Entscheidungsdatum
21.09.2020Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W212 2234579-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER, als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. von Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.08.2020, Zl: 1265110506-200459880, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Syrien, brachte am 04.06.2020 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein.
Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer am 04.06.2020 in Spanien erkennungsdienstlich behandelt wurde.
Anlässlich seiner Erstbefragung am 05.06.2020 gab der Beschwerdeführer an, im Jänner 2020 den Entschluss zur Ausreise aus seinem Herkunftsstaat gefasst zu haben und über die Türkei, Griechenland und unbekannte Länder nach Österreich gekommen zu sein, da er gehört habe, dass Österreich ein gutes Land sei. In Griechenland wäre er in einer Schlepperunterkunft versorgt worden und hätte er zu keinem Zeitpunkt Behördenkontakt gehabt.
Auf Vorhalt, dass eine EURODAC-Prüfung eine erkennungsdienstliche Behandlung seiner Person in Spanien ergeben habe, erklärte der Beschwerdeführer hierzu nichts sagen zu wollen.
Seinen Heimatstaat habe er verlassen, da er zum Militärdienst einberufen worden wäre, was er nicht befolgen habe wollen. Seine Ehefrau, die gemeinsamen sechs Kinder, seine Eltern sowie seine acht Geschwister seien alle in Syrien aufhältig, ein Bruder sei vermutlich in Österreich, der letzte Kontakt zu ihm habe in der Türkei vor ca. einem Jahr stattgefunden.
Er leide unter keinen Beschwerden oder Krankheit, die ihn an der Einvernahme hindern würden und könne er der Einvernahme ohne Probleme folgen.
Das Bundesamt richtete sodann am 31.07.2020 unter genauer Wiedergabe der Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Reiseweg, seiner Weigerung etwas über seinen Aufenthalt in Spanien sagen zu wollen sowie der Angaben zu seinem Bruder, und unter Übermittlung von Kopien seines Reisepasses, ein auf Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmeersuchen an Spanien. Spanien stimmte mit Schreiben vom 06.08.2020 diesem Ersuchen ausdrücklich zu.
Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt am 12.08.2020 gab der Beschwerdeführer an, dass er sich geistig und körperlich in der Lage fühle, die Einvernahme durchzuführen. Er verstehe den Dolmetscher einwandfrei. Er sei vor dem Krieg in Syrien geflüchtet und habe von Algerien über das Meer übersetzt. Er wäre in Spanien angekommen, hätte jedoch keinen Asylantrag gestellt, denn habe er gewusst, dass die Flüchtlinge in Spanien keine Hilfe bekämen, alle hätten Schlechtes von Spanien erzählt. Er sei sodann über Frankreich und die Schweiz nach Österreich gekommen. In Österreich lebe seit drei Monaten sein Bruder und habe er diesen seit fünf oder sechs Jahren nicht mehr gesehen. Er wolle bei seinem Bruder in Österreich bleiben, da er schwerhörig sei und deswegen Angst habe, Deutsch nicht so gut lernen zu können. Weiters habe er in Österreich ca. zehn Cousins. Der letzte Kontakt zu diesen Cousins sei ebenfalls vor ca. fünf oder sechs Jahren gewesen, da zu diesem Zeitpunkt alle geflüchtet wären und in andere Richtungen verstreut worden wären.
Auf Vorhalt, dass er in Spanien das Recht auf Unterkunft und Verpflegung habe, antwortete der Beschwerdeführer, dass er nicht alleine in Spanien leben wolle, sondern bei seinem Bruder bleiben wolle und er in die Berichte zum Mitgliedsstaat Spanien Einsicht genommen habe und darauf hinweisen wolle, dass in Spanien Flüchtlinge auf der Straße schlafen würden.
Das Bundesamt wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 12.08.2020 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Spanien gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Spanien zulässig sei.
Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage im Mitgliedstaat wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):
Allgemeines zu Vorbringen von Asylwerbern in Dublin Verfahren:
Die Asylbehörden haben nicht nachzuprüfen, ob ein Mitgliedstaat generell sicher ist. Nur wenn sich im Einzelfall ergeben sollte, dass Grundrechte des Asylwerbers z.B. durch Kettenabschiebung bedroht sind, so wäre aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben.
(VfGH 17.6.2005, B 336/05, UBAS zu 268.445/3-X/47/06 vom 14.03.2006)
Es ist nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörde, hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen. Auch aus dem Umstand, dass Anerkennungsquoten im Asylverfahren relativ gering sein, kann nicht automatisch darauf geschlossen werden, dass kein ordnungsgemäßes Verfahren geführt wird.
(VwGH, 31.5.2005, Zl. 2002/20/0095)
Allgemeines zum Asylverfahren in Spanien
Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen
KI vom 13.3.2019, Unterbringung von Dublin-Rückkehrern (relevant für Abschnitt 3/Dublin-Rückkehrer)
Das Oberste Gericht (Tribunal Superior de Justicia) von Madrid hat im Dezember 2018 die spanischen Behörden aufgefordert, sicherzustellen, dass Asylbewerber, die aus anderen europäischen Ländern nach der Dublin-Verordnung nach Spanien zurückkehren, nicht vom Zugang zum Aufnahmesystem ausgeschlossen werden. Der Anlass waren zwei Beschwerdeführer, deren Unterbringung im Aufnahmesystem für Asylbewerber nach der Rückkehr abgelehnt worden war, weil diese auf das Recht auf Aufnahme durch ihre Ausreise verzichtet hätten. Mindestens 20 Personen, die im Rahmen der Dublin-Verordnung nach Spanien zurückgekehrt waren, waren aufgrund dieser Praxis in Madrid von der Unterbringung ausgeschlossen worden. Um dem Urteil zu entsprechen, hat das Ministerium für Arbeit, Migration und soziale Sicherheit Anweisungen erlassen, die das Recht der wiedereingeführten Asylbewerber auf Wiedereintritt in das Aufnahmesystem und einen angemessenen Lebensstandard gewährleisten. Im Unterbringungshandbuch wurde klargestellt, dass das Recht auf Unterbringung von Dublin-Rückkehrern nicht aufzuheben ist, weil zuvor der Wohnsitz aufgegeben wurde (ECRE 25.1.2019).
