TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/21 W235 2228673-1

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Veröffentlicht am 21.09.2020
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Entscheidungsdatum

21.09.2020

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch

W235 2228673-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.01.2020, Zl. 498660000-190811892, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG und gemäß § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation russischer Volkgruppenzugehörigkeit, stellte nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 08.08.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Ein Abgleich im VIS System des Bundesministeriums für Inneres ergab, dass dem Beschwerdeführer von der französischen Botschaft in Moskau am XXXX .05.2019 ein Schengen-Visum für 90 Tage im Zeitraum XXXX .05.2019 bis XXXX .11.2019 erteilt worden war (vgl. AS 113).

1.2. Am Tag der Antragstellung wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er zunächst angab, dass sich seine Mutter in Österreich als Asylwerberin befinde und sein Bruder im Bundesgebiet über einen Aufenthaltstitel „Rot Weiß Rot-Karte“ verfüge. Er leide an keinen Krankheiten. Am XXXX .08.2019 sei er mit seinem eigenen Reisepass mit dem Flugzeug von St. Petersburg direkt nach Wien geflogen. Der Beschwerdeführer habe nach Österreich gewollt, weil er früher schon hier gewesen sei und die Sprache mittelmäßig spreche. Auch würden seine Mutter und sein Bruder hier leben. Er habe ein französisches Visum gehabt, das er über eine Visa-Agentur erlangt habe.

Im Zuge seiner Erstbefragung legte der Beschwerdeführer seinen russischen Reisepass vor, aus dem das französische Visum ersichtlich ist (vgl. AS 39).

Dem Beschwerdeführer wurde weiters am 08.08.2019 eine Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ausgehändigt, mit der ihm zur Kenntnis gebracht wurde, dass aufgrund von Konsultationen mit Frankreich die in § 28 Abs. 2 AsylG definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen nicht mehr gilt. Diese Mitteilung wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag übergeben und von ihm unterfertigt (vgl. AS 5).

1.3. Im Wege seiner ausgewiesenen Vertreterin brachte der Beschwerdeführer am 26.08.2019 eine Stellungnahme ein, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass er bereits zwischen 2009 und 2016 legal als Student in Österreich aufhältig gewesen sei. Daher sei er stark mit Österreich verbunden und verfüge auch über sehr gute Deutschkenntnisse. Auch befinde sich seine Mutter hier.

Mit dieser Stellungnahme wurden eine Bestätigung der Studienzeit, ausgestellt am XXXX .08.2019 von der Wirtschaftsuniversität Wien (Gesamtzeitraum: XXXX .10.2009 bis XXXX .12.2016) und ein Zeugnis über die Ergänzungsprüfung aus Deutsch vom XXXX .06.2011 vorgelegt.

1.4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 30.08.2019 ein auf Art. 12 Abs. 2 oder Abs. 3 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmegesuch an Frankreich.

Mit Schreiben vom 15.10.2019 stimmte die französische Dublinbehörde der Aufnahme des Beschwerdeführers gemäß § 12 Abs. 2 Dublin III-VO ausdrücklich zu.

1.5. Am 12.11.2019 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit einer Rechtsberaterin im Zulassungsverfahren, eines gewillkürten Vertreters sowie eine geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt, in welcher der Beschwerdeführer zunächst angab, dass er sich psychisch und physisch in der Lage fühle, Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen. Es gehe ihm gut. Sein physischer Zustand sei „in Ordnung“, aber seit den letzten paar Monaten seien sein psychischer und sein moralischer Zustand nicht „in Ordnung“. Zurzeit nehme der Beschwerdeführer keine Medikamente. Er sei beim Arzt gewesen, der ihm Medikamente verschrieben habe. Der Beschwerdeführer fühle sich desorientiert und fühle sich, als würde er aus einem Albtraum aufwachen. Wenn er gestresst sei, brauche er fünf Minuten um wieder zu sich zu kommen. Er habe schon im Jahr 2016, als er in Österreich gewesen sei, Stress wegen des Geldes gehabt, da er sich sein Leben selbst habe finanzieren müssen. Einmal sei er von seinem Bruder und seiner Mutter geweckt worden und habe schwer und laut geatmet. Damals habe sich der Beschwerdeführer dazu entschieden in die Russische Föderation zurückzukehren. Dort habe er Medikamente bekommen und habe ab März 2018 auch wieder arbeiten können. Nunmehr müsse er in zwei Wochen wieder zum Arzt. Weiteren Therapien unterziehe er sich nicht.

Die Mutter des Beschwerdeführers befinde sich seit dem Jahr 2016 in Österreich und sein Bruder sei seit 2009 oder 2010 hier aufhältig. Sein Bruder und seine Mutter würden ihn in jeder Art und Weise unterstützen und zwar nicht nur finanziell. Sie würden ihm mit Fahrkarten und dem Handy helfen; das sei ein Betrag zwischen € 100,00 und € 200,00. Er könne auch bei ihnen essen. Vor allem zu seiner Mutter habe der Beschwerdeführer Kontakt und helfe ihr auch beim Deutsch lernen. Seinen Bruder wolle er nicht belasten, weil dieser arbeite und studiere. Auch seine Schwägerin studiere. Mit seinem Bruder habe der Beschwerdeführer per WhatsApp Kontakt und sehe ihn ein paar Mal in der Woche. Mit seiner Mutter habe er täglich Kontakt. Seit Ende September 2016 sei der Beschwerdeführer von seiner Familie getrennt gewesen. Er lebe mit niemandem in einer Familien- oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft.

