TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/7 W117 1436978-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.09.2020
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Entscheidungsdatum

07.09.2020

Norm

AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
BFA-VG §9 Abs2
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W117 1436978-3/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Andreas DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , diese vertreten durch RA Mag. M. DIETRICH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.07.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. und II des angefochtenen Bescheides stattgegeben, gemäß § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und XXXX gemäß § 54 Abs. 1 Z 1, § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung" auf die Dauer von 12 Monaten erteilt.

II. Die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die minderjährige Beschwerdeführerin wurde als Tochter von Asylwerbern (Beschwerdeführer zu W117 1436976-3 und W117 1436977-3) im österreichischen Bundesgebiet geboren. Am 31.12.2012 wurde für sie durch ihre Mutter ebenfalls internationaler Schutz beantragt und die Fluchtgründe des Vaters geltend gemacht

Mit Bescheiden vom 27.07.2013, Zlen: 1.) 12 12.554-BAI, 2.) 12 12 555-BAI und 3.) 13 00.102-BAI, wies das Bundesasylamt die Anträge aller Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF ab (Spruchpunkt I.). Weiters wies es die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten unter Bezugnahme auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Absatz 1 iVm 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und wies die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt III.).

Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.08.2014, Zlen. W204 1436976-1/8E, W204 1436977-1/7E und W204 1436978-1/7E, hinsichtlich Asyl und subsidiären Schutz als unbegründet abgewiesen und zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zurückverwiesen.

Am XXXX wurde der Bruder der Beschwerdeführerin (Beschwerdeführer zu W117 2109620-2) im Bundesgebiet geboren. Am 23.01.2015 stellte seine Mutter als gesetzliche Vertreterin für ihn ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.06.2015 wurde den Eltern und der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 iVm Abs. 9 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in die russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Mit Bescheid vom selben Tag wies das BFA den Antrag des Bruders der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF ab (Spruchpunkt I.). Weiters wies es seinen Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten unter Bezugnahme auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Absatz 1 iVm 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 iVm Abs. 9 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in die russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III).

Die gegen diese Entscheidungen erhobenen Beschwerden wurden seitens des Bundesverwaltungsgerichtes mit Erkenntnis vom 19.03.2018, Zlen. W171 1436976-2/9E, W171 1436977-2/10E, W171 1436978-2/7E und W2109620-1/7E, als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis ist am 20.03.2018 in Rechtskraft erwachsen.

Die Beschwerdeführerin beantragte – so wie ihre Familienangehörigen - am 03.04.2018 umgehend mittels Formular einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005. Dazu legte sie eine österreichische Geburtsurkunde vom 22.01.2013 und einen Versicherungsdatenauszug vom 30.03.2018 vor.

Mit Verbesserungsauftrag vom 17.04.2018 wurde die Vorlage eines gültigen Reisepasses und einer Kindergarten- oder Schulbesuchsbestätigung binnen 4 Wochen erbeten.

Die Frist wurde über Ersuchen der Beschwerdeführer mehrfach verlängert.

Ermittlungen gemäß § 60 Abs. 3 Z 1 AsylG betreffend die Beschwerdeführerin verliefen nach der Mitteilung der LPD XXXX vom 21.11.2018 negativ.

Mit Schriftsatz vom 24.01.2019 wurden die Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und ihnen eine Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme eingeräumt. Eine Stellungnahme erfolgte nicht.

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.07.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen vom 03.04.2018 gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung erteilt (Spruchpunkt IV.).