Quellen:
- ECRE – European Council on Refugees and Exiles (25.1.2019): ECRE Weekly Bulletin, per E-Mail
Allgemeines zum Asylverfahren
Spanien verfügt über ein rechtsstaatliches Asylsystem mit administrativen und gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. In erster Instanz ist das Oficina de Asilo y Refugio (OAR) zuständig für die Bearbeitung von Asylanträgen. Es untersteht dem Innenministerium:
Die Wartezeit, bis ein Antragsteller seinen Asylantrag formell einbringen kann, beträgt durchschnittlich sechs Monate. Die Verfahren dauerten 2017 durchschnittlich 14,4 Monate (9,2 Monate für Syrer, 16,8 Monate für Afghanen und 20 Monate für Iraker) (AIDA 15.3.2018; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (15.3.2018): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_es_2017update.pdf, Zugriff 28.6.2018
1. Dublin-Rückkehrer
Spanien erhält wesentlich mehr Dublin-In-Anfragen als es Dublin-Out-Anfragen stellt. 2016 erhielt Spanien 5.854 Anfragen. 2017 waren es 5.953, wobei es letztlich zu 425 Transfers kam. Spanien gibt vor Transfer keine Garantien an Mitgliedsstaaten ab; bei Ankunft der Rückkehrer koordiniert OAR sich aber mit dem Sozialministerium, das für die Unterbringung zuständig ist. Zivilgesellschaftliche Organisationen berichten von Problemen bei der Identifizierung von zurückkehrenden Opfern von Menschenhandel (hauptsächlich aus Frankreich), die nicht effektiv als solche erkannt wurden. Dublin-Rückkehrer haben keine Probleme beim neuerlichen Zugang zum Asylsystem. Ihre Interviews werden priorisiert, falls sie einen Asylantrag stellen wollen. Wenn ihr voriges Verfahren abgebrochen wurde („discontinued“), müssen sie einen neuerlichen Asylantrag einbringen, der jedoch nicht als Folgeantrag gilt (AIDA 15.3.2018).
Das spanische Innenministerium hat auf Anfrage bestätigt, dass Dublin-Rückkehrer ein eventuelles Asylverfahren in Spanien fortsetzen bzw. einen neuen Asylantrag stellen können. Außerdem ist der Zugang zu Versorgung, wie für andere Asylwerber auch, garantiert (ÖB 31.8.2016).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (15.3.2018): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_es_2017update.pdf, Zugriff 28.6.2018
- ÖB – Österreichische Botschaft Madrid (31.8.2016): Auskunft des spanischen Innenministeriums, per E-Mail
2. Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable
Bei vulnerablen Antragstellern (Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Behinderte, Alte, Schwangere, alleinerziehende Elternteile mit minderjährigen Kindern, Opfer von Folter, Vergewaltigung oder anderen ernsten Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt und Opfer von Menschenhandel), sind Maßnahmen zu setzen, die ihre spezialisierte Betreuung garantieren. Ein Mechanismus zur Früherkennung von Vulnerabilität ist vom Gesetz jedoch nicht vorgesehen. Diese wird von Beamten während des Asylinterviews vorgenommen oder von NGOs, welche in Unterbringungszentren und während des Asylverfahrens Hilfestellung bieten. Ein wichtiger Beitrag zur Identifizierung Vulnerabler wird auch von UNHCR geleistet, der während des Asylverfahrens eine gesetzlich festgelegte beratende Rolle einnimmt. UNHCR wird über alle registrierten Asylvorbringen informiert und ist Teil der Inter-Ministerial Commission of Asylum and Refuge (CIAR), die eine zentrale Rolle in der Identifizierung von Vulnerabilität im Asylverfahren spielt. Der umfassende Zugang von UNHCR zu den Antragstellern an der Grenze oder in geschlossener Unterbringung ermöglicht ein Monitoring der Verfahrensgarantien für die meisten Fälle von Vulnerabilität. Kritisiert wird, dass Opfer vom Menschenhandel in Spanien einen Aufenthaltstitel gemäß Fremdenrecht bekommen, anstatt zu prüfen, ob sie für einen Asylstatus infrage kommen, welcher ihnen einen höheren Schutz bieten würde (AIDA 15.3.2018).
Die Betreuung unbegleiteter Minderjähriger ist in Spanien Kompetenz der autonomen Regionen. Der Staat hat Richtlinienkompetenz. Reisedokumente von Minderjährigen sind grundsätzlich als ausreichender Beweis der Minderjährigkeit anzusehen. Bei berechtigten Zweifeln an den Angaben ist eine medizinische Altersfeststellung mittels Röntgenaufnahmen möglich. Dies kann nur von einem Staatsanwalt veranlasst werden. Am Ende wird das geschätzte Mindestalter als tatsächliches Alter angenommen. Die Aussagekraft der Tests wird aber von internationalen Organisationen, NGOs, Experten, Beamten und dem Ombudsmann kritisiert. Auch gibt es Vorwürfe, die Altersfeststellung würde zu oft angewandt (eher als Regel denn als Ausnahme, auch bei Vorliegen von Identitätsdokumenten) und damit der Judikatur des spanischen Verfassungsgerichtshofes widersprechen. Es gibt in diesem Zusammenhang weitere Vorwürfe, wie z.B. dass das Günstigkeitsprinzip in der Praxis nicht angewendet werde. Schließlich beklagen NGOs eine diskriminierende Anwendung der Altersfeststellung (diese werde z.B. bei marokkanischen Antragstellern immer angewandt) und dass die autonomen Regionen wiederholte Altersfeststellungen als Mittel nützten, um die Zahl der Minderjährigen in ihrer Obhut zu minimieren. Zwischen 2014 und 2016 ergab aber die Mehrheit der Altersfeststellungen, mit regionalen Unterschieden, insgesamt eine Minderjährigkeit des Betreffenden. Es wird moniert, dass viele Minderjährige in den Exklaven Ceuta und Melilla sich absichtlich als volljährig deklarieren, weil sie dann auf das spanische Festland verlegt werden, anstatt als unbegleitete Minderjährige vor Ort versorgt zu werden (AIDA 15.3.2018).
