TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/22 W218 2225512-1

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Veröffentlicht am 22.09.2020
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Entscheidungsdatum

22.09.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W218 2225512-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Marion STEINER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich vom 11.10.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Bescheid vom 11.10.2019 stellte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) fest, dass mit einem Grad der Behinderung von 40 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien.

2.       Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die vorliegenden körperlichen Beeinträchtigungen und die massiven Veränderungen zum Vorgutachten aus dem Jahr 2003 nicht ausreichend berücksichtigt worden wären. Die Probleme des Beschwerdeführers im rechten Kniegelenk und im linken Hüftgelenk wären durch die eingesetzten Prothesen zwar verringert worden, seien aber noch insofern vorhanden, als er das rechte Bein nach wie vor nicht voll ausstrecken könne. Seine Wirbelsäulenbeschwerden, insbesondere in der Lendenwirbelsäule, hätten sich massiv verschlechtert. Der Beschwerdeführer habe sich bei einem Sturz beide Schultergelenke verletzt und hätte das rechte Schultergelenk operiert werden müssen, dies sei aufgrund der vorgezogenen Hüftoperation jedoch verschoben worden. Die Operation wäre nunmehr nicht mehr möglich und könne er den rechten Arm unter Schmerzen und ohne Belastung nur bis auf Brusthöhe heben. Er könne ein volles Glas nicht zum Mund führen. Das linke Schultergelenk sei zudem nicht voll einsatzfähig. Der Beschwerdeführer habe in den Daumengelenken Orthesen eingesetzt erhalten und wären alltägliche Dinge, wie Hemdknopf öffnen oder schließen, einen Flaschenverschluss aufdrehen und Brot abschneiden nur schwer und unter Schmerzen möglich. Aufgrund eines Hammerzehs wäre der Beschwerdeführer an der zweiten Zehe rechts operiert worden und könne er den Fuß nicht mehr richtig abrollen. Der Beschwerdeführer leide an degenerativen Veränderungen an der gesamten Wirbelsäule, den Knie-, Hüft- und Schultergelenken, den Daumen und den Fingergelenken. Es scheine sicher, dass er an Arthrosen leide. Dies erschwere ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und habe er beim Autofahren insofern Schwierigkeiten, als er zum Ein- und Aussteigen die Autotür vollständig öffnen müsse, dies wäre auf einem regulären Parkplatz schwer möglich.

3.       Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 18.11.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

4.       Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt, das einen Gesamtgrad der Behinderung von 40 vH ergab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 vH.

Der Beschwerdeführer leidet an folgenden Funktionseinschränkungen:

1. Knietotalendoprothese rechts, Pos.Nr.: 02.05.18, Grad der Behinderung 20 %

2. Hüfttotalendoprothese links, beginnende Hüftgelenksarthrose rechts, Pos.Nr.: 02.05.08, Grad der Behinderung 20 %

3. Abnützungen beide Schultern, Pos.Nr.: 02.06.02, Grad der Behinderung 20 %

4. Polyarthrose der Fingergelenke, Rhizarthrose beidseits, Pos.Nr.: 02.06.26, Grad der Behinderung 20 %

5. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Pos.Nr.: 02.01.01, Grad der Behinderung
20 %

Da der Beschwerdeführer keinen Gesamtgrad der Behinderung von 50% (fünfzig v.H.) erreicht, sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt.

2.       Beweiswürdigung:

Das eingeholte Sachverständigengutachten ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Im medizinischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie, Msc. Orthopädie, wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 22.05.2020, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die orthopädische Sachverständige stufte das führende Leiden 1 „Knietotalendoprothese rechts“ schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 02.05.18 mit dem oberen Rahmensatz mit einem Grad der Behinderung von 20 vH ein, da eine geringgradige Einschränkung der Beweglichkeit objektivierbar ist. Der Beschwerdeführer führte im Zuge der Beschwerde selbst aus, dass sich die Knieprobleme durch den Einsatz der Totalendoprothese 2019 verbessert hätten. Der einzige im Verwaltungsakt aufliegende MR-Befund stammt vom 17.10.2017 und wurde sohin vor der Operation erstellt, sodass daraus keine aktuellen Erkenntnisse gewonnen werden können. Die im Zuge der Antragstellung auf Heilverfahren erfolgte Untersuchung wurde ebenfalls bereits am 03.01.2018 und sohin vor der Operation durchgeführt und kann aus der dort angeführten mittelgradig eingeschränkten Beweglichkeit der Kniegelenke kein aktueller Status in Erfahrung gebracht werden. Sowohl im Zuge der persönlichen Untersuchung am 22.05.2020 als auch bereits im Zuge der Untersuchung im verwaltungsbehördlichen Verfahren zeigte sich eine geringgradige Einschränkung der Beweglichkeit. Im rechten Kniegelenk konnte die Sachverständige eine mäßige Umfangsvermehrung feststellen, aber ohne Überwärmung und ohne Erguss. Der Beschwerdeführer zeigte endlagige Bewegungsschmerzen und konnte die tiefe Hocke bis zu einem Drittel durchführen. Lockerungszeichen der Totalendoprothese sind nicht objektivierbar. Die Einstufung mit einem Grad der Behinderung von 20 vH erfolgte sohin zu Recht.

Die orthopädische Sachverständige stufte das Leiden 2 „Hüfttotalendoprothese links, beginnenden Hüftgelenksarthrose rechts“ schlüssig und nachvollziehbar unter der Positionsnummer 02.05.08 mit dem unteren Rahmensatz mit 20 vH ein, da es keine Hinweise auf eine Lockerung der Totalendoprothese gibt und eine gute Beweglichkeit vorliegend ist. Aus dem Röntgenbefund vom 19.10.2018 geht eine mäßige Coxarthrose hervor, die in die Beurteilung ausreichend eingeflossen ist. Die Ausführungen zum Röntgenbefund zum linken Kniegelenk sind aufgrund der Hüfttotalendoprothese links, welche im November 2018 operativ eingesetzt wurde, nicht mehr aktuell und besitzen keine Aussagekraft über die aktuellen Funktionseinschränkungen. Es ist nicht verifizierbar, von wem die handschriftliche Notiz „Hüft-TEP am 23.11.18 noch immer nicht OK“ stammt bzw. wann diese auf dem vorliegenden Befund angeführt wurde. Eine Besserung der Hüftprobleme durch den Einsatz der Totalendoprothese wurde vom Beschwerdeführer zudem in der Beschwerde selbst angegeben. Im Zuge der persönlichen Untersuchung am 22.05.2020 zeigte der Beschwerdeführer am linken Hüftgelenk kein Stauchungsschmerz, aber an beiden Hüftgelenken endlagige Rotationsschmerzen. Die tiefe Hocke war ihm bis zu einem Drittel möglich und konnte er die gestreckten unteren Extremitäten beidseitig bis 60° bei einem Kraftgrad von 5 anheben. Die Einstufung des Leidens 2 mit einem Grad der Behinderung von 20 vH ist aufgrund des Untersuchungsergebnisses und unter Betrachtung des vorliegenden Befundes schlüssig und nachvollziehbar und wurde durch das eingeholte orthopädische Sachverständigengutachten bestätigt.

Die orthopädische Sachverständige stufte das Leiden 3 „Abnützung beide Schultern“ schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 02.06.02 mit dem fixen Rahmensatz von 20 vH ein, da nur geringgradige Bewegungseinschränkungen objektiviert werden konnten. Im Zuge der persönlichen Untersuchung am 22.05.2020 überprüfte die orthopädische Sachverständige die Beweglichkeit der Schultergelenke ausgiebig und kam zum Ergebnis, dass sowohl am rechten als auch am linken Schultergelenk endlagige Bewegungsschmerzen vorhanden sind, die Beweglichkeit am rechten Schultergelenk ist eingeschränkt und ist die rechte Schulter geringgradig verkürzt. Die beim Beschwerdeführer im Zuge der Beweglichkeitstestung aufgetretenen Schmerzen wurden dabei ausreichend mitberücksichtigt. Der Schultergürtel zeigte sich im Zuge der persönlichen Untersuchung horizontal mit symmetrischen Muskelverhältnissen. Sowohl die Durchblutung als auch die Sensibilität sind ungestört. Die Beweglichkeit der Schultern konnte rechts annähernd bis zur Horizontalen durchgeführt werden und links über die Horizontale ohne relevante Einschränkungen der Drehbeweglichkeit. Der vorliegende MR-Befund stammt vom 04.01.2018 und ist sohin bereits zweieinhalb Jahre alt, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Bänder in der Schulter laut Beschwerdeführer bereits im Jahr 2017 gerissen sind. Aufgrund der aktuellen Untersuchungsergebnissen sowie dem Umstand, dass in der orthopädischen Untersuchung aufgrund der verwaltungsbehördlichen Gutachtenserstellung am 16.09.2019 dieselben Untersuchungsergebnisse erzielt wurden, ist die Einstufung des Grades der Behinderung mit 20 vH vorzunehmen.

Die medizinische Sachverständige stufte das Leiden 4 „Polyarthrose der Fingergelenke, Rhizarthrose beidseits“ unter der Positionsnummer 02.06.26 mit einem Grad der Behinderung von 20 vH ein, da geringe funktionelle Einschränkungen objektivierbar sind. Im Zuge der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers zeigte sich eine Daumensattelgelenkarthrose rechts mehr als links mit einer deutlichen Vorwölbung ohne Entzündungszeichen. Eine Polyarthrose der Fingergelenke, insbesondere eine Herberden’sche Arthrose im linken Zeigefinger ist ebenfalls objektivierbar. Im Zuge der Untersuchung wurde im Zuge der Überprüfung der aktiven Beweglichkeit am linken Daumen des Beschwerdeführers ein geringgradiges Streckdefizit und eine Abspreizhemmung festgestellt, die übrigen Langfinger und der rechten Daumen zeigten sich annähernd frei beweglich. Der Grob- und der Spitzengriff waren dem Beschwerdeführer uneingeschränkt durchführbar. Der Nacken- und Schürzengriff waren dem Beschwerdeführer rechts annähernd bis zu seinem rechten Ohr durchführbar, links war er endlagig eingeschränkt durchführbar. Die grobe Kraft des Beschwerdeführers war in etwa seitengleich vorhanden. Dies deckt sich mit dem Röntgenbefund vom 31.05.2019. Der Röntgenbefund vom 03.10.2007 zeigt keine Aktualität auf und kann daher nicht berücksichtigt werden. Wenn der Beschwerdeführer im Zuge des Parteiengehörs aufzeigt, dass der Faustschluss nicht möglich sei, so ist darauf zu verweisen, dass aus dem Gutachten eindeutig hervorgeht, dass im Zuge der Untersuchung der Faustschluss fast komplett durchgeführt wurde, darüber hinaus war dieser im Zuge der orthopädischen Untersuchung im verwaltungsbehördlichen Verfahren am 16.09.2019 und in der Untersuchung im PVA Verfahren am 03.01.2018 beidseitig vollständig durchführbar. Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass aus dem Gutachten hervorgeht, dass im Zuge der persönlichen Untersuchung die aktive Beweglichkeit der Finger und Daumen überprüft wurde. Hochgradige funktionelle Einschränkungen der Hände waren im Zuge der persönlichen Untersuchung nicht objektivierbar. Die Ergebnisse der orthopädischen Untersuchung sind ident mit der orthopädischen Untersuchung im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Verfahrens und ist das Vorbringen des Beschwerdeführers über die Unmöglichkeit der aktiven Beweglichkeit seiner Daumen sohin nicht nachvollziehbar.

Das Leiden 5 „Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule“ wurde von der orthopädischen Sachverständigen unter der Positionsnummer 02.01.01 mit dem oberen Rahmensatz mit
20 vH eingestuft, da „geringe funktionelle Einschränkungen bei mäßigen radiologischen Veränderungen“ objektivierbar sind. Die orthopädische Sachverständige untersuchte die Wirbelsäule des Beschwerdeführers ausgiebig und kam zum Ergebnis, dass die aktive Beweglichkeit der Halswirbelsäule in allen Ebenen endlagig eingeschränkt ist. Die aktive Beweglichkeit der Brustwirbelsäule und der Lendenwirbelsäule zeigte sich in der Rotation und im Seitneigen jeweils bei 20°, der Finger-Boden-Abstand betrug 20 cm. Der Schultergürtel und das Becken standen horizontal und waren etwa im Lot, es bestanden regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur war symmetrisch ausgebildet und bestand kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule. Eine höhergradige funktionelle Einschränkung der Wirbelsäule war nicht feststellbar, es konnte kein Hinweis auf ein radikuläres Defizit objektiviert werden. Unter Berücksichtiung der vorliegenden Befunde ist die Einstufung des Grades der Behinderung mit 20 vH schlüssig und nachvollziehbar und entspricht der Einstufung des orthopädischen Sachverständigen im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Verfahrens.

Die medizinische Sachverständige führte aus, dass der Grad der Behinderung des führenden Leidens 1 durch die Leiden 2 und 5 um eine Stufe erhöht wird, da ein ungünstiges Zusammenwirken vorliegt. Das Leiden 3 und 4 erhöhen den Gesamtgrad der Behinderung um eine weitere Stufe, da ein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken mit dem führenden Leiden 1 vorliegt. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt daher 40 vH und deckt sich das Ergebnis mit dem Ergebnis des im verwaltungsbehördlichen Verfahren eingeholtem Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Orthopädie. Hierbei ist darauf zu verweisen, dass zwei Orthopäden unabhängig voneinander zum selben Ergebnis gekommen sind.

Die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind nicht Gegenstand des Verfahrens und werden der Entscheidung somit nicht zugrunde gelegt.

Die Behörde (bzw. das Gericht) hat ein Gutachten auf seine Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten hat die Behörde nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen. Die belangte Behörde und der Beschwerdeführer sind den getroffenen Feststellungen nicht entgegengetreten, weshalb das Gericht die im Gutachten getroffenen Feststellungen ohne weitere Ermittlungen dem Sachverhalt zugrunde gelegt hat.

Mit dem Beschwerdevorbringen hat sich das seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholte Sachverständigengutachten ausführlich auseinandergesetzt. Die beauftragte Sachverständige hält – nach einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers und unter Beachtung der vorgelegten Befunde – zusammengefasst fest, dass aufgrund der durchgeführten persönlichen Untersuchung keine höhergradigen funktionellen Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule, der Hüften und im Bereich der Finger und Daumen festgestellt werden konnten. Weder im Bereich der Knietotalendoprothese, noch in der Hüfttotalendoprothese zeigen sich Lockerungszeichen.

Es wurde dem Vorbringen des Beschwerdeführers somit nachvollziehbar, schlüssig und vollständig entgegen getreten und kann den Einwendungen des Beschwerdeführers angesichts des Inhalts des Gutachtens nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer konnte weder eine Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit des Gutachtens aufzeigen noch ist er ihm auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Auch sind an der Person der Sachverständigen keine Bedenken aufgetreten.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das eingeholte Sachverständigengutachten daher als schlüssig, vollständig und nachvollziehbar. In einer Zusammenschau der vorliegenden Befunde, des Gutachtens und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer dem Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten ist, geht der erkennende Senat davon aus, dass das Sachverständigengutachten bzw. der darin festgelegte Grad der Behinderung von
40 vH der Entscheidung zugrunde zu legen ist.

Der im Rahmen des Parteiengehörs erhobene Einwand war nicht geeignet die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH vorliegt, zu entkräften.

Auch wurde im bekämpften Verfahren bereits ein orthopädisches Gutachten eingeholt, welches im Ergebnis mit den neuerlich erstellten Sachverständigengutachten übereinstimmt.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

Auszug aus der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) idgF:

„Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
-         sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
-         zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.“

Da ein Grad der Behinderung von 40 (vierzig) vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

Der Rechtsprechung des EGMR kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.6.1993).

Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde auf gutachterlicher Basis ermittelt. Zudem wurde vom Beschwerdeführer in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet, welches eine weitere Erörterung notwendig erschienen ließ.

Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W218.2225512.1.00

Im RIS seit

04.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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