TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/28 G305 2193083-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.09.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

28.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2193083-1/16E

Schriftliche Ausfertigung des am 09.03.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, alias XXXX, alias XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Diakonie und Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Wattgasse 48/3.Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX, vom XXXX.03.2018, Zl.: XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides gerichtete Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 15.08.2015 stellte der zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigte irakische Staatsangehörige, XXXX, alias XXXX, alias XXXX, geb. XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF), vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.1. Am 17.08.2015 wurde er von Organen der Polizeiinspektion Ilz AGM niederschriftlich einvernommen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, sein Land deshalb verlassen zu haben, da er von Juni 2011 bis April 2014 vom Nachfolgeregime Saddam Husseins verhaftet worden sei. Es habe Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten gegeben. Ein genauer Grund für seine Verhaftung sei nicht bekannt. Sein Vergehen habe darin bestanden, dass er ein Sunnit gewesen sei. Er sei in der Folge ohne Verhandlung freigelassen worden.

Zur Reiseroute befragt, gab er an, von Bagdad nach Istanbul und dann nach etwa 1 ½ Jahren mit dem Bus nach Izmir gereist zu sein. Er habe Griechenland mit dem Schlauchboot erreicht und nach etwa eineinhalb Tagen einen Landesverweis bekommen. Mit der Fähre sei er weiter nach Athen gelangt und mit dem Zug und Bus weiter bis nach Belgrad. Er habe die Reise mittels Taxi bis zur ungarischen Grenze und weiter nach Budapest fortgesetzt. Er sei mit drei weiteren Personen mit einem Taxi über die österreichische Grenze gelangt. Kurz nach dem Übertritt hätten sie das Fahrzeug verlassen müssen, obwohl vereinbart gewesen sei, dass er bis nach Wien gebracht werden sollte. Die Reise habe von Mai 2014 bis etwa XXXX.08.2015 gedauert, sei mit Hilfe eines Schleppers in der Türkei organisiert worden und habe etwa 2.000 USD gekostet.

Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage erbrachte beim BF einen Treffer zu Griechenland (XXXX).

1.2. Am 06.12.2017 wurde der Beschwerdeführer ab 13:00 Uhr durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA oder belangte Behörde) einvernommen.

Aus eigenem heraus korrigierte er seinen Namen auf XXXX und gab zu seiner Fluchtroute an, mit dem Auto von Bagdad nach Suleimaniya gefahren und von dort mit dem Flugzeug nach Istanbul geflogen zu sein.

Bezüglich des Fluchtgrundes bestätigte er seine im Zuge der Erstbefragung gemachten Angaben und präzisierte, dass die Verhaftung im Juni 2011 mit einer unerlaubten Reise nach Syrien zusammenhänge. Zusammengefasst will er nach seinem siebentägigen Aufenthalt in den Irak zurückgekehrt sein und an einem für ihn arbeitsfreien Tag auf dem Weg in die Cafeteria eines Onkels von ihm unbekannten Personen, die nach seinem Dienstausweis gefragt haben sollen, mitgenommen worden sein. Er sei mit dem Vorwurf konfrontiert worden, ein Terrorist zu sein. In der Folge soll er sei sechs Monate mit anderen Häftlingen festgehalten worden sein, bevor er für weitere zwei Monate in einen anderen Raum im Gericht XXXX gesperrt worden sei. Nach insgesamt acht Monaten sei er vor einen namentlich genannten Untersuchungsrichter geführt worden, welchem er wahrheitsgemäß sagte, in Syrien gewesen zu sein. Daraufhin sei er nach weiteren zwei Monaten in das Gefängnis Nr. XXXX, welches dem XXXX untergeordnet gewesen sei, überstellt worden, da er als XXXX dort angehalten werden müsse. Dort sei er genau ein Jahr inhaftiert gewesen. Am XXXX.09.2013 sei er in einer Verhandlung zu einer weiteren Haftstrafe von sechs Monaten wegen der unerlaubten Ausreise nach Syrien verurteilt und gleichzeitig vom Vorwurf des Terrorismus freigesprochen worden. Er sei jedoch nicht sofort sondern erst im April 2014 aus der Haft entlassen worden. Am XXXX.04.2014 habe er von einem Kollegen namens XXXX Ali einen Anruf bekommen, dass er seinen Dienst als XXXX wiederaufnehmen könne. Von einem weiteren Kollegen namens XXXX habe er jedoch erfahren, dass erstgenannter Kollege die Dienstwaffe des BF verkauft hätte und er deshalb USD 5.000,- zahlen müsse und ihm deshalb eine fünfjährige Haftstrafe drohen würde. Aus Angst sei er mit seiner Mutter und einer Tante nach XXXX gefahren und drei Tage später nach Istanbul geflogen. Während seines Aufenthaltes in der Türkei sei am XXXX.01.2015 ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden und mit XXXX.03.2015 in seiner Abwesenheit eine sechsmonatige unbedingte Haftstrafe sowie die Entlassung aus dem XXXX ausgesprochen worden.

