TE Bvwg Beschluss 2020/10/12 W191 2174002-2

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Veröffentlicht am 12.10.2020
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Entscheidungsdatum

12.10.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W191 2174002-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Dr. ROSENAUER als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.09.2020, Zahl 1102484506-200912312, erfolgte Aufhebung des Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, folgenden Beschluss:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-Verfahrensgesetz rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

1. Verfahrensgang:

1.1. Vorverfahren:

1.1.1. Der Asylwerber (in der Folge AW), ein Staatsangehöriger von Afghanistan, reiste irregulär und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 17.01.2016 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.1.2. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 22.06.2017 wurde der AW gemäß § 27 Suchtmittelgesetz (SMG) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten, bedingt nachgesehen auf eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

1.1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) vom 27.09.2017 wurde der Antrag des AW auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gegen den AW gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG festgehalten, dass der AW das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 22.06.2017 verloren habe (Spruchpunkt V.).

1.1.4. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 26.03.2018 wurde der AW gemäß § 27 SMG zu einer weiteren Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten, davon acht Monate bedingt nachgesehen auf eine Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt.

1.1.5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (in der Folge BVwG) vom 17.02.2020, Zahl W102 2174002-1/34E, wurde die vom AW gegen den Bescheid des BFA vom 27.09.2017 erhobene Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der AW sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 13 Abs. 2 Z3 AsylG ab dem 06.06.2017 verloren habe.

1.1.6. In der Folge reiste der AW trotz Verpflichtung nicht freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.

1.1.7. Mit Mitwirkungsbescheid des BFA vom 09.03.2020 wurde der AW gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG in Verbindung mit § 19 AVG für den 03.04.2020 zum Zweck der Einholung eines Ersatzreisedokumentes vor das BFA geladen. Zustellversuche am 09.03.2020, 10.03.2020, 11.03.2020 und am 13.03.2020 durch Organe der Landespolizeidirektion Burgenland scheiterten, da der AW nicht an seiner amtlich gemeldeten Wohnadresse anzutreffen war.

1.1.8. Der AW war seit 02.04.2020 im Bundesgebiet nicht mehr polizeilich gemeldet. Er hielt sich seither im Verborgenen auf und war für die Behörde nicht mehr greifbar. Das BFA erließ in weiterer Folge einen Festnahmeauftrag.

1.1.9. Der AW wurde am 05.05.2020 im Zuge eines Polizeieinsatzes wegen sexueller Belästigung aufgegriffen. Ein im Rahmen dieses Polizeieinsatzes vom AW unternommener Fluchtversuch scheiterte, und er wurde in weiterer Folge aufgrund des bestehenden Festnahmeauftrages festgenommen und dem BFA vorgeführt.

1.1.10. Mit Bescheid vom 06.05.2020 ordnete das BFA gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG in Verbindung mit § 57 Abs. 1 AVG über den AW die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an. Seit diesem Tag wird der AW in Schubhaft angehalten.

1.1.11. Gegen diesen Schubhaftbescheid des BFA sowie gegen die Anhaltung in Schubhaft wurde vom AW in weiterer Folge keine Beschwerde erhoben.

1.1.12. Am 15.05.2020 wurde der AW einer afghanischen Delegation vorgeführt und von dieser als afghanischer Staatsangehöriger identifiziert. Weiters wurde der Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugestimmt.

1.1.13. Nach der erfolgten Identifizierung durch die afghanischen Vertretungsbehörden wurde der AW am 06.07.2020 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahme gab der AW im Wesentlichen zusammengefasst an, dass er gesund sei und keine Medikamente einnehme. Nach Afghanistan wolle er auf gar keinen Fall zurückkehren, da es dort keine Sicherheit gebe.

1.1.14. Am 21.07.2020 wurde der AW während seiner Anhaltung in Schubhaft aufgrund des Verdachts einer Körperverletzung zum Nachteil eines Mithäftlings diszipliniert.