Auch die Anträge ihrer Eltern und ihres Bruders auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005 vom 03.04.2018 wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.07.2019 gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende vollumfängliche Beschwerde aller Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 20.08.2019. Seit rechtskräftigem Abschluss der Asylverfahren mit 20.03.2018 seien fast eineinhalb Jahre vergangen, in der sich die Beschwerdeführer weiter nachhaltig integriert hätten. Sie hätten zahlreiche Integrationsunterlagen vorgelegt und sei insbesondere festzuhalten, dass der Vater der Beschwerdeführerin nunmehr als Zeitungsausträger selbständig arbeite und so viel verdiene, dass er nicht mehr auf die Grundversorgung angewiesen sei. Ab August 2019 sei die Familie selbsterhaltungsfähig. Die Beschwerdeführerin komme im Herbst in die Schule, der Bruder in den Kindergarten. Es müsse ausdrücklich auf die vorbildliche Integration der Beschwerdeführer hingewiesen werden. Der Vater der Beschwerdeführerin habe im Rahmen des Erlaubten stets versucht, einer ordentlichen Arbeit nachzugehen. Selbst wenn die Behörde zur Ansicht gelangt sei, dass die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 AsylG 2005 nicht vorlägen, so hätte ihnen zumindest eine Aufenthaltsberechtigung nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt werden müssen. Insbesondere die Situation der Kinder müsse nach der jüngsten Judikatur des VfGH im Falle einer Rückkehr eruiert werden. Es sei angesichts der intensiven Bemühungen der Beschwerdeführer von ihrer künftigen Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen und sie seien darüber hinaus auch privat vielfältig vernetzt. Nochmals sei darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführer über sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art. 8 EMRK verfügten. Beantragt werde ua. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Die Beschwerden langten am 26.08.2019 mitsamt den bezughabenden Verwaltungsakten beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit am 10.06.2020 eingelangter verfahrensleitender Anordnung des VwGH vom 02.06.2020, Fr 2020/21/0021 bis 0024-2, wurde der Fristsetzungsantrag der Beschwerdeführer vom 20.04.2020 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung binnen drei Monaten zugestellt.

Am 03.08.2020 fand beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit eines Dolmetschers für die russische Sprache statt, an welcher der Vater der Beschwerdeführerin (BF1) und die Mutter der Beschwerdeführerin (BF2) teilnahmen. Die minderjährigen Kinder (Beschwerdeführerin und ihr Bruder) sowie der anwaltliche Vertreter der Beschwerdeführer waren nicht anwesend und blieb ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Verhandlung entschuldigt fern. Eingangs gaben die Eltern der Beschwerdeführerin dabei auf Befragen an:

„RI befragt die beschwerdeführenden Parteien, ob diese psychisch und physisch in der Lage ist, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen und an sie gerichteten Fragen wahrheitsgemäß beantworten?

BF1 und BF2: Ok.

Festgehalten wird, dass die Verfahren des BF, seiner Gattin und der Kinder in einem geführt werden als verfahrensökonomischen Gründen. BF1 und BF2 vertreten auch BF3 und BF4.

Festgehalten wird, dass das Vertretungsverhältnis zum Anwalt weiterbesteht, er aber aus Kostengründen nicht an der Verhandlung teilnimmt, die Vertretung hätte 1.200 Euro gekostet und das wäre den BF zu teuer gewesen.

Diese Verhandlung nahm sodann folgenden Verlauf:

„RI: Sie haben sich einen Reisepass 3.12.2018 ausstellen lassen, wo?

BF1: Ich habe mir den am russ. Konsulat in XXXX . ausstellen lassen.

RI: Sie sind seit 2012 durchgehend in Ö?

BF1 und BF2: Ja.

Festgehalten wird, dass das BVwG mit Erkenntnis W171 1436976-2/9E u.a. vom 19.3.2018, zugestellt am 20.3.2018, die Beschwerde der Familie in Bezug auf den Erhalt eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 abgewiesen hatte und die BF in der Folge am 3.4.2018 wiederum einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels stellte, der im gegenständlichen Verfahren von der Verwaltungsbehörde abgewiesen wurde und gegen den die BF allesamt eine Beschwerde erhoben.

RI: Was hat sich seit dem Erkenntnis des Kollegen im Jahre 2018 Neues ergeben? Arbeiten Sie jetzt?

BF1 auf Deutsch: Ja, nachgefragt: ich arbeite als selbständiger Zeitungszusteller bei XXXX . Das ist eine große österreichische Nachrichtenfirma, die die Zeitungen mit Informationen beliefert.

BF1 legt diesbezüglich eine Bestätigung vom 16.7.2020 vor.

BF1 legt auch eine Bestätigung einer fixen Übernahme seiner Person in ein weiteres Beförderungsunternehmen ( XXXX ) vom 22.7.2020 vor, dies aber unter der Voraussetzung, dass das positiv wird.

RI: Wie viel verdienen Sie bei XXXX ?

BF: Zwischen 1.600 und 2.000 Euro netto.

Dem BF1 wird aufgetragen, innerhalb einer Woche Gehaltsbestätigungen der XXXX dem Gericht zukommen zu lassen.

RI: Wie viele Stunden arbeiten Sie pro Woche?

BF1: Ich habe ein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis. Ich fange um 3 Uhr früh an und stelle die Zeitung auch zuhause zu. Ich arbeite bis acht oder neun Uhr.

Festgehalten wird, dass der BF1 in ausgezeichnetem Deutsch die Antworten liefert. Der D wird aber zur Sicherheit weiter der Verhandlung beiwohnen.

RI: Was machen Sie danach?

BF1: Ich komme um 9 Uhr nach Hause, dann schlafe ich von 10 Uhr oder 11 Uhr zwei, drei Stunden lang. Ich schlafe zweimal von 10 Uhr am Abend bis zwei, drei Uhr früh, um dann wieder zu arbeiten.

RI: Was machen Sie in der Zwischenzeit?

BF1: Dann esse ich zu Mittag mit der Familie. Aktuell auch mit den Kindern, weil ja keine Schule ist. Während der Schulzeit bin ich verantwortlich dafür, den Sohn vom Kindergarten abzuholen. Die Tochter ist schon selbständig und kommt alleine nach Hause. Die Schule ist nämlich auch in der Nähe meiner Wohnung. Am Nachmittag gehen wir entweder spazieren oder ich bin alleine mit den Kindern.

BF2 auf Deutsch: Ich arbeite derzeit nicht, aber ich backe sehr gerne, ich bringe den Sohn in den Kindergarten, mein Mann holt ihn ab. Ich bin den ganzen Tag zu Hause und verrichte die Hausarbeit oder gehe oft mit Freundinnen in die Bibliothek.

Festgehalten wird, dass auch BF2 die Antworten in deutscher Sprache gibt, hier scheint kein D notwendig.

BF2: Ich würde ja gerne arbeiten, aber mit meinem derzeitigen Status geht das gar nicht.

BF1: Nur meine Firma, die XXXX , ermöglicht es, über Werkvertrag sich zu beschäftigen.

RI: Sind Sie sozialversichert?

BF1: Ja, ich bin seit 1.1.2019 sowohl kranken- als auch unfallversichert, durchgehend.

RI: Sind Sie versichert?

BF2: Ich bin über das Land XXXX versichert, das funktioniert wie folgt: Bevor ich zum Arzt gehe, gehe ich zur Krankenkasse, dann hole ich den Zettel für die drei Monate, die Krankenkassabeamtin fragt mich, zu welchem Arzt ich gehe, dann sage ich ihr den Arzt, dann wird das eingetragen und dann gehe ich mit dem Zettel zum Arzt und gebe diesen ab. Das gilt auch für die Kinder, für diese wird das auch selbständig gemacht.

BF1: Für den Fall, dass ich eine positive Antwort erhalte, würde meine Gattin über mich versichert sein.

RI: Wie sind Ihre Wohnverhältnisse?

BF1 legt vor: Benützungsvereinbarungsverlängerung hinsichtlich der vom ihm mit der Familie in Anspruch genommenen zweieinhalb Zimmer plus - „allgemeine Räume (Küche, Bad, WC)“. Die Wohnfläche beträgt 57,17 m2. Vertragspartner ist die Caritas der Diözese XXXX . Jetzt wird das aktuell verlängert.

BF2 legt zum Nachweis ihrer Deutschkenntnisse ein Zertifikat „Zeugnis zur Integrationsprüfung“ (Sprachkompetenz Werte- und Orientierungswissen) mit Niveau A2 vor, ausgestellt am 14.5.2018.

RI: Sie wurden mit Urteil des LG XXXX unter der Zahl XXXX wg. gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 und § 148, 1. Fall STGB verurteilt, weil Sie Leistungen im erheblichen Ausmaß aus der GVS bezogen haben.

BF1 gibt dazu an, Russisch antworten zu wollen:

Am Anfang hatte ich überhaupt keine Ahnung, dass das ungesetzlich ist. Ich habe nie irgendetwas beispielsweise gestohlen. Ich erhielt vom Staat seinerzeit die Grundversorgung. Dieses Geld hat für das Leben nicht ausgereicht, es war für die ganze Familie 840 Euro und das reichte für zwei Kinder, meine Gattin und mich, alles zusammen, nicht aus. Ich suchte offiziell Arbeit, ich bin einfach zu den Firmen gegangen und habe gefragt, ob sie Arbeit haben. Die Firmen sagten mir aber, sie könnten mich nicht nehmen, weil ich keinen Aufenthaltsstatus habe. Danach, 2015, habe ich die Firma XXXX gefunden. Diese Firma hat mich als Selbständigen aufgenommen, was eben von Gesetzes her möglich war. Am Anfang verdiente ich ca. 400 oder 500 Euro netto, ich hatte nicht Vollzeit gearbeitet. Ich glaube, ich kann es aber nicht mehr ganz genau sagen, da bekam ich diesen geringen Betrag. Dann begann ich allmählich immer mehr und mehr zu arbeiten. Ab 2016 oder so habe ich dann angefangen Vollzeit zu arbeiten. Jedes Jahr habe ich dann mehr und mehr gearbeitet.

RI: Sie hatten im Jahr 2012 ein Info-Blatt erhalten, dass Sie das nicht machen dürfen.

BF1: Ich hatte eine Gerichtsverhandlung in XXXX und da habe ich den Sachverhalt erklärt. Ich sagte, dass ich 2012 nach Österreich gekommen bin, um Asyl zu beantragen. Ich habe dem Strafrichter erklärt, dass ich damals unter großem Stress stand und einfach alle Papiere unterschrieben habe, nur, um hierbleiben zu dürfen, ich habe diese Papiere aber nicht gelesen.

RI: Es müsste Ihnen ja klar gewesen sein, dass man nicht zweimal kassieren darf.

BF1: Ich befinde mich hier in einem fremden Land, ich kannte die Gesetze nicht, ich wusste das irgendwie nicht. Anfangs konnte ich auch zu wenig Deutsch. Ich kannte auch zu wenig Leute, die ich fragen hätte können. Dann frage ich mich, wieso die österr. Behörden so lange gewartet haben, um mir das vorzuwerfen, man hätte mir das schon 2015 sagen können, dass ich das nicht darf. Ich habe alles ja ganz offen gemacht und nie verheimlicht, der österr. Staat wusste ja davon. Sie sehen doch an uns, was wir für eine Familie sind, wir haben nie gestohlen, ich kenne viele Leute, die rauben, stehlen. Sie bekommen dann ins Gefängnis und bekommen dann sogar ein positives Erkenntnis.

RI: Sie wurden damals verurteilt, was ist mit der Strafe eigentlich, 12 Raten: 11 Raten in Höhe von 60 Euro und 1 Rate in Höhe von 69 Euro, haben Sie das schon bezahlt? Wie weit sind Sie mit der Strafabgeltung?

BF1: Ich zahle monatlich, ich erklärte dem Strafrichter das genauso wie Ihnen, ich hatte auch einen Anwalt dabei. Der R hat mich verstanden, hat sich in meine Lage versetzt und mir diese Strafe gegeben. Ich bezahlte diese Beträge auch.

RI: Was ist mit dem Schaden, der der Republik entstanden ist durch die unrechtmäßige Zuwendung?

BF1: Ich wäre bereit gewesen, den der Republik entstandenen Schaden zu tilgen, ich wurde vorgeladen vor die BH XXXX . Ich habe dort mit einem Hrn. XXXX , einem Beamten, gesprochen. Er hat mir genau das gleiche gesagt, wie Sie heute, ich muss den Schaden tilgen. Ich habe gesagt, einverstanden, ich werde das machen. Er sagte, ich soll einen Lohnzettel bringen, damit man sieht, wie viel ich verdiene. Ich soll eine Aufstellung machen, wofür ich das Geld verwende. Er sagte, wir schauen dann, wie viel ich monatlich zurückzahlen kann. Das war vor dem Corona-Ausbruch, Februar/März. Ich bin der Einzige, der verdient. Ich habe ein Auto, das brauche ich ja zur Arbeit, ich habe das auch alles aufgeschrieben, was ich mit dem Geld mache. Ich sagte, wenn Sie mir eine Aufenthaltsbewilligung geben, könnte meine Frau auch arbeiten. Vor einem Monat schickten sie mir dann einen Brief mit der Aufforderung, Geld zurückzuzahlen, ich gab den Brief meinen Anwalt, damit er sich mit Hrn. XXXX in Verbindung setzt. Das ist kein Problem, ich zahle das Geld gerne an den Staat zurück. Ich bin sehr willig, den Schaden wiedergutzumachen. Der Anwalt wollte schon kommen, aber wir konnten ihn nicht zahlen.

BF1 wird aufgetragen, diesen Brief innerhalb 1 Woche vorzulegen.

BF1 versucht telefonisch den Anwalt zu erreichen, um dem Gericht die genannten Schriftstücke zusenden zu lassen.

BF1 übergibt das Telefon dem Richter. Dieser nennt seine Email-Adresse, wohin die genannten Schriftstücke gesandt werden sollen.

RI: Wie viel könnten Sie jetzt zahlen?

BF1: Nachdem ich diese Strafe abbezahlt habe und wenn ich weiterhin so viel verdiene wie bis jetzt, könnte ich monatlich 100 bis 150 Euro bezahlen. Deshalb ersuche ich Sie auch um eine Aufenthaltsberechtigung, dann könnte meine Frau auch mitzahlen.

BF2 bringt zur Integration vor, dass sie auch B1 erfolgreich abgelegt habe.

BF2 legt diesbezüglich das Zeugnis vom 11.7.2020 zur Integrationsprüfung vor.

BF2 wird zu Ihrem persönlichen Werdegang befragt:

Ich komme aus Dagestan und habe dort 11 Klassen Schule gemacht, dort konnte ich nicht arbeiten. ich wollte ursprünglich Lehrerin oder Ärztin werden, ich dachte, nach der Heirat studiere ich, dann bekamen wir Probleme und wir kamen nach Österreich. Einen Beruf habe ich nicht gelernt.

BF1: Ich habe 6 Jahre die Universität besucht und erfolgreich abgeschlossen, ich habe diplomiert. Ich habe auch bei der Feuerwehr freiwillig gearbeitet.

RI: Wie stellen Sie sich Ihr Leben hier weiter vor?

BF2: Ich möchte arbeiten, wenn die Kinder noch klein sind, kann ich von 7 bis 12 Uhr arbeiten.

RI: Haben Sie eine Einstellungszusage?

BF2: Ich habe zB bei einer Konditorei gefragt, einmal im Monat treffe ich mich im Frauenkaffee mit verschiedenen Leuten, die erklären uns, welche beruflichen Möglichkeiten wir haben. Sie haben mir gesagt, wenn ich den Status habe, könnte ich in der Bäckerei oder Konditorei arbeiten.

BF1: Was machen Sie gerade in jüngster Zeit von der Arbeit her?

BF1 verweist auf die vorgelegte Mappe, wonach er bei der Rettung den Erste-Hilfe-Kurs, die Branddienstkursausbildung bei der Feuerwehr gemacht hat und dass er aktives Mitglied bei der Ortsfeuerwehr in XXXX ist.

BF legen auch zahlreiche Bescheinigungen in Bezug auf die von ihnen vorgenommenen Integrationsaktivitäten vor.

BF2 gibt für BF3 und BF4 an, dass diese auch immer mit Österreichern in Spielgruppen zusammen sind, verweist auf das gute Zeugnis von BF3, das nur zwei Zweier uns sonst lauter Einser enthält.

BF2 legt auch noch eine Fotomappe mit offensichtlich Feierlichkeiten und Betreuungstätigkeiten vor.

Die Unterlagen (gesamte von BF vorgelegte Mappe) wird kopiert und zum Akt genommen.

BF1: Ich habe vergessen, dass ich auch bei der Organisation „Tischlein deck dich“ mitarbeite. Bei dieser Aktion werden Lebensmittel an Bedürftige verteilt, ich sortiere die Lebensmittel aus, ich werfe schlecht gewordene Lebensmittel weg. Ich mache dies pro Woche einmal für zwei bis drei Stunden, das mache ich seit ca. einem halben Jahr. Während der Corona-Zeit habe ich das nicht gemacht, man sagte, wir müssten dabei zu nahe beieinanderstehen, wenn wir die Lebensmittel aussortieren. Jeden Mittwoch helfe ich zusätzlich einer alten Frau beim Einkaufen. Ich gehe für sie in die Apotheke und erledige die Einkäufe. Seit einem Jahr ist sie nicht rausgegangen, jetzt ist sie zwei-, dreimal rausgegangen, sie ist schwindlig und ich gehe mit ihr auch spazieren. Sie hat keine Kinder.

BF1 gibt noch ergänzend an, ich werde 100%ig sicher dem österr. Staat den Schaden ersetzen, so wie ich jetzt schon die Strafe zahle.

BF1 und BF2 geben auch noch an, hier in Österreich über einen großen österr. Freundeskreis, alleine schon von der Schule her, zu verfügen.

BF1 gibt an, einen österr. FS besitzt und diesen in Österreich gemacht hat.

BF1 legt dem Richter den Führerschein, ausgestellt am 28.9.2016, vor.

BF1: Die FS-Prüfung habe ich in Österreich gemacht.

Festgehalten wird, dass der zuständige Einzelrichter einen sehr positiven Eindruck von den BF gewonnen hat, insbesondere wirkt überzeugend die Bereitschaft zur Schadengutmachung und auch die Deutschkenntnisse, insbesondere jene der BF2.“

Vorgelegt wurden:

-Bestätigung der XXXX vom 16.07.2020 über die Tätigkeit des BF1 als neuer Selbständiger auf Werkvertragsbasis seit Jänner 2015

-Arbeitsplatzzusage vom 22.07.2020 von XXXX im Fall der Klärung der Umstände des BF1

-mehrere Unterstützungs- bzw. Empfehlungsschreiben für die Beschwerdeführer vom Juli 2020

-ÖSD-Integrationszeugnis B1 vom 11.07.2020 für die BF2

-ÖSD-Deutschzertifikat A2 vom 08.04.2015 für den BF1

-Benachrichtigung über das Nichtbestehen der B1-Prüfung vom 08.05.2018 für BF1

-Bestätigung der Caritas vom 13.07.2020 über die Unterkunftnahme der Beschwerdeführer im Caritasquartier und die Selbsterhaltungsfähigkeit des BF1 ab 01.08.2019 wegen Erwerbstätigkeit.

- Bestätigung vom 13.07.2020 der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen über die Kranken- und Unfallversicherung des BF1 ab 01.01.2019 bis laufend

-Schulbesuchsbestätigung vom 10.07.2020 erste Klasse Volksschule 2019/2020 für die Tochter

-Schulnachricht vom 07.02.2020 erste Klasse Volksschule 2019/2020 für die Tochter

-undatierte Benützungsvereinbarung- Verlängerung über die Unterkunft von der Caritas bis 31.07.2020

-Bescheinigung der Berufsrettung XXXX vom 02.07.2017 über die Teilnahme des BF1 an einer Erste-Hilfe-Unterweisung

- Bescheinigung der Berufsrettung XXXX vom 02.07.2017 über die Teilnahme der BF2 an einer Erste-Hilfe-Unterweisung

-Teilnahmebestätigung für den BF1 an einer Branddienst-Grundausbildung am 01. und 02.09.2015

-Mitgliedsbestätigung der Ortsfeuerwehr XXXX vom 14.04.2015 seit 02.09.2014 für den BF1

ÖIF-Zeugnis zur Integrationsprüfung A2 vom 14.05.2018 für die BF2

-zahlreiche Fotos (von Aktivitäten und Festen der Kinder, Backwerk und Torten, Treffen und Einladungen sowie sozialen Aktivitäten in der Gemeinde)

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die minderjährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation. Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest. Sie wurde im Bundesgebiet geboren.

Die Beschwerdeführerin befand sich seit ihrer Geburt gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem Bruder bis zum negativen Abschluss ihres Asylverfahrens am 20.03.2018 rechtmäßig im Bundesgebiet.

Sie lebt mit ihren Eltern und ihren minderjährigen Bruder im gemeinsamen Haushalt.

Die Beschwerdeführerin hat im Bundesgebiet bereits den Kindergarten besucht und auch schon die erste Klasse Volksschule mit sehr gutem Erfolg absolviert. Es ist daher von entsprechenden sozialen Kontakten auch außerhalb des Familienverbandes auszugehen. Zu dem seit etwa 12 Jahren in Österreich aufhältigen Onkel sowie Cousins und Cousinen ihres Vaters besteht kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis. Ihre übrigen Verwandten (Großeltern, Onkel, Tante usw.) leben noch im Herkunftsstaat.

