Entscheidungsdatum
01.09.2020Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W161 2234352-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX geboren am XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2020, Zl. 820396503-200543171, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 idgF und § 61 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unrechtmäßig und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 02.04.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Am gleichen Tag fand die Erstbefragung des Beschwerdeführers vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.
1.3. Ein in der Folge (auf Basis des vom Beschwerdeführer angegebenen Geburtsdatums XXXX ) vom Bundesasylamt beauftragtes multifaktorielles Gutachten zur Altersbestimmung ergab für den Untersuchungszeitpunkt am 24.05.2012 ein Mindestalter von 21,6 Jahren bzw. als spätestmögliches „fiktives“ Geburtsdatum den „ XXXX “.
1.4. Am 13.06.2012 und am 23.08.2012 wurde der Beschwerdeführer jeweils vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.
1.5. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 11.03.2013, Zl. 12 03.965-BAW, den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 sowie § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab, erkannte ihm weder den Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) noch jenen eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) zu und wies ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem Bundesgebiet nach Afghanistan aus (Spruchpunkt III).
1.6. Die dagegen firstgerecht erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 09.10.2014, Zl. W176 1434021-1/5E, hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet ab. Die Spruchpunkte II. und III. des bekämpften Bescheides wurden gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
Dabei erachtete das Bundesveraltungsgericht das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers zu einem befürchteten Missbrauch als Bacha Bazi (Tanzknabe) als nicht glaubhaft.
Dieses Erkenntnis erwuchs hinsichtlich Spruchpunkt I. in Rechtskraft.
1.7. Der Beschwerdeführer wurde am 03.06.2015 (vorzeitiger Abbruch wegen verhinderter Dolmetscherin) und 11.06.2015 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen.
1.8. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 55, 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Gem § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.).
1.9. Gegen diesen am 13.07.2015 ordnungsgemäß zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 24.07.2015 fristgerecht Beschwerde.
1.10. Die vom Bundesverwaltungsgericht für den 24.01.2019 und den 29.01.2019 anberaumten mündlichen Beschwerdeverhandlungen wurden jeweils aufgrund von Erkrankung des Beschwerdeführers wieder abberaumt.
1.11. Am Tag der im Folgenden für den 02.04.2019 anberaumten mündlichen Beschwerdeverhandlung langte die Vollmachtsauflösung der rechtsfreundlichen Vertreterin des Beschwerdeführers ein.
1.12. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die eingebrachte Beschwerde am 02.04.2019 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Parteienvernehmung des Beschwerdeführers.
1.13. Mit Erkenntnis des BVwG vom 04.06.2019, Geschäftszahl W220 1434021-2/20E wurde die gegen den Bescheid vom 09.07.2015 fristgerecht erhobene Beschwerde gemäß §§ 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt II, soweit damit über die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 abgesprochen wurde, behoben (Spruchpunkt A. II.).
1.14. Am 25.09.2019 reiste der nunmehrige Beschwerdeführer selbständig nach Frankreich aus.
1.15. In der Folge leitete Frankreich ein Konsultationsverfahren mit Österreich gemäß der Dublin III-VO ein und stimmten die österreichischen Behörden einer Übernahme des Beschwerdeführers am 10.10.2019 gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO zu.
Aufgrund einer von den französischen Behörden gewährten aufschiebenden Wirkung begann die Überstellungsfrist mit 02.12.2019 neu und ende mit 02.06.2020. Innerhalb der Überstellungsfrist erfolgte keine Überstellung des Beschwerdeführers von Frankreich nach Österreich.
2.1. Der Beschwerdeführer reiste in der Folge spätestens am 29.06.2020 neuerlich illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und brachte am selben Tag den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.
2.2. Bei seiner Erstbefragung am 30.06.2020 gab der Beschwerdeführer an, er habe keine Beschwerden oder Krankheiten, die ihn an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen könnten. Er habe sich von September 2019 bis 15.06.2020 in Frankreich aufgehalten. Er sollte von Frankreich nach Österreich abgeschoben werden, da Österreich für sein Verfahren zuständig wäre, er sei dann aber selbständig am 15.06.2020 nach Österreich gereist. Die Sicherheitslage in Afghanistan habe sich verschlimmert. Die Taliban würden immer mehr Macht gewinnen und hätten jetzt auch terroristische Gruppierungen wie der IS in seinem Ort sehr viel Unheil angerichtet. Durch die Corona-Krise und fehlende ärztliche Versorgung gäbe es viele Tote. Seine Familie sei in großer Gefahr und kämpfe um ihr Leben.