1.1.15. Das BFA führte am 03.06.2020, am 01.07.2020 und am 29.07.2020 Schubhaftprüfungen gemäß § 80 Abs. 6 FPG durch.

1.1.16. Mit Schreiben vom 21.08.2020 wurde das BFA von der Staatsanwaltschaft Wien darüber informiert, dass gegen den AW beim zuständigen Bezirksgericht Strafantrag wegen § 218 Abs. 1a Strafgesetzbuch (StGB, Sexuelle Belästigung durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle) erhoben worden sei.

1.1.17. Am 28.08.2020 legte das BFA den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des AW in Schubhaft dem BVwG vor.

1.2. Gegenständliches – aktuelles – Verfahren:

1.2.1. Am 30.08.2020 stellte der AW aus dem Stande der Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag).

Am selben Tag wurde seitens des BFA ein Aktenvermerk zur Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG angefertigt und darin umfassend begründet, dass davon auszugehen sei, dass der nunmehrige Asylfolgeantrag mit Verzögerungsabsicht gestellt worden sei. Dieser Aktenvermerk wurde dem AW nachweislich am 30.08.2020 persönlich ausgefolgt.

1.2.2. Mit Erkenntnis des BVwG vom 03.09.2020, Zahl W278 2234526-1/10E, wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei.

Begründend wurde vom BVwG im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass der AW uneingeschränkt haftfähig sei. Dies habe die zuletzt am 29.08.2020 durchgeführte amtsärztliche Kontrolle ergeben. Der AW sei nicht ausreisewillig und habe am 30.08.2020 aus dem Stande der Schubhaft einen Folgeantrag gestellt, um – wie vom Bundesamt mittels Aktenvermerk nachvollziehbar begründet – seine Abschiebung zu verhindern bzw. zu verzögern. Das BFA sei auch weiter ernsthaft bemüht, die Abschiebung zu realisieren, wie die Vorführung des AW vor eine afghanische Delegation zeige.

In der rechtlichen Beurteilung wurde unter anderem wie folgt ausgeführt (Auszug aus dem angeführten Erkenntnis; Schreibfehler teilweise korrigiert):

„[…] Nach der Asylfolgeantragstellung am 30.08.2020 wird die Anhaltung in Schubhaft nunmehr auf Rechtsgrundlage des § 76 Abs. 6 FPG gestützt. Die im Schubhaftbescheid seitens der Verwaltungsbehörde vorgenommene rechtliche Beurteilung betreffend die hohe Fluchtgefahr des BF [Beschwerdeführers] insbesondere nach § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 FPG weist weiterhin volle Gültigkeit auf.

Nochmals sind die seit der Schubhaftanordnung vom BF gesetzten Verhaltensweisen, welche die Abschiebung zu verhindern oder zumindest zu verzögern trachten, hervorzuheben:

Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme am 06.07.2020 vor dem Bundesamt, nach erfolgter Identifizierung durch die afghanischen Vertretungsbehörden, gab der BF ausdrücklich an, nicht ausreisewillig zu sein. Auch im Gespräch mit dem VMÖ lehnte er die freiwillige Ausreise ab.

Der BF stellte am 30.08.2020 aus dem Stande der Schubhaft, trotz Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme, einen Asylfolgeantrag, um – wie vom Bundesamt im gegenständlichen Aktenvermerk nachvollziehbar begründet – seine Abschiebung zu verhindern bzw. zu verzögern. Damit ist jedenfalls auch aktuell der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 5 FPG als erfüllt anzusehen.

Unter dem Aspekt des § 76 Abs. 2a FPG ist die Schubhaft in Bezug auf die Straffälligkeit des BF auch als verhältnismäßig anzusehen; ebenso auch im Hinblick auf die gesetzlich mögliche Maximaldauer, wobei in diesem Zusammenhang – in Zusammenschau mit den beiden rechtskräftigen Verurteilungen des BF nach dem Suchtmittelgesetz – auch auf die zwischenzeitlich notwendige Disziplinierung aufgrund einer Anzeige wegen des Verdachts der Körperverletzung am 21.07.2020 und auf die Anklageerhebung vom 21.08.2020 wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung hinzuweisen ist.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit – siehe dazu auch die Straffälligkeit, das Untertauchen und der dokumentierte Versuch, sich der Festnahme durch Verstecken und Flucht zu entziehen – kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der BF war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

Verzögerungen im Zusammenhang mit der Abschiebung, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen. Vielmehr kümmerte sich das Bundesamt zügig um die Vorführung vor die afghanische Delegation. Dass pandemiebedingt ein bereits geplanter Abschiebecharterflug nicht durchgeführt werden konnte, kann nicht dem Bundesamt zugerechnet werden. Für Oktober ist der nächste Charterabschiebeflug geplant. Eine Abschiebung des BF – vorausgesetzt eine zurück- oder abweisende Entscheidung im laufenden Asylverfahren – ist jedenfalls innerhalb der höchstzulässigen Anhaltedauer realistisch möglich.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen.

Dies gilt insbesondere auch im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG. Die Abfassung des einschlägigen Aktenvermerkes ist belegt, womit die Umstellung der Rechtsgrundlage erfolgt ist. Dieser Aktenvermerk verfügt auch über eine ausführliche und nachvollziehbare Begründung. Darüber hinaus besteht für den BF jederzeit die Möglichkeit, eine gesonderte Beschwerde gegen die fortgesetzte Schubhaft nunmehr auf Grundlage des § 76 Abs. 6 FPG zu erheben und diese (inhaltlich) gerichtlich prüfen zu lassen.

Es war daher die Fortsetzung der Schubhaft auszusprechen.“

1.2.3. Am 14.09.2020 stellte der AW einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr in seinen Herkunftsstaat.

1.2.4. Aufgrund dieses Antrages wurde der AW vom BFA am 18.09.2020 erneut einer afghanischen Delegation vorgeführt. Der AW weigerte sich, mit der afghanischen Delegation zu sprechen, und widerrief seinen Antrag auf freiwillige Rückkehr.

1.2.5. Am 24.09.2020 legte das BFA den Verwaltungsakt neuerlich gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des AW in Schubhaft dem BVwG vor.

Im Zuge der Vorlage wurde vom BFA nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten sei. Es bestehe weiterhin aktuell Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf. Auch mit der Anordnung eines gelinderen Mittels könne nicht das Auslangen gefunden werden. Der AW sei nicht ausreisewillig. So habe er seinen Antrag auf freiwillige Rückkehr im Rahmen der Befragung vor der afghanischen Delegation widerrufen. Weiters sei der AW nach seinem ersten abgeschlossenen Asylverfahren im Bundesgebiet untergetaucht und für die Behörden nicht greifbar gewesen. Darüber hinaus sei er bei Begehung einer sexuellen Belästigung aufgegriffen worden und habe auch während der Anhaltung in Schubhaft einem Mithäftling mit einer Rasierklinge Schnittwunden zugefügt. Im Folgeantragsverfahren sei für den 25.09.2020 eine Einvernahme des AW geplant und es sei beabsichtigt, den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufzuheben. Eine Charterabschiebung nach Afghanistan sei in dem Zeitraum vom 10.11.2020 bis 12.11.2020 geplant.

1.2.6. Am 25.09.2020 wurde der AW vor dem BFA, im Beisein eines Rechtsberaters nach erfolgter Rechtsberatung, zu seinem – gegenständlichen – Asylfolgeantrag niederschriftlich einvernommen. In weiterer Folge wurde mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA vom 25.09.2020 der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG in Anwendung des § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben.

Begründend traf das BFA Feststellungen zur Person des AW und zu seinem Herkunftsstaat.

Nach einer Zusammenfassung des Verfahrensganges stellte das BFA im Wesentlichen fest, dass der AW im gegenständlichen Folgeantragsverfahren dieselben Fluchtgründe wie im Vorverfahren angegeben habe. Sein Vorbringen sei als unglaubhaft beurteilt worden und sein Antrag auf internationalen Schutz sei im Vorverfahren mit Bescheid des BFA vom 27.09.2017 sowie mit Erkenntnis des BVwG vom 17.02.2020, Zahl W102 2174002-1/34E, rechtskräftig abgewiesen worden.

Im gegenständlichen Verfahren habe der AW keine konkreten neuen Fluchtgründe vorgebracht und sich im Wesentlichen auf sein bereits im Vorverfahren erstattetes Vorbringen gestützt.

Der AW habe damit keinen neuen Sachverhalt vorgebracht und sich auf bereits rechtskräftig als unglaubhaft beurteilte Fluchtgründe bezogen. Da sich die allgemeine Lage wie auch seine persönlichen Verhältnisse seit der letzten Entscheidung des BFA nicht entscheidungswesentlich geändert hätten, könne – auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Covid-19 Pandemie – davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat für den AW zu keiner Bedrohung der angeführten Rechte nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) führen werde.

Es habe sich kein neuer objektiver Sachverhalt (gegenüber dem bereits rechtskräftig entschiedenen) ergeben. Der neue Antrag des AW auf internationalen Schutz werde voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

1.2.7. Auf Nachfrage des BVwG im Schubhaftverfahren nach dem Gesundheitszustand des AW wurde am 29.09.2020 von der Landespolizeidirektion Wien unter Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens vom 29.09.2020 mitgeteilt, dass der AW weiterhin haftfähig sei.

1.2.8. Mit Erkenntnis des BVwG vom 29.09.2020, Zahl W115 2234526-2/6E, wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig sei.

1.2.9. Der Verwaltungsakt (samt Vorakt) betreffend das – gegenständliche – Folgeantragsverfahren langte am 29.09.2020 beim BVwG ein.

1.2.10. Mit Aktenvermerk vom 29.09.2020, Zahl W191 2174002-2/3Z, hielt das BVwG fest, dass nach dem Ergebnis einer unverzüglichen Prüfung seitens des BVwG aus heutiger Sicht gemäß § 22 BFA-VG nicht zu entscheiden gewesen wäre, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtmäßig gewesen wäre.

Es sei aus ho. derzeitiger Sicht (auf Basis der aktuell vorliegenden Aktenlage) nicht anzunehmen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des AW nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Ein diesbezügliches Vorbringen sei – nach dem Ergebnis einer Grobprüfung – nicht glaubhaft erstattet worden.

2. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

2.1. Der AW führt den Namen XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , ist Staatsangehöriger der islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Dari.

Der AW reiste im Alter von etwa einem Jahr mit seiner Familie von Afghanistan in den Iran aus. Dort besuchte er etwa zwei Jahre die Schule und arbeitete als Hilfsarbeiter. Im Alter von 15 Jahren wurde der AW nach Afghanistan abgeschoben, wo er etwa zehn Monate in Kunduz bei seiner Tante mütterlicherseits in XXXX und bei seinem Onkel väterlicherseits in XXXX aufhältig war und von diesen beiden unterstützt wurde. 2015 reiste er wieder in den Iran, von wo aus er zwei Monate später in die Türkei reiste. Dort arbeitete der AW vier Monate, bis er nach Europa weiterreiste.

Die Mutter des AW ist verstorben, als er etwa acht Jahre alt war. Sein Vater, dessen Ehefrau, die beiden Brüder (einer davon minderjährig) des AW und seine beiden minderjährigen Halbschwestern leben unverändert legal im Iran. Zu ihnen besteht Kontakt. Der Vater arbeitet als Installateur.

Die Tante mütterlicherseits lebt mit ihrem Mann, der einen Gemüseladen betreibt, unverändert in Kunduz. Auch der Onkel väterlicherseits lebt unverändert in Kunduz, wo er einen Viehhandel betreibt. Eine Tante väterlicherseits lebt ebenso in XXXX , Kunduz.