Den Eltern der Beschwerdeführerin wurde mit jeweiligen Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“, dem minderjährigen Bruder eine „Aufenthaltsberechtigung“ erteilt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Identität und Herkunft der Beschwerdeführerin stützen sich auf ihre diesbezüglich glaubwürdigen Angaben ihrer Eltern in den bisherigen Verfahren sowie die dazu vorgelegten Personaldokumente (österreichische Geburtsurkunde im Zusammenhalt mit den Reisepässen ihrer Eltern).

Die Ausführungen im Rahmen des Verfahrensganges und Feststellungen zum Asylverfahren und Verfahren hinsichtlich der Erteilung eines Aufenthaltstitels der Beschwerdeführerin sowie ihrer Familienangehörigen ergeben sich aus den entsprechenden Akten des Bundesasylamtes sowie den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.08.2014 und vom 19.03.2018.

Die Feststellungen zur persönlichen Situation der Beschwerdeführerin und ihrer Familienangehörigen im Herkunftsstaat und in Österreich ergeben sich aus den glaubwürdigen Angaben ihrer Eltern im Rahmen der bisherigen Verfahren und der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 03.08.2020. Deren Angaben konnten zudem durch entsprechende im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vorgelegte und oben näher dargestellte integrationsbelegende Unterlagen bestätigt bzw. untermauert werden. Die Feststellungen über den Besuch des Kindergartens und der ersten Klasse Volksschule ergeben sich aus dem angefochtenen Bescheid im Zusammenhalt mit den vorgelegten Schulzeugnissen. Ihre soziale Integration ist außerdem den zahlreichen Fotos von Kinderfesten und entsprechenden gemeinsamen Unternehmungen zu entnehmen.

Die Aufnahme weiterer Beweise war wegen Entscheidungsreife nicht mehr erforderlich.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

In vorliegendem Fall ist in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen und obliegt somit in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

Zu A)

I. Zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides (Rückkehrentscheidung, Abweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels):

Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird. Auch das AsylG sieht eine entsprechende zwingende Verbindung von Aussprüchen nach § 56 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung vor. § 10 Abs. 3 AsylG lautet: „Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.“

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG BGBl I. Nr. 87/2012 idgF zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß § 9 Abs. 4 BFA-VG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1.       ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2.       er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

Gemäß § 9 Abs. 5 BFA-VG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

Gemäß § 9 Abs. 6 BFA-VG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl Nr 60/1974 gilt.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VfGH 29.9.2007, B 1150/07; 12.6.2007, B 2126/06; VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479; 26.1.2006, 2002/20/0423).

Das Verfahren betreffend Aufenthaltstitel erfordert eine Einzelfallbeurteilung. Bei der bei Abweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gebotenen Gesamtbeurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes sind gemäß Art. 8 EMRK alle relevanten Umstände seit der Einreise der Fremden zu berücksichtigen (VwGH 16.12.2014, Zl. 2012/22/0148).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.01.2006, 2002/20/0423, vom 08.06.2006, Zl. 2003/01/0600-14, oder vom 26.1.2006, Zl.2002/20/0235-9, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Die Beschwerdeführerin lebt in Österreich seit ihrer Geburt mit ihren Eltern und ihrem danach geborenen Bruder, welche ebenfalls gleichlautende Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung stellten, im gemeinsamen Haushalt. Anzumerken ist, dass den Eltern der Beschwerdeführerin und ihrem Bruder mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom heutigen Tag jeweils ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 erteilt wurde und diese damit zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist.

Es besteht im vorliegenden Fall ein schützenswertes Familienleben iSd Art. 8 EMRK. Eine Rückkehrentscheidung, die die gesamte Familie betrifft, würde nicht in das Familienleben der beschwerdeführenden Parteien eingreifen (vgl. VwGH 19.12.2012, Zl. 2012/22/0221; VwGH 19.09.2012, Zl. 2012/22/0143; EGMR 9.10.2003, Fall Slivenko, NL 2003, 263), die Rückkehrentscheidung nur gegen einzelne Familienmitglieder hingegen sehr wohl.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt auch die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung grundsätzlich keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852ff.). Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zukommt (vgl. dazu VwGH 30.07.2015, Zl. 2014/22/0055; VwGH 23.06.2015, Zl. 2015/22/0026; VwGH 10.11.2010, Zl. 2008/22/0777, VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Andererseits kann aber auch nicht gesagt werden, dass eine in drei Jahren erlangte Integration keine außergewöhnliche, die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen kann. Die Annahme eines „Automatismus“, wonach ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Vorliegen einer Aufenthaltsdauer von nur drei Jahren „jedenfalls“ abzuweisen wäre, ist verfehlt (vgl. VwGH 30.07.2015, Zl. 014/22/0055). Hinsichtlich eines fünfeinhalbjährigen Aufenthaltes eines Ehepaars, dem im Wesentlichen zwei unberechtigte Asylanträge sowie ein Wiederaufnahmeantrag zugrunde lagen, maß der Verwaltungsgerichtshof Sprachkursen (A2 und B1), Arbeitsplatzzusagen und einem Freundeskreis kein solches Gewicht bei, dass der Verstoß gegen die Fremdenrechtsordnung im Hinblick auf ihre privaten und familiären Interessen akzeptiert werden hätte müssen (VwGH 26.03.2015, Zl. 2014/22/0154).

Die Beschwerdeführerin hält sich seit ihrer Geburt - sohin seit nunmehr sieben Jahren - in Österreich auf. Sie stellte am 31.12.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz und verfügte ab Verfahrenszulassung über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht im Asylverfahren bis zum 20.03.2018 aufgrund eines a priori nicht unbegründeten Asylantrages des Vaters.

Unabhängig von der Erteilung der Aufenthaltsberechtigung an die Eltern, welche für sich allein schon zur Erteilung eines Aufenthaltstitels hinreichend ist, nutzte die Beschwerdeführer die Zeit in Österreich, um sich nachhaltig in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Indem die Beschwerdeführerin weitere Deutschkenntnisse erlangt hat, hat sie ihre sprachliche Integration deutlich weiter vertieft. Aber auch ihre sozialen Kontakte hat sie durch den Schulbesuch kontinuierlich weiter vertieft, was durch die vorgelegten Integrationsunterlagen (Fotos, Unterstützungsschreiben) anschaulich dokumentiert wird.

Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen allenfalls durch die Internet/fernmündliche Kommunikation mit im Herkunftsstaat aufhältigen Verwandten – sein Lebensmittelpunkt liegt aber eindeutig in Österreich.

Unter Miteinbeziehung all dieser Aspekte und der herangezogenen Judikatur fällt das private Interesse der Beschwerdeführerin an der Aufrechterhaltung ihres Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMKR in Österreich, vor allem da ihre Eltern nun hier aufenthaltsberechtigt sind, sie ihren Aufenthalt in Österreich auch stets genutzt hat, um sich hier zu sozial und gesellschaftlich zu integrieren, nach einer Aufenthaltsdauer von mehr als 7 Jahren im konkreten Fall in Summe schwerer ins Gewicht als das öffentliche Interesse an einer Beendigung ihres Aufenthaltes – eigentlich ist ein solches (öffentliches Interesse) nicht einmal ansatzweise zu erkennen.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung im konkreten Fall zum Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin unzulässig ist. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung ihres Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind und es ist daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin auf Dauer unzulässig ist.

Wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wurde, ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen.

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs. 2 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Wie schon ausgeführt, erfüllt die minderjährige Beschwerdeführerin insbesondere auf Grund ihres Familienlebens mit ihren in Österreich nun aufenthaltsberechtigten Eltern die Voraussetzungen gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005. Sohin war ihr gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Das Bundesamt hat der Beschwerdeführerin den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG 2005 auszufolgen, sie hat hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 mitzuwirken. Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.

Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 10 AsylG 2005, § 52 FPG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation liegen somit nicht mehr vor; der angefochtene Bescheid ist daher in diesem Umfang zu beheben.

II. Zu den Spruchpunkten III. und IV. des angefochtenen Bescheides (Zulässigkeit der Abschiebung, freiwillige Ausreise):

In logischer Konsequenz zu Spruchpunkt I. waren diese ersatzlos zu beheben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben (vgl. dazu insbesondere die jeweils zitierte Judikatur).

Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung Familienverfahren Integration Minderjährigkeit Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W117.1436978.3.00

Im RIS seit

04.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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