2.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 03.07.2020 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung gestütztes Aufnahmeersuchen an Frankreich.
Mit Schreiben vom 09.07.2020 stimmte die französische Dublin-Behörde der Aufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung ausdrücklich zu.
2.4. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 04.08.2020 gab der Beschwerdeführer an, er fühle sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Er habe bei der Erstbefragung die Wahrheit gesagt. Er habe seit ca. eineinhalb Jahren Kopfschmerzen, Magenschmerzen und Schlafstörungen. Er nehme Schlaftabletten und weitere Tabletten gegen Kopfschmerzen und Magenschmerzen. Er sei deswegen in ärztlicher Behandlung in Frankreich und Österreich. Er sei in Österreich schon beim Arzt gewesen und habe dort nur Tabletten bekommen. Er könne keine Befunde vorlegen, er habe nur Rezepte erhalten. Er habe keine Verwandten in Österreich oder sonst in Europa. Er habe im Jahr 2017 oder 2018 Deutschkurse besucht und sei nicht Mitglied in Vereinen oder sonstigen Organisationen.
Über Vorhalt der beabsichtigten Ausweisung nach Frankreich gab der Beschwerdeführer an: „VP: Ich habe hier ca. 8 Jahre in Österreich gelebt und dann war ich für 9 Monate in Frankreich, dort konnte ich nicht gut leben. Ich hatte Schlafstörungen in Frankreich. In Frankreich wurde mir jeden Tag gesagt, dass ich nach Österreich abgeschoben werde, dies hat aber 9 Monate gedauert und dann bin ich freiwillig nach Österreich gekommen. Ich habe den französischen Behörden gesagt, dass ich zurück nach Österreich möchte.
LA: Was steht einer Ausweisung Ihrer Person nach Frankreich entgegen?
VP: Ich habe 8 Jahre in Österreich gelebt, ich habe die Sprache und die Kultur gelernt und Frankreich ist für mich komplett fremd und ich möchte hierbleiben.“
Der Beschwerdeführer gab weiters an, er sei knapp neun Monate in Frankreich aufhältig gewesen. Am Anfang sei er ein Monat auf der Straße gewesen und habe auf die Polizei gewartet, dass sie ihn abhole. Danach sei die Polizei gekommen und habe seine Fingerabdrücke genommen, dann sei er in einem Heim gewesen, es wäre wie ein Gefängnis gewesen, dort hätten 350 Menschen gelebt. Er sei versorgt worden, aber es sei kein hohes Level gewesen. Er habe das Heim aber verlassen und spazieren gehen dürfen. Er wisse nicht, wann er in Frankreich eingereist sei. Die Fingerabdrücke seien ihm am 25.09.2019 abgenommen worden. Er sei eine Woche in einem Keller gewesen, dort wären ca. drei- bis vierhundert Leute gewesen. Er habe den Keller verlassen und manchmal eine Runde spazieren gehen dürfen. Danach sei er in das Heim gekommen. Persönliche ihn konkret betreffende Vorfälle in Frankreich habe es nicht gegeben. Er habe in Frankreich keinen Asylantrag gestellt. Er möchte abschließend angeben, dass er seit fast acht Jahren in Österreich lebe. Er habe nie etwas Falsches gemacht, er habe nie gegen das Gesetz verstoßen. Warum müsse er so leiden.
2.5. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Prüfung des Antrages zuständig sei, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung nach Frankreich zulässig sei.
Der Bescheid enthält ausführliche Feststellungen zum französischen Asylverfahren. Diese Feststellungen basieren auf einer aktuellen Zusammenstellung der Staatendokumentation im Sinne des § 5 BFA-G.
Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Frankreich wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert und gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):
Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen
Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden.