Es sei richtig, dass er mit einem von XXXX .05.2019 bis XXXX .11.2019 gültigen französischen Visum in Österreich eingereist sei. In Frankreich habe der Beschwerdeführer nicht um Asyl angesucht. Zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes, seine Ausweisung aus Österreich nach Frankreich zu veranlassen, gab der Beschwerdeführer an, dass er sieben Jahre hier studiert habe und Deutsch könne. Auch habe er seine Mutter und seinen Bruder hier. Der Beschwerdeführer habe seine Mutter fast zehn Jahre kaum gesehen und hier den Kontakt wieder intensiviert. Man unterstütze sich gegenseitig und würden diese Zusammenkünfte dem Beschwerdeführer seelisch und moralisch helfen. Er kenne in Frankreich niemanden und könne auch nicht Französisch. Zur Lage in Frankreich könne er derzeit nichts sagen, da er nichts darüber wisse. Allerdings wolle er zu den Länderfeststellungen eine schriftlich Stellungnahme abgeben.

Der Vertreter des Beschwerdeführers brachte zu den Länderfeststellungen vor, dass psychiatrische oder psychologische Hilfe in Frankreich nur theoretisch existiere und viele Therapeuten nicht-französisch sprechende Patienten nicht aufnehmen würden. Die Zahl der spezialisierten Zentren in Frankreich sei so gering, dass der Bedarf für Flüchtlinge nicht gedeckt werden könne.

Vorgelegt wurde ein psychiatrischer Befund eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom XXXX .11.2019 mit der Diagnose Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst) und mit der Empfehlung eine Psychotherapie zu beginnen sowie dem Hinweis auf eine Kontrolle in 14 Tagen. Ferner wurden dem Beschwerdeführer die Medikamente Xanor bei Bedarf und Trittico verschrieben (vgl. AS 181).

1.6. In der Folge holte das Bundesamt eine gutachterliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren ein.

Dieser gutachterlichen Stellungnahme einer allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten sachverständigen Ärztin für Allgemeinmedizin vom 18.01.2020 ist zusammengefasst zu entnehmen, dass aus aktueller Sicht beim Beschwerdeführer keine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vorliege. Es liege der Verdacht auf eine Panikstörung vor. Es fänden sich keine spezifischen Symptome einer Traumafolgestörung, auch keine Änderungen in Affekt und Prosodie bei Thematisierung diverser Themen und sei auch keine Suizidalität fassbar. Anfälle von Panik würden oft aus heiterem Himmel und überwiegend in Ruhe auftreten. Sie seien meist selbstlimitierend und für die Betroffenen sehr unangenehm, jedoch nicht lebensbedrohlich. Beim Beschwerdeführer trete offenbar innerhalb von fünf Minuten Beschwerdefreiheit ein. Neurologisch und allgemeinmedizinisch würden sich keine Auffälligkeiten finden. Therapeutische und medizinische Maßnahmen seien nur im Anlassfall anzuraten. Eine Verschlechterung bei einer Überstellung sei nicht sicher auszuschließen.

Hierzu erstattete der Beschwerdeführer im Wege seiner ausgewiesenen Vertretung eine Stellungnahme und führte zusammengefasst aus, dass eine Psychotherapie notwendig sei. Der Beschwerdeführer sei in Behandlung bei einem Facharzt für Psychiatrie und Neurologie und warte auf einen Therapieplatz. Die Gutachterin könne nicht ausschließen, dass eine Überstellung zu einer Verschlechterung führen könne, setze sich jedoch nicht damit auseinander, ob eine solche Verschlechterung irreversibel sei. Die in Österreich anwesenden Angehörigen des Beschwerdeführers würden sich sehr günstig auf seine Psyche auswirken. Seine panische Angst entstünde auch durch die Befürchtung diese verlassen zu müssen. Im Fall der Abschiebung nach Frankreich fände sich der Beschwerdeführer in einer Situation, dass er ohne Mutter und Bruder aus den panischen Zuständen nicht mehr herauskomme. Es bereite ihm auch Stress und Panik, wenn er um sich Leute in einer Sprache sprechen höre, die er nicht verstehe. Dies würde zu einem Überhandnehmen der Angstzustände, der Schlafstörungen und der Panikattacken führen.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO für die Prüfung dieses Antrags zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Frankreich zulässig ist.

Begründend wurde festgestellt, dass beim Beschwerdeführer der Verdacht einer Panikstörung bestehe. Es könne nicht festgestellt werden, dass in seinem Fall sonstige schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestünden. Festgestellt werde, dass er mit einem französischen Visum mit der Gültigkeitsdauer von XXXX .05.2019 bis XXXX .11.2019 in die Europäische Union eingereist sei. Festgestellt werde, dass sich Frankreich mit Schreiben vom 15.10.2019 gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO für die Führung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers für zuständig erklärt habe. In Österreich würden sich seine Mutter und sein Bruder befinden. Sein Bruder habe die Rot Weiß Rot-Karte und seine Mutter sei Asylwerberin, deren Verfahren sich in Beschwerde befinde. Mit diesen Verwandten lebe der Beschwerdeführer nicht im gemeinsamen Haushalt und es bestehe weder ein finanzielles noch ein sonstiges Abhängigkeitsverhältnis. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine besondere Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers in Österreich bestehe. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Frankreich systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei oder diese dort zu erwarten hätte.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf auf den Seiten 12 bis 18 des angefochtenen Bescheides Feststellungen zum französischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Frankreich.