Die Vormundschaft für unbegleitete Minderjährige ist ebenfalls regional organisiert. Die zuständige Region oder Stadt hat binnen maximal drei Monaten einen Vormund für den unbegleiteten Minderjährigen (UM) zu ernennen (in der Praxis ist die Dauer regional unterschiedlich). Die Vormundschaft wird dabei üblicherweise NGOs oder Kirchen übertragen, die dafür von den Jugendschutzdiensten entschädigt werden. Der UM ist materiell zu versorgen und unterzubringen, der Schutz seiner Interessen, der Zugang zu Bildung, rechtlicher Hilfe und Übersetzung ist sicherzustellen und er ist mit der nötigen Information betreffend seines Asylverfahrens zu versorgen. Kritisiert wird v.a. der langwierige Bestellungsprozess für die Vormundschaft. Ebenso kritisiert werden Fälle, in denen Betroffene die Schutzzentren verlassen müssen, sobald sie 18 Jahre alt werden, obwohl sie noch keine Aufenthaltsgenehmigung erhalten haben. In der Praxis werden von UM nur sehr wenige Asylanträge gestellt (101 Anträge zwischen 2011 und 2016, von denen 31 Schutz erhalten haben). Dies wird von Kritikern als Zeichen für die Unzulänglichkeiten beim Zugang von UM zu internationalem Schutz in Spanien interpretiert, vor allem in puncto Information der Betroffenen in den autonomen Regionen (AIDA 15.3.2018).
Unbegleitete Minderjährige haben Anspruch auf vordringliche Bearbeitung ihres Asylantrags, was die Verfahrensdauer halbiert. Ansonsten haben Vulnerable keine spezifischen Verfahrensgarantien. Vulnerable sind laut Gesetz nicht vom Grenzverfahren ausgenommen, aber OAR macht für manche Fälle Ausnahmen, etwa für Schwangere oder Personen, die medizinische Behandlung benötigen (AIDA 15.3.2018).
Im spanischen Unterbringungssystem werden die Antragsteller in Absprache zwischen der Asylbehörde und der NGO, welche das Unterbringungszentrum führt, untergebracht. Man ist bemüht, die am besten geeignete Unterkunft für den Einzelfall zu finden. Für vulnerable Fälle gibt es Unterbringungskapazitäten verschiedener NGOs. Besonders vulnerable Fälle, die nicht abgedeckt werden können, werden bei Bedarf an externe, noch spezialisiertere Stellen übergeben. Unbegleitete minderjährige Asylwerber werden in eigenen Einrichtungen untergebracht (AIDA 15.3.2018).
Im Juni 2018 gab es eine Demonstration des Personals von fünf Unterbringungseinrichtungen für unbegleitete Minderjährige der Regionalregierung Andalusiens wegen der bis zu vierfachen Überbelegung ihrer Zentren, ausgelöst durch die Ankunft von über 1.300 Migranten (davon 110 Jugendliche) an der spanischen Küste am Wochenende zuvor. 2017 stieg gemäß Zahlen des spanischen Innenministeriums die Zahl der ankommenden UM um 60%. Ein Drittel der in den letzten vier Jahren registrierten UM wurde in Andalusien untergebracht (IM 26.6.2018).
Minderjährige unterliegen zwischen sechs und 16 Jahren der Schulpflicht, das gilt auch für Fremde. Es fällt in die Kompetenz der autonomen Gemeinden, den Zugang zu Bildung sicherzustellen und dieser erfolgt in regulären Schulen. Diesbezügliche Unzulänglichkeiten werden nur aus dn Enklaven Ceuta und Melilla berichtet (AIDA 15.3.2018).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (15.3.2018): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_es_2017update.pdf, Zugriff 28.6.2018
- IM – Info Migrants (26.6.2018): Hosting centers for child migrants in Spain in crisis, http://www.infomigrants.net/en/post/10172/hosting-centers-for-child-migrants-in-spain-in-crisis?utm_source=ECRE+Newsletters&utm_campaign=5628d5e092-EMAIL_CAMPAIGN_2018_06_27_10_31&utm_medium=email&utm_term=0_3ec9497afd-5628d5e092-422318529, Zugriff 4.7.2018
3. Non-Refoulement
2016 und 2017 hat das OAR vermehrt die sichere Drittstaatenklausel in Bezug auf Marokko angewendet. Dies wurde mehrfach gerichtlich bestätigt (AIDA 15.3.2018).
An der Grenze von Marokko zu den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla kam es Berichten zufolge 2017 zu zahlreichen Fällen von Push-backs und Refoulement nach Marokko (AIDA 15.3.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Migranten sehen sich großen Hürden bei der Ausreise aus Marokko und dem Zugang zu den asylum points an der spanischen Grenze gegenüber. Im März 2015 wurde die gesetzliche Möglichkeit geschaffen, Drittstaatsangehörige, die bei der illegalen Einreise betreten werden, direkt an der Grenze zurückzuweisen. Dies wird als Verstoß gegen internationale rechtliche Verpflichtungen zum Schutz von Flüchtlingen kritisiert. UNHCR ist in den Enklaven präsent (AIDA 15.3.2018).