Allgemeines zum Asylverfahren
Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (OFPRA 31.10.2017; vgl. AIDA 2.2017, USDOS 3.3.2017 für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: France, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018
- OFPRA – Office français de protection des réfugiés et apatrides (31.10.2017): Demander l'asile en France, https://www.ofpra.gouv.fr/fr/asile/la-procedure-de-demande-d-asile/demander-l-asile-en-france, Zugriff 24.1.2018
- USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018
Dublin-Rückkehrer
Anträge von Dublin-Rückkehrern werden wie jeder andere Asylantrag behandelt. Kommt der Betreffende aus einem sicheren Herkunftsstaat, wird das beschleunigte Verfahren angewandt. Hat der Rückkehrer bereits eine endgültig negative Entscheidung der 2. Instanz (CNDA) erhalten, kann er einen Folgeantrag stellen, so dieser neue Elemente enthält. Dublin-Rückkehrer werden wie normale Asylwerber behandelt und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie diese (AIDA 2.2017).
Wenn Dublin-Rückkehrer am Flughafen Roissy – Charles de Gaulle ankommen, erhalten die Rückkehrer von der französischen Polizei ein Schreiben, an welche Präfektur sie sich wegen ihres Asylverfahrens zu wenden haben. Dann werden sie zunächst an die Permanence d’accueil d’urgence humanitaire (PAUH) verwiesen. Das ist eine humanitäre Aufnahmeeinrichtung des französischen Roten Kreuzes, die im Bereich des Flughafens tätig ist. Es kann ein Problem darstellen, wenn die zuständige Präfektur weit entfernt liegt, denn die Rückkehrer müssen die Anfahrt aus eigenem bestreiten. Es gibt dafür keine staatliche Hilfe und auch die PAUH hat nicht die Mittel sie dabei zu unterstützen. In Paris und Umgebung wiederum kann man sich nicht direkt an die Präfekturen wenden, sondern muss den Weg über die sogenannten Orientierungsplattformen gehen, die den Aufwand für die Präfekturen mindern sollen, aber mitunter zu Verzögerungen von einigen Wochen in der Antragsstellung führen können. Viele der Betroffenen wenden sich daher an das PAUH um Hilfe bei der Antragstellung und Unterbringung. Einige andere Präfekturen registrieren die Anträge der Rückkehrer umgehend und veranlassen deren Unterbringung durch das Büros für Immigration und Integration (OFII). In Lyon am Flughafen Saint-Exupéry ankommende Rückkehrer haben dieselben Probleme wie jene, die in Paris ankommen (AIDA 2.2017).
Im Falle der Übernahme von vulnerablen Dublin-Rückkehrern muss die französische Behörde vom jeweiligen Mitgliedsstaat mindestens einen Monat vor Überstellung informiert werden, um die notwendigen Vorkehrungen treffen zu können. Je nach medizinischem Zustand, kann der Dublin-Rückkehrer mit speziellen Bedürfnissen bei Ankunft medizinische Betreuung erhalten. Auch Dublin-Rückkehrer, haben generell Zugang zur staatlichen medizinischen Versorgung (MDI 10.10.2017).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: France, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018
- Ministére de l´intérieur – Direction générale des étrangers en France – Chef du Département de l'accès à la procédure d'asile (10.10.2017): Auskunft per E-Mail
Non-Refoulement
Menschenrechtsgruppen kritisieren regelmäßig die strikt dem Gesetz folgende Abschiebepraxis Frankreichs (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
- USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018
Versorgung
Laut Asylgesetz sind die materiellen Aufnahmebedingungen allen Asylwerbern (inkl. beschleunigtes und Dublin-Verfahren) anzubieten. Die Verteilung von Asylwerbern erfolgt zentral, parallel werden regionale Vorschriften definiert und von den Präfekten in jeder Region umgesetzt. Asylwerber im Dublin-Verfahren unterliegen jedoch einer Einschränkung: sie haben keinen Zugang zu CADA-Einrichtungen und leben in der Praxis oft auf der Straße oder in besetzten Häusern. Dublin-Rückkehrer hingegen werden behandelt wie reguläre Asylwerber und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie diese. Die nationalen Aufnahmestrukturen liegen in der Zuständigkeit des Französischen Büros für Immigration und Integration (Office français de l’immigration et de l’intégration – OFII). Es wurde eine Beihilfe für Asylwerber (Allocation pour demandeurs d’asile – ADA) eingeführt, welche die vorherige monatliche Zahlung (Allocation Mensuelle de Subsistance – AMS) bzw. die temporäre Wartezeitzulage (Allocation Temporaire d’Attente – ATA) ersetzt (AIDA 2.2017). Die Höhe der ADA hängt von verschiedenen Faktoren wie die Art der Unterkunft, Alter, Anzahl der Kinder usw. ab. Asylwerber erhalten in der Regel eine monatliche finanzielle Unterstützung/Gutscheine in der Höhe von 204 Euro. Ein zusätzlicher Tagessatz wird an Asylwerber ausgezahlt, die Unterbringungsbedarf haben, aber nicht über das nationale Aufnahmesystem aufgenommen werden können (AIDA 2.2017). Seit April 2017 beträgt der tägliche Kostenzuschuss für Unterkunft 5,40 Euro (FTA 4.4.2017). Es wird jedoch kritisiert, dass die Empfänger der ADA in der Praxis mit Problemen (z.B. Verzögerungen bei der Auszahlung, intransparente Berechnung usw.) konfrontiert sind (AIDA 2.2017).
Asylwerber haben Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn OFPRA ihren Asylantrag innerhalb von neun Monaten nicht entschieden und diese Verzögerung nicht vom Antragssteller verschuldet wurde (AIDA 2.2017).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: France, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf , Zugriff 24.1.2018
- FTA – France terre d'asile (4.4.2017): L’Allocation pour demandeur d’asile revalorisée de 1,20€, http://www.france-terre-asile.org/actualites/actualites/actualites-choisies/l-allocation-pour-demandeur-d-asile-revalorisee-de-1-20, Zugriff 24.1.2018
Unterbringung
In Frankreich gibt es 303 Unterbringungszentren für Asylwerber (Centre d’Accueil pour Demandeurs d’Asile – CADA) mit rund 34.000 Plätzen, ein spezielles Zentrum für UMA, zwei Transitzentren mit 600 Plätzen, 262 Notunterbringungen mit rund 18.000 Plätzen, sowie eine nicht näher genannte Anzahl an privaten Unterbringungsplätzen. Damit verfügt das Land über etwa 56.000 Unterbringungsplätze (AIDA 2.2017).
Der Zugang zu Unterbringung erweist sich in der Praxis jedoch als sehr kompliziert. Bei der Zuweisung zur CADA muss mit längerer Wartezeit gerechnet werden, die je nach Region zwischen 51 bis 101 Tage beträgt. In Paris gibt es auch Beispiele dafür, dass Asyl gewährt wurde, ohne dass die Personen jemals Zugang zu Unterbringung gehabt hätten. Berichten zufolge reichen die derzeitigen Unterbringungsplätze der CADA nicht aus (AIDA 2.2017). Die Schaffung weiterer Unterbringungsplätze (insgesamt 12.500 Plätze davon 7.500 in CADA) ist in den nächsten zwei Jahren geplant (FRC 12.1.2018; vgl. FRC 22.12.2017).
Im Oktober 2016 wurde die informelle Siedlung in Calais, der sog. Dschungel, geräumt, in der tausende von Migranten und Asylsuchende (laut AI mehr als 6.500 Personen, laut USDOS 5.600) lebten. Man brachte 5.243 Bewohner in Erstaufnahmelager (CAO) in ganz Frankreich und stellte ihnen Informationen über das Asylverfahren zur Verfügung (AI 2.22.2017; vgl. AI 1.6.2017, USDOS 3.3.2017, AIDA 2.2017). Trotzdem leben noch etwa 350 bis 600 Migranten unter prekären Bedingungen in und um Calais. Großbritannien und Frankreich wollen die Sicherheit an der gemeinsamen Grenze jedoch verbessern. Der französische Präsident und die britische Premierministerin unterzeichneten dazu im Januar 2018 ein neues Abkommen (Zeit 19.1.2018).
Trotz der Bestrebungen der lokalen Behörden und Interessenvertreter bleiben viele Migranten und Asylwerber weiterhin obdachlos und leben landesweit in illegalen Camps (AIDA 2.2017).