Bei dieser Befragung brachte er mehrere Fotografien, Dokumente und gerichtliche Urkunden zur Vorlage.

1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde, wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich des Antrages auf Erteilung von internationalem Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt werde, dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der BF eine asylrelevante Bedrohung nicht habe glaubhaft machen können und sein Vorbringen keinen Asylgrund im Sinne der GFK darstelle.

1.4. Gegen den zum 19.03.2018 datierten Bescheid erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin erklärte er, den Bescheid vollumfänglich anfechten zu wollen und verband die Beschwerde mit den Anträgen 1.) eine mündliche Verhandlung durchzuführen, 2.) den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt I. zu beheben und dass ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt werden möge, 3.) in eventu den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt II. zu beheben und dass ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde, 4.) dass in eventu festgestellt werden möge, dass die Abschiebung in den Irak auf Dauer unzulässig sei sowie die Rückkehrentscheidung ersatzlos behoben werde und 5.) in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Erlassung eines Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen. In der Beschwerde brachte er weiter vor, dass sich die belangte Behörde nicht ausreichend mit den vorgelegten Beweismitteln auseinandergesetzt hätte und die Ermittlungen in Hinblick auf die Länderberichte mangelhaft gewesen seien.

1.5. Am 20.04.2018 wurde die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

1.6. Anlässlich einer am 09.03.2020 vor dem BVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde der BF im Beisein seines Rechtsvertreters (im Folgenden: RV) und einer Dolmetscherin für die arabische Sprache einvernommen. Das Erkenntnis wurde mündlich verkündet.

1.7. Mit Eingabe vom 10.03.2020 beantragte der BF die schriftliche Ausfertigung des am 09.03.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Identitätsfeststellungen

Der BF führt die im Spruch angegebene Identität und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur sunnitisch-islamischen Religionsgemeinschaft. Seine Muttersprache ist arabisch und verfügt er über zumindest rudimentäre Deutschkenntnisse [Bescheid AS 261 du AS 387; Auszug aus dem Zentralen Melderegister-ZMR; VH-Niederschrift S. 4].

Er hatte seit dem XXXX.2015 den Hauptwohnsitz im Bundesgebiet (zuletzt an der Anschrift XXXX). Seit dem XXXX.09.2020 ist der BF nicht mehr meldeamtlich erfasst und wurde dessen Wohnsitz abgemeldet [ZMR-Auszug].

1.2. Zur Ausreise, Reise, Einreise der beschwerdeführenden Partei in Österreich und ihrer darauffolgenden Asylantragstellung:

Vor seiner Ausreise aus dem Irak lebte er in der XXXX [Niederschrift-BFA AS 97; VH-Niederschrift S. 5].

Zu einem nicht exakt feststellbaren Zeitpunkt reiste er im Mai 2014 von XXXX ausgehend nach Istanbul und dann, nach etwa 1 ½ Jahren Aufenthalt in Istanbul, mit dem Bus nach Izmir. Griechenland erreichte er mit dem Schlauchboot, wo er nach etwa eineinhalb Tagen einen Landesverweis bekam. Mit der Fähre gelangte er weiter nach Athen und mit dem Zug und Bus bis nach Belgrad. Mittels Taxi fuhr er bis zur ungarischen Grenze und weiter nach Budapest. Mit drei weiteren Personen gelangte er mit einem Taxi über die österreichische Grenze. Die Reise dauerte von Mai 2014 bis etwa XXXX.08.2015, wurde mit Hilfe eines Schleppers in der Türkei organisiert und kostete etwa 2.000 USD [Erstbefragung AS 11; Niederschrift-BFA AS 99].

Es steht fest, dass der Beschwerdeführer auf der Insel Chios erkennungsdienstlich erfasst und behandelt wurde [EURODAC-Abgleich AS 3]

1.3. Zur individuellen Situation des Beschwerdeführers im Heimatstaat:

Im Herkunftsstaat besuchte der BF von 1994 bis 2000 die Grundschule und von 2000 bis 2003 die Hauptschule. Von 2003 bis 2009 genoss er eine Ausbildung an der XXXX. Alle Bildungseinrichtungen waren in Bagdad gelegen. Im Jahr 2008 machte er eine zweimonatige Ausbildung zum XXXX in XXXX. Von 2008 bis zu seiner Verhaftung im Juni 2011 arbeitete er als XXXX [Niederschrift-BFA AS 97; VH-Niederschrift S. 5].

Bis zu seiner Verhaftung und anschließenden Ausreise lebte er zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in einem im Eigentum des Vaters stehenden Einfamilienhaus in XXXX. Sein Vater, XXXX, war bis zu seiner Pensionierung im Jahr XXXX. Seither lebt er von einer staatlichen Pension und den Einnahmen eines Geschäftes für Gemüse und Softdrinks in welchem die Brüder des BF gelegentlich aushelfen. Mit den Einnahmen und der Pension versorgt der Vater des BF die Familie. Seine Mutter, XXXX, geboren XXXX, ist Hausfrau. Die im Herkunftsstaat lebende Herkunftsfamilie des BF besteht weiter aus dessen fünf Schwestern und drei Brüdern. Eine der Schwestern, XXXX ist verheiratet und hält sich diese mit deren Ehegatten in der Türkei auf. Die anderen Geschwister leben zusammen mit den Eltern des Beschwerdeführers in dessen Geburtshaus in XXXX. Drei der Schwestern arbeiten unentgeltlich als Lehrerinnen, die Brüder haben Ausbildungen im Bereich der bildenden Künste abgeschossen. Der BF hat über soziale Medien Kontakt zu seiner Familie. Laut eigenen Angaben geht es den Angehörigen seiner im Herkunftsstaat aufhältigen Kernfamilie gut und haben diese keinerlei Probleme wegen ihrer religiösen bzw. ethnischen Zugehörigkeit oder aus politischen Gründen und kommen alle gut mit den Nachbarn aus. Die Versorgung mit Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs kann von nahegelegenen Märkten erfolgen [Niederschrift-BFA AS 98; VH-Niederschrift S. 9 und S. 22].

1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Partei:

Der BF war nie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung. Er wurde nie von staatlichen Organen oder von einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates wegen seiner Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung der Sunniten oder aus politischen Gründen, etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer politischen Partei des Herkunftsstaates verfolgt [Niederschrift-BFA AS 104; VH-Niederschrift S. 13].

Der BF wurde wegen unerlaubtem Verlassen des Landes zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt. Vom Verdacht des Terrorismus - das war der Grund für die Festnahme im Juni 2011 durch Mitglieder der Miliz „Asa‘ib Ahl al-Haqq“ - wurde er im September 2013 freigesprochen [Freispruch und Verurteilung in Urteilsübersetzung AS 487]. Am XXXX.01.2015 wurde gegen ihn wegen seiner Flucht und dem Fernbleiben vom Dienst ein Haftbefehl erlassen [Haftbefehlübersetzung AS 491]. Mit Urteil vom XXXX.03.2015 wurde er wegen Flucht, respektive Desertion, zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe und der Entlassung aus dem XXXX verurteilt [Urteilsübersetzung in AS 495].

Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass er ob eines angeblichen Verkaufs seiner Dienstwaffe und seiner Flucht oder Desertion [Niederschrift-BFA AS 101] zu einer Haftstrafe und gleichzeitig einer Geldstrafe von USD 5.000,- verurteilt worden wäre. Selbst bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ist anzumerken, dass eine solche keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstellt.

Insgesamt vermochte der BF nicht glaubhaft zu machen, dass er im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt gewesen wäre bzw. nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat einer solchen ausgesetzt sein könnte.

Die im Herkunftsstaat aufhältigen Familienangehörigen leben unbehelligt und haben diese weder mit staatlichen Organen noch mit sonstigen (dritten) Personen Probleme.

Vielmehr hat der BF hat den Herkunftsstaat wegen der dort herrschenden allgemeinen Lage verlassen.

1.5. Zu etwaigen Integrationsschritten des BF im Bundesgebiet:

Der BF hat nachweislich an einem Deutschtraining „Anfänger“ des Projektes XXXX, an Werte- und Orientierungsveranstaltungen sowie Integrationsveranstaltungen des ÖIF teilgenommen und konnte sich vor dem Bundesverwaltungsgericht auf Deutsch verständigen. Er hat freiwillig für die XXXX und die Stadt XXXX gearbeitet; für ihn liegen Unterstützungsschreiben vor [ÖIF-Teilnahmebestätigung; Unterstützungsschreiben XXXX; Bestätigung „XXXX“; Bestätigungen Stadt XXXX].

Der BF ist strafrechtlich unbescholten und lebt von Leistungen aus der Grundversorgung [GVS-Auszug; Strafregisterauszug]. Sein derzeitiger Wohnsitz ist nicht feststellbar.

1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines „Kalifats“ in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der

kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war diese Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

1.6.1. Die Asa’ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz’ali-Netzwerk, League of the Righteous, kurz: AAH) ist eine der unter der PMF zusammengefassten schiitischen Milizen. Diese Miliz wurde 2006 von Qais al-Khaz’ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Ausgegangen wird von einer Truppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist, wie die Badr-Organisation und Kata’ib Hizbullah, vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Seitens der Regierung wurde 2016 der Versuch unternommen, Teile der PMF in die staatliche Sicherheitsstruktur einzugliedern und unter die Kontrolle des Premierministers zu stellen - ein Projekt, dessen Ausgang noch immer unklar ist.

Eine landesweite und systematische Verfolgung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft oder der palästinensischen Minderheit durch diese Miliz besteht nicht. Den Berichten zum Herkunftsstaat lässt sich nicht entnehmen, dass staatliche Organe wegen einer korrekten Amtsführung ins Visier dieser Miliz gelangt wären.

Anlassbezogen ist nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer einer asylrelevanten Bedrohung durch schiitische Milizen oder durch die Polizei des Herkunftsstaates ausgesetzt gewesen wäre bzw. dass er aus politischen Motiven, oder wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der sunnitschen Muslime oder wegen seiner Zugehörigkeit zur arabischen Ethnie einer asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung ausgesetzt gewesen wäre. Eine solche konnte er weder vor der belangten Behörde, noch vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht dartun.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges- amt- bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff am 23.09.2020

-        - ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (11.12.2019): ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, https://www.ecoi.net/en/document/2021156.html, Zugriff am 23.09.2020

-        BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc Zugriff am 23.09.2020

-        - GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff am 23.09.2020

-        - FPRI - Foreign Policy Research Institute (19.8.2019): The Future of the Iraqi Popular Mobilization Forces, https://www.fpri.org/article/2019/08/the-future-of-the-iraqi-popular-mobilization-forces/, Zugriff am 23.09.2020

-        - Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha’bi: Die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 23.09.2020

-        UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf Zugriff am 23.09.2020

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf Zugriff am 23.09.2020

-        - Wilson Center (27.4.2018): Part 2: Pro-Iran Militias in Iraq, https://www.wilsoncenter.org/article/part-2-pro-iran-militias-iraq, Zugriff am 23.09.2020

1.6.2. Berufsgruppen:

Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat des BF geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien (AA 12.01.2019).

Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird - fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen (AA 12.1.2019; vgl. USDOS 21.6.2019), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 12.1.2019).

Der BF war von 2008 bis Juni 2011 als XXXX tätig. Allerdings war er nach seinen eigenen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht nur ein einfacher XXXX [VH-Niederschrift S. 7]. Er war an die Weisungen seiner vorgesetzten Offiziere gebunden. Aus diesen Gründen und der im Vergleich kurzen Zeit als XXXX und dass in seinem Fall eine asylrelevante Verfolgung bzw. Bedrohung seiner Person nicht glaubhaft gemacht wurde, kann im konkreten Anlassfall nicht von einer Gefährdung des Beschwerdeführers auf Grund seiner vormaligen Zugehörigkeit zu einem XXXX des Herkunftsstaates ausgegangen werden.

Quellen:

-        - AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 23.09.2020

-        - USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html, Zugriff 23.09.2020

1.6.3. Desertion

Laut Kapitel 5 des irakischen Militärstrafgesetzes von 2007 ist Desertion in Gefechtssituationen mit bis zu sieben Jahren Haft strafbar. Das Überlaufen zum Feind ist mit dem Tode strafbar (MoD 10.2007). Die Armee hat kaum die Kapazitäten, um gegen Desertion von niederen Rängen vorzugehen. Es sind keine konkreten Fälle bekannt, in denen es zur Verfolgung von Deserteuren gekommen wäre (DIS/Landinfo 5.11.2018). Im Jahr 2014 entließ das Verteidigungsministerium Tausende Soldaten, die während der IS-Invasion im Nordirak ihre Posten verlassen haben und geflohen sind. Im November 2019 wurden, mit den behördlichen Anordnungen alle entlassenen Soldaten wieder zu verpflichten, über 45.000 wieder in Dienst gestellt (MEMO 6.11.2019).

Ein EASO Bericht für das Jahr 2019 bestätigt, dass auch Polizeibeamte, die dem Dienst fernblieben, bisher nicht inhaftiert wurden und von der Ausgesprochenen Generalamnestie weiterhin einbezogen sind. Das Strafgesetz für die internen Sicherheitskräfte enthält entgegen dem Militärstrafgesetz keine Bestimmungen zu Desertionen. Die Artikel 5 bis 7 beziehen sich jedoch auf „Strafbestimmungen für die unbefugte Abwesenheit vom Dienst.“ Artikel 5 besagt, dass abwesende Mitarbeiter der internen Sicherheitskräfte „mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten belegt werden. Bei wiederholten Fällen der Abwesenheit ist eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr zu verhängen.“ In Artikel 6 heißt es, dass Mitarbeiter der internen Sicherheitskräfte, „die bei Unruhen oder unter Notstand länger als zehn Tage abwesend sind, mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr belegt werden.“ In Artikel 7 heißt es, dass Polizisten, die unter gewöhnlichen Umständen weniger als fünfzehn Tage abwesend sind, durch „Gehaltsabzüge“ bestraft werden können. Wenn sich die Abwesenheit wiederholt, droht dem Polizisten eine Haftstrafe von bis zu dreißig Tagen.

Der BF war laut eigenen Angaben ein XXXX. Das Verlassen des Dienstes ohne Erlaubnis und eine damit vielleicht verbundene Verfolgung wegen Desertion stellen eine rechtsstaatliche Sanktionierung dar und sind anlassbezogen nicht als asylrelevant einzustufen.

Quellen:

-        https://www.ecoi.net/de/dokument/2023187.html, Zugriff 23.09.2020

-        https://www.ecoi.net/en/file/local/2019413/2019_03_EASO_COI_Report_Iraq_Targeting_of_Individuals_DE.pdf, Zugriff 23.09.2020

-        - MEMO - Middle East Monitor (6.11.2019): Iraq announces return of over 45,000 people to military service, https://www.middleeastmonitor.com/20191106-iraq-announces-return-of-over-45000-people-to-military-service/, Zugriff 23.09.2020

1.6.4. Medizinische Versorgung

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können - für den Zugang zum Gesundheitswesen wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt - haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben maximal eine Stunde vom nächstgelegenen Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 1.4.2019). Staatliche, wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 12.2019).

Insgesamt bleibt die medizinische Versorgungssituation angespannt (AA 12.1.2019). Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung (GIZ 12.2019). In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser mit eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, doch haben viele aus Angst vor Entführung oder Repression das Land verlassen. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.1.2019). Spezialisierte Behandlungszentren für Personen mit psychosoziale Störungen existieren zwar, sind jedoch nicht ausreichend (UNAMI 12.2016). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Ob der Tatsache, dass sich der BF selbst als gesund bezeichnete und angegeben hatte, dass er keine Medikamente einnehme, steht fest, dass er gesund ist und keine, über das normale Maß hinausgehende, medizinische Betreuung benötigt.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 23.09.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2019): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/, Zugriff 23.09.2020

-        IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2, Zugriff 23.09.2020

-        UNAMI - United Nations Assistance Mission to Iraq (12.2016): Report on the Rights of Persons with Disabilities in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNAMI_OHCHR__Report_on_the_Rights_of_PWD_FINAL_2Jan2017.pdf, Zugriff 23.09.2020

-        WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html, Zugriff 23.09.2020

1.7. Aus den Angaben des Beschwerdeführers lassen sich keine Anhaltspunkte dahingehend entnehmen, dass er mit den Behörden, der Polizei oder den Gerichten des Herkunftsstaates etwa wegen seines Religionsbekenntnisses, seiner ethnischen Zugehörigkeit zur Mehrheitsbevölkerung der Araber oder aus politischen Gründen asylrechtlich relevante Probleme gehabt hätte. Es gibt auch keinerlei Hinweise in die Richtung, dass er oder die Angehörigen seiner Kernfamilie politisch aktiv gewesen wären oder als Mitglied einer politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates angehört hätten. Es kann festgestellt werden, dass die dem BF drohende gerichtliche Verfolgung aus seinem unerlaubten Fernbleiben vom Polizeidienst resultiert [Urteilsübersetzung auf AS 495].

Mit den Angehörigen derselben Glaubensrichtung oder mit den Angehörigen einer anderen, im Herkunftsstaat beheimateten Glaubensrichtung hatte er keine Probleme.

Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ist der BF keiner, aus in seiner Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort, realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte, oder dass er als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die in der Folge getroffenen (sachverhaltsbezogenen) Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben der BF1 anlässlich ihrer Befragung durch die Organe der belangten Behörde.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, die vom BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, andererseits vor den Organen der belangten Behörde getätigt wurden sowie auf den im Akt befindlichen Kopien der vorgelegten Dokumente und Urkunden. Die im Spruch angegebenen Aliasnamen des BF ergeben sich aus den kulturellen Gegebenheiten im Heimatstaat des BF und dessen Angaben sowie Präzisierungen in Bezug auf seinen Namen vor dem BFA.

Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Die zu seiner Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise ins Bundesgebiet getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus seinen glaubhaften Angaben anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörde, die im Wesentlichen unstrittig geblieben sind und der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten.

2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Die Konstatierungen zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruhen auf den Angaben des BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde und der belangten Behörde.

Vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde hatte der Beschwerdeführer angegeben, das Land verlassen zu haben, da er von Juni 2011 bis April 2014 vom Nachfolgeregime Saddam Husseins verhaftet worden sei. Es habe Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten gegeben. Ein genauer Grund für seine Verhaftung sei nicht bekannt. Sein Vergehen habe darin bestanden, dass er ein Sunnit gewesen sei. In der Folge sei er ohne Verhandlung wieder freigelassen worden.

Anlässlich seiner Einvernahme vor dem BFA gab der BF als Fluchtgrund an, dass die Verhaftung im Juni 2011 mit einer unerlaubten Reise nach Syrien zusammenhänge. Nach einem siebentägigen Aufenthalt sei er in den Irak zurückgekehrt und an einem für ihn arbeitsfreien Tag auf dem Weg in die Cafeteria eines Onkels von ihm unbekannten Personen, die nach seinem Dienstausweis gefragt haben sollen, mitgenommen worden sein. Er sei mit dem Vorwurf konfrontiert worden, ein Terrorist zu sein. In der Folge sei er sechs Monate mit anderen Häftlingen festgehalten worden, bevor er für weitere zwei Monate in einen anderen Raum im Gericht XXXX gesperrt worden sein soll. Nach insgesamt acht Monaten sei er vor einen namentlich genannten Untersuchungsrichter geführt worden, welchem er wahrheitsgemäß gesagt hätte, in Syrien gewesen zu sein. Daraufhin sei er nach weiteren zwei Monaten in das Gefängnis XXXX, welches dem XXXX untergeordnet gewesen sei, überstellt worden, da er als XXXX dort angehalten werden müsse. In diesem Gefängnis sei er genau ein Jahr inhaftiert gewesen. Am XXXX.2013 sei er in einer Verhandlung zu einer weiteren Haftstrafe von sechs Monaten wegen der unerlaubten Ausreise nach Syrien verurteilt und gleichzeitig vom Vorwurf des Terrorismus freigesprochen worden. Er sei jedoch nicht freigelassen, sondern erst im April 2014 aus der Haft entlassen worden. Am XXXX.04.2014 habe er von einem Kollegen namens XXXX einen Anruf bekommen, dass er seinen Dienst als XXXX wiederaufnehmen könne. Von einem weiteren Kollegen namens XXXX habe er erfahren, dass erstgenannter Kollege die Dienstwaffe des BF verkauft hätte und er deshalb USD 5.000,- zahlen müsse und ihm eine fünfjährige Haftstrafe drohe. Aus Angst sei er mit seiner Mutter und einer Tante nach XXXX gefahren und drei Tage später nach Istanbul geflogen. Während seines Aufenthaltes in der Türkei sei am XXXX.01.2015 ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden und mit XXXX.03.2015 in seiner Abwesenheit eine sechsmonatige unbedingte Haftstrafe sowie die Entlassung aus dem Polizeidienst ausgesprochen worden.

Während die Fluchtroute und deren Ablauf glaubhaft geschildert und vom BF aus eigenen Stücken korrigiert wurden, konnte der BF die Fluchtgründe nicht glaubhaft machen.

Erste Widersprüche zeigten sich hinsichtlich der Gründe für seine Reise nach Syrien. Während er vor dem BFA angab, einen Onkel besucht zu haben, um sich vom Druck der XXXX zu erholen, gab er vor dem BVwG an, seine beiden Cousins besucht zu haben, um mit ihnen nach Deutschland auszureisen, was allein an seinen finanziellen Mitteln gescheitert sei (AS 100 und S. 19f der VH-Niederschrift). Sich widersprechende Angaben machte er auch in Bezug auf die von ihm ausgeübte Tätigkeit. Während er vor dem BFA angab, von 2008 bis 2011 XXXX gewesen zu sein, gab er vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass er wie sein Vater ein XXXX gewesen sei. Im Zusammenhang mit den Aussagen des BF vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht ist, unter Berücksichtigung der dem Akt beiliegenden Dokumente und deren Übersetzungen, anzunehmen, dass der BF im Herkunftsstaat lediglich ein XXXX und kein Angehöriger des XXXX war. Unklar ist auch, wie lange er ab einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2011 in Haft gewesen sei. Wenn er vor dem BFA und bei der hg. mündlichen Verhandlung angibt, etwa dreieinhalb Jahre wegen einer falschen Anschuldigung in Haft gewesen zu sein (AS 100 und S. 15 der VH-Niederschrift) so ergibt sich in der Aufzählung des BF vor dem BFA ein rechnerischer Zeitraum von etwa fünf Monaten, nach dessen Verstreichen er wieder auf freiem Fuß gewesen sein muss. Seine erste Verhaftung war laut den Angaben des BF im Juni 2011. Hierauf sei er acht Monate später vor einen Untersuchungsrichter geführt worden und weitere zwei Monate darauf in ein anderes Gefängnis verlegt worden. Bei insgesamt zehn Monaten Haft muss dies etwa im April 2012 gewesen sein. Dann will er genau ein Jahr im Gefängnis XXXX inhaftiert gewesen sein, sohin bis April 2013. Erst am XXXX.09.2013 soll es zu einer weiteren Verhandlung gekommen sein, in deren Rahmen er zwar vom Terrorismusverdacht freigesprochen wurde; wegen unerlaubter Ausreise will er zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sein. Obwohl die exorbitant lange Untersuchungshaft seit Juni 2011 anzurechnen gewesen wäre, soll er trotzdem noch bis XXXX.04.2014 inhaftiert gewesen. Von April 2013 bis Ende September 2013 findet sich sohin ein fünfmonatiger Zeitraum, in welchem der BF nicht in Haft gewesen sein kann. Auch die angeblich letzte Verurteilung und der zuvor ausgesprochene Haftbefehl wegen Desertion/Flucht scheint unglaubwürdig. So gab der BF vor dem BFA (AS 101) an, dass der Haftbefehl am XXXX.01.2015 erlassen worden sei; das Abwesenheitsurteil soll jedoch mit XXXX.03.2015 datiert sein. Unter der Prämisse, dass der BF seit Mai 2014 nicht mehr im Irak gewesen sein will, kann nicht nachvollzogen werden, warum durch acht Monate hindurch keine Schritte gesetzt worden sein sollen, den BF zu finden, zumal sein Dienstvorgesetzter ihn laut eigener Aussage darüber informiert haben soll, dass er seinen XXXX wieder antreten könnte (Aussage des BF vor dem BFA AS 101). Zum gleichen Zeitpunkt, als er die Möglichkeit des Dienstantritts bekommen habe, will er in Erfahrung gebracht haben, dass seine Dienstwaffe vom bereits erwähnten Vorgesetzten verkauft worden sei und ihm deswegen eine Freiheits- und Geldstrafe von fünf Jahren und USD 5.000 drohe. Die zeitlichen Abläufe lassen es äußerst suspekt erscheinen, dass der BF mit April/Mai 2014 seine Heimat verließ und eine öffentliche staatliche Verfolgung erst mit Beginn des folgenden Jahres einsetzten sollte, obwohl das Verschwinden der Dienstwaffe - bei Wahrunterstellung dieser Angaben - bereits mit Mai 2014 bekannt gewesen sein musste. Aus dem zur Vorlage gebrachten Abwesenheitsurteil (AS 495) ist der genaue Grund für die Verurteilung auch nicht erkennbar, lediglich eine gesetzliche Norm ist angeführt und von einem XXXX die Rede. Eine Geldstrafe, wie vom BF erwähnt, lässt sich daraus nicht erkennen. Aus dem Urteil geht ausschließlich die Entlassung aus dem XXXX und eine sechsmonatige Haftstrafe hervor. Als weitere Sanktion findet sich die Beschlagnahmung des Eigentums des BF. Genaue Hintergründe ergeben sich aus dem Urteil vom XXXX.03.2015 nicht. Hiermit sind die öffentlich abrufbaren Informationen in EASO-Berichten gut in Einklang zu bringen, wonach für Fernbleiben vom XXXX eine sechsmonatige Haftstrafe ausgesprochen werden kann, erst unter besonders schweren Umständen kann diese auf mindestens ein Jahr erhöht werden (XXXX). Es ist zudem nicht nachvollziehbar, warum der BF als ehemaliger XXXX den genauen Grund für das gegen ihn erlassene Abwesenheitsurteil nicht kennt und lediglich angibt, dass es sich um eine „Konfessionsgeschichte“ handle (S. 11f der VH-Niederschrift). Auch die vom BF im Rahmen der hg. mündlichen Verhandlung vorgelegten Fotos konnten sein Vorbringen nicht untermauern, zumal diese nach seinen eigenen Aussagen keine von ihm selbst aufgenommen Beweismittel waren, sondern von „Google und Facebook“ stammten (S. 13und 23. Der VH-Niederschrift). Zudem konnte er nicht glaubhaft machen, dass er von seinem Vater nach außen hin verstoßen worden wäre, um Belästigungen durch die Polizei zu entgehen (S. 10 der VH-Niederschrift). Sollte dem wirklich so sein so scheint es unglaubhaft, dass der Vater im Verborgenen Kontakt zu seinem Sohn aufbaut und dies über so viele Jahre geheim halten kann.

Die unklaren und vagen Aussagen des BF führen im Zusammenhang mit den soeben dargelegten Diskrepanzen bei den zeitlichen Abläufen und den damit nicht in Einklang zu setzenden Urteilen dazu, dass ihm in Bezug auf sein Vorbringen kein Glaube geschenkt werden konnte. Vielmehr erscheinen seine Angaben als ein den Tatsachen widersprechendes Gedankenkonstrukt, zumal er anlässlich seiner PV vor dem BVwG angab, bei einer Rückkehr ausschließlich die Sanktionierung seiner Flucht und eines angeblichen Verkaufes seiner Dienstwaffe zu fürchten.

Die getroffenen Konstatierungen waren somit im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.

2.5. Zur Integration des BF in Österreich

Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten Integrationsschritten (Deutschkursbesuch, Teilnahme an Integrationskursen, ehrenamtliche Mitarbeiten) ergaben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Nachweisen im Akt. Die Integration der beschwerdeführenden Partei wird auch durch die im Akt befindlichen glaubhaften Unterstützungsschreiben bestätigt. Der Bezug aus Leistungen der Grundversorgung ergibt sich aus den glaubhaften Angaben des BF und einem GVS-Auszug.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

3.1.1. Die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX.03.2018 erhobene Beschwerde des BF ist rechtzeitig und legte die belangte Behörde die Beschwerdesachen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, der sich eignet, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; vom 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318 und vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 05.11.1992, Zl. 92/01/0792 und vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH vom 01.06.1994, Zl. 94/18/0263 und vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor einer konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH vom 08.09.1999, Zlen. 98/01/0503 und 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH vom 21.01.1999, Zl. 98/20/0399 und vom 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Eine gegen eine Person gerichtete Verfolgungsgefahr aus solchen Gründen wurde vom Beschwerdeführer weder im Verfahren vor der belangten Behörde, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft gemacht.

Der BF vermochte die von ihm ins Treffen geführten Fluchtgründe nicht glaubhaft zu machen. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung hervorgehoben, ist die einzige Furcht, welche der BF bei einer Rückkehr hat, die ihm drohende Sanktionierung wegen seiner Flucht und dem angeblichen Verkauf seiner Dienstwaffe durch eine andere Person. Die Miliz Asa‘ib Ahl al-Haqq erwähnte er lediglich im Zusammenhang mit seiner Verhaftung im Juni 2011. Eine darüberhinausgehende Verfolgung aus religiös oder politisch motivierten Gründen durch diese Miliz oder durch sonstige Organisationen oder dritte Personen hielt der BF nicht weiter aufrecht.

Einen staatlichen Akteur betrifft ausschließlich die vom BF ins Treffen geführte „staatliche Verfolgung“ wegen Desertion und den behaupteten Verkauf seiner Dienstwaffe durch eine ihm vorgesetzte Person. Zu berücksichtigen ist, dass die „staatliche Verfolgung“ nicht in einem kausalen Zusammenhang wegen der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu einer bestimmten Rasse, Religion, Nationalität, oder einer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung, sondern wegen der angeblichen Desertion des BF aus dem XXXX und der hierfür vorgesehenen gesetzlichen Sanktionen. Die Flucht vor rechtmäßiger Verfolgung ist nicht als Asylgrund zu sehen. Der BF gab zwar an, dass er seinen Dienst aus moralischen Gründen nicht ausführen wollte. Die Entscheidung, diesen nicht zu kündigen, was im Irak rechtlich - sanktionslos - möglich wäre, wollte er aus monetären Gründen jedoch nicht treffen, sondern entschied sich dazu, sein Land zu verlassen. Das - in seiner Abwesenheit - erlassene Urteil und der Haftbefehl sind nicht die Ursache für die Flucht, da der Haftbefehl und das Abwesenheitsurteil etwa ein halbes Jahr nach seiner Ankunft in Österreich erlassen worden seien. Die vom BF vorgegebene Geldstrafe von USD 5.000,- findet sich zudem in keinem der vorgelegten Urteile wieder. Lediglich die Beschlagnahme von Eigentum wird angedroht. Die daraus resultierende Strafverfolgung ist sohin kein willkürlicher staatlicher Akt, sondern eine nachvollziehbare Folge der Rechtsordnung des Irak (so wie jeden entwickelten Landes). Sie stellt auch keine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung des BF dar.

Zumal der BF wie soeben dargelegt eine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung nicht glaubhaft machen konnte, erübrigt sich auch das Prüfen einer Fluchtalternative.

3.2.3. Aus den angeführten Gründen war daher der gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gerichtete Teil der Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide:

3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennun

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten