TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/23 W103 2216322-3

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Veröffentlicht am 23.09.2020
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Entscheidungsdatum

23.09.2020

Norm

AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W103 2216322-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Auttrit als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , Rechtsanwalt in XXXX und die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.07.2020, Zl. 780839201-181111705, zu Recht:

A) I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. wird gemäß den §§ 7 Abs. 1 Z 2 und Abs. 4, 8, 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Beschwerde stattgegeben, der Bescheid hinsichtlich der bekämpften Spruchpunkte IV. – VII. aufgehoben, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG idgF für auf Dauer unzulässig erklärt und XXXX gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 1, 55 Abs. 1 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 idgF der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an, ist muslimischen Glaubens und stellte am 10.09.2008 – vertreten durch seine Mutter im Familienverfahren – einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit dem Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.03.2010 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers vom 10.09.2008 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattgegeben und der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

3. Mit Urteil des Landesgerichts für XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Raubes zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von 9 Monaten, von welcher ihm alle 9 Monaten bedingt nachgesehen wurden, verurteilt (Jugendstraftat). Der Beschwerdeführer wurde für schuldig befunden, gemeinsam mit Mittätern einer Frau mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leiben (unter Verwendung einer echt aussehenden Spielzeugpistole) die Handtasche mit einem Bargeldinhalt von Euro 20.— geraubt zu haben.

Als mildernd wurden das Geständnis sowie die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, als erschwerend kein Umstand gewertet.

4. Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten wurde eingeleitet. Dem Beschwerdeführer wurde mitgeteilt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beabsichtige, dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 AsylG abzuerkennen und gegen diesen eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot zu erlassen. Der Beschwerdeführer sei in Österreich wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden.

Am 01.02.2019 wurde der Beschwerdeführer dazu niederschriftlich einvernommen. Jene Einvernahme vernahm in ihren gegenständlich relevanten Teilen den folgenden Verlauf:

„(…) LA: Können Sie die heutige Einvernahme in Deutsch durchführen?

VP: Ja. Ich spreche nur wenige Worte auf Russisch.

LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten? Sind Sie gesund? Müssen Sie Medikamente einnehmen?

VP: Ja, ich bin gesund und nehme keine Medikamente. Ich mache gerade den Pflichtschulabschluss.

LA: Welcher Volksgruppe und welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an?

VP: Ich gehöre der Volksgruppe der Tschetschenen an und bin schiitischer Moslem.

LA: Geben Sie einen Lebenslauf von sich an!

VP: Ich bin am XXXX in der Stadt N XXXX geboren und lebte dort bis zu meinem zweiten Lebensjahr. Anschließend sind wir nach Polen gereist, wo ich mich ebenfalls rund zwei Jahre aufgehalten habe. Seit dem Jahr 2008 lebe ich hier in Österreich.

Ich bin ledig und habe keine Kinder.

LA: Stellen Sie Ihre Familienverhältnisse dar.

VP: Meine Mutter, meine drei Schwestern sowie meine beiden Brüder leben hier in Österreich. Ich lebe mit diesen in einem gemeinsamen Haushalt. Meine große Schwester lebt nicht mehr bei uns.

LA: Wo befindet sich Ihr Vater?

VP: Ich weiß es nicht.

LA: Haben Sie Ihre Mutter jemals nach Ihren Vater gefragt?

VP: Nein.

LA: Wieso nicht?

VP: Ich habe ihn in Polen zuletzt gesehen und seit diesem Zeitpunkt haben wir keinen Kontakt mehr mit diesem.

LA: Hat Ihre Mutter oder Ihre Geschwister Kontakt zu Ihrem Vater?

VP: Nicht das ich wüsste.

LA: Haben Sie diese jemals danach gefragt?

VP: Nein.

LA: Wieso nicht?

VP: Weil ich kein Interesse habe, mit ihm Kontakt zu haben.

LA: Wieso haben Sie kein Interesse an Ihrem Vater?

VP: Wenn er mit uns nach Österreich gekommen wäre, dann hätte ich ein Interesse daran gehabt.

LA: Wann hatten Sie den letzten Kontakt zu Ihrem Vater?

VP: Als wir nach Polen gezogen sind. Ich habe in Polen mit meinem Vater in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Wir sind dann in Richtung Österreich gereist und er hat gesagt, dass er nachkommen würde. Aber er ist nicht nachgekommen.

LA: Warum ist Ihr Vater nicht nachgekommen?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: Hatten Sie keinen Kontakt zu Ihrem Vater aufgenommen?

VP: Nein.

LA: Hat Ihre Mutter Kontakt zu ihm aufgenommen?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: Schildern Sie bitte Ihren bisherigen Aufenthalt in Österreich! Was haben Sie alles gemacht?

VP: Ich habe die Volksschule sucht, anschließend das Gymnasium gemacht; ich habe dann das Gymnasium abgebrochen. Ich hatte damals schlechte Freunde, die die Schule nie besucht haben und auch mit den Lehrern hatte ich kein gutes Verhältnis. Mit diesen habe ich nun aber keinen Kontakt mehr und jetzt mach ich geraden den Pflichtschulabschluss bei der VHS in XXXX .

Anmerkung: VP legt eine Teilnahmebestätigung am Pflichtschulabschluss vor; diese wird in Kopie als Anlage 1 zum Akt genommen. Auch legt dieser ein Empfehlungsschreiben (Anlage 2) vor.

LA: Haben Sie familiäre oder private Bindungen an Österreich?

VP: Ja, meine Familie lebt hier. Zudem habe ich auch österreichische Freunde hier.

LA: Haben Sie - außer Ihrer Kernfamilie - hier in Österreich weitere zum dauernden Aufenthalt berechtigte Verwandte?

VP: Ja, meine Tante. Sie lebt im 2. Bezirk und ist asylberechtigt. Ich sehe sie einmal im Monat.

LA: Wovon leben Sie bzw. wie bestreiten Sie hier in Österreich Ihren Lebensunterhalt?

VP: Meine Mutter versorgt mich. Zudem bekomme ich Geld von der VHS.

LA: Sind Sie hier in Österreich Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation?

VP: Nein.

LA: Haben Sie während Ihres Aufenthaltes in Österreich strafbare Handlungen begangen?

VP: Ja.

LA: Beschreiben Sie bitte diese Straftat!

VP: Ich war mit zwei bis drei Freunden unterwegs und dann habe ich Bekannte gesehen, welche ich vom Sehen her kenne. Diese sind auf die Idee gekommen, Blödsinn zu machen. Es war dort ein Bursche mit vier Mädchen. Ich hatte eine Spielzeugwaffe dabei und bin zum Spaß zu ihnen gegangen. Ich habe ihm gesagt, dass er mir seine Sachen geben soll und er hat dies verneint. Ich habe mich dann umgedreht und wollte gehen, doch plötzlich ist dieser auf die Bekannten von mir zugelaufen. Dann kam es zu einer Schlägerei, aber ich bin dann weggegangen.

LA: Warum hatten Sie eine Spielzeugwaffe bei sich?

VP: Keine Ahnung. Die hatte ich einfach bei mir.

LA: War die Straftat geplant?

VP: Nein.

LA: Haben Sie die Spielzeugwaffe immer bei ihnen?

VP: Nein; diese hatte ich zufällig bei mir.

LA: Warum haben Sie diese Straftat begangen?

VP: Ich weiß nicht. Ich glaube, ich wollte cool vor den anderen Burschen wirken. Ich habe mir aber nicht die Konsequenzen dabei gedacht.

LA: Was denken Sie im Nachhinein über Ihr gezeigtes Verhalten?

VP: Dass das ein purer Blödsinn war.

LA: Was sagt Ihre Mutter dazu, dass Sie hier in Österreich straffällig geworden sind?

VP: Sie sagte, dass ich das unnötig gemacht habe und dies nicht mehr machen soll.

LA: Welche Angehörigen haben Sie noch im Heimatland?

VP: Nein.

LA: Beschreiben Sie bitte den Verbleib Ihrer Onkel und Tanten!

VP: Ich weiß nichts über meine Onkel und Tanten.

LA: Wie viele Geschwister hat Ihr Vater?

VP: Ich habe keine Ahnung.

LA: Haben Sie Ihre Mutter jemals danach gefragt?

VP: Nein. Ich rede nicht mit meiner Mutter über meinen Vater.

LA: Hat Ihre Mutter Geschwister in Ihrem Heimatland?

VP: Nicht dass ich wüsste.

LA: Wie viele Geschwister hat Ihre Mutter?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: Haben Sie kein Interesse an Ihren Onkel und Tanten?

VP: Nein, weil ich keinen Kontakt mit diesen habe. Ich weiß nicht, wo sich meine Onkel und Tanten aufhalten.

LA: Welche Befürchtungen haben Sie aktuell für den Fall einer Rückkehr in Ihr Heimatland?

VP: Entweder werde ich in das Gefängnis gesteckt oder ich werde verfolgt oder umgebracht.

LA: Wieso sollten Sie in das Gefängnis gesteckt werden?

VP: Weil mein Vater im Krieg gedient hatte.

LA: Wieso sollten Sie verfolgt und umgebracht werden?

VP: Ich weiß es nicht. Das ist nur eine Vermutung.

Fragen an die gesetzliche Vertreterin:

LA: Haben Sie in Ihrem Heimatland Familienangehörige?

GV: Ich habe eine Tante und einen Cousin. Mein Cousin wurde jedoch im Jahr 2010 umgebracht.

LA: Wo lebt Ihre Tante?

GV: In der Stadt XXXX

LA: Haben Sie Kontakt zu dieser?

GV: Gelegentlich. Sie ist schon sehr alt. Sie hat keine eigenen Kinder.

LA: Wann hatten Sie den letzten Kontakt zu Ihrer Tante?

GV: Vor ca. einem Monat. Ich habe mich über Ihr Wohlergehen erkundigt.

LA: Haben Sie in Ihrem Heimatland Geschwister?

GV: Meine Mutter ist wieder verheiratet und lebt in Südrussland, in XXXX . Manchmal habe ich Kontakt zu ihr. Vor zwei oder drei Monaten hatte ich Kontakt zu ihr. Damals hatte mich meine Halbschwester darüber verständigt, weil die Mutter krank war.

LA: Ihre Halbschwester lebt mit Ihrer Mutter gemeinsam?

GV: Ja.

LA: Haben Sie weitere Geschwister in Ihrem Heimatland?

GV: Es hat noch einen Halbbruder gegeben, welcher nicht mehr am Leben ist. Ich habe zwei weitere Halbschwestern. Wo genau meine Halbschwestern leben, weiß ich nicht.

LA: Haben Sie Kontakt zu Ihrem Ehemann?

GV: Ja, schon. Wir waren nach muslimischem Recht verheiratet. Ich habe ihn zuletzt vor etwa drei Monaten angerufen. Er hat keinen festen Wohnsitz. Einmal ist er in Weißrussland, einmal in der Ukraine. Nachgefragt gebe ich an, dass ich ihn telefonisch erreichen kann. Er hat einen Sohn aus erster Ehe, welcher in Frankreich aufhältig war. Er hat mir seine Telefonnummer gegeben. Er wechselt jedoch immer die Sim-Karte.

LA: Wann hatten Sie zuvor Kontakt zu Ihrem Ehemann?

GV: Unsere jüngste Tochter ist im November vergangen Jahres erst drei Jahre alt geworden. Damals, also vor rund drei Jahren und neun Monaten, hatte ich ihn in Polen besucht, da er krank war.

Wir hatten damals eine sehr turbulente Beziehung; er war sehr eifersüchtig und es hat viel Streit gegeben. Ich habe ihn auch im Jahr 2010 besucht. Unser Sohn ist ja dann im Jahr 2011 zur Welt gekommen.

LA: Haben Sie noch weitere Familienangehörige im Heimatland?

VP: Ich habe niemanden, denen ich meinen Sohn anvertrauen könnte.

LA: Beantworten Sie bitte die Frage!

VP: Nein, sonst habe ich niemanden.

Nachgefragt gebe ich an, dass ich das einzige Kind meiner Eltern war. Mein Vater ist getötet worden und meine Mutter hatte dann noch einmal geheiratet.

LA: Welchen Clan gehören Sie an?

VP: Tshinkoj. Ich müsste Nachforschung betreiben, um die Leute ausfindig zu machen. Wenn ich suchen würde, dann würde ich Leute finden, die ebenfalls diesem Clan angehören.

LA: Wie viele Geschwister hat Ihr Ehemann?

VP: Er hat noch zwei Schwestern, wobei eine in Frankreich und eine in G XXXX lebt. Er hat auch noch einen Bruder, dessen Aufenthalt mir jedoch nicht bekannt ist. Ich habe jedoch keinen Kontakt zu den Geschwistern meines Ehemannes.

LA: Wo konkret ist Ihr Ehemann nun aufhältig?

VP: Zuletzt, also Anfang des Jahres 2018, war er in der Ukraine aufhältig. Sein ältester Sohn war in Russland 14 Jahre lang im Gefängnis und ist dann in die Ukraine verzogen.

LA: Möchten Sie die Länderinformationen und eine Frist zur Stellungnahme?

VP: Nein danke. Ich verzichte. (…)“

5. Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.02.2019 wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.03.2010 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Weiters wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte die Identität des Beschwerdeführers fest und begründete die Aberkennung des Status des Asylberechtigten sowie den Erlass des Einreiseverbotes mit der zuvor dargestellten strafgerichtlichen Verurteilung wegen Raubes und führte aus, dass der Beschwerdeführer daher eine Gefahr für die Gemeinschaft darstellen würde. Der Beschwerdeführer sei offensichtlich auch in Zukunft nicht gewillt, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten, sodass demnach auch eine negative Zukunftsprognose zu treffen sei.

Der Beschwerdeführer habe keine nachvollziehbaren Rückkehrbefürchtungen geltend machen können. Das Einreiseverbot in der Dauer von sieben Jahren scheine der Behörde im Hinblick auf die Verurteilungen des Beschwerdeführers gerechtfertigt und notwendig, um die von ihm ausgehende erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern bzw. einen Gesinnungswandel seiner Einstellung zur öffentlichen Rechtsordnung zu bewirken.

6. Gegen den oben angeführten Bescheid wurde mit Eingabe vom 13.03.2019 durch den rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde eingebracht, in welcher unrichtige rechtliche Beurteilung und erhebliche Verfahrensfehler geltend gemacht wurden. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass es für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten der Verurteilung wegen eines besonders schweren Verbrechens bedarf. Die Unterstellung, der Beschwerdeführer würde eine potentielle Gefahr für die Allgemeinheit darstellen, sei nicht richtig. Der Verwaltungsgerichtshof verlange das kumulative Vorliegen von vier Voraussetzungen, welche im Fall des Beschwerdeführers nicht gegeben wären. Bei der Erstellung der Gefährdungsprognose sei das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt sei. Dabei sei nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Auch das Familienleben des Beschwerdeführers sei intakt. Er lebe seit 11 Jahren mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in Österreich. Er spreche sehr gut Deutsch und besuche einen Pflichtschulabschluss-Lehrgang. Jedenfalls greife für den Beschwerdeführer keine negative Prognose, sodass aus den dargestellten Gründen ein Einreiseverbot gerechtfertigt wäre. Der Beschwerdeführer bereue die Tat sehr und sei um einen ordentlichen Lebenswandel bemüht, er werde sich zukünftig an die österreichischen Gesetze halten.

7. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 21.03.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

8. Mit Schreiben vom 26.03.2019 wurde eine Beschwerdeergänzung übermittelt, in der neben den bereits in der Beschwerde vorgebrachten Argumenten zusätzlich angeführt wurde, dass sich die belangte Behörde nicht mit der Gefährdung des Beschwerdeführers als Sohn eines Widerstandskämpfers auseinandergesetzt habe. Beim Beschwerdeführer handle es sich um eine minderjährige Person, es ergeben sich daher Rechte aus Art. 24 der Grundrechtecharta der EU sowie aus dem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern (BVG-Kinderrechte), dies sei schlicht ignoriert worden.

9. Mit hg. Erkenntnis vom 15.05.2019, Zahl W103 2216322-1, wurde der Beschwerde in Spruchteil A) gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 idgF, stattgegeben und der bekämpfte Bescheid aufgehoben. Die Revision wurde in Spruchteil B) für nicht zulässig erklärt.

Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes erwogen:

„Aufgrund der bereits erfolgten Ausführungen ist davon auszugehen, dass es sich bei der Begehung eines Raubdeliktes grundsätzlich um ein besonders schweres Verbrechen handeln kann. Gemäß § 142 Abs. 1 beträgt der Strafrahmen bis zu 10 Jahre.

Gemäß § 5 Abs. 4 JGG wird das Höchstmaß auf die Hälfte – also 5 Jahre – im Falle des zur Tatbegehung 16-jährigen BF herabgesetzt.

Im vorliegenden Fall ist zunächst einmal unumstritten, dass der Beschwerdeführer von einem inländischen Gericht rechtskräftig wegen des Verbrechens des Raubes § 142 Abs. 1 StGB verurteilt wurde. Das vom Beschwerdeführer verübte Delikt gemäß § 142 Abs. 1 StGB ist im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zweifellos abstrakt als besonders schwer einzustufen. Nach dem zuvor zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, Zl. 99/01/0288, genügt es jedoch nicht, dass der Antragsteller ein abstrakt als schwer einzustufendes Delikt verübt hat, sondern muss sich die Tat auch im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen.

Mit Blick auf die wiedergegebenen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes, der die Aberkennungsbestimmung offenkundig restriktiv auslegt, kann die konkrete Straftat, derentwegen der Beschwerdeführer rechtskräftig verurteilt wurde, dem Grunde nach als „besonders schweres Verbrechen“ iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 qualifiziert werden.

Zur Gefährdungsannahme bzw. Prognoseentscheidung ist folgendes anzuführen:

Das BFA geht davon aus, das hinsichtlich des BF eine negative Zukunftsprognose zu stellen ist, da er ein Raubdelikt begangen hat. Eine nähere Begründung warum die belangte Behörde annimmt der BF werde wieder straffällig werden ist nicht angeführt.

Der Argumentation des BF in seiner Beschwerde

„Bei der Erstellung der Gefährdungsprognose sei das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt sei.

Dabei sei nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen.“

kann daher nicht begründet entgegengetreten werden.

Auch das Strafgericht hat im Urteilszeitpunkt (Dezember 2018), wie die bedingte Nachsicht der verhängten Freiheitsstrafe zeigt, die Auffassung vertreten, dass die bloße Androhung der Vollziehung der Strafe allein genügen werde, dem BF von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Das Strafgericht hat demnach angenommen, beim BF bestehe angesichts der Androhung der Vollziehung der Strafe keine Wiederholungsgefahr. Das XXXX ist daher von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen.

Es liegen keine Umstände vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht von dieser Zukunftsprognose abzugehen hätte.

Hierzu ist zunächst anzumerken, dass der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt wurde, wobei ihm alle 9 Monaten bedingt nachgesehen worden sind. Im Verhältnis zum Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe – nach § 5 Abs. 4 JGG - wurde seiner Schuld damit ein eher geringes Strafausmaß als angemessen angesehen. Als mildernd wurde im Rahmen der Strafbemessung das Geständnis und die Unbescholtenheit des BF gewertet, erschwerend waren keine Umstände.

Wenn auch das unzweifelhaft hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung von Raubkriminalität nicht verkannt wird, ist festzuhalten, dass das vom Beschwerdeführer gesetzte strafrechtswidrige Verhalten – nach der derzeitigen Gesetzeslage - fallgegenständlich nicht alle Kriterien erfüllt, die für eine Aberkennung des Status eines Asylberechtigten erforderlich sind.

Die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung überwiegen daher nicht die Interessen des mj. Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat (Güterabwägung).

Es darf aber ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass bei der Begehung einer neuerlichen Straftat sich diese Umstände ändern werden und nicht mehr von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen sein wird. (...).“

10. Mit Aktenvermerk vom 27.05.2019 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten wegen Wegfalls der Umstände, die zur Zuerkennung geführt haben, ein.

11. Mit Bescheid vom 05.06.2019 wurde dem Beschwerdeführer in Spruchteil I. der ihm mit Bescheid vom 09.03.2010 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 idgF aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG wurde festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme. In Spruchteil II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, weiters wurde ihm in Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Darüber hinaus wurde gegen den Beschwerdeführer in Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG idgF erlassen, in Spruchpunkt V. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei und in Spruchpunkt VI. ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Zudem wurde in Spruchpunkt VII. gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen.

Die Entscheidung über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten wurde darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland keine Gefährdungs- bzw. Bedrohungslage zu befürchten hätte. Eine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung habe dieser nicht glaubhaft machen können. Er könnte seinen Lebensunterhalt in der Russischen Föderation bestreiten und würde dort Arbeitsmöglichkeiten vorfinden. Eine Tante väterlicherseits sowie die Tante seiner Mutter würden in XXXX leben. Der Beschwerdeführer sei im Kreis der Familie aufgewachsen, weshalb davon auszugehen sei, dass dieser mit den Gebräuchen seines Herkunftslandes vertraut sei.

In Österreich hielten sich die Mutter und die Geschwister des Beschwerdeführers als Asylberechtigte auf. Der Beschwerdeführer spreche Deutsch, dieser sei wegen Raubes zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten bedingt verurteilt worden.

Beweiswürdigend wurde hinsichtlich der Gründe für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten und der Situation des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr im Wesentlichen Folgendes erwogen:

„Sie haben im Rahmen Ihrer Einvernahme vor dem BFA am 01.02.2019 in Bezug auf Ihr Heimatland keine aktuellen bzw. individuellen Fluchtgründe glaubhaft vorgebracht, zumal Sie in diesem Zusammenhang lediglich in den Raum stellten, aufgrund der Beteiligung Ihres Vaters am Krieg eingesperrt oder umgebracht zu werden. Aktuelle Hinweise einer individuellen Gefährdungs- bzw. Bedrohungslage Ihrer Person brachten Sie nicht vor; vielmehr erklärten Sie im Rahmen Ihrer Einvernahme vor dem BFA, dass es sich bei Ihren Ausführungen hinsichtlich Ihrer behaupteten Rückkehrhindernisse lediglich um Vermutungen handeln soll, lassen dabei aber nichts erkennen, das anzeigen würde, dass Sie im Falle einer Rückkehr tatsächlich einer Bedrohung ausgesetzt sein könnten. Das bloße behaupten einer im Raum stehenden „Bedrohung“ reicht freilich nicht aus, um ein tatsächliches Rückkehrhindernis feststellen zu können.

Ihrer Mutter wurde mit Bescheid vom 09.03.2010 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Daher war Ihnen nach §34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang wie Ihrer Mutter zuzuerkennen; daraus folgt, dass die Behörde bereits damals keine individuellen Fluchtgründe betreffend Ihre Person feststellen konnte, andernfalls hätten Sie originären Schutz erhalten.

Wie bereits zuvor erwähnt, brachten Sie auch im Rahmen Ihrer Einvernahme vor dem BFA am 01.02.2019 hinsichtlich Ihrer Rückkehrhindernisse keine Gefährdungslage glaubhaft vor; Sie stellten zwar (lediglich vage) in den Raum, bei einer etwaigen Rückkehr in Ihr Heimatland aufgrund der Beteiligung Ihres Vaters im Krieg eingesperrt sowie möglicherweise verfolgt oder umgebracht zu werden (siehe dazu das Protokoll Ihrer Einvernahme vom 01.02.2019, Seite 6), konnten jedoch in diesem Zusammenhang keine tatsächliche Bedrohung einer (noch immer bestehenden) Gefahr darlegen. Das alleinige in den Raum stellen einer mutmaßlichen (persönlichen) Gefährdungslage reicht freilich nicht aus, um eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zu erkennen. Weiters ist anzumerken, dass nicht einmal Ihr Vater, welcher sich aktiv am Krieg beteiligt haben soll, von den russischen Behörden eingesperrt wurde, sodass es freilich auch keinen Anlass gibt, Ihrer Behauptung, Sie würden im Falle der Rückkehr eingesperrt werden, Glauben zu schenken. Aufgrund dessen musste schließlich einzig festgestellt werden, dass Sie in Ihr Heimatland zurückkehren können, ohne eben dort einer Gefährdungslage ausgesetzt zu sein.

Überdies ist auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Tschetschenien zu verweisen, welchem klar und deutlich zu entnehmen ist, dass eine Person, welche tatsächlich einer Verfolgung von Kadyrow ausgesetzt ist, überall in der Welt gefunden werden könnte. Sollte nun Ihr Vater tatsächlich nach wie vor einer Verfolgung durch Kadyrow ausgesetzt sein, so wäre bereits ein Interesse an diesem bzw. dessen Familienangehörigen gezeigt worden. Da Sie jedoch diesbezüglich im Rahmen Ihrer Einvernahme vor dem BFA nichts zu Protokoll gaben und auch Ihre Mutter nichts vorbrachte, das anzeigen würde, dass diese aktuell einer Bedrohung ausgesetzt sei, musste einzig festgestellt werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr in Ihr Heimatland keine individuelle Gefährdungs- bzw. Bedrohungslage eben dort zu befürchten hätten.

Da sich schließlich aus dem Grund, welcher zur Schutzgewährung Ihrer Mutter führte, im Falle einer Rückkehr keine (aktuelle) Gefährdungslage Ihrer Person ableiten lässt, musste einzig festgestellt werden, dass Ihnen nun eine Rückkehr eben dorthin jedenfalls zuzumuten ist. Aufgrund der diversen Ausführungen in Ihrem Verfahren konnte schließlich festgestellt werden, dass Sie im Falle einer Rückkehr in Ihr Heimatland keine Gefährdungs- bzw. Bedrohungslage eben dort zu befürchten hätten.

Dass Sie schließlich den Lebensunterhalt in der Russischen Föderation bestreiten könnten, konnte den diesbezüglichen Länderinformationen entnommen werden. Zudem machte Ihre Mutter im Rahmen Ihrer Einvernahme vor dem BFA glaubhaft, dass Ihre Tante väterlicherseits sowie die Tante Ihrer Mutter nach wie vor in der Stadt XXXX wohnhaft sind, von welchen Sie im Falle der Rückkehr Unterstützung erwarten können. Auch wenn Sie persönlich keinen Kontakt zu diesen haben, wie Sie dies im Rahmen Ihrer Einvernahme vorgebracht haben, wäre sehr wohl zu erwarten, dass Sie auf deren Unterstützung zurückgreifen könnten, umso mehr Ihre Mutter sowie Ihr Vater den Kontakt zu diesen (in XXXX lebenden Anknüpfungspunkten) herstellen könnten. Aufgrund der festgestellten Unterstützungsmöglichkeiten Ihrer Familienangehörigen ist auch Ihr Lebensunterhalt gesichert, zumal auch Sie selbst berufstätig werden könnten und demnach auch zum Lebensunterhalt beitragen könnten. Auch könnten Sie auf die Unterstützung Ihrer in Österreich lebenden Familie zurückgreifen. Es ist deshalb in Ihrem Fall davon auszugehen, dass Sie mit einer Rückkehr in Ihr Heimatland nicht vor eine unzumutbare Situation gestellt würden. Ebenso ist es gerade für junge Menschen ein leichtes Unterfangen, neue soziale Kontakte zu knüpfen. Daher besteht schließlich kein Zweifel daran, dass Sie für sich als arbeitsfähiger und gesunder Mann im Falle einer Rückkehr in die russische Föderation den Unterhalt bestreiten könnten. Aufgrund des Aufwachsens mit Ihrer Mutter ist davon auszugehen, dass Sie die russischen Traditionen und Gepflogenheiten kennen und aufgrund dessen müsste es Ihnen möglich sein, in Ihre Heimat zurückzukehren, um sich dort ein neues Leben aufzubauen. Sie könnten somit Ihren Lebensunterhalt in Ihrem Heimatland bestreiten, umso mehr Sie dieses absolut sicher erreichen können würden. (…)“

In rechtlicher Hinsicht wurde im Wesentlichen erwogen, dass dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten wegen des Endigungsgrundes des Art. 1 Abschnitt C GFK abzuerkennen sei, zumal die in § 7 Abs. 3 AsylG 2005 normierte Fünfjahresfrist aufgrund seiner Straffälligkeit dem nicht entgegenstehe. Wie sich weiters dem Erkenntnis des BVwG vom 03.07.2017, Zahl L515 1235454-3, entnehmen lasse, könne sich eine Person nicht auf ein gemäß § 34 AsylG zu führendes Familienverfahren berufen, zumal sie aufgrund des Umstandes, dass sie straffällig wurde, hiervon gemäß Abs. 3 Z 1 leg. cit. ausdrücklich ausgeschlossen sei. Hätte also die betreffende Person vor Gewährung des Schutzes die entsprechende strafbare Handlung getätigt und hätte diese auch zu einem entsprechenden strafrechtlichen Urteil geführt, wäre es erst gar nicht zur Schutzgewährung gekommen. Demnach sei konsequenterweise in Fällen, in denen es nach der Gewährung des Schutzes zur Straffälligkeit gekommen wäre, ein Berufen auf ein weiter bestehendes Familienverfahren unzulässig. Wie bereits in der Beweiswürdigung dargestellt, seien die vom Beschwerdeführer behaupteten Gründe, die eine Gefährdungslage darstellen sollen, bloß in den Raum gestellt und nicht als glaubhaft zu befinden. Es bestehe demnach kein Grund zur Gewährung des Asylstatus, umso mehr auch sonst keine Gründe für eine wohlbegründete Furcht aus einem in der GFK genannten Gründe ersichtlich worden seien. Ebensowenig sei ein sonstiges Abschiebehindernis festzustellen gewesen, weshalb auch der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen sei. Der Beschwerdeführer sei ein arbeitsfähiger junger Mann, der in der Lage wäre, selbst für sich zu sorgen. Außerdem habe er in seinem Heimatland noch familiäre Anknüpfungspunkte, welche ihn mit Sicherheit unterstützen könnten. Da keine Gründe für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG vorliegen würden und sich ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung wegen bewaffneten Raubes als gerechtfertigt erweise, sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen. Dieser habe vor kurzem eine Straftat gesetzt, welche den psychischen Zustand des Opfers massiv beeinträchtigt hätte, wodurch er seine kriminelle Energie habe erkennen lassen. Das Verhalten des Beschwerdeführers stelle eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar und es könne aufgrund der schwerwiegenden Verurteilung des Beschwerdeführers keine Zukunftsprognose zu seinen Gunsten getroffen werden. Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers, seiner Lebensumstände sowie seiner privaten und familiären Anknüpfungspunkte habe daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

12. Mit am 26.06.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangtem Schriftsatz wurde durch die bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation fristgerecht Beschwerde im vollen Umfang eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Familie des Beschwerdeführers sei aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung seitens des russischen Militärs/Geheimdienstes aus Russland geflohen und habe im Jahr 2008 Österreich erreicht, nachdem sie zwei Jahre zuvor in Polen gelebt hätte. Da der Vater des Beschwerdeführers Widerstandskämpfer in Russland gewesen sei und auch die Mutter ein asylrelevantes Vorbringen erstattet habe, sei auch der Beschwerdeführer in Russland einem Risiko ausgesetzt, selbst verfolgt zu werden. Der Beschwerdeführer lebe seit fast elf Jahren in Österreich, spreche perfekt Deutsch, mache mit Ende des Jahres seinen Pflichtschulabschluss und habe sich bereits für eine Lehrstelle beworben. Seine nächsten Verwandten würden als anerkannte Flüchtlinge in Österreich leben. Die Behörde habe den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren nicht Genüge getan. Der Beschwerdeführer selbst könne wenig Ausführungen über die in der Russischen Föderation drohenden Gefahren geben, da dessen Mutter ihre Kinder von den Problemen im Herkunftsstaat habe fernhalten wollen. Die Behörde hätte die Mutter daher genauer zu den Verfolgungsgründen befragen müssen. Zudem hätte das Bundesamt eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers im Hinblick auf die aus Sicht der Behörde nicht mehr gegebenen Asylgründe und die geänderte Lage im Herkunftsland durchführen müssen. Die Mutter wolle nun folgende ergänzende Angaben zur Familie des Beschwerdeführers machen:

Der Vater des Beschwerdeführers, welcher derzeit in der Ukraine lebe, habe im ersten Tschetschenienkrieg aktiv gekämpft und im zweiten Krieg die Kämpfer unterstützt. Viele seiner Verwandten seien ins Gefängnis gekommen nach den Kriegen, er habe sich lange versteckt und könne auch jetzt nicht in Tschetschenien oder anderswo in der Russischen Föderation leben, ohne in Gefahr zu sein, inhaftiert und misshandelt zu werde. Der Beschwerdeführer habe zwei Halbbrüder, Söhne des Vaters aus erster Ehe; einer von diesen habe im Tschetschenienkrieg gekämpft und habe sich 14 Jahre in XXXX im Gefängnis befunden. Nach seiner Entlassung vor ca. eineinhalb Jahren sei er nach Tschetschenien zurückgekehrt, dort aber verfolgt worden und habe rechtzeitig in die Ukraine fliehen können. Dessen Bruder sei von vermutlich Kadyrow zurechenbaren Einheiten aufgespürt, mitgenommen, gefoltert und nach Informationen befragt worden. Dieser lebe nunmehr als anerkannter Flüchtling in Frankreich. Zwei Cousins des Beschwerdeführers befänden sich nach schweren Folterungen in Tschetschenien in Polen. Weitere Verwandte seien ebenfalls als anerkannte Flüchtlinge in Frankreich aufhältig. Viele dieser Informationen habe die Mutter des Beschwerdeführers erst nach Februar 2019 im Zuge eines mit dem Vater des Beschwerdeführers geführten Telefonats erfahren. Bei Betrachtung der Familie des Beschwerdeführers zeige sich klar, dass es viele Verflechtungen zu Rebellen und zum Teil offenbar auch zu terroristischen Aktivitäten gebe. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würde sowohl dem russischen Geheimdienst als auch den tschetschenischen Behörden schnell bewusst werden, zu welcher Familie der Beschwerdeführer gehöre, was die Gefahr mit sich brächte, mitgenommen und gefoltert zu werden. Dass der Beschwerdeführer in Tschetschenien bzw. in der Russischen Föderation über verwandtschaftliche Kontakte verfüge, die ihn unterstützen könnten, sei schlicht unrichtig. Der Beschwerdeführer spreche so gut wie nicht Russisch. Dieser könne sich etwas auf Tschetschenisch mit seiner Mutter unterhalten, spreche zu Hause aber mit seinen Geschwistern Deutsch. Lesen und Schreiben könne der Beschwerdeführer weder auf Tschetschenisch noch auf Russisch. Die im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderberichte seien unvollständig und teils veraltet. Verwiesen wurde auf ergänzendes Berichtsmaterial zur Sicherheits- und Menschenrechtslage in Tschetschenien. Die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Beweiswürdigung sei höchst einseitig und tendenziös. Die belangte Behörde würdige weder die familiären und privaten Bindungen des Beschwerdeführers zu seinen in Österreich aufenthaltsberechtigten Verwandten und Familienangehörigen, noch dass der Beschwerdeführer nach über elf Jahren Abwesenheit in der Russischen Föderation keine engen verwandtschaftlichen oder sonstigen Bindungen habe. Auch die Gefährdung, welche durch die Verwandtschaft mit in Tschetschenien bekannten Kämpfern in den Tschetschenienkriegen und Unterstützern der Rebellen sowie einer mutmaßlichen Terroristin einhergehe, sei im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigt worden. Die persönliche Verfolgung des Beschwerdeführers sei bislang nie erhoben worden. Der von der belangten Behörde herangezogene Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK betreffe Umstände, auf Grund derer eine Person als Flüchtling anerkannt worden sei, welche allerdings nicht mehr bestehen und weshalb sie es daher nicht weiterhin ablehnen könne, sich unter den Schutz des Herkunftslandes zu stellen. Das Bundesamt argumentiere allerdings nicht mit dem Wegfall der Fluchtgründe wegen geänderter Lage in Tschetschenien, sondern mit der Straffälligkeit des Beschwerdeführers; zitiert werde das Erkenntnis L515 1235454-3, welches speziell die Frage der Anwendung des § 34 AsylG bezogen auf den § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG und nicht eine Aberkennung wegen geänderter Umstände betroffen hätte. Die Aberkennung von Asyl fünf Jahre nach Zuerkennung des Asylstatus und nachdem der immer noch minderjährige Beschwerdeführer mehr als die Hälfte seines Lebens in Österreich verbracht hätte, widerspreche eindeutig den Zielen der GFK. Das Vorgehen des BFA zeige, dass offenbar mangels neuer Asylanträge freiwerdende Ressourcen darauf verwendet würden, wahllos Aberkennungsverfahren einzuleiten und dürfte die Behörde ihre Aufgabe auch dahingehend missverstehen, als es die Aberkennung des Asylstatus als weitere Sanktion für strafrechtswidriges Verhalten sehe. Die subjektive Angst des Beschwerdeführers vor Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu seiner Familie sei durchaus anhand der vorgelegten Berichte und der unstrittigen Angaben der Mutter des Beschwerdeführers objektivierbar. Im Zuge der nach Art 8 EMRK vorzunehmenden Interessensabwägung wäre das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verpflichtet gewesen, das Kindeswohl mitberücksichtigen. Die Behörde habe sicherzustellen, dass der Minderjährige Beschwerdeführer einem Mitglied seiner Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung im Rückkehrstaat übergeben werden könne. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, zur Begründung des siebenjährigen Einreiseverbotes eine ordnungsgemäße Gefährdungsprognose durchzuführen. Der Lebenswandel des Beschwerdeführers zeige deutlich, dass er künftig keine Straftaten mehr begehen werde und aus seinen Fehlern gelernt hätte. Beantragt wurden die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Einvernahme der Mutter des Beschwerdeführers als Zeugin.

13. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 17.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

14. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.02.2020 wurde der dargestellte Bescheid in Erledigung der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Begründend wurden im Wesentlichen die folgenden Ausführungen getroffen:

Ungeachtet dessen, dass dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten ursprünglich im Rahmen des Familienverfahrens – abgeleitet von seiner Mutter – gemäß § 34 AsylG 2005 zuerkannt worden sei, wäre im Vorfeld der Aberkennung des Status zu ermitteln gewesen, ob dem Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt eine aktuelle asylrelevante Gefährdung in seinem Herkunftsstaat drohe.

In diesem Zusammenhang wäre die belangte Behörde dazu angehalten gewesen, sich mit dem Grund, welcher ursprünglich zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Beschwerdeführer bzw. seine Bezugsperson geführt hatte, auseinanderzusetzen, zumal sich die Mutter des Beschwerdeführers zur Begründung der im Jahr 2008 für sich und ihre minderjährigen Kinder gestellten Anträge auf internationalen Schutz auf eine Verfolgung des gesamten Familienverbandes berufen habe (vgl. deren Angaben anlässlich der polizeilichen Erstbefragung vom 10.09.2008), sodass davon auszugehen wäre, dass die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten in Zusammenhang mit ihrer Eigenschaft als Familienangehörige erfolgt ist. Die konkreten Gründe für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten an die Mutter des Beschwerdeführers ließen sie dem Verwaltungsakt nicht entnehmen und fänden auch in die Erwägungen im angefochtenen Bescheid keinen Eingang. Die Behörde habe es verabsäumt, den Beschwerdeführer bzw. seine gesetzliche Vertreterin im gegenständlichen Verfahren zu den ursprünglichen Fluchtgründen und deren allfälligem Fortbestehen zu befragen.

In Bezug auf die generelle Rückkehrsituation des Beschwerdeführers, welcher sein Herkunftsland im Alter von vier Jahren verlassen hätte, habe die Behörde ausgeklammert, dass dieser zum Entscheidungszeitpunkt minderjährig gewesen sei, seinen Angaben zufolge nur einige Worte auf Russisch beherrsche, und weder auf Tschetschenisch noch auf Russisch schreiben könnte. Vor diesem Hintergrund könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass dieser im Falle seiner Rückkehr zur eigenständigen Bestreitung seines Lebensunterhaltes in der Lage sein werde. Dass die in XXXX lebende Großtante oder dessen in XXXX lebende Großmutter über ausreichende Mittel verfügen, um den Beschwerdeführer finanziell zu erhalten, ließe sich den Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid nicht entnehmen.

15. Am 29.06.2020 erfolgte im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Befragung der Mutter des Beschwerdeführers als Zeugin. Die Mutter des Beschwerdeführers gab im Beisein einer Dolmetscherin für die russische Sprache zusammengefasst an, im Herkunftsstaat würden noch ihre Mutter und drei Halbgeschwister leben, welche in XXXX leben und sich immer wieder in Tschetschenien aufhalten würden; zudem habe sie eine Tante, einen Onkel und Cousins in Tschetschenien. Ihr Ehemann lebe abwechselnd in Weißrussland, der Ukraine und manchmal auch in Tschetschenien. Sie habe rund einmal im Monat telefonisch Kontakt zu diesem. Dieser sei zuletzt im Jahr 2018 in Tschetschenien aufhältig gewesen, als sein Sohn aus dem Gefängnis entlassen worden sei. Der Beschwerdeführer habe keinen Kontakt zu ihrem Ehemann. Ihre Kinder hätten ihren Familiennamen, nicht jenen des Vaters, angenommen, da die Familie väterlicherseits wegen der Kriegshandlungen verfolgt worden sei. Sie hätten dies entschieden, damit nicht bekannt werde, dass der Ehemann der Zeugin Kinder habe. Zu ihren aktuellen Befürchtungen für den Fall einer Rückkehr in ihr Heimartland gab die Mutter des Beschwerdeführers an, offiziell hätte sie keine Probleme. Die Machthaber, die jetzt dort das Sagen hätten, seien dieselben, die sie im Jahr 2005 verhört hätten und denen sie versprochen hätte, dass sie für sie arbeiten würde. Sie sei gemeinsam mit der Lebensgefährtin des Sohnes ihres Mannes dort gewesen und habe keine andere Wahl gehabt, als zu versprechen, dass sie für die Behörden arbeiten werde. Sie wolle mit den dortigen Machthabern nichts zu tun haben und sei nach Europa gekommen, damit ihre Kinder eine Zukunft hätten. Die Mutter des Beschwerdeführers würde sich bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat vor allem fürchten, es gebe dort kein Gesetz, keine funktionierende Gesellschaft und sie fürchte sich vor der allgemeinen Sicherheitslage. Konkret habe die Nichte ihres Mannes an einem Terrorakt im Jahr 2002 teilgenommen. Sie hätte Angst, dass es Probleme wegen der Nichte ihres Manens sowie wegen der Verwandten ihres Mannes geben könnte. Alle Verwandten ihres Mannes hätten fliehen müssen und befänden sich in Europa, da sie verfolgt und misshandelt worden seien; dies alles wegen der Nichte, die im Jahr 2002 am Terrorakt teilgenommen hätte. Sie fürchte im Falle einer Rückkehr aufgrund der Teilnahme der Nichte ihres Mannes an einem Terrorakt verfolgt zu werden. Sie selbst und ihre Kinder seien nach der Ausreise aus dem Herkunftsland keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen. Der Mutter des Beschwerdeführers sei nicht mehr bekannt, aus welchem Grund ihr ursprünglich Asyl gewährt worden wäre. Zur Gefährdungslage des Beschwerdeführers gab die Zeugin an, sie sei überzeugt, dass diesen gleich nach dem Ausstieg aus dem Flugzeug FSB-Leute abholen würden, welche ihn zu seinem Vater, seiner Mutter und zu seinem Leben hier in Österreich befragen würden. Ihre Kinder hätten überhaupt keine Kenntnisse über die Lage im Heimatland, sie hätte mit ihnen nie darüber gesprochen. Danach gefragt, aus welchem Grund FSB-Leute ihren Sohn nach der Ankunft verhören sollten, gab die Zeugin an, alle Cousins ihres Sohnes seien verhaftet und verhört worden; dies alles habe mit der Nichte ihres Ehemannes zu tun. Ihre Kinder wüssten gar nichts über diese Geschichte. Die Nichte ihres Mannes sei tot. Über Vorhalt, dass der Beschwerdeführer einen anderen Namen als ihr Ehemann trage, gab die Zeugin an, sie würden ihn trotzdem nach seinem Vater befragen und dann käme dies heraus. Sie selbst sei damals nicht aufgrund des Terroranschlages der Nichte des Ehemannes verhört worden. Im Zuge ihrer Asylantragstellung habe sie angegeben, dass der Sohn ihres Mannes abgeführt worden sei und dass sie dann durch den FSB verfolgt worden seien. Sie habe erwähnt, von vielen Behörden verhört worden zu sein. Danach gefragt, ob sie jemals persönlich verfolgt worden sei, erklärte die Mutter des Beschwerdeführers, ihr Mann sei verfolgt worden und sie mit ihm. Sie habe überall bekanntgegeben, dass sie die Frau ihres Mannes sei. Über Vorhalt der im Jahr 2006 stattgefundenen Amnestie und befragt, weshalb sie aktuell immer noch einer Verfolgung ausgesetzt sein sollte, gab die Mutter des Beschwerdeführers an, es seien nur solche Leute amnestiert worden, die in der Folge für sie gearbeitet hätten. Von wem konkret eine aktuelle Verfolgung ausgehen sollte, wisse sie nicht; sie wisse nicht, wer dort welche Funktion ausübe. Die Leute, welche sie damals zwingen wollten, als Informantin zu arbeiten, würden nun für Kadyrow arbeiten; dies habe sie auf Youtube gesehen. Es sei nicht so, dass Kadyrow sie persönlich wolle. Die Sonderbehörden müssten Resultate erzielen. Die im Heimatland lebenden Familienangehörigen könnten ihren Sohn nicht unterstützen, es gebe niemanden, dem sie ihren Sohn anvertrauen könnte. Bereits im Krieg sei ihr in der Not nicht geholfen worden.

Der – zwischenzeitig volljährige – Beschwerdeführer gab anlässlich seiner ebenfalls am 29.06.2020 abgehaltenen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in deutscher Sprache zusammengefasst an, seine Muttersprache sei Tschetschenisch, er könne jedoch nur einzelne Wörter in dieser Sprache sprechen. Seine Mitter habe, als er klein gewesen wäre, hauptsächlich Tschetschenisch mit ihm gesprochen. Nun verständige er sich hauptsächlich auf Deutsch. Er sei gesund und benötige keine Medikamente. Seine bisher vorgebrachten Rückkehrbefürchtungen seien nach wie vor aufrecht und es seien diesbezüglich keine Änderungen eingetreten. Über im Herkunftsland lebende Angehörige habe er nach wie vor keine näheren Kenntnisse. Sein Vater sei überall in Russland unterwegs, er hätte jedoch keinen Kontakt mit diesem. Den letzten telefonischen Kontakt mit seinem Vater habe er nach Erhalt des negativen Bescheides gehabt; sein Vater habe wissen wollen, was er angestellt hätte und ihm gesagt, dass er so etwas nicht mehr machen dürfte. Er habe ihm gesagt, dass er im Fall einer Abschiebung in Tschetschenien nicht zurecht kommen würde, da er dort verfolgt werden würde. Den Grund der Verfolgung habe der Vater nicht erwähnt. Seines Wissens habe sein Vater im Krieg gekämpft, weshalb auch der Beschwerdeführer einer Verfolgung ausgesetzt sein würde. Genaueres könne er darüber aber nicht angeben. Er habe seinen Vater nicht danach gefragt, weshalb er in Tschetschenien verfolgt werden würde. Zum Grund der Asylgewährung an seine Mutter gab der Beschwerdeführer an, in Tschetschenien sei Krieg gewesen und diese sei als Alleinerzieherin hierher nach Österreich gekommen. Wie sich die Gefährdungslage in Bezug auf seine eigene Person darstelle, wisse der Beschwerdeführer selbst nicht genau. Er habe zwar nachgefragt, aber keine Antworten erhalten. Er vermute, dass sein Vater im Krieg gekämpft habe. Zu seinen aktuellen Befürchtungen für den Fall einer Rückkehr gab der Beschwerdeführer an, er fürchte eine Verfolgung durch den russischen Geheimdienst. Dies, da sein Vater im Krieg gekämpft hätte. Auch seine beiden Halbbrüder hätten im Krieg gekämpft und seien beide im Gefängnis gewesen. Dies habe ihm sein Halbbruder erzählt, welcher nun in Frankreich wohne und vor einigen Monaten bei ihnen auf Besuch gewesen sei. Weshalb der Beschwerdeführer persönlich einer Gefährdungslage im Herkunftsstaat ausgesetzt sein sollte, wisse dieser nicht. Er könnte im Heimatland nicht leben, da er die Sprache nicht beherrsche und die Kultur nur teilweise kenne. Er habe keinen Platz, dort zu leben. Angesprochen, auf die Möglichkeit des Bezugs von Sozialleistungen erklärte der Beschwerdeführer, er wolle nicht von Sozialleistungen leben und es würde das Geld nicht ausreichen, um sich ein neues Leben aufzubauen. Darauf angesprochen, dass ihm auch ohne ausgeprägte Sprachkenntnisse Arbeitsmöglichkeiten offen stehen würden, meinte der Beschwerdeführer, er wolle dort nicht leben. Seine Familie sei hier und er wisse nicht, was er dort machen würde. Der Beschwerdeführer habe die Schule im letzten Jahr abgeschlossen, sei auf Arbeitssuche gewesen und habe am folgenden Tag ein Bewerbungsgespräch. Er wolle als Security arbeiten. Er habe seit sechs Monaten eine Freundin, welche österreichische Staatsbürgerin sei.

Der Beschwerdeführer legte sein Zeugnis über die bestandene Pflichtschulabschluss-Prüfung vor.

In einer am 06.07.2020 eingebrachten schriftlichen Stellungnahme führte der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers aus, der Beschwerdeführer selbst sei nie vollständig darüber aufgeklärt worden, weshalb seine Familie im Jahr 2006 habe flüchten müssen. Der Beschwerdeführer selbst habe keine eigenen Wahrnehmungen zu den fluchtauslösenden Ereignissen und sei daher nicht in der Lage, konkrete Angaben zu den damals fluchtauslösenden Ereignissen sowie den drohenden Verfolgungshandlungen im Fall einer Rückkehr zu tätigen. Sämtliche bereits in der Beschwerde genannten Verwandten des Beschwerdeführers seien in den Tschetschenienkriegen als Widerstandskämpfer aktiv beteiligt gewesen, seien teilweise jahrelang inhaftiert und gefoltert worden und seien – nach anhaltender Verfolgung auch in jüngerer Vergangenheit – allesamt in verschiedenen Ländern der Europäischen Union als anerkannte Flüchtlinge aufhältig. Auch die nunmehr seitens des Bundesamtes herangezogenen Länderberichte würden die mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgungsgefahr bestätigen, welche für Angehörige (ehemaliger) Widerstandskämpfer in der Russischen Föderation bestehe. Die Berichte würden ausführen, dass Sippenhaft in Tschetschenien insofern weiterhin vorherrsche, als Angehörige von Kämpfern verdächtigt würden, diese zu unterstützen. Nach wie vor werde von schwersten Menschenrechtsverletzungen im Nordkaukasus berichtet. Zu verweisen sei auf eine Anfragebeantwortung von ACCORD vom 31.01.2020, welcher sich u.a. entnehmen ließe, dass sich aus der Regierungsamnestie für Widerstandskämpfer im Jahr 2006 nicht allgemein ableiten ließe, dass ehemalige Widerstandskämpfer und deren Angehörige keine Verfolgung mehr zu befürchten hätten. Die Anfragebeantwortung berichte weiter, dass willkürliche Festnahmen, Folter und Hinrichtungen zum täglichen Leben in Tschetschenien gehören würden und dass jeder, der ein Familienmitglied habe, das beschuldigt werde, an einer Aufständischen-Bewegung gegen die Herrschaft Ramsan Kadyrows teilgenommen zu haben, dem Risiko ausgesetzt sei, ausgewiesen zu werden. Der Beschwerdeführer wäre weiterhin als Angehöriger von Widerstandskämpfern bei einer Rückkehr in die Russische Föderation, konkret in die Teilrepublik Tschetschenien, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von Verfolgung bedroht. Die erwähnte Anfragebeantwortung führe weiters aus, dass Tschetschenen durch die tschetschenische Polizei auf dem ganzen Gebiet der Russischen Föderation gefunden werden könnten. Zur Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative sei zudem zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer die Russische Föderation im Alter von vier Jahren verlassen habe. Er verstehe Tschetschenisch, spreche dies jedoch wenig. Der russischen Sprache sei er kaum mächtig, Kyrillisch könne er weder lesen, noch schreiben. Er habe mittlerweile den Pflichtschulabschluss absolviert, verfüge darüber hinaus aber über keine Berufsausbildung und sei mit den Gegebenheiten in Russland nicht vertraut. Seine erwähnten Angehörigen würden über keine ausreichenden Mittel verfügen, um diesen zu erhalten bzw. zu beherbergen. Unterstützungsleistungen von im Ausland lebenden Familienangehörigen seien nicht zu erwarten. Zudem sei Russland weiterhin stark von der Covid 19-Pandemie betroffen. Schließlich sei das schützenswerte Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich hervorzuheben. Dieser sei im Alter von sechs Jahren nach Österreich gekommen und lebe hier gemeinsam mit seiner Mutter und seinen jüngeren Geschwistern. Er habe die Pflichtschule abgeschlossen und sei derzeit arbeitssuchend. Seit etwa einem halben Jahr führe er eine Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin. Es werde nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer sich in der Vergangenheit einen strafrechtlich relevanten Fehltritt zu Schulden habe kommen lassen, doch habe er hierfür die Verantwortung übernommen und sei nicht erneut straffällig geworden.

16. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23.07.2020 wurde dem Beschwerdeführer in Spruchteil I. der ihm mit Bescheid vom 09.03.2010 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 idgF aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG wurde festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme. In Spruchteil II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, weiters wurde ihm in Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Darüber hinaus wurde gegen den Beschwerdeführer in Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG idgF erlassen, in Spruchpunkt V. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei und in Spruchpunkt VI. ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Zudem wurde in Spruchpunkt VII. gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen.

Begründend wurde ausgeführt, weder die Ausführungen des Beschwerdeführers, noch jene seiner Mutter als Zeugin, ließen auf eine aktuelle bzw. individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers schließen. Es sei lediglich in den Raum gestellt worden, dass diesem aufgrund der Teilnahme seines Vaters an Kriegshandlungen als Widerstandskämpfer und/oder der Teilnahme der Nichte seines Vaters an einem Terrorakt im Jahr 2002 im Falle der Rückkehr Verfolgung drohe, jedoch sei hierbei nicht im Ansatz glaubhaft dargelegt worden, dass er eine solche Verfolgung tatsächlich zu b

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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