Quellen:
- AI – Amnesty International (2.22.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights – France, http://www.ecoi.net/local_link/336482/479137_de.html, Zugriff 24.1.2018
- AI – Amnesty International (1.6.2017): France: At a crossroads: Amnesty International submission for the UN Universal Periodic Review, 29th session of the UPR Working Group, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1503902006_eur2167922017english.pdf, Zugriff 24.1.2018
- AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: France, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018
- FRC – Forum Réfugiés Cosi (12.1.2018): Réforme de l’asile : le raccourcissement des délais ne doit pas se faire au détriment des conditions d’accès à la protection, http://www.forumrefugies.org/s-informer/communiques/reforme-de-l-asile-le-raccourcissement-des-delais-ne-doit-pas-se-faire-au-detriment-des-conditions-d-acces-a-la-protection, Zugriff 24.1.2018
- FRC – Forum Réfugiés Cosi (22.12.2017): Asile et Immigration : Forum réfugiés-Cosi salue l’ouverture par le Premier ministre d’une consultation et alerte sur plusieurs enjeux, http://www.forumrefugies.org/s-informer/communiques/asile-et-immigration-forum-refugies-cosi-salue-l-ouverture-par-le-premier-ministre-d-une-consultation-et-alerte-sur-plusieurs-enjeux, Zugriff 24.1.2018
- USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018
- Zeit (19.1.2018): May und Macron verschärfen Grenzschutz, http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-01/grossbritannien-theresa-may-emmanuel-macron-calais-frankreich-grenzschutz-sandhurst, Zugriff 29.1.2018
Medizinische Versorgung
Am 1. Januar 2016 wurde in Frankreich der neue allgemeine Krankenversicherungsschutz (protection universelle maladie – PUMA) eingeführt. Deren medizinischen Leistungen können Asylwerber im ordentlichen, aber auch im Schnell- und im Dublinverfahren in Anspruch nehmen, sobald sie die Bestätigung über ihr laufendes Asylverfahren erhalten (Cleiss 2017; vgl. AIDA 2.2017, Ameli 12.10.2017). Bei PUMA besteht Beitragsfreiheit, wenn das jährliche Einkommen pro Haushalt unter 9.534 Euro liegt (AIDA 2.2017). In Frankreich besteht generell die Möglichkeit, eine Zusatzversicherung abzuschließen, um die Gesundheitsausgaben zu decken, die nicht von der Pflichtversicherung übernommen werden. Einkommensschwachen Personen kommt jedoch kostenfrei ein Allgemeiner Zusatzkrankenschutz (couverture maladie universelle complémentaire – CMU-C) zu, der die vollständige Kostenübernahme von Leistungen sichert (Cleiss 2017; vgl. Ameli 15.11.2017, RSB o.D.). Dies kann auch von Asylwerbern in Anspruch genommen werden (Ameli 12.10.2017). Weiters besteht die Möglichkeit für illegale Einwanderer nach drei Monaten Aufenthalt in Frankreich, von der sogenannten staatlichen medizinische Hilfe (aide médicale de l'état – AME) zu profitieren, selbst wenn andere Sozialleistungen reduziert oder entzogen worden sein sollten (AIDA 2.2017; vgl. Le Fonds CMU 2.5.2017, Ameli 13.10.2017). Neben Personen mit einem niedrigen Einkommen können auch Asylwerber die in Krankenhäusern eingerichteten Bereitschaftsdienste zur ärztlichen Versorgung der Bedürftigsten (permanences d'accès aux soins de santé – PASS) in Anspruch nehmen, während sie auf den Zugang zu CMU oder AME warten. Obwohl gesetzlich vorgeschrieben ist, dass alle Krankenhäuser die PASS anbieten müssen, ist das in der Praxis nicht immer der Fall (AIDA 2.2017).
Zugang zu mentaler Gesundheitsversorgung wird von der Gesetzgebung nicht explizit erwähnt, Asylwerber können aber im Rahmen der PUMA oder AME theoretisch psychiatrische oder psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Viele Therapeuten nehmen jedoch keine nicht-frankophonen Patienten. Traumatisierte oder Opfer von Folter können sich von einigen NGOs betreuen lassen, die sich speziell diesen Themen widmen, z.B. Primo Levi in Paris oder die Osiris-Zentren in Marseille, Mana in Bordeaux, das Forum réfugiés-Cosi Essor-Zentrum in Lyon oder Awel in La Rochelle. Die Zahl dieser spezialisierten Zentren in Frankreich ist aber gering und ungleich verteilt und kann den wachsenden Bedarf nicht decken (AIDA 2.2017).