Beweiswürdigend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass sich die in den Feststellungen angeführte Krankheit aus den Angaben des Beschwerdeführers und aus der psychologischen Untersuchung ergebe. Sonst hätten sich keine Hinweise ergeben, dass er an einer schweren körperlichen Krankheit oder an einer schweren psychischen Störung leide. Im Fall des Beschwerdeführers bestünden zurzeit keine Hinweise auf eine nicht gegebene Transportfähigkeit. Aus den Feststellungen zu Frankreich sei eindeutig ersichtlich, dass in Frankreich Behandlungsmöglichkeiten bestünden, diese zugänglich seien und die medizinische Versorgung gewährleistet sei. Unter Verweis auf die fachliche Qualifikation der die gutachterliche Stellungnahme verfasst habende Ärztin wurde ausgeführt, dass sich deren Ausführungen als schlüssig im Sinne eines Gutachtens darstellen würden. Der Beschwerdeführer habe keine dem Untersuchungsergebnis entgegenstehenden Befunde, Gutachten oder sonstige Arztbriefe in Vorlage gebracht. Die Feststellung zur Einreise mit einem gültigen französischen Schengen-Visum ergebe sich aus der VIS-Abfrage, aus den Eintragungen im Reisepass des Beschwerdeführers und aus seinen diesbezüglich widerspruchsfreien Angaben. Die Feststellungen zum Konsultationsverfahren und zum zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt würden sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt ergeben. Die Feststellungen zu seinem Privat- und Familienleben seien aufgrund seiner nicht anzuzweifelnden Angaben getroffen worden. Die vorgebrachten Unterstützungsleistungen würden nicht über ein übliches Verwandtschaftsverhältnis hinausgehen. Auch im Fall der Überstellung nach Frankreich bestehe die Möglichkeit der finanziellen Unterstützung und der Kontaktaufnahme. Es hätte dem Beschwerdeführer schon vor Asylantragstellung in Österreich bewusst sein müssen, dass er nach Ablauf der Gültigkeit des Visums zur Ausreise aus Österreich verpflichtet sei. Dass keine besondere Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers in Österreich bestehe, ergebe sich zum einen aus der Kürze des bisherigen Aufenthalts und zum anderen, dass er realistischerweise zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen habe können, dass ihm ein nicht auf das Asylverfahren gestütztes Aufenthaltsrecht in Österreich zukommen könne. Die Feststellungen zu Frankreich würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren. Die medizinische Versorgung in Frankreich sei gewährleistet. Der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft gemacht, dass ihm in Frankreich eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könne. Ferner habe sich Frankreich ausdrücklich dazu bereit erklärt, den Beschwerdeführer im Rahmen der Verpflichtungen aus der Dublin III-VO zu übernehmen und könne daher nicht erkannt werden, dass ihm in Frankreich der Zugang zum Asylverfahren verweigert werden würde. Daher könne auch eine Schutzverweigerung in Frankreich nicht erwartet werden.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, dass sich aus dem Vorbringen und aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO formell erfüllt sei. Unter Verweis auf die einschlägige Judikatur führte das Bundesamt weiters aus, dass sich ergeben habe, dass die Beziehung zur Mutter des Beschwerdeführers nicht von einem schützenswerten Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK umfasst sei. Daher stelle die Außerlandesbringung nach Frankreich keine Verletzung des Rechtes auf Achtung des Familienlebens dar. Die Beziehung zu seinen Verwandten gehe nicht über ein übliches verwandtschaftliches Maß hinaus und lägen auch keine gegenseitigen Abhängigkeiten vor. Im Zuge der Interessensabwägung betreffend das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung des Privatlebens wurde zusammengefasst ausgeführt, dass ihm im Zuge seines Aufenthalts nie ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zugekommen sei. Auch sei die Dauer seines Aufenthalts und die daraus resultierenden privaten Interessen ausschließlich auf seine eigenen, rechtswidrigen Handlungen zurückzuführen. Nach wie vor spreche der Beschwerdeführer die in seinem Heimatland gesprochenen Sprachen besser als Deutsch, was sich daraus zeige, dass die Einvernahmen im gegenständlichen Asylverfahren nur unter Beiziehung von geeigneten Dolmetschern möglich gewesen sei. Betreffend seinen Aufenthalt von 2009 bis 2016 werde angemerkt, dass er in Österreich bei den Behörden hätte um Auskunft ansuchen bzw. einen weiteren Antrag auf Verlängerung seines Aufenthalts stellen können. Angesichts des unsicheren Aufenthaltsstatus hätte der Beschwerdeführer von vornherein nicht davon ausgehen können, dass ihm nur aufgrund der Anwesenheit von Verwandten in Österreich ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommen werde. Unter all diesen Gesichtspunkten stelle die Außerlandesbringung aus Österreich keinen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK dar. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer relevanten Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesen Aspekten zulässig sei. Frankreich sei bereit, den Beschwerdeführer einreisen zu lassen, seinen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen und die sonstigen, Frankreich aus der Dublin III-VO treffenden Verpflichtungen dem Beschwerdeführer gegenüber zu erfüllen. Es sei festzustellen, dass in Frankreich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK nicht eintreten werde. Ein im besonderen Maße substanziiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer relevanten Verletzung der Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Fall einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, dass die gegenständliche Zurückweisungsentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden sei. In der Folge wurde die herrschende Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes betreffend die Überstellungszulässigkeit zitiert und ausgeführt, dass sich aus dem vorliegenden Sachverhalt kein Anhaltspunkt dafür ergebe, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen lebensgefährlich Erkrankten handle. Auch gebe es keinen Hinweis auf anstehende und dringliche ärztliche Behandlungen und seien für den Beschwerdeführer bei Bedarf in Frankreich Behandlungsmöglichkeiten gegeben. Daher stelle die Überstellung nach Frankreich keine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte des Beschwerdeführers dar. Eine Anordnung zur Außerlandesbringung habe gemäß § 61 Abs. 2 FPG zur Folge, dass die Abschiebung in den Zielstaat zulässig sei.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner ausgewiesenen Vertretung am 14.02.2020 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlich falscher Entscheidung sowie wegen mangelhafter Verfahrensführung. Begründend wurde verfahrenswesentlich und zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ein fachärztliches Gutachten eines Sachverständigen vorgelegt habe. Die Gutachterin des Bundesamtes sei bei der Befundaufnahme unschlüssig gewesen, da es schon ein eindeutiges medizinisches Dokument eines weitaus höher qualifizierten Mediziners und Gerichtssachverständigen gegeben habe. Daher sei die „Gutachterliche Stellungnahme“ unschlüssig ausgefallen, jedoch sei auch dieser zu entnehmen, dass im Fall einer Überstellung eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht ausgeschlossen werden könne. Nach wörtlicher Zitierung der vom Beschwerdeführer bzw. seiner Vertretung eingebrachten Stellungnahme vom 27.01.2020 führt die Beschwerde weiters aus, dass beim Beschwerdeführer ein Sachverhalt verwirklicht sei, der die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der GFK deutlich erkennen lasse. Die Dublin III-VO solle dazu dienen, die Zuständigkeit eines Mitgliedstaates festzustellen, aber auch dazu eine Effizienz der Asylverfahren sicherzustellen. Jegliche Bindungen des Asylwerbers seien zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer habe bereits sieben Jahre legal in Österreich als Student verbracht. Seine Mutter sei aus denselben politischen Gründen nach Österreich geflohen und warte auf die positive Asylentscheidung. Auch ein älterer Bruder befinde sich legal samt Familie in Österreich. Der Beschwerdeführer könne aufgrund der hervorragenden Deutschkenntnisse die notwendige psychologische Behandlung in deutscher Sprache durchführen. In Frankreich könnte er weder auf den familiären Rückhalt zurückgreifen noch könnte er seine psychologische Behandlung weiterführen, da eine solche höchstens für französisch-kundige Asylwerber erlangbar sei. Das fachärztliche Dokument [gemeint: der psychiatrische Befund vom XXXX .11.2019] spreche gegen eine Überstellung nach Frankreich. Der Beschwerdeführer hätte in Frankreich keinen Zugang zu irgendeiner Behandlung. Fest stehe, dass die Mutter des Beschwerdeführers noch im offenen Asylverfahren sei und somit nicht nach Frankreich reisen könne. Auch für den Beschwerdeführer wäre nach einer Überstellung nach Frankreich die Reise nach Österreich nicht möglich und wären die Familienbande für einen unabsehbaren Zeitraum unterbrochen.

4. Aufgrund einer Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichtes gab das Bundesamt mit E-Mail vom 19.06.2020 bekannt, dass das Verfahren des Beschwerdeführers am 11.03.2020 wegen unbekannten Aufenthalts ausgesetzt wurde und die Aussetzung sowie die Verlängerung der Überstellungfrist auf 18 Monate am selben Tag den französischen Behörden bekannt gegeben wurden. Darüber hinaus ist aus dem Zentralen Melderegister ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer seit dem 17.03.2020 über keine aufrechte Meldung mehr in Österreich verfügt (amtliche Abmeldung).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Dem Beschwerdeführer, einem russischen Staatsangehörigen mit russischer Volksgruppenzugehörigkeit, wurde am XXXX .05.2019 von der französischen Botschaft in Moskau ein Schengen-Visum für 90 Tage im Zeitraum XXXX .05.2019 bis XXXX .11.2019 erteilt. In Besitz dieses Visums reiste der Beschwerdeführer in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 08.08.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Festgestellt wird sohin, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich in Besitz eines gültigen französischen Visums war.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 30.08.2019 ein Aufnahmegesuch an Frankreich, welches von der französischen Dublinbehörde am 15.10.2019 beantwortet und die ausdrückliche Zustimmung zur Aufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO erteilt wurde. Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Frankreichs wieder beendet hätte, liegt nicht vor. Weiters hat sich die Überstellungsfrist im gegenständlichen Fall auf 18 Monate verlängert, da der Beschwerdeführer flüchtig ist. Dieser Umstand wurde der französischen Dublinbehörde vom Bundesamt mit Schreiben vom 11.03.2020 mitgeteilt.

Konkrete, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Frankreich sprechen, liegen nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Überstellung nach Frankreich Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Beim Beschwerdeführer wurde im Jänner 2020 der Verdacht auf eine Panikstörung diagnostiziert. Zum damaligen Zeitpunkt fanden sich weder Symptome einer Traumafolgestörung noch Aspekte einer Suizidalität. Im Fall eines Panikanfalls tritt beim Beschwerdeführer innerhalb von fünf Minuten Beschwerdefreiheit ein. Medizinische und therapeutische Maßnahmen sind nur im Anlassfall anzuraten. Dass der Beschwerdeführer nach Jänner 2020 medizinische und/oder therapeutische bzw. medikamentöse Behandlungen in Anspruch genommen hat, wird nicht festgestellt. Ebenso wenig wird eine aktuelle Behandlungsbedürftigkeit festgestellt. Sohin wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer weder an einer körperlichen noch an einer psychischen Krankheit leidet, die einer Überstellung nach Frankreich aus gesundheitlichen Gründen entgegensteht.

Der Beschwerdeführer lebte bereits zwischen Oktober 2009 und September 2016 als Student der Wirtschaftswissenschaften in Österreich und hat die Ergänzungsprüfung aus Deutsch am XXXX .06.2011 absolviert. Aktuell leben die Mutter und ein Bruder des Beschwerdeführers in Österreich. Die Mutter des Beschwerdeführers befindet sich in einem offenen Asylverfahren, welches zurzeit im Stand der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht anhängig ist. Sein Bruder lebt bereits seit Ende 2009 in Österreich und verfügt aktuell über eine „Rot Weiß Rot-Karte Plus“. Weder mit seiner Mutter noch mit seinem Bruder wohnte der Beschwerdeführer in Österreich im gemeinsamen Haushalt. Es bestehen auch keine wechselseitigen Abhängigkeiten finanzieller oder sonstiger Natur zwischen dem Beschwerdeführer und den genannten Angehörigen. Darüber hinaus wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer seit Anfang März 2020 untergetaucht ist und seit 17.03.2020 aufgrund amtlicher Abmeldung über keine aufrechte Meldung mehr im österreichischen Bundesgebiet verfügt.

1.2. Zum französischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Frankreich:

Zum französischen Asylverfahren sowie zur Situation von Dublin-Rückkehrern in Frankreich wurde auf den Seiten 12 bis 18 des angefochtenen Bescheides Feststellungen getroffen, welche von der erkennenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes geteilt und auch für gegenständliches Erkenntnis herangezogen werden.

Ungeachtet dessen wird explizit festgestellt:

a). Allgemeines:

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (OFPRA 31.10.2017; AIDA 2.2017; USDOS 3.3.2017).

b). Dublin-Rückkehrer:

Anträge von Dublin-Rückkehrern werden wie jeder andere Asylantrag behandelt. Kommt der Betreffende aus einem sicheren Herkunftsstaat, wird das beschleunigte Verfahren angewandt. Hat der Rückkehrer bereits eine endgültig negative Entscheidung der 2. Instanz (CDNA) erhalten, kann er einen Folgeantrag stellen, so dieser neue Elemente enthält. Dublin-Rückkehrer werden wie normale Asylwerber behandelt und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie diese (AIDA 2.2017).

Wenn Dublin-Rückkehrer am Flughafen Roissy – Charles de Gaulle ankommen, erhalten die Rückkehrer von der französischen Polizei ein Schreiben, an welche Präfektur sie sich wegen ihres Asylverfahrens zu wenden haben. Dann werden sie zunächst an die Permanence d’accueil d’urgence humanitaire (PAUH) verwiesen. Das ist eine humanitäre Aufnahmeeinrichtung des französischen Roten Kreuzes, die im Bereich des Flughafens tätig ist. Es kann ein Problem darstellen, wenn die zuständige Präfektur weit entfernt liegt, denn die Rückkehrer müssen die Anfahrt aus eigenem bestreiten. Es gibt dafür keine staatliche Hilfe und auch die PAUH hat nicht die Mittel sie dabei zu unterstützen. In Paris und Umgebung wiederum kann man sich nicht direkt an die Präfekturen wenden, sondern muss den Weg über die sogenannten Orientierungsplattformen gehen, die den Aufwand für die Präfekturen mindern sollen, aber mitunter zu Verzögerungen von einigen Wochen in der Antragsstellung führen können. Viele der Betroffenen wenden sich daher an das PAUH um Hilfe bei der Antragstellung und Unterbringung. Einige andere Präfekturen registrieren die Anträge der Rückkehrer umgehend und veranlassen deren Unterbringung durch das Büros für Immigration und Integration (OFII). In Lyon am Flughafen Saint-Exupéry ankommende Rückkehrer haben dieselben Probleme wie jene, die in Paris ankommen (AIDA 2.2017).

Im Falle der Übernahme von vulnerablen Dublin-Rückkehrern muss die französische Behörde vom jeweiligen Mitgliedsstaat mindestens einen Monat vor Überstellung informiert werden, um die notwendigen Vorkehrungen treffen zu können. Je nach medizinischem Zustand, kann der Dublin-Rückkehrer mit speziellen Bedürfnissen bei Ankunft medizinische Betreuung erhalten. Auch Dublin-Rückkehrer, haben generell Zugang zur staatlichen medizinischen Versorgung (MDI 10.10.2017).

c). Versorgung:

Laut Asylgesetz sind die materiellen Aufnahmebedingungen allen Asylwerbern (inkl. beschleunigtes und Dublin-Verfahren) anzubieten. Die Verteilung von Asylwerbern erfolgt zentral, parallel werden regionale Vorschriften definiert und von den Präfekten in jeder Region umgesetzt. Asylwerber im Dublin-Verfahren unterliegen jedoch einer Einschränkung: sie haben keinen Zugang zu CADA-Einrichtungen und leben in der Praxis oft auf der Straße oder in besetzten Häusern. Dublin-Rückkehrer hingegen werden behandelt wie reguläre Asylwerber und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie diese. Die nationalen Aufnahmestrukturen liegen in der Zuständigkeit des Französischen Büros für Immigration und Integration (Office français de l’immigration et de l’intégration – OFII). Es wurde eine Beihilfe für Asylwerber (Allocation pour demandeurs d’asile – ADA) eingeführt, welche die vorherige monatliche Zahlung (Allocation Mensuelle de Subsistance – AMS) bzw. die temporäre Wartezeitzulage (Allocation Temporaire d’Attente – ATA) ersetzt (AIDA 2.2017). Die Höhe der ADA hängt von verschiedenen Faktoren wie die Art der Unterkunft, Alter, Anzahl der Kinder usw. ab. Asylwerber erhalten in der Regel eine monatliche finanzielle Unterstützung/Gutscheine in der Höhe von 204 Euro. Ein zusätzlicher Tagessatz wird an Asylwerber ausgezahlt, die Unterbringungsbedarf haben, aber nicht über das nationale Aufnahmesystem aufgenommen werden können (AIDA 2.2017). Seit April 2017 beträgt der tägliche Kostenzuschuss für Unterkunft 5,40 Euro (FTA 4.4.2017). Es wird jedoch kritisiert, dass die Empfänger der ADA in der Praxis mit Problemen (z.B. Verzögerungen bei der Auszahlung, intransparente Berechnung usw.) konfrontiert sind (AIDA 2.2017).

Asylwerber haben Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn OFPRA ihren Asylantrag innerhalb von neun Monaten nicht entschieden und diese Verzögerung nicht vom Antragssteller verschuldet wurde (AIDA 2.2017).

d). Unterbringung:

In Frankreich gibt es 303 Unterbringungszentren für Asylwerber (Centre d’Accueil pour Demandeurs d’Asile – CADA) mit rund 34.000 Plätzen, ein spezielles Zentrum für UMA, zwei Transitzentren mit 600 Plätzen, 262 Notunterbringungen mit rund 18.000 Plätzen, sowie eine nicht näher genannte Anzahl an privaten Unterbringungsplätzen. Damit verfügt das Land über etwa 56.000 Unterbringungsplätze (AIDA 2.2017).

Der Zugang zu Unterbringung erweist sich in der Praxis jedoch als sehr kompliziert. Bei der Zuweisung zur CADA muss mit längerer Wartezeit gerechnet werden, die je nach Region zwischen 51 bis 101 Tage beträgt. In Paris gibt es auch Beispiele dafür, dass Asyl gewährt wurde, ohne dass die Personen jemals Zugang zu Unterbringung gehabt hätten. Berichten zufolge reichen die derzeitigen Unterbringungsplätze der CADA nicht aus (AIDA 2.2017). Die Schaffung weiterer Unterbringungsplätze (insgesamt 12.500 Plätze davon 7.500 in CADA) ist in den nächsten zwei Jahren geplant (FRC 12.1.2018; vgl. FRC 22.12.2017).

Im Oktober 2016 wurde die informelle Siedlung in Calais, der sog. Dschungel, geräumt, in der tausende von Migranten und Asylsuchende (laut AI mehr als 6.500 Personen, laut USDOS 5.600) lebten. Man brachte 5.243 Bewohner in Erstaufnahmelager (CAO) in ganz Frankreich und stellte ihnen Informationen über das Asylverfahren zur Verfügung (AI 2.22.2017; vgl. AI 1.6.2017, USDOS 3.3.2017, AIDA 2.2017). Trotzdem leben noch etwa 350 bis 600 Migranten unter prekären Bedingungen in und um Calais. Großbritannien und Frankreich wollen die Sicherheit an der gemeinsamen Grenze jedoch verbessern. Der französische Präsident und die britische Premierministerin unterzeichneten dazu im Januar 2018 ein neues Abkommen (Zeit 19.1.2018).

Trotz der Bestrebungen der lokalen Behörden und Interessenvertreter bleiben viele Migranten und Asylwerber weiterhin obdachlos und leben landesweit in illegalen Camps (AIDA 2.2017).

e). Medizinische Versorgung:

Am 1. Januar 2016 wurde in Frankreich der neue allgemeine Krankenversicherungsschutz (protection universelle maladie – PUMA) eingeführt. Deren medizinischen Leistungen können Asylwerber im ordentlichen, aber auch im Schnell- und im Dublinverfahren in Anspruch nehmen, sobald sie die Bestätigung über ihr laufendes Asylverfahren erhalten (Cleiss 2017; vgl. AIDA 2.2017, Ameli 12.10.2017). Bei PUMA besteht Beitragsfreiheit, wenn das jährliche Einkommen pro Haushalt unter 9.534 Euro liegt (AIDA 2.2017). In Frankreich besteht generell die Möglichkeit, eine Zusatzversicherung abzuschließen, um die Gesundheitsausgaben zu decken, die nicht von der Pflichtversicherung übernommen werden. Einkommensschwachen Personen kommt jedoch kostenfrei ein Allgemeiner Zusatzkrankenschutz (couverture maladie universelle complémentaire – CMU-C) zu, der die vollständige Kostenübernahme von Leistungen sichert (Cleiss 2017; vgl. Ameli 15.11.2017, RSB o.D.). Dies kann auch von Asylwerbern in Anspruch genommen werden (Ameli 12.10.2017). Weiters besteht die Möglichkeit für illegale Einwanderer nach drei Monaten Aufenthalt in Frankreich von der sogenannten staatlichen medizinischen Hilfe (aide médicale de l’état – AME) zu profitieren, selbst wenn andere Sozialleistungen reduziert oder entzogen worden sein sollten (AIDA 2.2017; vgl. Le Fonds CMU 2.5.2017, Ameli 13.10.2017). Neben Personen mit einem niedrigen Einkommen können auch Asylwerber die in Krankenhäusern eingerichteten Bereitschaftsdienste zur ärztlichen Versorgung der Bedürftigsten (permanences d’accès aux soins de santé – PASS) in Anspruch nehmen, während sie auf den Zugang zu CMU oder AME warten. Obwohl gesetzlich vorgeschrieben ist, dass alle Krankenhäuser die PASS anbieten müssen, ist das in der Praxis nicht immer der Fall (AIDA 2.2017).

Zugang zu mentaler Gesundheitsversorgung wird von der Gesetzgebung nicht explizit erwähnt, Asylwerber können aber im Rahmen der PUMA oder AME theoretisch psychiatrische oder psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Viele Therapeuten nehmen jedoch keine nicht-frankophonen Patienten. Traumatisierte oder Opfer von Folter können sich von einigen NGOs betreuen lassen, die sich speziell diesen Themen widmen, z.B. Primo Levi in Paris oder die Osiris-Zentren in Marseille, Mana in Bordeaux, das Forum réfugiés-Cosi Essor Zentrum in Lyon oder Awel in La Rochelle. Die Zahl dieser spezialisierten Zentren in Frankreich ist aber gering und ungleich verteilt und kann den wachsenden Bedarf nicht decken (AIDA 2.2017).

Die Mitarbeiter der CADA sind verpflichtet, innerhalb von 15 Tagen nach Ankunft im Unterbringungszentrum eine ärztliche Untersuchung durchzuführen (AIDA 2.2017).

Im Falle der Ablehnung des Asylantrags haben Personen ein Jahr lang ab der Ausstellung des negativen Bescheides Anspruch auf medizinische Versorgung bei Krankheiten oder Mutterschaft, solange sie sich weiterhin in Frankreich aufhalten (Ameli 12.10.2017).

Festgestellt wird sohin, dass sich aus diesen Länderinformationen keine ausreichend begründeten Hinweise darauf ergeben, dass das französische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweist. Daher ist aus Sicht der zuständigen Einzelrichterin, insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die generelle Versorgungs- und Unterbringungslage und die Sicherheitslage von Asylwerbern in Frankreich den oben zitieren Feststellungen zu folgen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Staatsangehörigkeit sowie Volksgruppenzugehörigkeit, zu seiner Einreise nach Österreich und zur Stellung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie aus dem Akteninhalt.

Dass dem Beschwerdeführer am XXXX .05.2019 von der französischen Botschaft in Moskau ein Schengen-Visum für 90 Tage im Zeitraum XXXX .05.2019 bis XXXX .11.2019 erteilt wurde, dieser sohin im Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich in Besitz eines gültigen französischen Visums war, ergibt sich ebenso aus dem unbedenklichen Akteninhalt, insbesondere aus der VIS-Abfrage und aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten russischen Reisepass. Darüber hinaus wurde die Visumserteilung durch den Beschwerdeführer bestätigt, der in seiner Erstbefragung angab, dass er ein französisches Visum gehabt habe, welches er über eine Visa-Agentur erlangt habe (vgl. AS 25). Auch wurde die Erteilung des Visums für den Beschwerdeführer durch die französische Dublinbehörde bestätigt, die ihre Zustimmung zur Aufnahme des Beschwerdeführers auf Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO stützt.

Die Feststellungen zum Aufnahmegesuch, zur ausdrücklichen Zustimmung zur Aufnahme des Beschwerdeführers durch Frankreich und zur Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate sowie zur diesbezüglichen Mitteilung des Bundesamtes an die französische Dublinbehörde ergeben sich ferner aus den jeweiligen Schreiben bzw. aus der diesbezüglichen Korrespondenz der Dublinbehörden. Darauf, dass die Zuständigkeit Frankreichs beendet worden wäre, finden sich im gesamten Verfahren keine Hinweise, wobei ein derartiges Vorbringen weder vor dem Bundesamt noch in der Beschwerde erstattet wurde.

Eine den Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in Frankreich wurde nicht ausreichend substanziiert vorgebracht (vgl. hierzu die weiteren Ausführungen unter Punkt II. 3.2.4.2. des gegenständlichen Erkenntnisses).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers bzw. zum diagnostizierten Verdacht auf eine Panikstörung samt den weiteren Ausführungen gründen auf der gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren einer allgemein beeideten und gerichtlich zertifizieren sachverständigen Ärztin für Allgemeinmedizin vom 18.01.2020. Hingegen können die vom Beschwerdeführer bzw. von seiner Vertretung in der Stellungnahme vom 27.01.2020 sowie in der Beschwerde geäußerten Kritikpunkte nicht nachvollzogen werden. Zunächst ist darauf zu verweisen, dass der (mehrfach fälschlich als Gutachten) bezeichnete psychiatrische Befund vom XXXX .11.2019 der gutachterlichen Stellungnahme vom 18.01.2020 nicht auf der gleichen fachlichen Ebene entgegentritt. Dies ist schon dadurch erkennbar, dass der psychiatrische Befund lediglich eine halbe A4 Seite ausmacht; die gutachterliche Stellungnahme hingegen fünf ganze A4 Seiten. Ferner ist die gutachterliche Stellungnahme ca. sechs Wochen „jünger“ (im Sinne von ca. sechs Wochen später entstanden), sodass der gesundheitliche Zustand des Beschwerdeführers in der gutachterlichen Stellungnahme aktueller beurteilt werden konnte. Absolut nicht nachvollziehbar und auch ohne Begründung in den Raum gestellt ist das Vorbringen, dass der den psychiatrischen Befund erstellt habende Arzt ein „weitaus höher qualifizierter“ Mediziner sein soll als die – schon seit Jahren bzw. Jahrzehnten – auf diesem Gebiet für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (sowie zuvor schon für das Bundesasylamt) als Gutachterin tätige sachverständige Ärztin. In diesem Zusammenhang ist zu den Beschwerdeausführungen allgemein zu sagen, dass diese ausgesprochen polemisch verfasst sind, was vom Bundesverwaltungsgericht jedenfalls als unprofessionell gewertet wird. Der Verweis in der Beschwerde, das „fachärztliche Dokument“ (womit der halbseitige psychiatrische Befund gemeint ist) spreche gegen eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Frankreich, ist aktenwidrig. Tatsächlich nimmt der psychiatrische Befund vom XXXX .11.2019 zur Frage einer Überstellung des Beschwerdeführers nach Frankreich nicht Stellung. Lediglich der Vollständigkeit halber wird zu den Ausführungen in der Stellungnahme vom 27.01.2020 betreffend die positiven Auswirkungen der Anwesenheit der Angehörigen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet angemerkt, dass der Beschwerdeführer bereits seit Anfang März 2020 untergetaucht ist und sohin davon ausgegangen wird, dass er den Kontakt zu seinen Angehörigen zur Stabilisierung seines psychischen Zustandes doch nicht dringend benötigt. Die beiden Negativfeststellungen betreffend die Inanspruchnahme von Behandlungen nach Jänner 2020 (sohin nach Vorliegen der gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren) sowie betreffend das Vorliegen einer aktuellen Behandlungsbedürftigkeit ergeben sich aus dem Umstand, dass – abgesehen von dem bereits mehrfach erwähnten psychiatrischen Befund vom XXXX .11.2019 – keine weiteren medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme am 12.11.2019 selbst angegeben hat, keine Medikamente zu nehmen, obwohl ihm der Arzt welche verschrieben habe (vgl. AS 211). Dass der Beschwerdeführer – wie von ihm in der Einvernahme vorgebracht – zwei Wochen später (sohin Ende November 2019) tatsächlich beim Arzt vorstellig war bzw. weitere Behandlungen und/oder Therapien vereinbart wurden, wurde nicht nachgewiesen und waren daher die diesbezüglichen Negativfeststellungen zu treffen. Ferner kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer – wie erwähnt – seit Anfang März 2020 untergetaucht ist, was er wohl nicht getan hätte, würde er tatsächlich psychiatrische Hilfe benötigen. Da sohin eine aktuelle Behandlungsbedürftigkeit nicht feststellbar war, war die Feststellung zum Nichtvorliegen schwerwiegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen, die einer Überstellung des Beschwerdeführers nach Frankreich entgegenstehen könnten, zu treffen.

Die Feststellungen zum vorherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich sowie zu der von ihm abgelegten Ergänzungsprüfung aus Deutsch basieren auf seinen eigenen Angaben sowie auf den vorgelegten Unterlagen (Bestätigung der Studienzeit vom XXXX .08.2019; vgl. AS 99 und Zeugnis über die Ergänzungsprüfung aus Deutsch vom XXXX .06.2011; vgl. AS 101). Dass sich die Mutter des Beschwerdeführers als Asylwerberin in einem beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Asylverfahren befindet ergibt sich aus dem Akteninhalt und aus dem hg. Amtswissen. Hieraus ergeben sich auch die Feststellungen zum Bruder des Beschwerdeführers; jene zu seinem Aufenthalt seit Ende 2009 insbesondere aus einem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 16.09.2020, jene zur „Rot Weiß Rot-Karte Plus“ aus dem Zentralen Fremdenregister. Dass der Beschwerdeführer mit den genannten Angehörigen nicht im gemeinsamen Haushalt lebt bzw. bis zu seinem Untertauchen lebte, gründet auf seinen eigenen Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt (vgl. AS 213, 215 und 217) und ist Gegenteiliges auch dem Zentralen Melderegister nicht zu entnehmen. Das Vorliegen von wechselseitigen finanziellen oder sonstigen Abhängigkeiten (wie beispielsweise eine Pflegebedürftigkeit) zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Angehörigen ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Die vom Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vom 12.11.2019 angesprochene Unterstützung in Form von finanziellen Zuwendungen wie Fahrkarten, Handy oder (geringere) Geldbeträge geht über die im Familienkreis üblichen Hilfen nicht hinaus. Darüber hinaus relativiert sich dieser Teil des Vorbringens durch das Untertauchen des Beschwerdeführers. Dieser Umstand wurde dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt am 19.06.2020 bekannt gegeben. Dass der Beschwerdeführerin seit 17.03.2020 aufgrund amtlicher Abmeldung über keine aufrechte Meldung in Österreich mehr verfügt, ist aus dem Zentralen Melderegister ersichtlich.

2.2. Die Feststellungen zum französischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern beruhen auf den im angefochtenen Bescheid angeführten Quellen. Bei diesen vom Bundesamt herangezogenen Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild zum Asylverfahren in Frankreich ergeben. Nach Ansicht der erkennenden Einzelrichterin handelt es sich bei den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Des Weiteren ist darauf zu verweisen, dass die Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid hinreichend aktuell sind. Sollte in den Feststellungen auf Quellen älteren Datums verwiesen werden, ist auszuführen, dass diese mit späteren Quellen inhaltlich deckungsgleich bzw. zum Teil sogar nahezu wortident sind.

Die Gesamtsituation des Asylwesens in Frankreich ergibt sich sohin aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substanziell widersprechen, hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt. Ebenso wenig wurde in den schriftlichen Beschwerdeausführungen diesen Länderfeststellungen substanziiert entgegengetreten, sondern – im Gegenteil – wurden diese für die eigene Argumentation betreffend Behandlungsmöglichkeiten für Asylwerber in Frankreich herangezogen. Ferner wurden auch keine alternativen Berichte in das Verfahren eingeführt.

Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell und – wie erwähnt - wurden auch keine aktuelleren Berichte mit der Beschwerde vorgelegt. Sie zeichnen allerdings – angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 – naturgemäß ein Bild der (medizinischen) Versorgung von Asylwerbern in Frankreich, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr bzw. werden erfolgte Lockerungen in einzelnen Bereichen wieder zurückgenommen), die die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung – seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde – möglichst sicherstellen sollen. Für den hier gegenständlichen Anwendungsbereich der Dublin III-VO bedeutet dies konkret, dass aktuell keine Aussetzungen von Überstellungen von Österreich nach Frankreich (und umgekehrt) geplant sind, wobei die Mitgliedstaaten aufgrund der dynamischen Entwicklung der Situation im engen Austausch miteinander stehen, ebenso mit der Europäischen Kommission. Auch zahlreiche andere Mitgliedstaaten haben die Überstellungen wieder aufgenommen, wobei der Großteil der Mitgliedstaaten derzeit um einen Verweis zum Gesundheitszustand (keine COVID-Symptome) ersucht und die Fristen für die Bekanntgabe der Überstellungen zum Teil geringfügig erweitert wurden. Insgesamt ist davon auszugehen, dass Überstellungen nur dann durchgeführt werden, wenn sich die Lage entspannt und sich die einzelnen Mitgliedstaaten dazu im Stande sehen, die von ihnen übernommenen sogenannten Dublin-Rückkehrer potenziell auch medizinisch zu versorgen.

Die allenfalls hinsichtlich einzelner Mitgliedstaaten noch bestehenden Überstellungshindernisse sind aus jetziger Sicht – aller Wahrscheinlichkeit nach – zeitlich begrenzt; es ist davon auszugehen, dass Reisebewegungen jedenfalls in der Maximalfrist der Verordnung (vgl. die in Art. 29 Dublin III-VO geregelte grundsätzliche sechsmonatige Überstellungsfrist, die allerdings im vorliegenden Fall aufgrund Untertauchens des Beschwerdeführers ohnehin auf 18 Monate verlängert wurde) wieder aufgenommen werden können bzw. teilweise auch schon wurden.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Heranziehung der Länderfeststellungen zu Frankreich nicht zu beanstanden; einerseits aufgrund der Annahme, dass dann – und nur dann – Überstellungen durchgeführt werden, wenn Frankreich für die Einhaltung der einschlägigen asyl- und fremdenrechtlichen Standards garantieren kann und die Länderfeststellungen insofern wieder volle Gültigkeit haben, und andererseits aufgrund des Umstandes, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen jungen, 32jährigen Mann handelt, der keiner Risikogruppe in Zusammenhang mit COVID-19 angehört.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

3.2. Zu A)

3.2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

Sofern gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG.

Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben, wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind.

Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird (§ 61 Abs. 4 FPG).

3.2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Erweist es sich als unmöglich einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systematische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) […]

Art. 12 Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mit

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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