Zugang zum Asylverfahren hätten (AIDA 16.4.2019).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 4.5.2020
Non-Refoulement
Letzte Änderung: 15.5.2020
Bei jedem Asylantrag prüft das Bundesamt auf Grundlage des Asylgesetzes, ob eine der vier Schutzformen – Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz oder ein Abschiebungsverbot – vorliegt. Wird ein nationales Abschiebungsverbot festgestellt, darf keine Rückführung in den Staat erfolgen, für den dieses Abschiebungsverbot gilt. Den Betroffenen wird dann von der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis erteilt (BAMF o.D.b).
Im Jahr 2018 hob die Regierung ihr Abschiebeverbot für Afghanistan auf und im ersten Halbjahr wurden etwa 200 Personen dorthin abgeschoben. Die Praxis erlaubte bis dahin nur Abschiebungen von verurteilten Kriminellen und Personen, die als Sicherheitsrisiko betrachtet wurden. NGOs, darunter auch Amnesty International, kritisierten dies als Verstoß gegen das Refoulement-Prinzip (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens – Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=12, Zugriff 8.5.2020
- USDOS (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/2027519.html, Zugriff 15.5.2020
Versorgung
Letzte Änderung: 15.5.2020
Für Versorgung und Unterkunft der Asylwerber ist die zuständige Aufnahmeeinrichtung verantwortlich. Während ihres Aufenthalts erhalten die Asylwerber existenzsichernde Sachleistungen und einen monatlichen Geldbetrag zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse im Alltag. Art und Höhe der Leistungen sind durch das sogenannte Asylbewerberleistungsgesetz geregelt. Zu ihnen zählen: Grundleistungen für Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege, Gebrauchs- und Verbrauchsgüter im Haushalt, Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse, Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt sowie individuelle Leistungen, die vom jeweiligen Einzelfall abhängen (BAMF o.D.b; vgl. AIDA 16.4.2019).
Asylwerberleistungen werden auch in der Anschlussunterbringung (wie etwa einer Gemeinschaftsunterkunft oder auch einer privaten Wohnung) erbracht (BAMF o.D.b). Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen werden die Grundleistungen als Sachleistungen bereitgestellt. Die Höhe der finanziellen Unterstützung beläuft sich je nach Unterbringung auf:
Bezieher
Betrag bei Unterbringung in den Aufnahmeeinrichtungen
Betrag bei Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen
Für alleinstehende Leistungsberechtigte
135 €
354 €
Für jeden von zwei erwachsenen Leistungsberechtigte, die als Partner einen gemeinsamen Haushalt führen
122 €
318 €
Für weitere erwachsene Leistungsberechtigte im selben Haushalt
108 €
284 €
Für sonstige jugendliche Leistungsberechtigte vom Beginn des 15. und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres
76 €
276 €
Für leistungsberechtigte Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres
83 €
242 €
leistungsberechtigte Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres
79 €
214 €
Für in Aufnahmezentren untergebrachte Asylwerber gilt, dass diese mit Essen, Heizung, Kleidung und sanitären Produkten versorgt werden. Daher sind die Sätze deutlich niedriger (AIDA 16.4.2019).
Asylsuchende werden schon während der Bearbeitung ihres Antrags über die Teilnahme an Integrationskursen des Bundesamtes am jeweiligen Wohnort informiert. Für einen möglichen Arbeitsmarktzugang nehmen Beraterinnen und Berater der Bundesagentur für Arbeit vor Ort in den Ankunftszentren Erstdaten der Antragstellenden auf. Diese stehen dann den Arbeitsagenturen und Jobcentern bundesweit zur Verfügung (BAMF o.D.b).