Die Mitarbeiter der CADA sind verpflichtet, innerhalb von 15 Tagen nach Ankunft im Unterbringungszentrum eine ärztliche Untersuchung durchzuführen (AIDA 2.2017).
Im Falle der Ablehnung des Asylantrags haben Personen ein Jahr lang ab der Ausstellung des negativen Beschieds Anspruch auf medizinische Versorgung bei Krankheiten oder Mutterschaft, solange sie sich weiterhin in Frankreich aufhalten (Ameli 12.10.2017).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: France, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_2016update.pdf, Zugriff 24.1.2018
- Ameli – L‘Assurance Maladie (12.10.2017): Vous êtes demandeur d'asile, https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/europe-international/protection-sociale-france/demandeur-dasile, Zugriff 24.1.2018
- Ameli – L‘Assurance Maladie (13.10.2017): Aide médicale de l'État (AME) : vos démarches, https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/situations-particulieres/situation-irreguliere-ame, Zugriff 24.1.2018
- Ameli – L‘Assurance Maladie (15.11.2017): CMU complémentaire : conditions et démarches, https://www.ameli.fr/assure/droits-demarches/difficultes-financieres/complementaire-sante/cmu-complementaire, Zugriff 24.1.2018
- Cleiss – Centre des liaisons européennes et internationales de sécurité sociale (2017): Das französische Sozialversicherungssystem, http://www.cleiss.fr/docs/regimes/regime_france/al_1.html, Zugrif 24.1.2018
- Le Fonds CMU – Fonds de financement de la protection complémentaire de la couverture universelle du risque maladi (2.5.2017): Are you an undocumented immigrant?, http://www.cmu.fr/undocumented-immigrant.php, Zugriff 24.1.2018
- RSB – Rosny sous-Bois (o.D.): ACS - AME - CMU-C - PUMA, http://www.rosny93.fr/ACS-AME-CMU-C-PUMA, Zugriff 24.1.2018
- USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – France, https://www.ecoi.net/local_link/337141/479905_de.html, Zugriff 24.1.2018
Zu Covid-19 wurde festgestellt:
“Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursacht. In Frankreich wurden bisher 231.310 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 30.308 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 07.08.2020).
Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html, abgerufen am 07.08.2020).
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.”
Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen worden seien, werde angeführt, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums beziehe, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden könnten.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest. Er leide an keinen schweren psychischen Störungen oder schweren ansteckenden Krankheiten. Er habe in Österreich keine Angehörigen oder sonstigen Verwandten. Eine besondere Integrationsverfestigung seiner Person bestehe nicht. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller in Frankreich systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei oder diese dort zu erwarten hätte. Gründe für einen dringend notwendig erscheinenden Selbsteintritt Österreichs nach Art. 17 Dublin III-Verordnung seien im Verfahren nicht hervorgekommen. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer hier relevanten Verletzung des Art. 4 GRC, beziehungsweise von Art. 3 EMRK, im Falle einer Überstellung nach Frankreich ernstlich für möglich erscheinen ließe, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu.
19. Der Beschwerdeführer bekämpfte diese Entscheidung des Bundesamtes mittels fristgerecht eingebrachter Beschwerde. In dieser wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im Zuge der Erstbefragung vorgebracht, dass er in Frankreich in einem Keller mit ca. 300 bis 400 anderen Personen untergebracht gewesen wäre. Die Behörde habe nicht ermittelt, wie genau die Unterbringungszustände gewesen wären. Des Weiteren habe sich die belangte Behörde nur mangelhaft mit der aktuellen COVID-19-Pandemie in Frankreich auseinandergesetzt. Bei Einer Rückführung des Beschwerdeführers nach Frankreich wäre dieser mangels adäquater Schutzmaßnahmen in der Unterbringung von Asylsuchenden einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt, ohne dass es ihm möglich wäre, selbst Schutzmaßnahmen treffen zu können. Eine Rücküberstellung nach Frankreich sei daher nicht zulässig. Die belangte Behörde hätte zu dem Schluss kommen müssen, dass aufgrund der besonderen Umstände des gegenständlichen Falles eine Abschiebung nach Frankreich eine Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK sowie des 6. und 13. ZP der EMRK bzw. Art. 2 und 4 GRC gewährleisteten Rechte darstelle und vom Selbsteintrittsrecht gem. Art. 17 Abs. 1 der Dublin III-VO Gebrauch machen müssen. Der angefochtene Bescheid sei aufgrund von erheblichen Verfahrensfehlern und einer unrichtigen Rechtsanwendung erlassen worden und erweise sich daher als rechtswidrig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer reiste erstmals im Jahr 2012 illegal nach Österreich und stellte hier am 02.04.2012 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.03.2013 abgewiesen, die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des BVwG vom 09.10.2014 als unbegründet abgewiesen.
