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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
AVG §59 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/15/0097Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde der MP, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 19. Mai und 22. Juni 1995, Zlen. 2628-2/94 und 2515-2/94, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1990 bis 1993 (erstangefochtener Bescheid), und Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1983 bis 1985 sowie die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1991 und 1992 (zweitangefochtener Bescheid), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und den dazu vorgelegten Bescheiden ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
Bei der Beschwerdeführerin wurden von dieser nicht erklärte Einnahmen aus einer von ihr ausgeübten Tätigkeit als Prostituierte in den Streitjahren zur Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer veranlagt. Die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen erfolgte ausgehend von vorgefundenen Aufzeichnungen der Beschwerdeführerin im Schätzungsweg.
In den Berufungen vertrat die Beschwerdeführerin den Standpunkt, die Einnahmen aus der Prostitution unterlägen weder der Einkommen- noch der Umsatz- noch der Gewerbesteuer, weil die Tatbestandsmerkmale für eine Besteuerung nicht erfüllt seien. Auch werde die Höhe der vorgeschriebenen Abgaben bestritten; aus den mangelhaft begründeten Bescheiden sei nicht erkennbar, wie die Behörde zu den vorgeschriebenen Beträgen gelangt sei. Außerdem sei die Beschwerdeführerin im Jahr 1990 von einer Weltreise zurückgekehrt und der Prostitution nicht nachgegangen, sodaß schon aus diesem Grund in diesem Jahr keine Steuern festzusetzen gewesen wären.
Im erstangefochtenen Bescheid (Abspruch über die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1990 bis 1993) wird ausgeführt, nach Ergehen einer teilweise stattgebenden Berufungsvorentscheidung, in der der ursprünglich verhängte Sicherheitszuschlag wieder in Abzug gebracht worden sei, habe die Beschwerdeführerin nicht weiter begründete Vorlageanträge eingebracht. Die Beschwerdeführerin räume selbst ein (zumindest ab 1991), der Prostitution nachgegangen zu sein. Der Ehemann der Beschwerdeführerin, der mit dieser seit Mitte 1990 zusammenlebe, habe ebenfalls niederschriftlich bestätigt, daß die Beschwerdeführerin in dieser Zeit immer die Prostitution ausgeübt habe. Die Einkünfte seien als Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 23 EStG zu qualifizieren und unterlägen nach Lehre und Rechtsprechung übereinstimmend der Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer. Als Grundlage für die Schätzung habe das Finanzamt zutreffend die Einnahmenaufzeichnungen der Beschwerdeführerin ("Wirtschaftsbuch") herangezogen. Es könne nach Ansicht der belangten Behörde auch davon ausgegangen werden, daß es sich bei diesen Aufzeichnungen um die lückenlosen Aufzeichnungen der Einnahmen aus der Prostitution handle (dies gehe aus - näher dargestellten - Aussagen des Ehegatten der Beschwerdeführerin, der Art der Eintragungen und den Angaben des Vertreters der Beschwerdeführerin hervor). Einwendungen in die Richtung, daß die Aufzeichnungen auch andere Geldzuflüsse beträfen bzw. unvollständig seien, seien zwar vom Vertreter der Beschwerdeführerin am 17. Juni 1994 angekündigt worden, aber nie erfolgt. Ausgabenseitig seien von der Beschwerdeführerin gegen die erstinstanzliche Schätzung keine Einwendungen erhoben worden. Da die belangte Behörde auch keine "ausgabenseitigen Schätzungsmängel" erkennen könne, bestehe insoweit auch keine Veranlassung zur Abänderung der erstinstanzlichen Schätzung. Wegen der als lückenlos zu wertenden Aufzeichnungen der Einnahmen sei allerdings - wie bereits in der Berufungsvorentscheidung zutreffend erkannt - die Verhängung eines Sicherheitszuschlages nicht zulässig. Für 1990 habe aber die Behörde erster Instanz zu Unrecht angenommen, daß die Beschwerdeführerin bereits ab März 1990 die Prostitution ausgeübt habe. Die Beschwerdeführerin habe für dieses Streitjahr die Ausübung der Prostitution zur Gänze in Abrede gestellt. Demgegenüber habe ihr Ehegatte ausgesagt, die Beschwerdeführerin lebe mit ihm seit Mitte 1990 zusammen und sei in dieser Zeit immer der Prostitution nachgegangen. Gehe man von dem auch von der Abgabenbehörde erster Instanz anerkannten Wahrheitsgehalt der detaillierten Aussagen des Ehegatten der Beschwerdeführerin aus, dann stehe dazu die erstinstanzliche Sachverhaltsannahme, die Beschwerdeführerin habe bereits ab März 1990 die Prostitution ausgeübt, im Widerspruch. In Übereinstimmung mit der Aussage des Ehegatten der Beschwerdeführerin und abweichend von der erstinstanzlichen Sachverhaltsannahme sehe es die belangte Behörde daher als erwiesen an, daß die Beschwerdeführerin die Tätigkeit als Prostituierte erst ab Mitte 1990 ausgeübt habe, worauf auch der Vertreter der Beschwerdeführerin am 17. Juni 1994 niederschriftlich hingewiesen habe. Die erstinstanzliche Schätzung für das Jahr 1990 sei daher entsprechend zugunsten der Beschwerdeführerin abzuändern gewesen.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1983 bis 1985 teilweise Folge und wies die Berufungen gegen die Wiederaufnahmebescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1991 und 1992 als unbegründet ab. Zu den Streitpunkten der Berechtigung einer Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Umsatz- und Einkommensteuer 1991 und 1992 sowie der Verjährungseinrede hinsichtlich der Jahre 1983 bis 1985 verwies die belangte Behörde auf die ausführlich begründete Berufungsvorentscheidung vom 6. Oktober 1994, deren Inhalt sie in diesen Punkten vollinhaltlich teile. Die darin enthaltenen Ausführungen in der Verjährungs- bzw. Hinterziehungsfrage seien dahingehend zu ergänzen, daß nach den getroffenen Feststellungen betreffend die von der Beschwerdeführerin jahrelang intensiv bzw. außerordentlich ertragreich ausgeübte, dem Finanzamt aber verschwiegene (spätestens seit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Februar 1983, 82/13/0208, als umsatz-, einkommen- und gewerbesteuerpflichtig zu wertende) Prostitution äußere Umstände vorlägen, aus denen nach der Überzeugung der belangten Behörde unzweifelhaft auf (zumindest bedingt vorsätzliche) Abgabenhinterziehung zu schließen sei. Hinsichtlich der Schätzungsfrage könne kein Zweifel darüber bestehen, daß die Beschwerdeführerin in den Streitjahren die Prostitution ausgeübt habe. Dies werde von ihr auch selbst dem Grunde nach eingestanden. Die Intensität der Gewerbeausübung werde auch durch 60 polizeiliche Abmahnungen im fraglichen Zeitraum nach dem Sittenpolizeigesetz bekräftigt. Den diesbezüglichen Vorhalten in der Berufungsvorentscheidung habe die Beschwerdeführerin im Vorlageantrag nichts entgegengesetzt. Sei aber davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin auch in den Streitjahren nachhaltig der Prostitution nachgegangen sei und darüber weder die erforderlichen steuerlichen Aufzeichnungen geführt noch entsprechende Steuererklärungen gelegt habe, dann sei die Schätzungsbefugnis gegeben. Als Schätzungsmethode habe das Finanzamt eine Art inneren Betriebsvergleich durchgeführt und der Schätzung die (durch größtenteils lückenlose Aufzeichnungen und die zeugenschaftliche Aussage des Ehegatten der Beschwerdeführerin) gesicherten Beweisergebnisse für die Jahre 1990 bis 1993 zugrundegelegt. Es wäre Aufgabe der Beschwerdeführerin gewesen, begründete Überlegungen vorzubringen, die z.B. für eine andere Schätzungsmethode oder gegen einzelne Elemente der Schätzung gesprochen hätten. Dies sei nicht geschehen und nach Ansicht der belangten Behörde liege eine grundsätzlich mängelfreie erstinstanzliche Schätzung vor. Die Schätzung sei allerdings zugunsten der Beschwerdeführerin insoweit "geringfügig zu verfeinern", als Rundungen der Betriebseinnahmen nach oben nicht zulässig, Sicherheitszuschläge nicht anzusetzen seien und für die Streitjahre 1983 bis 1985 ausgehend von den Ergebnissen der Jahre 1990 bis 1993 eine Indexanpassung der monatlichen Durchschnittseinnahmen nach unten vorzunehmen sei.
Die Behandlung der gegen die angefochtenen Bescheide vor dem Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde hat dieser mit Beschluß vom 25. Februar 1997, B 2735-2737/95-6, abgelehnt. In der antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Erkenntnis vom 16. Februar 1983, Slg. Nr. 5.758/F, hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, daß Einkünfte aus der Prostitution als solche aus Gewerbebetrieb der Einkommensteuer unterliegen (insbesondere auch das Merkmal der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfüllt ist) und von den Entgelten Umsatzsteuer zu entrichten ist. Diese Ansicht hat der Verwaltungsgerichtshof in weiteren Erkenntnissen vom 11. Jänner 1988, 87/15/0120 (betreffend Umsatzsteuer), und vom 10. November 1987, 87/14/0165 (betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer), bestätigt. Zu der in der Beschwerde auch nur allgemein gehaltenen Bestreitung der Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerpflicht der in Rede stehenden Prostitutionseinkünfte kann daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe der genannten Erkenntnisse verwiesen werden.
Betreffend "die vorgeschriebene Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer für das Jahr 1983" (und - ohne gesonderte Begründung - "auch betreffend der Jahre 1984 und 1985") wird in der Beschwerde Verjährung eingewendet. Dazu wird vorgebracht, "die kriminologischen Ermittlungen, die die Betriebsprüfung auslösten, wurden erst Ende Dezember 1993 eingeleitet". Damit sei betreffend das Jahr 1983 jedenfalls Verjährung eingetreten. Selbst wenn von der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO ausgegangen werde, sei das Recht, eine Abgabe für 1983 festzusetzen, verjährt.
In der Beschwerde wird nicht behauptet, daß den erwähnten "kriminologischen Ermittlungen" nicht die Qualität einer nach § 209 Abs. 1 BAO die Verjährung unterbrechenden Amtshandlung zugekommen wäre. Mit dem bloßen Hinweis, die Ermittlungen wären erst Ende Dezember 1993 eingeleitet worden, wird noch keine Rechtswidrigkeit in bezug auf die bei hinterzogenen Abgaben geltende zehnjährige Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 BAO aufgezeigt. Die Verjährung beginnt in den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO gemäß § 208 Abs. 1 lit. a leg. cit. grundsätzlich mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Der Abgabenanspruch betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer 1983 entstand nach § 4 Abs. 2 lit. a Z. 2 bzw. lit. b BAO mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wurde. Die zehnjährige Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 BAO begann somit mit Ablauf des Jahres 1983 zu laufen. Dasselbe galt in Ansehung der Entstehung der Steuerschuld bei der Umsatzsteuer nach § 19 Abs. 2 UStG 1972 (mit Ablauf der einzelnen Kalendermonate des Jahres 1983) auch für die Umsatzsteuer 1983. Die im zehnten Jahr dieser Ende 1993 ablaufenden Frist gesetzten Unterbrechungshandlungen sind daher als rechtzeitig in bezug auf die Abgabenfestsetzung 1983 (und auch 1984 bzw. 1985) zu beurteilen (nach dem letzten Satz des § 209 Abs. 1 BAO begann die Verjährungsfrist mit dem Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, neu zu laufen).
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid nicht im Einklang steht die Beschwerdebehauptung, die belangte Behörde hätte sich mit der Verjährungseinrede hinsichtlich der Jahre 1983 bis 1985 nicht beschäftigt. Unter Hinweis auf die - unwidersprochen gebliebenen - Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung vom 6. Oktober 1994 wurde nämlich dargelegt, daß die belangte Behörde wegen Annahme einer Abgabenhinterziehung von der Verjährungsfrist von zehn Jahren nach § 207 Abs. 2 BAO ausging. Die zur Frage der Abgabenhinterziehung im zweitangefochtenen Bescheid enthaltenen Ausführungen lassen für sich auch keine Unschlüssigkeit erkennen.
Die in der Beschwerde enthaltene Verfahrensrüge, der Beschwerdeführerin hätte auch im Rechtsmittelverfahren die Möglichkeit eingeräumt werden müssen, zu den weiteren Ergebnissen und Ermittlungen Stellung zu nehmen, geht ins Leere. Die angefochtenen Bescheide führen nämlich aus, daß die Beschwerdeführerin der Darstellung in der Berufungsvorentscheidung nicht entgegengetreten sei. Dies bleibt auch in der Beschwerde unwidersprochen. Zudem wird mit dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde sei "auf zahlreiche Argumente in den einzelnen Berufungen" nicht eingegangen, das Finanzamt und die belangte Behörde seien von "unrichtigen Zahlen ausgegangen" oder die herangezogene Schätzungsmethode sei "nicht geeignet", auch deshalb keine relevante Rechtswidrigkeit aufgezeigt, weil hier jede Konkretisierung der behaupteten Unrichtigkeiten und Mangelhaftigkeiten fehlt.
Zu Unrecht wirft die Beschwerdeführerin der belangten Behörde weiters vor, sie hätte sich nicht mit ihrer Berufungsbehauptung auseinandergesetzt, im Jahr 1990 nicht der Prostitution nachgegangen zu sein. In einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Weise hat die belangte Behörde hiezu vor allem darauf hingewiesen, daß sie in diesem Punkt vor allem den Aussagen des Ehegatten der Beschwerdeführerin Glauben schenkte. Auch hier können die im übrigen wiederum nur weitgehend unsubstantiierten Beschwerdebehauptungen keine Rechtswidrigkeit des erstangefochtenen Bescheides aufzeigen. Außerdem übersieht die Beschwerdeführerin mit ihrem Beschwerdevorbringen, die Feststellung, daß sie die Prostitution ab März 1990 wieder ausgeübt habe, werde ausdrücklich bestritten, daß die belangte Behörde ohnedies in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides zugunsten der Beschwerdeführerin annahm, daß diese erst ab Mitte 1990 Einnahmen aus Prostitution (für das zweite Halbjahr 1990) bezog.
Die Beschwerdeführerin wurde schließlich auch dadurch in keinen Rechten verletzt, daß die belangte Behörde über die von der Beschwerdeführerin eingebrachten Berufungen "in den zwei angefochtenen Bescheiden gemeinsam abgesprochen" hat. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht war es rechtlich nicht erforderlich, gemäß der laut Beschwerde jeweils gesonderten Berufungseinbringung gegen jeden einzelnen Bescheid auch über jede einzelne Berufung "gesondert" zu entscheiden.
Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde, die betreffend die Wiederaufnahmebescheide 1991 und 1992 keine gesonderten Ausführungen enthält, erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Trennbarkeit gesonderter AbspruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997150096.X00Im RIS seit
03.04.2001