Die langen Wartezeiten, bis ein Antragsteller seinen Antrag formell einbringen kann, sind ein Problem, da die Betroffenen vorher kein Ausweisdokument erhalten und somit einem Risiko der Ausweisung und des Refoulements ausgesetzt sind (AIDA 15.3.2018).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (15.3.2018): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_es_2017update.pdf, Zugriff 28.6.2018
- USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Spain, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430309.html, Zugriff 3.7.2018
4. Versorgung
Das spanische Unterbringungssystem besteht aus:
- Vier Unterbringungszentren (Centros de acogida de refugiados, CAR) mit gesamt 420 Plätzen Kapazität.
- Temporären Migrationszentren (Centros de estancia temporal para inmigrantes, CETI) in den Enklaven Ceuta (Kapazität: 512 Plätze) und Melilla (Kapazität: 700 Plätze).
CAR und CETI werden vom Arbeits- und Sozialministerium betrieben.
- Weiters gibt es eine Unterbringungs- und Betreuungskomponente, die vom og. Ministerium an NGOs ausgelagert ist.
Wegen der zum Teil langen Wartezeiten bis zum Einbringen eines Antrags wurde auch eine Art Erstaufnahme geschaffen, während der Antragsteller bis zur Zuweisung eines Unterbringungsplatzes in Hotels untergebracht werden können (Assessment and referral phase). Die Größe der og. Zentren hängt vom Betreiber ab. Manche sind größer, andere wiederum in Appartments eingerichtet, einige in urbaner Umgebung, andere wiederum in ländlicher Gegend gelegen. Insgesamt verfügt Spanien (Stand Dezember 2016) über 4.104 Unterbringungsplätze. Seit 2017 sind 20 NGOs mit Finanzierung durch den spanischen Staat in der Unterbringung von Asylwerbern und Flüchtlingen tätig. Eine genaue Statistik der NGO-Unterbringungsplätze in Spanien ist nicht verfügbar. Versorgungsmaßnahmen werden niemals wegen hoher Antragszahlen reduziert, sondern es werden Notmaßnahmen eingeleitet und Antragsteller untergebracht, wo es möglich ist. Der Anstieg der illegalen Einreisen im Zuge des Jahres 2017 hat zu Schwierigkeiten bei der Unterbringung geführt, die Bedingungen haben sich aber nicht verschlechtert, da zusätzliche Plätze geschaffen wurden (AIDA 15.3.2018).
Personen, die ihren Asylantrag in den Enklaven Ceuta oder Melilla stellen, müssen die Zulässigkeitsentscheidung über ihren Antrag dort abwarten und werden erst dann aufs spanische Festland überstellt. Es gibt aber Berichte über Fälle, die trotz positiver Zulässigkeitsentscheidung nicht transferiert wurden. Spanische Gerichte haben ein solches Vorgehen mehrmals verurteilt. In den letzten Jahren wurden die Transfers nach Festland-Spanien beschleunigt, der Ablauf wird aber weiterhin als intransparent kritisiert (AIDA 15.3.2018). Die CETI in Ceuta und Melilla werden in Zusammenhang mit Überbelegung kritisiert (USDOS 20.4.2018). 2017 haben 3.218 Migranten die CETI in den Enklaven durchlaufen und sich dort im Schnitt 2,1 Monate aufgehalten. 2010 waren es noch 11,4 Monate gewesen (ep 1.2.2018).
Im spanischen Unterbringungssystem werden die Antragsteller in Absprache zwischen der Asylbehörde und der NGO, welche das Unterbringungszentrum führt, untergebracht. Man ist bemüht, die am besten geeignete Unterkunft für den Einzelfall zu finden. Asylwerber, die über keine finanziellen Mittel verfügen, haben das Recht auf Unterbringung und Versorgung zur Deckung ihrer grundlegenden Bedürfnisse. Die materiellen Bedingungen sind für alle Antragsteller dieselben, egal in welcher Art von Verfahren sie sich befinden. Dieses System hat stark integrativen Charakter und unterstützt Nutznießer von der Antragstellung bis zum Abschluss des Integrationsprozesses, aber maximal für 18 Monate (verlängerbar auf 24 Monate für Vulnerable). Wenn Antragsteller sich für eine private Unterkunft außerhalb des Systems entscheiden, haben sie keinen garantierten Zugang zu finanzieller Unterstützung und Leistungen wie in den Zentren. Die Versorgung geschieht in drei Phasen zu je sechs Monaten Dauer bei jeweils abnehmender Unterstützungsintensität, um in der letzten Phase Selbständigkeit und soziale Integration der Betreffenden zu erreichen (AIDA 15.3.2018).
1. Während der 1. Versorgungsphase werden Antragsteller in Unterbringungszentren (Centro de acogida de refugiados, CAR) bzw. in Wohnungen im ganzen Land untergebracht. Während dieser Phase erhalten die AW grundlegende Schulungen mit dem Ziel, ihre Integration in die spanische Gesellschaft zu ermöglichen. Die Phase muss daher in einem CAR absolviert werden. In der ersten Versorgungsphase erhalten Asylwerber ein Taschengeld in Höhe von €51,60 im Monat, plus €19,06 für jeden abhängigen Minderjährigen. Zusätzlich werden andere persönliche Ausgaben (Transport, Kleidung, pädagogische Aktivitäten, Verwaltungsangelegenheiten, Übersetzerkosten) gegen Vorlage von Rechnungen abgedeckt.
2. In der zweiten Versorgungsphase, der sogenannten Integrationsphase, haben die Asylwerber Anspruch auf finanzielle Unterstützung und Übernahme grundlegender Ausgaben für den Aufbau eines normalen Lebens. In der 2. Phase der Versorgung erhalten Asylwerber kein Taschengeld mehr und werden in Wohnungen und Privathäusern untergebracht. Die Mieten werden übernommen.
3. In der dritten Versorgungsphase, der sogenannten Autonomiephase, ist das Erreichen finanzieller Unabhängigkeit des Antragstellers vorgesehen. In dieser Phase erhalten die Asylwerber punktuell finanzielle Unterstützung zur Deckung bestimmter Ausgaben.
Kritisiert wird, dass nach der ersten Unterbringungsphase ein Maß an Autonomie, Selbsterhaltungsfähigkeit und Spracherwerb vorausgesetzt wird, das in sechs Monaten kaum zu erreichen sei. Gerade mangelnde Sprachkenntnisse sind ein erhebliches Hindernis beim Zugang zu Beschäftigung (AIDA 15.3.2018).
Gemäß Gesetz haben alle Migranten Zugang zu grundlegender Versorgung, unabhängig vom rechtlichen Status (USDOS 20.4.2018).
Negativ beschiedene Antragsteller dürfen in der Unterbringung bleiben, bis die maximale Unterbringungsdauer erreicht ist. Asylwerber haben nach sechs Monaten Zugang zum Arbeitsmarkt, aber mangelnde Sprachkenntnisse, administrative Schwierigkeiten und Diskriminierung schmälern diesen Zugang in der Praxis (AIDA 15.3.2018).
Abgesehen von den Unterbringungskapazitäten für Asylwerber verfügt Spanien über neun Haftzentren (zusammen 1.589 Plätze) für fremdenrechtliche Haft (Centros de Internamiento de Extranjeros, CIE) (AIDA 15.3.2018).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (15.3.2018): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_es_2017update.pdf, Zugriff 28.6.2018
- ep – europapess (1.2.2018): Un total de 3.218 migrantes pasaron por los CETI de Ceuta y Melilla en 2017, donde estuvieron de media 2,1 meses, http://www.europapress.es/sociedad/noticia-total-3218-migrantes-pasaron-ceti-ceuta-melilla-2017-donde-estuvieron-media-21-meses-20180201153420.html, Zugriff 5.7.2018
- USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Spain, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430309.html, Zugriff 3.7.2018
4.1. Medizinische Versorgung
Das spanische Recht sieht für alle Asylwerber den vollen Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem wie für spanische Bürger vor, einschließlich Zugang zu spezialisierterer Behandlung für Personen, die Folter, schwere körperliche oder seelische Misshandlungen oder Traumatisierung erlitten haben. Obwohl in Spanien Zugang zu spezieller Behandlung durch Psychologen und Psychiater frei und garantiert ist, gibt es keine Institutionen, die auf die Behandlung traumatisierter Flüchtlinge spezialisiert sind. Gegenwärtig gibt es drei NGOs, die für Asylbewerber mit psychischen Bedürfnissen zuständig sind. Die NGO Accem betreibt in Zusammenarbeit mit der Firma Arbeyal das Hevia Accem-Arbeyal – Zentrum, das auf Behinderung und psychische Gesundheit spezialisiert ist und Plätze für Asylsuchende reserviert, aber nicht ausschließlich auf diese Zielgruppe fokussiert. Die NGO CEAR (Comisión Española de Ayuda al Refugiado) betreibt auch Einrichtungen, die auf Asylsuchende mit psychischen Erkrankungen spezialisiert sind. Die Stiftung La Merced bietet Aufnahmeplätze für junge erwachsene Asylsuchende, die spezielle Unterstützung aufgrund psychischer Erkrankungen benötigen. Wenn die Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder gestrichen wird, bleibt der Zugang zu medizinischer Versorgung weiterhin bestehen (AIDA 15.3.2018).
Spanien hat 2015 einen strategischen Plan zur Eliminierung der Hepatitis C angenommen und seither etwa 100.000 Erkrankten Zugang zu einer Behandlung mit antiviralen Medikamenten der jüngsten Generation ermöglicht. Die Heilungsrate von etwa 95% ist eine der höchsten der Welt (AEHVE 29.5.2018). Mitte 2017 hat die spanische Gesundheitsministerin durchgesetzt, dass die Behandlung von Hepatitis C auf alle Stadien der Erkrankung ausgedehnt werden soll, nicht nur auf spätere Stadien. Die Kommunen Madrid und Valencia wendeten dies damals bereits an. Eine Unterstützung für die Kommunen bei der Finanzierung dieser Vorgehensweise, ist nicht vorgesehen (El País 21.6.2017). Um den Jahreswechsel 2017/2018 forderten Interessengruppen weiterhin die Umsetzung dieses Plans (AEHVE 9.1.2018).
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (15.3.2018): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_es_2017update.pdf, Zugriff 28.6.2018
- AEHVE - Alianza para la Eliminación de las Hepatitis Víricas en España (9.1.2018):Manifiesto de Asociaciones vinculadas a la Hepatitis C, http://aehve.org/manifiesto-asociaciones-vinculadas-la-hepatitis-c/, Zugriff 5.7.2018
- AEHVE - Alianza para la Eliminación de las Hepatitis Víricas en España (29.5.2018): Llamamiento conjunto al Gobierno y a las Comunidades Autónomas para que faciliten el cribado universal de la hepatitis C, Zugriff 5.7.2018
- El País (21.6.2017): Sanidad acuerda con las comunidades ampliar el tratamiento de la hepatitis C, https://politica.elpais.com/politica/2017/06/21/actualidad/1498060903_372716.html, Zugriff 5.7.2018
- MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail
5. Schutzberechtigte
Sowohl Flüchtlinge als auch Personen mit subsidiärem Schutzstatus erhalten vorerst eine Aufenthaltserlaubnis für fünf Jahre. Diese ist verlängerbar. Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen werden für jeweils ein Jahr ausgestellt. Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte können, wenn sie gewisse Parameter erfüllen, nach fünf Jahren die Ausstellung eines langfristigen Aufenthaltstitels beantragen. Die spanische Staatsbürgerschaft können anerkannte Flüchtlinge frühestens nach fünf Jahren und subsidiär Schutzberechtigte frühestens nach zehn Jahren beantragen. Es besteht die Möglichkeit der Ausweitung des Schutzes auf die Familie. Personen, die internationalen Schutz genießen, haben in ganz Spanien Freizügigkeit. In der Praxis befinden sie sich in der Regel in dem Gebiet, in dem das Verfahren durchgeführt wurde, es sei denn, sie haben Familienmitglieder oder Netzwerke in anderen Städten. Wie bei Asylsuchenden ist die Mehrheit der Flüchtlinge in Andalusien, Madrid oder Katalonien untergebracht. Alle Antragsteller haben Zugang zu dem 18-monatigen dreiphasigen Unterbringungs-/Integrationsprozess (siehe oben unter „Unterbringung“, Anm.). Selbst wenn sie innerhalb dieses Zeitraums Asyl oder subsidiären Schutz erhalten, dürfen bzw. müssen sie diesen Prozess fortsetzen, in denselben Unterbringungen wie Asylwerber mit laufendem Verfahren. Es gibt hier keine Ausnahmen und die Vollendung der verschiedenen Phasen ist Voraussetzung für den Eintritt in die nächste Phase. Auch bei Schutzberechtigen würde eine private Unterbringung außerhalb des offiziellen Systems den Verzicht auf die darin vorgesehene Unterstützung bedeuten. Der Mangel an verfügbaren Sozialwohnungen, zu niedrige Mietzinsbeihilfen, hohe Anforderungen bei Mietverträgen und Diskriminierung sind für viele Schutzberechtigte ein Problem und können zu wirtschaftlichen Problemen und Armut führen. Zwar versuchen viele NGOs zwischen wohnungssuchenden Flüchtlingen und Hausbesitzern zu vermitteln, jedoch gibt es keine eigene Behörde, die dafür zuständig wäre. Schutzberechtigte haben denselben Zugang zum Arbeitsmarkt wie spanische Bürger. Alle Personen im 18-monatigen Integrationsprozess erhalten individuelle Unterstützungsprogramme für Ausbildung, Anerkennung von Qualifikationen usw. Nach Abschluss des dreiphasigen Prozesses können die Begünstigten Arbeitsintegrations- und Orientierungsdienste von NGOs in Anspruch nehmen, die mit EU-Mitteln vom Ministerium für Beschäftigung finanziert werden und auch personalisierte Programme, Beschäftigungsorientierung, Schulungen usw. umfassen. Viele Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben beim Zugang zum Arbeitsmarkt in der Praxis Probleme aufgrund von Sprache, Qualifikation und Diskriminierung. Diese Situation wird durch die hohe Arbeitslosigkeit in Spanien noch verschlimmert. Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben gleichermaßen und unter denselben Bedingungen Zugang zu Sozialhilfe wie Spanier. Das Ministerium für Arbeit und soziale Sicherheit ist für die Bereitstellung von Sozialhilfe zuständig und in der Praxis besteht dieser Zugang ohne besondere Hindernisse. Sozialhilfe ist nicht an den Wohnsitz an einem bestimmten Ort gebunden, da sie auf nationaler Ebene verteilt wird, sie kann aber gegebenenfalls durch kommunale und regionale Angebote ergänzt werden. Beim Zugang zu medizinischer Versorgung gelten für Schutzberechtigte dieselben Bedingungen wie für Asylwerber (AIDA 15.3.2018).
Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte haben ein Recht auf Bildung, medizinische Versorgung, Wohnraum, Sozialleistungen, usw. wie spanische Bürger. Wenn die Umstände es erfordern, können sie nach Anerkennung weiter von Programmen oder Unterstützung profitieren, die sie vor der Anerkennung genossen haben (MdI o.D.).
UNHCR ist der Meinung, dass das spanische System zur Integration von Flüchtlingen, speziell Vulnerabler, verbessert werden muss (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (15.3.2018): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_es_2017update.pdf, Zugriff 28.6.2018
- MdI – Ministerio del Interior (o.D.a): Efectos de la resolución de asilo o de protección subsidiaria, http://www.interior.gob.es/es/web/servicios-al-ciudadano/extranjeria/derecho-de-asilo/efectos-de-la-resolucion-de-asilo-o-de-proteccion, Zugriff 5.7.2018
- USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Spain, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430309.html, Zugriff 3.7.2018
- Zur COVID-19 Pandemie
1. Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte. In Spanien wurden bisher 326.612 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 28.581 Todesfälle bestätigt wurden (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 12.08.2020.
2.
- Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html, abgerufen am 12.08.2020).
Es kann nicht festgestellt werden, dass Sie bei Ihrer Überstellung nach Spanien einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wären.
Es wurde festgestellt, dass der Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen sei, da gemäß Art. 13 Absatz 1 Dublin III-VO Spanien für die Prüfung des Antrages zuständig sei. Ein im besonderem Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen, betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der beschwerdeführenden Partei ernstlich für möglich erscheinen lassen würde, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Die Regelvermutung des § 5 Absatz 3 Asylgesetz sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VOergeben. Es bestünden keine gegenseitigen qualifizierten Abhängigkeiten zu seinem Bruder und stelle angesichts des Fehlens schützenswerter familiärer Anknüpfungspunkte sowie im Hinblick auf die kurze Dauer des Aufenthaltes die Außerlandesbringung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Artikel 8 EMRK dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers, in welcher er im Wesentlichen geltend macht, dass die Erstbehörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt hätte. Der Beschwerdeführer habe angegeben, schwerhörig zu sein, jedoch hätte die Erstbehörde keine Informationen über den tatsächlichen Betreuungsbedarf und Behinderungsgrad eingeholt. Der Beschwerdeführer sei vulnerabel und gebe es keine Garantie seitens des spanischen Staates, dass er dementsprechend untergebracht und versorgt werde. Es bestehe eine vorrangige Zuständigkeit Österreichs nach Art. 16 Dublin III-VO, und hätte dies im Konsultationsverfahren vermerkt werden müssen. Der Bruder des Beschwerdeführers befinde sich in Österreich im Asylverfahren und werde er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zumindest subsidiären Schutz zugesprochen bekommen. Der Beschwerdeführer mit seiner Behinderung wäre daher auf seinen Bruder angewiesen und könnte sich dadurch viel leichter in Österreich eingliedern, als dass es in Spanien alleine jemals möglich wäre. Österreich müsse daher von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen.
Es würden die Anträge gestellt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in Österreich für zulässig erklären und in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Syriens, stellte am 04.06.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Laut EURODAC-Abfrage erfolgte zuvor eine erkennungsdienstliche Behandlung in Spanien. Das Gebiet der „Dublin-Staaten“ wurde vom Beschwerdeführer zwischenzeitig nicht wieder verlassen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 31.07.2020 ein detailliertes, auf Art. 13 Abs. 1 der Dublin III-VO gestütztes, Aufnahmegesuch an Spanien, dem die spanische Dublin-Behörde mit Schreiben vom 06.08.2020 ausdrücklich zustimmte.
Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Spaniens wieder beendet hätte, liegt nicht vor.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Spanien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.
Zur Lage im Mitgliedstaat Spanien schließt sich das Bundesverwaltungsgericht den Feststellungen des angefochtenen Bescheides an. Besondere in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Spanien sprechen, liegen nicht vor.
Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist notorisch:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gab es mit Stand 15.07.2020, 19.060 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 709 Todesfälle; in Spanien wurden zu diesem Zeitpunkt 603.167 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen und wurden bisher 30.004 Todesfälle bestätigt (WHO, 15.07.2020).
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.
Da sich die epidemiologische Lage innerhalb der EU weitgehend stabilisiert hat, wurden – neben anderen Lockerungen der Corona-Maßnahmen – die Reisebeschränkungen, die eingeführt worden waren, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, wieder schrittweise aufgehoben.
Der Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohenden Krankheiten. Eigenen Angaben zur Folge ist er schwerhörig. Er fällt demnach auch nicht unter die ob angeführten Risikogruppen. In Spanien sind (bei Bedarf) alle Krankheiten behandelbar und alle gängigen Medikamente erhältlich. Es besteht ausreichende medizinische Versorgung für Asylwerber in Spanien, welche auch in der Praxis zugänglich ist.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich einen volljährigen Bruder XXXX , geb. XXXX , sowie zehn Cousins, zu denen kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. keine besonders enge Beziehung besteht. Der Bruder des Beschwerdeführers befindet sich in einem vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seit 22.05.2020 laufenden Asylverfahren.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Akt des BFA, dem spanischen Antwortschreiben im Rahmen der Dublin-Konsultationen, und dem Vorbringen des Beschwerdeführers selbst.
Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der privaten, familiären und beruflichen Anknüpfungspunkte in Österreich ergeben sich aus der Aktenlage und dem Vorbringen des Beschwerdeführers.
Die Feststellung zu seinem gesundheitlichen Zustand ergibt sich daraus, dass er sowohl bei der Erstbefragung als auch bei der Einvernahme vor dem BFA angab, dass er physisch und psychisch in der Lage sei die Einvernahme durchzuführen und er bei keiner seiner Einvernahmen medizinische bzw. gesundheitliche Probleme geltend machte. Insbesondere hat der Beschwerdeführer keine akuten oder lebensbedrohenden Erkrankungen dargetan. Die Feststellung zu seiner Schwerhörigkeit basiert auf seinen eigenen Angaben, medizinische Befunde wurden nicht vorgelegt.
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen.
Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Spanien auch Feststellungen zur spanischen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf „Dublin-Rückkehrer“) samt dem dortigen jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelwege getroffen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Erwägungen zur Beweiswürdigung an.
Die getroffenen notorischen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus den unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen. Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell, sie zeichnen allerdings – angesichts der derzeit sich schnell ändernden Gegebenheiten in Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 – naturgemäß ein Bild der Versorgung von Asylwerbern in Spanien, welches sich auf den Zeitraum vor Ausbruch der Pandemie bezieht.
Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind, weshalb auch entsprechende Maßnahmen gesetzt werden beziehungsweise wurden (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr), um die Ausbreitung von COVID-19 hintanzuhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung - seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde - möglichst sicherstellen zu können. In diesem Sinne wurde in den Mitgliedstaaten der EU auch die Durchführung von Überstellungen beziehungsweise die Übernahme von Dublin-Rückkehrern temporär ausgesetzt.
Nachdem sich die epidemiologische Lage innerhalb der EU weitgehend stabilisiert hat und vor dem Hintergrund der sukzessiven Aufhebungen von Reisebeschränkungen, sind zahlreiche Mitgliedstaaten, die im regen Austausch miteinander stehen, mittlerweile aber dazu übergegangen, Überstellungen von Dublin-Rückkehrern (sowohl „in“ als auch „out“) wieder durchzuführen.
Zwar verkennt das Gericht nicht, dass die Pandemie noch nicht überstanden ist und Spanien eines der Länder ist, das – genauso wie Österreich – zurzeit eine starke Zunahme von Neuinfektionen erlebt, es ist aber davon auszugehen, dass etwaig daraus resultierende erneute Überstellungshindernisse jedenfalls in der Maximalfrist der Verordnung (vgl. die in Art. 29 Dublin III-VO geregelte grundsätzliche sechsmonatige Überstellungfrist) überwunden sein werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des nationalen Rechts sind §§ 5 und 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG; unionsrechtlich sind primär Art. 3, 7, 13, 16, 17, 18, 23 und 25 Dublin III-VO relevant.
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz):
In materieller Hinsicht ist die Zuständigkeit von Spanien zur Prüfung des in Rede stehenden Asylantrages in Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO begründet, da der Beschwerdeführer aus einem Drittstaat kommend die Land-, See-, oder Luftgrenze Spaniens illegal überschritten hat und er dort erkennungsdienstlich behandelt wurde. Zudem stimmte die spanische Dublin-Behörde der Aufnahme des Antragstellers gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO ausdrücklich zu.
Anhaltspunkte dafür, dass die Zuständigkeit von Spanien in der Zwischenzeit untergegangen sein könnte, bestehen nicht.
Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und 17 Abs. 2 (humanitäre Klausel) Dublin III-VO ergeben sich keine berücksichtigungswürdigen Gründe für eine österreichische Zuständigkeit zur Prüfung des Antrags des Beschwerdeführers. Die Rechtfertigung für die Zuständigkeitsregel des Art. 16 ist darin gelegen, dass dieser familiäre Konstellationen beschreibt, in denen regelmäßig eine Zusammenführung bzw. Nicht-Trennung abhängiger Personen aus menschenrechtlichen Erwägungen erfolgen soll. Entscheidendes Kriterium für die Zuständigkeit nach Art. 16 Abs. 2 ist somit das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses, zu dem weitere Umstände hinzutreten müssen. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Schwerhörigkeit, wobei aus den Protokollen der erstinstanzlichen Erstbefragung sowie Einvernahme keinerlei Verständnis-/Hörschwierigkeiten evident wurden, ist keinesfalls unter die Ermessensklausel des Art. 16 subsumierbar. Das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses zu seinem in Österreich seit drei Monaten und in einem laufenden Asylverfahren befindlichen Bruder kann nicht festgestellt werden (siehe weitere Ausführungen unten).
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des Verwaltungsgerichtshofes (zB 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.
Das BFA hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht in gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre:
Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, 96/21/0499; 09.05.2003, 98/18/0317; vgl. auch 16.07.2003, 2003/01/0059). „Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist.“ (VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, 96/18/0379; EGMR 04.02.2005, 46827/99 und 46951/99, Mamatkulov und Askarov/Türkei Rz 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK, sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde. Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582; 31.05.2005, 2005/20/0025; 25.04.2006, 2006/19/0673), ebenso weitere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung³, K13 zu Art. 19).
Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.
Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 07.06.2016, C-63/15, Gezelbash (Große Kammer), festgestellt, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass [ … ] ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums [ … ] geltend machen kann.
Damit im Einklang steht das Urteil des EuGH ebenfalls vom 07.06.2016, C-155/15, Karim (Große Kammer), wonach ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung einen Verstoß gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung geltend machen kann.
Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den EGMR zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben ist, hat sich der EuGH in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S. ua/Vereinigtes Königreich, befasst und – ausgehend von der Rechtsprechung des EGMR in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung vom 21.01.2011 (GK), 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland – ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten.
Somit ist zum einen unionsrechtlich (im Hinblick auf die Urteile des EuGH vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich, sowie jeweils vom 07.06.2016, C-63/15, Gezelbash, und C-155/15, Karim) zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorherrschen, und zum anderen aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, ob die BF im Falle der Zurückweisung ihres Antrags auf internationalen Schutz und ihrer Außerlandesbringung nach Litauen gemäß §§ 5 AsylG und 61 FPG – unter Bezugnahme auf ihre persönliche Situation – in ihren Rechten gemäß Art. 3 und/oder 8 EMRK verletzt werden würden, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist (vgl dazu auch näher Baumann/Filzwieser in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Asyl- und Fremdenrecht – Jahrbuch 2018, Seiten 213ff.).
Kritik am spanischen Asylwesen / die Situation in Spanien:
Es ist festzuhalten, dass kein konkretes Vorbringen ergangen ist, das geeignet wäre, anzunehmen, dass der rechtliche und faktische Standard der spanischen Asylverfahren eine Verletzung fundamentaler Menschenrechte erkennen ließe. Aus den von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Feststellungen zum spanischen Asylverfahren ergibt sich eindeutig, dass Asylwerbern dort ein rechtsstaatliches Asylverfahren offensteht, in welchem die Voraussetzungen der Asylgewährung und des Rückschiebungsschutzes im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen, insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, definiert sind.
Relevant wären im vorliegenden Fall bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa: grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren). Solche Mängel (die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005) sind schon auf Basis der Feststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht erkennbar.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die allgemeine Lage für nach Spanien überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung glaubhaft erscheinen lässt. Insbesondere sind die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts.
Nach den Länderberichten zu Spanien kann keinesfalls mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Asylwerber im Fall einer Überstellung nach Spanien konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden. Insgesamt gesehen herrschen somit in Spanien nach dem gegenwärtigen Informationsstand keineswegs derartige systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen, die mit der Situation in Griechenland vergleichbar wären. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich außerdem, dass die Verletzung einzelner Bestimmungen von Richtlinien nicht schon per se mit einem systemischen Mangel gleichzusetzen ist (EuGH 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, Rn. 82 bis 85). Aus der gesamten Berichtslage zu Spanien ergeben sich keine Hinweise auf systemische Mängel im dortigen Asyl- und Aufnahmewesen.
Dass Spanien gegenüber Asylbewerbern aus Syrien unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, wurde im Verfahren nicht vorgebracht und ist auch nicht erkennbar.
Nach den Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide gibt es keine Berichte darüber, dass Dublin-Rückkehrer in Spanien Schwierigkeiten beim Zugang zum Asylverfahren hätten. Dublin-Rückkehrer können in Spanien einen (neuen) Asylantrag stellen. Für Dublin-Rückkehrer gelten die gleichen Aufnahmebedingungen wie für andere Asylwerber; der Zugang zu Versorgung ist, wie für andere Asylwerber auch, garantiert. Es bestehen für das Gericht demnach keine Zweifel, dass der Beschwerdeführer, eine Asylantragstellung vorausgesetzt, in den Genuss der Grundversorgung in Spanien kommen wird.
Sofern der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme angegeben hat, in Spanien würden Asylwerber auf der Straße leben müssen, so bleibt dies lediglich bei einer Behauptung und legt er keine wie immer gea