In Bezug auf die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten und in Bezug auf die Ausweisung aus dem Bundesgebiet nach Afghanistan wurden die Anträge des Beschwerdeführers ebenfalls mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.03.2013 negativ entschieden. Diese Spruchpunkte wurden in der Folge mit Erkenntnis des BVwG vom 04.06.2019 bestätigt.
Der Beschwerdeführer reiste in der Folge selbständig nach Frankreich aus und stellte dort am 25.09.2019 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Frankreich stellte in der Folge ein Ersuchen nach der Dublin-Verordnung an Österreich, welchem auch entsprochen wurde. Eine Überstellung innerhalb der vorgesehenen Überstellungsfrist erfolgte jedoch nicht.
Der Beschwerdeführer reiste dann neuerlich illegal nach Österreich ein und stellte am 29.06.2020 den verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Das Bundesamt richtete am 03.07.2020 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Frankreich, welchem die französischen Behörden mit Schreiben vom 09.07.2020 gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO ausdrücklich zustimmten.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Frankreich an.
Konkrete, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.
Der Beschwerdeführer hat keine schwerwiegenden gesundheitlichen Probleme oder Beeinträchtigungen geltend gemacht.
Besondere private, familiäre oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht.
2. Beweiswürdigung:
Die erstmalige Antragstellung des Beschwerdeführers in Österreich, die Feststellungen zum Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf dessen Angaben im Zusammenhang mit den beigeschafften diesbezüglichen Akten des BFA sowie des BVwG.
Aufgrund des vorliegenden EURODAC-Treffers zu Frankreich vom 25.09.2019 steht fest, dass der Beschwerdeführer illegal nach Frankreich weitergereist ist und dort einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.
Die Feststellungen zum durchgeführten Dublin-Verfahren mit Frankreich ergeben sich aus dem vorliegenden Akteninhalt.
Die Feststellung hinsichtlich der nunmehr erfolgten Zustimmung Frankreichs zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO basiert auf dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der französischen Dublin-Behörde; der Schriftverkehr ist Teil des Verwaltungsakts.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus der Aktenlage. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren. Vom Beschwerdeführer wurden keine schweren Erkrankungen angegeben und keine ärztlichen Befunde vorgelegt.
Dass der Beschwerdeführer über keine besonders ausgeprägten privaten, familiären oder beruflichen Bindungen zu Österreich verfügen, ergibt sich aus ihren seinen eigenen Angaben. Hinweise auf eine Integrationsverfestigung haben sich im Verfahren ebenso wenig ergeben.
Eine den Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in Frankreich wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht (siehe dazu die weiteren Ausführungen im Punkt 3).
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.
Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das französische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Frankreich den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidungen zu folgen.
Die vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen sind grundsätzlich nach wie vor ausreichend aktuell (Gesamtaktualisierung am 29.01.2018), da sich trotz älterer Quellen zwischenzeitlich keine maßgeblichen Änderungen im französischen Asylsystem und der dortigen Lage ergeben haben, sie zeichnen allerdings angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 naturgemäß ein Bild der (medizinischen) Versorgung von Asylwerbern in Frankreich, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr bzw. mittlerweile auch schon wieder Lockerungen in einzelnen Bereichen), die die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen sollen.
Für den hier gegenständlichen Anwendungsbereich der Dublin-III-VO bedeutet dies konkret, dass zahlreiche Mitgliedstaaten die Durchführung von Überstellungen temporär ausgesetzt haben bzw. keine sog. Dublin-Rückkehrer übernommen haben, wobei die Mitgliedstaaten aufgrund der dynamischen Entwicklung der Situation nach wie vor im engen Austausch miteinander stehen, ebenso mit der Europäischen Kommission. Mittlerweile haben zahlreiche Mitgliedstaaten die Überstellungen aber wieder aufgenommen, wobei der Großteil der Mitgliedstaaten derzeit um einen Verweis zum Gesundheitszustand (keine COVID-Symptome) ersucht und die Fristen für die Bekanntgabe der Überstellungen zum Teil geringfügig erweitert wurden.
Insgesamt ist davon auszugehen, dass Überstellungen erst dann wieder durchgeführt werden, wenn sich die Lage entspannt, sich die einzelnen Mitgliedstaaten wieder dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen sog. Dublin-Rückkehrer potentiell auch medizinisch zu versorgen und insofern insgesamt eine Situation eintritt, die mit jener vor Ausbruch der Pandemie vergleichbar ist.
Die skizzierten und derzeit allenfalls hinsichtlich einzelner Mitgliedstaaten noch bestehenden Überstellungshindernisse sind aus jetziger Sicht aller Wahrscheinlichkeit nach zeitlich begrenzt; es ist davon auszugehen, dass Reisebewegungen jedenfalls in der Maximalfrist der Verordnung (vgl. die in Art. 29 Dublin-III-VO geregelte grundsätzlich sechsmonatige Überstellungsfrist) wieder aufgenommen werden können bzw. teilweise auch schon wurden.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Heranziehung der Länderfeststellungen zu Frankreich nicht zu beanstanden; einerseits aufgrund der Annahme, dass dann - und nur dann - Überstellungen durchgeführt werden, wenn Frankreich wieder für die Einhaltung der einschlägigen asyl- und fremdenrechtlichen Standards garantieren kann und die Länderfeststellungen insofern wieder volle Gültigkeit haben, und andererseits aufgrund des Umstandes, dass es sich beim Beschwerdeführer um keine besonders vulnerable Person handelt, die aktuell im besonderen Maße auf eine medizinische stationäre Versorgung angewiesen wäre.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
§ 5 AsylG 2005 i.d.g.F. lautet:
„§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin - Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.“
§ 10 AsylG 2005 i.d.g.F. lautet:
„§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.“
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) i.d.g.F. lautet:
„§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.“
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) i.d.g.F. lautet:
„§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. er in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und dieser Mitgliedstaat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung dieses Antrages zuständig ist. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.
(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 24/2016)“
Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin-III-VO lauten:
„Artikel 3
Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
Artikel 7
Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 [Anm.: gemeint wohl 16] genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Artikel 13
Einreise und/oder Aufenthalt
(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller — der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können — sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Artikel 16
Abhängige Personen
(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.
(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.
(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Artikel 17
Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.
Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.
Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.
Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.
Artikel 18
Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats
(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:
a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;
b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.
(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.
Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.
In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.
Artikel 23
Wiederaufnahmegesuch bei erneuter Antragstellung im ersuchenden Mitgliedstaat
(1) Ist ein Mitgliedstaat, in dem eine Person im Sinne des Artikels 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d einen neuen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Auffassung, dass nach Artikel 20 Absatz 5 und Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags zuständig ist, so kann er den anderen Mitgliedstaat ersuchen, die Person wieder aufzunehmen.
(2) Ein Wiederaufnahmegesuch ist so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach der Eurodac- Treffermeldung im Sinne von Artikel 9 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 zu stellen.
Stützt sich das Wiederaufnahmegesuch auf andere Beweismittel als Angaben aus dem Eurodac-System, ist es innerhalb von drei Monaten, nachdem der Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Artikel 20 Absatz 2 gestellt wurde, an den ersuchten Mitgliedstaat zu richten.
(3) Erfolgt das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der in Absatz 2 festgesetzten Frist, so ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, in dem der neue Antrag gestellt wurde.
(4) Für ein Wiederaufnahmegesuch ist ein Standardformblatt zu verwenden, das Beweismittel oder Indizien im Sinne der beiden Verzeichnisse nach Artikel 22 Absatz 3 und/oder sachdienliche Angaben aus der Erklärung der betroffenen Person enthalten muss, anhand deren die Behörden des ersuchten Mitgliedstaats prüfen können, ob ihr Staat auf Grundlage der in dieser Verordnung festgelegten Kriterien zuständig ist.
Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für die Erstellung und Übermittlung von Wiederaufnahmegesuchen fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Artikel 25
Antwort auf ein Wiederaufnahmegesuch
(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderli