Entscheidungsdatum
25.09.2020Norm
BBG §40Spruch
W217 2215315-1/21E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 21.01.2019, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Herr XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) beantragte am 18.10.2018 einlangend unter Beilage eines Konvolutes an medizinischen Befunden die Ausstellung eines Behindertenpasses.
Im daraufhin eingeholten Sachverständigengutachten vom 18.12.2018, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 12.12.2018, wurde von Dr. XXXX , Facharzt für Orthopädie, Folgendes festgehalten:
„Anamnese:
SACHVERHALT:
Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses
letzte SVG:
2016/12: SVG DDr. XXXX , FÄ Orthopädie: GdB 30 v.H. (Knietotalendoprothese rechts, Wahl dieser Position, da zwar eingeschränkte Streck- und Beugefähigkeit, jedoch keine höhergradige Gangbildbeeinträchtigung, 02.05.20, 30%); UZBÖVM nicht gegeben;
2017/09: SVG für das BVwG, Dr. XXXX , FA UCH+Orth.: 1 Funktionsbehinderung rechtes Knie nach Totalendoprothese, 02.05.20, 30%, Wahl dieser Position, da bei eingeschränkter Beweglichkeit ohne Hilfsmittel nur geringe Gangbildstörung und Gangleistungsminderung besteht. Unter korrekter Anwendung der EVO ist generell ein Prothesenzuschlag seit 2012 nicht mehr zu berücksichtigen. 2. Gesamtgrad der Behinderung dreißig vom Hundert (30 v H). 3. Stellungnahme, ab wann der GdB anzunehmen ist ab Antrag 04 11.2016. 4. fachspezifische Stellungnahme zu den im angefochtenen Verfahren vorgelegten Unterlagen Im Befund vom XXXX war die Beweglichkeit am rechten Knie 09/2016 nach Physiotherapie noch 0-5-75. 5. fachspezifische Stellungnahme zu den Einwendungen in der Beschwerde sowie im Parteiengehör vom 27.02.2017, zum eventuell beantragten GdB von 50% kann zur Verdeutlichung angemerkt werden, dass dies einer Unterschenkelamputation entspricht. Geht man von einem flüssigen, sicheren nicht auffällig verlangsamten Gangbild ohne jegliche Gehhilfen aus ist die Einschätzung mit 30% jedenfalls korrekt, da eine nur geringe Streckhemmung von 10Grad besteht. Die Beugehemmung behindert im Alltag und beim Gehen nur untergeordnet. Aus fachärztlicher Sicht ist die Gehstrecke nicht relevant eingeschränkt. Die Anwendung der Richtsatzposition 02.05.22 ist im gegebenen Fall nicht zutreffend, dies würde einer Versteifung im Kniegelenk in Streckstellung entsprechen. Pos. 02.05.23 bezieht sich auf beide Kniegelenke. 6. Begründung einer eventuell vom bisherigen Ergebnis (GA vom 07.12.2016) abweichenden Beurteilung. Keine abweichende Beurteilung. 7. Feststellung, ob, bzw. wann eine NU erforderlich ist. Dauerzustand.
2018/01: BVwG, Geschäftszahl (GZ): W238 XXXX : Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt. Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
ANAMNESE:
seit dem letzten SVGA keine Erkrankungen, Operationen oder Unfälle;
Derzeitige Beschwerden:
meine Schmerzen sind stärker geworden, ich kann nicht lange sitzen / stehen / gehen
Gefühlsstörungen: Bamstigkeit an der Kniescheibe im Narbenbereich
Lähmungen: keine
Gehleistung: 10-20 min (1-2km)
Stufensteigen: 1 Stockwerk
VAS (visuelle Analogskala): 6,5
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
B: keine
M: Seractil forte 400mg;
HM: keines
Sozialanamnese:
Familie: geschieden
Beruf / Arbeit: ungelernter Arbeiter / dzt. Sozialhilfe
Wohnung: 1. Stock mit Lift
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
2018/07: XXXX , Orthopädie: Dg: K-TEp idem 0-70° (04.07.2018: 0-10-80), bland, kein Erguß bandstabil Schmerzen idem, Patella distalisiert; Th: derzeit keine weitere Chirurg. Intervention geplant, weiter physikal Therapie, Muskelaufbau;
2018/10: Befund Dr. XXXX , AM: Z.n. Arthrolyse bei K-TEP re 2013, Re-K-TEP re 2016, seither chron. Schmerzen und rezidivierende Entzündungen. In Behandlung und Kontrolle im XXXX .
vom AS mitgebrachter Befund:
2018/11: XXXX , Orthopädie: Status: 0-70°, bland, kein Erguß, bandstabil; Befunde: Verdacht auf Lockerung; Th: TEP-Wechsel 04/2019 vorgesehen;
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
gut
Größe: 175,00 cm Gewicht: 71,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status – Fachstatus:
Hörvermögen: nicht beeinträchtigt
Sehvermögen: beeinträchtigt, Lesebrille
A) CAPUT/COLLUM: unauffällig
THORAX: unauffällig
Atemexkursion: 5cm
ABDOMEN: kein Druckschmerz, klinisch unauffällig
B) WIRBELSÄULE:
Im Lot
Schulter- und Beckengeradstand
Druckschmerz: nein; Klopfschmerz: nein; Stauchungsschmerz: nein
Halswirbelsäule: in allen Ebenen endlagig eingeschränkt, Kinn-Jugulum-Abstand 1,5cm, Myogelosen und Hartspan des Trapezius beidseits
Brustwirbelsäule: Ott 30/33cm, Rippenbuckel: nein
Lendenwirbelsäule: Schober 10/14cm, Seitneigung endlagig eingeschränkt,
Lendenwulst nein; Insuffizienz der Rückenmuskulatur
Finger-Boden-Abstand: halber US
C) OBERE EXTREMITÄTEN:
Rechtshänder
Nacken- und Kreuzgriff beidseits nicht eingeschränkt
muskuläre Verhältnisse unauffällig
Durchblutung unauffällig
Faustschluss, Grob- und Spitzgriff beidseits unauffällig
SCHULTER rechts links normal
Ante-/Retroflexion 160 / 0 / 40 160 / 0 / 40 160 / 0 / 40
Außen-/Innenrotation 50 / 0 / 90 50 / 0 / 90 50 / 0 / 90
Abduktion /Adduktion 160 / 0 / 40 160 / 0 / 40 160 / 0 / 40
ELLBOGEN rechts links normal
Extension/Flexion 10 / 0 / 150 10 / 0 / 150 10 / 0 / 150
Pronation/Supination 90 / 0 / 90 90 / 0 / 90 90 / 0 / 90
HANDGELENK rechts links normal
Extension/Flexion 60 / 0 / 60 60 / 0 / 60 60 / 0 / 60
Radial-/Ulnarduktion 30 / 0 / 40 30 / 0 / 40 30 / 0 / 40
Fingergelenke: beidseits frei und schmerzfrei beweglich
NEUROLOGIE obere Extremitäten:
Kraftgrad: 5
Sehnenreflexe: beidseits untermittellebhaft
Sensibilität: ungestört
Tinnel-Hoffmann-Zeichen: beidseits negativ
D) UNTERE EXTREMITÄTEN:
Varusstellung: 5 Grad
Hüftgelenke: rechts links normal
Druckschmerz nein nein nein
Extension/Flexion 0 0 130 0 0 130 15 0 130
Abduktion/Adduktion 30 0 30 30 0 30 35 0 30
Aussen/Innenrotation 30 0 30 30 0 30 35 0 35
Oberschenkel:
rechts: Muskulatur atroph; links: unauffällig; Umfang: re -2cm
Kniegelenke: rechts links normal
Druckschmerz global nein nein
Extension/Flexion 0 10 70 0 0 130 130 5 0 130
Erguss Nein nein nein
Rötung Nein nein nein
Hyperthermie Nein nein nein
retropat. Symptomatik + nein nein
Zohlen-Zeichen + negativ negativ
Bandinstabilität nein nein nein
Kniegelenk re: ventral über Patella 21cm lange, blande Narbe nach TEP, kein Klopf-oder Schüttelschmerz;
Kondylenabstand: 2 QF
Unterschenkel:
rechts: unauffällig; links: unauffällig; Umfang: seitengleich
oberes Sprunggelenk: rechts links normal
Extension/Flexion 25 0 45 25 0 45 25 0 45
Bandinstabilität nein nein Nein
unteres Sprunggelenk: rechts links normal
Eversion/Inversion 15 0 30 15 0 30 15 0 30
Erguss nein nein nein
Hyperthermie/Rötung nein nein nein
Malleolenabstand: 1 QF
Zehengelenke:
Beweglichkeit: kleine Gelenke beidseits endlagig eingeschränkt, schmerzfrei
Fußsohlenbeschwielung: normal
E) DURCHBLUTUNG: unauffällig
F) NEUROLOGIE untere Extremitäten:
Lasegue: bds. negativ; Bragard: bds. negativ
Kraftgrad: 5 li, 4 re
Sehnenreflexe: seitengleich untermittellebhaft auslösbar
Sensibilität: unauffällig
G) BEINLÄNGE:
seitengleich;
Gesamtmobilität – Gangbild:
Hilfsmittel: keines
Schuhwerk: leichte HS
Zehenballen- und Fersenstand: beidseits angedeutet durchführbar
Einbeinstand: beidseits angedeutet durchführbar
Anhalten: erforderlich beim Aufstehen
An-und Auskleiden im Stehen: ohne Hilfe durchführbar
Transfer zur Untersuchungsliege/Wendebewegungen: selbständig
Hocke: beidseits angedeutet durchführbar
Gangbild: symmetrisch, raumgreifend, Schonhinken rechts
Schrittlänge: 1 SL
Status Psychicus:
zeitlich und örtlich orientiert; kommunikativ; kooperativ
kein Hinweis auf relevante psychische Störung
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd.Nr
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Pos.Nr.
GdB %
1
Kniegelenk rechts: Zustand nach Implantation einer Totalendoprothese, Verdacht auf Lockerung
Fixer Rahmensatz, da nur eine einseitige mittelgradige Funktionseinschränkung ohne wesentliche Beeinträchtigung des Gangbildes und der Gehleistung vorliegt
02.05.20
30
Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Der Grad der Behinderung von Leiden 1 legt den Gesamtgrad der Behinderung fest.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Keine
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Im Vergleich zu den Vorgutachten ist keine einschätzungsrelevante Verbesserung oder Verschlechterung eingetreten.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Der Gesamtgrad der Behinderung bleibt unverändert.
X Dauerzustand
(…)“
2. Dieses Gutachten wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 19.12.2018 zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme binnen zweier Wochen übermittelt. Der Beschwerdeführer sah von einer Stellungnahme ab.
3. Mit Bescheid vom 21.01.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Begründend wurde ausgeführt, dass die ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung von 30 % ergeben habe, weshalb die Voraussetzungen für die Ausstellung des Behindertenpasses nicht vorliegen würden.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte darin aus, dass bei ihm eine Funktionseinschränkung schweren Grades bestehe. Es sei ihm die Streckung und die Beugung nicht möglich und habe er ständig starke Schmerzen. Er könne auch nicht mehr lange gehen und stehen und das Bein kaum belasten. Die Gesundheitsschädigung sei bereits so weit fortgeschritten, dass er auch unter chronischen Schmerzen und rezidivierenden Entzündungen leide und deswegen ein Knie-TEP Wechsel erfolgen müsse.
5. Am 28.02.2019 langte die Beschwerde samt Fremdakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
6. In der Folge holte dieses ein ergänzendes Sachverständigengutachten ein.
Frau DDr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, Fachärztin für Unfallchirurgie, führt in ihrem Sachverständigengutachten vom 07.10.2019 Folgendes aus:
„(…)
Vorgeschichte:
2010 Schussverletzung rechtes Knie in Somalia
Implantation einer Knietotalendoprothese 2013, 2016 Synovektomie und Arthrolyse,
Prothesenwechsel geplant am 10.10.2019
Zwischenanamnese seit 12/2018:
Keine Operation, kein stationärer Aufenthalt.
Befunde:
Abl. 41 Befund Orthopädie XXXX 29.11.2018 (Schmerzen unverändert, kein Erguss, Operation besprochen, Operationstermin 4.4.2019)
Abl. 12 Bericht Orthopädie XXXX 24.7.2018 (0/10/80, gerade Beinachse, kein Erguss)
Abl. 11 Befund Dr. XXXX Arzt für Allgemeinmedizin 4.10.2018 (Arthrolyse bei Knietotalendoprothese rechts 2013, Reknietotalendoprothese rechts 2016, seither chronische Schmerzen und rezidivierende Entzündungen)
Sozialanamnese: geschieden, ein Sohn (13 Jahre) - lebt in Afrika, kein Kontakt. Lebt alleine in Wohnung im 3. Stockwerk ohne Lift
Berufsanamnese: gelernter Automechaniker, zuletzt gearbeitet bis 2.8.2019 bei der XXXX , derzeit Krankenstand
Medikamente: Metagelan zweimal täglich, lbuprofen täglich
Allergien: 0
Nikotin: 5
Laufende Therapie bei Hausarzt XXXX , XXXX
Derzeitige Beschwerden:
‚Habe nach wie vor Schmerzen im rechten Knie, benötige täglich Schmerzmittel, habe ständig Schmerzen und eine eingeschränkte Beweglichkeit. Eine neuerliche Operation ist demnächst geplant.‘
STATUS:
Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.
Größe 175 cm, Gewicht 78 kg, Alter: 46
Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen
Thorax: symmetrisch, elastisch
Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.
Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.
Integument: unauffällig
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.
Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.
Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.
Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig
Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig
Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten
Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.
Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich. Die Beinachse ist im Lot. Mäßige Verschmächtigung der Bemuskelung rechts. Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.
Kniegelenk rechts: Narbe nach Knietotalendoprothese median, Konturvergröberung, mäßige Umfangsvermehrung, Überwärmung, Patella deutlich verbacken, stabil, endlagige Bewegungsschmerzen.
Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Hüften frei, Knie rechts 0/10/70, links 0/0/140, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 80° bei KG 5 möglich.
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, kein Hartspann, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule.
Aktive Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen frei beweglich
BWS/LWS: FBA: 10 cm, in allen Ebenen frei beweglich
Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität — Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen ohne Hilfsmittel, das Gangbild ist geringgradig rechts hinkend, insgesamt mäßig zügig.
Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status psychicus:
Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällige Stimmungslage ausgeglichen.
STELLUNGNAHME:
ad 1) Ergibt sich auf Grundlage des Vorbringens des BF in der Beschwerde vom 25.2.2019 sowie den dazu vorgelegten Befunden ein einschätzungswürdiger Leidenszustand bzw. sonstige Änderungen nach der EVO im Vergleich zu Stellungnahme Abl. 24 und Gutachten Abl. 25-28:
Nein.
Das Kniegelenksleiden rechts wurde in korrekter Höhe eingestuft. Objektivierbar ist eine mittelgradige Funktionseinschränkung und keine wesentliche Beeinträchtigung des Gangbilds. Diesbezüglich konnte im Vergleich zu den im Akt aufliegenden Vorgutachten keine wesentliche Änderung festgestellt werden.
Die geringe Streckhemmung von 10°und mäßige Beugehemmung von 70° führen zu keiner maßgeblichen Gangbildbeeinträchtigung, eine Gehhilfe wird nicht verwendet, die Gehleistung wird dadurch nicht relevant eingeschränkt, siehe Gangbildbeschreibung im aktuellen Gutachten.
Aufgrund der anhaltenden Beschwerden wird bei Verdacht auf Prothesenlockerung ein Prothesenwechsel für 11.10.2019 terminisiert. Durch diese Operation kann es zu einer Verbesserung des Bewegungsumfangs, bei derzeit mittelgradiger Funktionsbeeinträchtigung, und der Beschwerden kommen.
Maßgeblich sind jedoch aktuell vorliegende Befunde und objektivierbare Funktionseinschränkungen, die eine höhere Einstufung nicht rechtfertigen. Eine Funktionseinschränkung schweren Grades liegt nicht vor, weder ist eine Entlastung erforderlich noch konnte ein massiver Erguss oder eine Instabilität festgestellt werden, sodass an getroffener Beurteilung festgehalten wird.
Im Rahmen der aktuellen Begutachtung nachgereichter Befund:
Befund Orthopädische Abteilung XXXX 27.6.2019 (Operationsvormerkung für Knietotalendoprothesen-Wechsel rechts mit Tuberositas tibiae-Osteotomie) - keine neuen Informationen, bestätigt geplanten Prothesenwechsel.
Befund führt zu keiner Änderung der getroffenen Beurteilung, Begründung siehe oben.“
7. Mit Schreiben vom 12.11.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde das Sachverständigengutachten von DDr. XXXX zur Kenntnisnahme und allfälligen Stellungnahme binnen zweier Wochen.
Innerhalb offener Frist brachte der Beschwerdeführer vor, aufgrund der anhaltenden Kniebeschwerden habe bei ihm eine Neuimplantation einer Knie-TEP aufgrund einer aseptischen Lockerung der Knieendoprothese rechts durchgeführt werden müssen. Aus diesem Grund seien eine Knieendoprothesen-Explantation, Synovektomie, Arthrolyse und Re-Implantation einer Knieendoprothese rechts erfolgt.
Aufgrund der bei ihm vorliegenden Beschwerdesymptomatik und des Erfordernisses der neuerlichen Implantation einer Knie-TEP erscheine ein Grad der Behinderung von zumindest 50 v.H. gerechtfertigt. Weiters wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung begehrt.
8. Am 08.09.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Dabei führte der Beschwerdeführer aus, er wohne derzeit bei einem Freund in einer Wohnung im zweiten Stock ohne Lift. Am 11. Oktober 2019 sei am Knie rechts ein TEP Wechsel durchgeführt worden. Die der Verhandlung beigezogene Sachverständige, Frau DDr. XXXX , Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin, stelle fest, dass der Beschwerdeführer heute ohne Gehhilfe erscheint. Das Gangbild kann als geringgradig rechtshinkend bezeichnet werden. Das Gangtempo ist nicht vermindert. Die Bewegungsabläufe beim Hinsetzen sind unauffällig. Sie wies darauf hin, dass der vom Beschwerdeführer erwünschte Grad der Behinderung von 50% einer Unterschenkelamputation entsprechen würde. Der Leidenszustand des Beschwerdeführers sei nicht mit einer Unterschenkelamputation gleichzusetzen. Der Beschwerdeführer erwiderte, er habe seit seiner Verletzung 2010 starke Schmerzen, deshalb habe er 2013 ein neues Kniegelenk bekommen. Dennoch habe er starke Schmerzen beim Gehen gehabt, weshalb er 2016 nochmals operiert worden sei. Er habe gehofft, dass er wieder arbeiten könne, aber das habe er nicht geschafft. Er habe immer starke Schmerzen und nehme Tabletten. Er nehme Seractil Forte, 400 mg, wenn er Schmerzen habe. Er nehme es fast täglich, fast viermal täglich, je nachdem, wie viel er gehen müsse. Im Jahr 2019 sei er wegen der Scherzen erneut operiert worden. Es habe sich jedoch nichts geändert. Er mache eine Therapie in XXXX . Er nehme ständig Schmerzmittel, er könne nicht 20 Minuten zu Fuß gehen, er könne nicht stehenbleiben wegen der Schmerzen. Wenn er 20 oder 30 Minuten zu Fuß gehe, bekomme er Schmerzen im Fuß. Er habe die Schmerzen immer noch beim Gehen, Stehen und langen Sitzen. Er könne den Fuß nicht gut beugen und deshalb nichts Schweres heben und tragen. Es sei immer gleichbleibend schlecht, auch nach zwei Operationen. Wenn er nur eine Stunde stehen bleibe, sei sein Fuß geschwollen. Befunde gebe es keine dazu.
Frau DDr. XXXX verwies weiters auf folgendes Sachverständigengutachten zur Vorlage bei der mündlichen Verhandlung:
„(…)
Vorgeschichte:
2010 Schussverletzung rechtes Knie in Somalia, destruiertes und versteiftes Kniegelenk
2013 Implantation einer Knietotalendoprothese rechts
2016 Synovektomie undArthrolyse
Zwischenanamnese seit letzter Begutachtung am 3.10.2019:
Prothesenwechsel am 10.10.2019, postoperativ komplikationsloser Verlauf
Befunde:
Befund Orthopädie XXXX 17.10.2019 (Neuimplantation einer Knietotalendoprothese nach Knieedoprothesen-Explantation, Synovektomie, Arthrotyse. Komplikationsloser postoperativer Verlauf, blande Wundverhältnisse, im Röntgen korrekter Implantatsitz. Bei der Entlassung Flexion des rechten Kniegelenks 0/90, Entlassung mit 2 Unterarmstützkrücken, Motorschiene, Rehabilitationsaufenthalt geplant.)
STELLUNGNAHME:
Auf Grundlage des Vorbringens des BF in der Beschwerde vom 12.11. 2019 sowie dem dazu vorgelegten Befund vom 17.10. 2019 ergibt sich keine Änderung.
Das Kniegelenksleiden rechts wurde in korrekter Höhe eingestuft.
Nach einer Schussverletzung im Jahr 2010 ist ein hochgradig verändertes und versteiftes Kniegelenk vorgelegen, welches 2013 mit einer Knietotalendoprothese versorgt wurde. Bei anhaltenden Beschwerden wurde 2016 eine Arthrolyse und Synovektomie durchgeführt. Aufgrund weiterer anhaltender Beschwerden und dem Verdacht auf Lockerung wurde am 10.10.2019 ein Prothesenwechsel durchgeführt.
Von 2016-2019 wurden 4 fachärztliche Begutachtungen mit Untersuchungen nach den Kriterien der EVO durchgeführt. Dabei konnte jeweils eine geringe Streckhemmung von 10° und mäßige Beugehemmung von 70° festgestellt werden. Eine maßgebliche Gangbildbeeinträchtigung, die eine Gehhilfe erforderlich macht, bzw. eine maßgebliche Gehleistungsminderung konnten nicht festgestellt werden, sodass das Kniegelenksleiden rechts in korrekter Höhe eingestuft wurde.
Der im Befund der behandelnden Abteilung Orthopädie XXXX vom 17.10.2019 festgehaltene Bewegungsumfang von 0/90° entspricht einem guten Operationsergebnis, beschrieben wird ein komplikationsloser Verlauf. Eine Verschlimmerung ist somit keinesfalls dokumentiert, sodass eine höhere Einstufung nicht gerechtfertigt ist.
Insbesondere wird darauf verwiesen, dass eine Einstufung mit 50 % nach den Kriterien der EVO einer Unterschenkelamputation gleichbedeutend wäre.
Es wird daher an der getroffenen Beurteilung festgehalten.“
Die Sachverständige ergänzte sodann hinsichtlich der Schmerzbehandlung, dass im Entlassungsbericht vom Oktober 2019 festgehalten sei, dass eine Schmerzbehandlung mit Tramal 150 mg 2x täglich und Norgesic 4mal täglich verordnet wurde. Die derzeitige Therapie mit Seractil Forte, 400 mg, fasst täglich, zwei bis vier Tabletten, also entsprechend einer Bedarfsmedikation, stelle bereits einen Rückzug in der Schmerzmedikation dar. D.h., dass diesbezüglich eine Steigerung möglich wäre. Somit sei es nicht zu einer Verschlimmerung gekommen, sondern stelle sich die Schmerztherapie als geringer dar als nach der Operation. Einen Hinweis auf eine anhaltende Infektion gebe es nicht, andernfalls würde der Beschwerdeführer ein Antibiotikum nehmen, was von diesem jedoch verneint wurde. Auch spreche die Mobilitation ohne Gehhilfe gegen eine Verschlimmerung. Eine schwere Funktionseinschränkung des Kniegelenks, die mit hochgradigen Schmerzen einhergehen würde, sei mit dem heute beobachteten Gangbild nicht in Einklang zu bringen. Die Sachverständige bekräftigte, dass die angegebenen anhaltenden Beschwerden unter analgetischer Bedarfsmedikation in der getroffenen Einstufung berücksichtigt sind.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren und hat seinen Wohnsitz im Inland.
Der Beschwerdeführer begehrte am 18.10.2018 die Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde.
Beim Beschwerdeführer liegen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden, vor:
- Kniegelenk rechts: Zustand nach Implantation einer Totalendoprothese (Pos.Nr. 02.05.20, 30% GdB)
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 v.H.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung hinsichtlich der Antragsstellung auf Ausstellung eines Behindertenpasses gründet auf dem diesbezüglich schlüssigen Akteninhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Fremdaktes.
Die Feststellungen zur Höhe des Gesamtgrades der Behinderung und der Art und dem Ausmaß der Funktionseinschränkung gründen sich auf das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Orthopädie, sowie auf das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten von DDr. XXXX , Fachärztin für Unfallchirurgie, Ärztin für Allgemeinmedizin, jeweils basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, weiters auf dem Sachverständigengutachten zur Vorlage bei der mündlichen Verhandlung am 08.09.2020 von DDr. XXXX sowie deren Stellungnahme im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei, im Einklang mit der medizinischen Wissenschaft und den Denkgesetzen, eingegangen, wobei die vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde und Beweismittel im Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme umfassend Berücksichtigung gefunden haben.
Im Beschwerdevorbringen des Beschwerdeführers vom 25.02.2019 wird eingewendet, dass eine Funktionseinschränkung schweren Grades vorliege und eine Knietotalendoprothesen-Wechseloperation erfolgen müsse. In einer weiteren Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 12.11.2019 wird vorgebracht, dass aufgrund einer aseptischen Lockerung eine neuerliche Implantation einer Knietotalendoprothese rechts durchgeführt worden sei und daher eine Behinderung von zumindest 50 % gerechtfertigt sei. Unter einem wurde auf den beigelegten Befund vom 17.10.2019 verwiesen.
Die Sachverständige wies in ihrer Stellungnahme im Zuge der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass der im Befund vom 17.10.2019 festgehaltene Bewegungsumfang von 0/90° einem guten Operationsergebnis entspricht, beschrieben wird ein komplikationsloser Verlauf. Eine Verschlimmerung ist somit keinesfalls dokumentiert, sodass eine höhere Einstufung nicht gerechtfertigt ist. So betonte die Sachverständige, dass eine Einstufung mit 50 % nach den Kriterien der EVO einer Unterschenkelamputation gleichbedeutend wäre.
Auch zur mündlichen Verhandlung am 08.09.2020 erschien der Beschwerdeführer ohne Gehhilfe, das Gangbild bezeichnete die Sachverständige als geringgradig rechtshinkend, das Gangtempo nicht vermindert.
Hinsichtlich der Schmerzbehandlung des Beschwerdeführers führte die Sachverständige aus, dass im Entlassungsbericht vom Oktober 2019 festgehalten ist, dass eine Schmerzbehandlung mit Tramal 150 mg 2x täglich und Norgesic 4mal täglich verordnet wurde. Die derzeitige Therapie mit Seractil Forte, 400 mg, fasst täglich, zwei bis vier Tabletten, also entsprechend einer Bedarfsmedikation, stelle bereits einen Rückzug in der Schmerzmedikation dar. Dies sei ein Hinweis dafür, dass es nicht zu einer Verschlimmerung gekommen ist, sondern die Schmerztherapie sich als geringer darstellt, als nach der OP. Einen Hinweis auf eine anhaltende Infektion gebe es nicht. Auch spreche die Mobilitation ohne Gehhilfe gegen eine Verschlimmerung. Eine schwere Funktionseinschränkung des Kniegelenks, die mit hochgradigen Schmerzen einhergehen würde, konnte von der Sachverständigen mit dem in der Verhandlung beobachteten Gangbild nicht in Einklang gebracht werden.
Die getroffene Einschätzung entspricht der festgestellten Funktionsbeeinträchtigung. Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers wurde mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. eingeschätzt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A)
Zur Entscheidung in der Sache
Unter Behinderung iSd Bundesbehindertengesetz (BBG) ist gemäß dessen § 1 Abs 2 leg.cit. die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktion zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
§ 40 Abs. 1 BBG normiert, dass behinderte Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist (§ 40 Abs. 2 BBG).
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 idF BGBl II 251/2012) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:
§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Grad der Behinderung:
§ 2 Abs. 1 Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
Gemäß § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit diese durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.
Wie oben ausgeführt, werden der gegenständlichen Entscheidung das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Orthopädie, sowie das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten von DDr. XXXX , Fachärztin für Unfallchirurgie, Ärztin für Allgemeinmedizin, deren Sachverständigengutachten zur Vorlage bei der mündlichen Verhandlung am 08.09.2020 und deren Stellungnahme im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zugrunde gelegt, aus denen sich ein Grad der Behinderung des Beschwerdeführers von 30 v. H. ergibt.
In diesen Gutachten wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinischen Sachverständigen setzen sich auf Grundlage der persönlichen Begutachtung mit den vorgelegten Befunden, die in den Gutachten angeführt sind, auseinander.
Der Beschwerdeführer ist den Ausführungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, im Ergebnis nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, er hat - wie bereits oben ausgeführt - kein aktuelles Sachverständigengutachten bzw. keine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher in sachverhaltsbezogener und rechtlich erheblicher Form die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Befundnahmen und Schlussfolgerungen der dem gegenständlichen Verfahren beigezogenen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W217.2215315.1.00Im RIS seit
04.12.2020Zuletzt aktualisiert am
04.12.2020