Beim Arbeitsmarktzugang für Asylwerber und Geduldete gelten die folgenden Regelungen: Asylwerber benötigen grundsätzlich eine Arbeitserlaubnis, die durch die lokale Ausländerbehörde erteilt wird. Im 1. bis zum 3. Monat befinden sich die Personen in der Wartefrist. Ab dem 4. Monat können Asylwerber sowie Geduldete in vielen Teilen Deutschlands (mit Ausnahme einiger Regionen) eine Arbeit aufnehmen. Ab dem 16. Monat ist der Arbeitsmarkt in ganz Deutschland ohne Vorrangprüfung offen. Immer dann, wenn keine Vorrangprüfung erfolgt, ist auch eine Tätigkeit als Leiharbeitnehmer möglich. Ab dem 49. Monat ist keine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit mehr erforderlich; aber weiterhin jene der Ausländerbehörde. Für Fachkräfte und bei Ausbildung gilt ein erleichterter Arbeitsmarktzugang (BMAS 26.3.2020).
Flüchtlinge und Asylsuchende sehen sich bei der Arbeitssuche mit mehreren Hürden konfrontiert, unter anderem langen Überprüfungszeiten für Vorqualifikationen, fehlenden amtlichen Zeugnissen und Abschlüssen sowie eingeschränkten Deutschkenntnissen (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 11.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens – Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=12, Zugriff 12.5.2020
- BMAS – Bundesministerium für Arbeit und Soziales (26.3.2020): Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge, https://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Infos-fuer-Asylsuchende/arbeitsmarktzugang-asylbewerber-geduldete.html, Zugriff 12.5.2020
- USDOS (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/2027519.html, Zugriff 12.5.2020
Unterbringung
Letzte Änderung: 15.5.2020
Zunächst werden alle Asylsuchenden in den nächstgelegenen Aufnahmeeinrichtungen des jeweiligen Bundeslandes aufgenommen. Eine solche Einrichtung kann für die vorübergehende oder auch für die längerfristige Unterbringung zuständig sein (BAMF o.D.b). In Deutschland gibt es grundsätzlich drei verschiedene Arten der Unterbringung: Erstaufnahmezentren, Gemeinschaftsunterkünfte und dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen. 2015 und 2016 waren Notunterkünfte im Betrieb, die bis auf wenige Ausnahmen inzwischen wieder geschlossen wurden (AIDA 16.4.2019).
Asylwerberinnen und Asylwerber werden in der Regel zunächst in einer Erstaufnahmeunterkunft untergebracht. Nach einer Gesetzesreform vom Juli 2017 wurde die maximale Aufenthaltsdauer in der Erstaufnahmeeinrichtung von sechs auf 24 Monate erhöht. Diese Regelung wurde jedoch bis Ende 2018 nur in Bayern umgesetzt. Wenn die Pflicht zum Aufenthalt im Erstaufnahmezentrum endet, kommen Asylwerber normalerweise in Gemeinschaftsunterkünften unter, wobei es sich um Unterbringungszentren im selben Bundesland handelt. Asylwerber müssen während des gesamten Asylverfahrens in der Gemeinde aufhältig sein, die von der Behörde festgelegt wurde. Die Verantwortung für diese Art der Unterbringung wurde von den Bundesländern oftmals den Gemeinden und von diesen wiederum auf NGOs oder Privatunternehmen übertragen. Manche Gemeinden bevorzugen eine dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen. Die Standards und die Lebensbedigungen in Gemeinschaftsunterkünften unterscheiden sich nicht nur regional, sondern auch oft innerhalb bestimmter Regionen stark, daher kann nur schwerlich eine allgemeingültige Aussage über die Lebensbedingungen in solchen Einrichtungen getroffen werden (AIDA 16.4.2019).
Die Ankunftszentren sind der zentrale Zugangspunkt zum Asylverfahren. In diesen Zentren werden alle für das Asylverfahren erforderlichen Schritte durchgeführt. Dies beinhaltet die ärztliche Untersuchung durch die Länder, die Erfassung der persönlichen Daten und die Identitätsprüfung, die Antragstellung, Anhörung und Entscheidung über den Asylantrag sowie erste Integrationsmaßnahmen, wie etwa die sogenannten Erstorientierungskurse durch das Bundesamt. Darüber hinaus findet eine Erstberatung zum Arbeitsmarktzugang durch die örtliche Arbeitsagentur statt (BAMF o.D.b).
Mit den neuen Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückkehr-Einrichtungen (AnkER-Einrichtungen) wurde die Grundidee der Ankunftszentren weiterentwickelt. Das zentrale Element des AnkER-Konzepts ist die Bündelung aller Funktionen und Zuständigkeiten: von Ankunft über Asylantragstellung und Entscheidung bis zur kommunalen Verteilung, ersten integrationsvorbereitenden Maßnahmen bzw. der Rückkehr von Asylantragstellenden. Alle direkt am Asylprozess beteiligten Akteure sind vor Ort in den AnkER-Einrichtungen vertreten. Dies sind in der Regel die Aufnahmeeinrichtungen des Landes, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Ausländerbehörden, Verwaltungsgerichte, Jugendämter und die Bundesagentur für Arbeit. Für die Ausgestaltung der Zentren wird dabei kein starres Konzept vorgegeben – die Länder können hier die Schwerpunkte setzen, die ihnen besonders wichtig sind (BAMF o.D.b).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 8.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens – Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=12, Zugriff 11.5.2020
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 15.5.2020
Asylwerber sind grundsätzlich nicht gesetzlich krankenversichert, sondern haben im Krankheitsfall Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). In Abhängigkeit von Aufenthaltsdauer und -status definiert das Gesetz unterschiedliche Leistungsniveaus (GKV 6.11.2019).
Die Gesetze sehen medizinische Versorgung für Asylwerber in Fällen akuter Erkrankung oder bei Schmerzen vor. Hierbei werden beispielsweise auch Zahnbehandlung und Medikation umfasst. Sonstige, darüber hinausgehende Leistungen liegen im Ermessen der Sozialbehörden und können gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich sind. Schwangere und Wöchnerinnen sind eigens im Gesetz erwähnt. Unabdingbare medizinische Behandlung steht auch Personen zu, die – aus welchen Gründen auch immer – kein Recht auf Sozialunterstützung mehr haben. Deutsche Gerichte haben sich in verschiedenen Fällen der Sichtweise angeschlossen, dass von diesen Bestimmungen auch chronische Erkrankungen abgedeckt werden, da auch diese Schmerzen verursachen können. Berichten zufolge werden jedoch notwendige, aber kostspielige diagnostische Maßnahmen oder Therapien von den lokalen Behörden nicht immer bewilligt (AIDA16.4.2019; vgl. GKV 6.11.2019).
Zuständig für die Umsetzung dieses Leistungsanspruchs sind die Länder bzw. die von ihnen per Landesgesetz bestimmten Behörden. Innerhalb der ersten 15 Monate des Aufenthalts in Deutschland (sogenannte Wartezeit) wird dies in der Regel über die Ausgabe von speziellen Behandlungsscheinen (Krankenscheinen) durch die Sozialämter sichergestellt (GKV 6.11.2019). Bei letzteren wird von Problemen aufgrund von Inkompetenz des Personals berichtet (AIDA 16.4.2019). Die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG liegt demnach im Ermessen der kommunalen Leistungsträger. Nach der Wartezeit werden die Asylwerber gemäß § 264 Abs. 2 SGBV auftragsweise von den gesetzlichen Krankenkassen betreut. Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte (eGK), mit der Sie nahezu dieselben Leistungen erhalten wie gesetzlich Krankenversicherte. Die Krankenkassen erhalten die Aufwendungen und einen Verwaltungskostenanteil von den Trägern der Sozialhilfe erstattet (GKV 6.11.2019).
Es wirde kritisiert, dass auch Asylwerber, die eine Gesundheitskarte besitzen, immer noch lediglich Zugang zu einer Notfallbehandlung hätten. Einige Gemeinden und private Gruppen sorgten für eine zusätzliche Gesundheitsversorgung (USDOS 13.3.2020).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 11.5.2020
- GKV – GKV-Spitzenverband (6.11.2019): Fokus: Asylsuchende/ Flüchtlinge, https://www.gkv-spitzenverband.de/presse/themen/fluechtlinge_asylbewerber/fluechtlinge.jsp, Zugriff 12.5.2020
- USDOS (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/2027519.html, Zugriff 12.5.2020
Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen worden wären, werde angeführt, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums beziehe, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.
Die Identität der Antragstellerin stehe fest. Es könne nicht festgestellt werden, dass bei der Antragstellerin schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestünden. Die Antragstellerin sei im Besitz eines deutschen Schengenvisums mit der Gültigkeitsdauer von 26.11.2018 bis 25.12.2018. Auch sei sie im Besitz eines „Protokollausweises für privates Hauspersonal“ der Bundesrepublik Deutschland mit der Gültigkeitsdauer bis 27.01.2020. Deutschland habe sich mit Schreiben vom 06.03.2020 gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung für die Führung ihres Asylverfahrens für zuständig erklärt. Die Beschwerdeführerin sei spätestens am 21.01.2020 in Österreich eingereist und seit diesem Zeitpunkt in Österreich aufhältig. In Österreich würden zwei Schwestern der Antragstellerin leben. Beide seien österreichische Staatsbürgerinnen. Eine lebe in Vorarlberg, die andere lebe in XXXX . Die Antragstellerin lebe seit ihrer Einreise mit der Schwester in XXXX in einem gemeinsamen Haushalt. Die Antragstellerin habe weiters angeführt, seit Mai 2018 eine Lebensgemeinschaft mit einem österreichischen Staatsbürger zu haben. Sie lebe mit dem Angeführten nicht in einem gemeinsamen Haushalt, ein solcher habe auch bisher nicht bestanden. Eine besondere Integrationsverfestigung ihrer Person in Österreich könne nicht festgestellt werden.
Im Übrigen wurde ausgeführt, dass ein vom Beschwerdeführer im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen lassen würden, im Verfahren nicht hervorgekommen sei. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe zu. Eine Anordnung zur Außerlandesbringung habe gemäß § 61 Abs. FPG zu Folge, dass die Abschiebung in den Zielstaat zulässig sei.
6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher vorgebracht wird, entgegen der unrichtigen Ansicht der belangten Behörde sei die am 27.01.2020 erfolgte Rückziehung des Antrages der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz zulässig, dies insbesondere zumal die Beschwerdeführerin ihren Antrag bloß in Folge einer bewussten Irreführung in einem für die Behörde leicht erkennbaren Irrtum gestellt hätte. Obwohl die Beschwerdeführerin in Österreich aufgrund ihres langjährigen und rechtstreuen Aufenthaltes (2006 bis 2018 und Ende 2019) sowie ihrer familiären Nahebeziehungen (österreichischer Staatsbürger als Lebenspartner, sowie zwei Schwestern – somit ihr ganzes familiäres Wurzelsystem) Aussicht auf Erhalt eines Visums gehabt hätte, wäre ihr vor der Übernahme ihrer Vertretung durch ihre nunmehrige Vertreterin eine unrichtige Rechtsbelehrung erteilt worden, sie solle in Österreich einen sogenannten „Asylantrag“ stellen. Die Beschwerdeführerin hätte aufgrund ihrer Ortsanwesenheit bei ihrer Familie in Österreich von 2006 bis 2018 und weiteren Anwesenheit im EU-Raum natürlich keinen Anspruch auf Verleihung österreichischen Asyls. Sie habe hingegen sehr wohl Anspruch auf Verleihung eines Visums bzw. humanitären Bleiberechts. Schon aufgrund der Vernehmungsprotokolle im Asylverfahren habe sich klar und deutlich gezeigt, dass die Beschwerdeführerin einen Asylantrag gar nicht habe stellen wollen, somit eine offensichtlich verfehlte, irrtümliche Antragstellung vorgelegen wäre. Ohne auf diesen maßgeblichen Irrtum bzw. die erfolgte Irreführung Bedacht zu nehmen, stehe die belangte Behörde nun auf dem unionsrechtlich wie völkerrechtlich unvertretbaren Standpunkt, die Beschwerdeführerin könne ihren einmal gestellten Asylantrag nicht mehr zurückziehen, sodass das Asylverfahren nun unter Anwendung der Dublin-II Regeln fortzuführen wäre und die Beschwerdeführerin wäre vor Einbringung ihres Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland (nicht aber im Königreich Belgien) aufhältig gewesen sodass die Bundesrepublik Deutschland (und nicht Belgien) nach der Dublin II-Verordnung für das Asylverfahren zuständig wäre. Schließlich würde durch eine Übernahme der Beschwerdeführerin zur Durchführung eines nie beabsichtigten und daher zwecklosen Asylverfahrens durch die Bundesrepublik Deutschland das Recht der Beschwerdeführerin auf Achtung Ihres Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK verletzt. Sowohl ihr Lebensgefährte als auch ihre beiden Schwestern seien österreichische Staatsbürger und ihr Bezugspersonen. In Deutschland habe sie keine entsprechende Bindung vorzuweisen. Die Beschwerdeführerin habe zeitgleich mit der Rückziehung ihres Asylantrages einen Antrag auf Verleihung eines humanitären Bleiberechtes gestellt. Über diesen Antrag habe die belangte Behörde bis dato überhaupt nicht - auch nicht gemeinsam mit dem angefochtenen Bescheid – abgesprochen und den Bescheid dadurch mit einem Verfahrensfehler belastet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin reiste erstmalig im Jahr 2006 legal mit einem Visum in das Gebiet der Mitgliedsstaaten nach Österreich ein. Sie hielt sich nach Ablauf ihres Visums in der Folge illegal in Österreich bis August 2018 auf. In der Folge kehrte sie auf die Philippinen zurück, beantragte einen neuen Reisepass und reiste von den Philippinen im Besitz eines deutschen Schengen- Visums, gültig von 26.11.2018 bis 25.12.2018 im Dezember 2018 neuerlich in das Gebiet der Mitgliedstaaten, diesmal nach Deutschland ein. Sie arbeitete in der Folge in Deutschland als Hausangestellte für die belgische Botschaft in Berlin. Sie trat ihre Arbeitsstelle in Deutschland am 01.01.2019 an und war bis 08.12.2019 in Deutschland aufhältig. Von dort begab sie sich dann nach Österreich, wo sie nach ihrem Aufgriff am 21.01.2020 in XXXX am 21.01.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
In der Folge erfolgte eine Erstbefragung nach dem Asylgesetz am 22.01.2020 sowie eine zweifache niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem BFA, jeweils im Beisein ihrer Rechtsanwältin.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin nicht bewusst gewesen wäre, dass sie in Österreich einen Asylantrag gestellt hat bzw. dass sie einen solchen nicht hätte stellen wollen.
Das BFA richtete am 23.01.2020 ein Wiederaufnahmeersuchen an Deutschland. Deutschland stimmte mit Schreiben vom 13.02.2020 der Wiederaufnahme gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung ausdrücklich zu.
Besondere, in der Person der beschwerdeführenden Partei gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Deutschland sprechen, liegen nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Überstellung nach Deutschland Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.
Die Beschwerdeführerin leidet an keinen akut lebensbedrohenden Krankheiten.
In Österreich leben seit vielen Jahren (ca.30 Jahre bzw. ca. 20-25 Jahre) zwei Schwestern der Beschwerdeführerin. Beide haben die österreichische Staatsbürgerschaft. Mit der in XXXX lebenden Schwester lebt die Beschwerdeführerin seit ihrer Ankunft in Österreich im gemeinsamen Haushalt. Sie hat auf Grundversorgung in Österreich freiwillig verzichtet. Weiters hat die Beschwerdeführerin eine Beziehung zu einem in XXXX lebenden Österreicher. Es handelt sich nicht um eine Lebensgemeinschaft.
Eine besondere Abhängigkeit zu den genannten Personen und ein zu beachtendes Familienleben mit diesen Personen kann jedoch nicht festgestellt werden.
Besondere individuelle Gründe, die für ein Verbleiben der beschwerdeführenden Partei in Österreich sprechen würden, wurden während sämtlicher Befragungen als auch in der Beschwerde nicht vorgebracht.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des Bundesasylamtes, insbesondere den Niederschriften.
Die Feststellungen bezüglich der Zustimmung zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin seitens der Bundesrepublik Deutschland ergeben sich aus der ausdrücklichen Zustimmungserklärung Deutschlands.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich ebenfalls aus der Aktenlage. Schwere Erkrankungen der Beschwerdeführerin wurden weder behauptet, noch wurden im Verfahren ärztliche Befunde vorgelegt.
Die Feststellungen zur Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultieren aus den umfangreichen und durch Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welcher auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur allgemeinen Versorgungslage von Asylwerbern auch Feststellungen zur dortigen Rechtslange und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-III-Verordnung) getroffen. Sofern Quellen älteren Datums herangezogen wurden, ist davon auszugehen, dass sich die Lage in Deutschland nicht maßgeblich geändert hat.
Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründenden Hinweise darauf, dass das deutsche Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens sowie auf die Versorgungslage von Asylsuchenden in Deutschland den Feststellungen der verwaltungsbehördlichen Entscheidung zu folgen.
Die Feststellungen über das Familien- und Privatleben der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet beruhen auf ihren Angaben sowie auf der zeugenschaftlichen Einvernahme des XXXX .
Auch wenn zwei Schwestern der Beschwerdeführerin seit vielen Jahren in Österreich leben und die Beschwerdeführerin mit einer Schwester seit ihrer Ankunft in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt lebt, kann eine tatsächliche finanzielle oder sonstige Abhängigkeit zu dieser oder der anderen Schwester nicht festgestellt werden. Die Beschwerdeführerin hat bei ihrer Ankunft in Österreich freiwillig auf Leistungen aus der Grundversorgung, die ihr zustehen würden, verzichtet, obwohl ihr diese zugestanden wären. Sie könnte als Asylwerberin in Österreich sowohl Unterkunft als auch Grundversorgung in Anspruch nehmen, sodass von einer finanziellen Abhängigkeit nicht gesprochen werden kann. Auch gab sie nicht an, dass sie oder eine ihrer Schwestern pflegebedürftig sei oder zu diesen ein Verhältnis bestehe, das über ein normales verwandtschaftliches Verhältnis wie es unter Geschwistern üblich ist, hinausginge.
Auch der von ihr bezeichnete „Lebensgefährte“, mit dem sie laut seiner und ihrer eigenen Aussage nicht zusammenlebt, ist wohl als Freund, nicht jedoch als Lebensgefährte im juristischen Sinn zu bezeichnen. Auch die Beziehung zu ihm ist nicht derart, dass bei einer Trennung von diesem von einem unzulässigen Eingriff in das Familienleben nach Art. 8 EMRK ausgegangen werden könnte.
Eine die beschwerdeführende Partei konkret treffend Bedrohungssituation in Deutschland wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht (siehe dazu die weiteren Ausführungen in Punkt 3.).
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 57/2018, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.
Nach § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG idgFbestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl. § 75 Abs. 18 AsylG 2005 idF BGBl I 144/2013).
§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. …
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I 56/2018 lautet:
§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:
§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. …
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) lauten:
"Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
Art. 7 Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Artikel 12