Der AW ist erwerbsfähig. Er hält sich jedenfalls seit 17.01.2016 im Bundesgebiet auf und hat hier für einige Monate die Schule besucht. Der AW hat keine Deutschkurse besucht. Er bezog Grundversorgung und war nicht erwerbstätig.

Der AW hat eine Freundin, ein gemeinsamer Wohnsitz besteht nicht. Sie ist minderjährig, lebt in der Slowakei und verfügte nie über einen Wohnsitz im Bundesgebiet, reist jedoch wiederholt als Touristin ein. Am 13.07.2019 brachte sie einen Sohn zur Welt, der wenig später verstorben ist. Dass der AW der Vater dieses Sohnes gewesen wäre, kann nicht festgestellt werden.

2.2. Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 06.06.2017 wurde über den AW die Untersuchungshaft verhängt.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 22.06.2017 wurde der AW wegen § 27 SMG zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 26.03.2018 wurde der AW wegen § 27 SMG zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, davon acht Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

2.3. Der AW stellte im Bundesgebiet bereits einmal einen Antrag auf internationalen Schutz, der rechtskräftig mit Erkenntnis des BVwG vom 17.02.2020, Zahl W102 2174002-1/34E, negativ beschieden wurde.

Der AW kam seiner Pflicht zur Ausreise jedoch nicht nach, tauchte unter und war für die Behörden an seiner Meldeadresse nicht erreichbar. Ab 02.04.2020 war auch nicht mehr polizeilich gemeldet, sodass die Behörde einen Festnahmeauftrag erließ.

Der AW wurde am 05.05.2020 im Zuge eines Polizeieinsatzes aufgrund sexueller Belästigung aufgegriffen. Ein im Rahmen dieses Polizeieinsatzes vom AW unternommener Fluchtversuch scheiterte, und er wurde in weiterer Folge aufgrund des bestehenden Festnahmeauftrages festgenommen, dem BFA vorgeführt und in Schubhaft genommen.

2.4. Am 30.08.2020 stellte der AW aus dem Stande der Schubhaft gegenständlichen Folgeantrag (zweiten Antrag) auf internationalen Schutz. Im gegenständlichen Verfahren bezieht sich der AW im Wesentlichen auf Gründe, die bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des vorangegangenen vom AW initiierten Asylverfahrens bestanden haben.

2.5. In Bezug auf den AW besteht kein hinreichend schützenswertes Privat- und/oder Familienleben im Bundesgebiet.

Es bestehen keine Hinweise, dass beim AW schwerwiegende physische bzw. psychische Erkrankungen vorlägen, die einer Rückkehr nach Afghanistan entgegenstehen würden.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des AW nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es liegen keine Umstände vor, welche seiner Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.

2.6. Der AW verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung.

2.7. Eine entscheidungswesentliche Änderung der persönlichen Situation des AW sowie der Ländersituation im Herkunftsstaat ist seit der Entscheidung über den vorhergehenden Antrag des AW auf internationalen Schutz nicht eingetreten.

Der Folgeantrag wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.


3. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des BFA und des BVwG.

3.1. Zur Person des AW:

Die Feststellungen zu Staatsangehörigkeit, Name und Geburtsdatum des AW ergeben sich aus seinen Angaben im Verfahren und in den Vorverfahren.

Das Vorliegen eines erheblichen schützenswerten Privat- oder Familienlebens in Österreich wurde im Verfahren nicht hinreichend dargelegt. Hinweise auf für das Verfahren erhebliche gesundheitliche Probleme liegen nicht vor.

3.2. Zu den Fluchtgründen des AW:

Im gegenständlichen (zweiten) Asylverfahren brachte der AW keine konkreten neuen Gründe für die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz vor. Sein Fluchtvorbringen wurde bereits im Vorverfahren als unglaubhaft beurteilt.

Im vorliegenden Fall ist somit der Beurteilung der Behörde nicht entgegenzutreten, dass von einer entschiedenen Sache auszugehen sein wird.

Dass sich seit der Erlassung der rechtskräftigen Entscheidung im Vorverfahren bezüglich der Person des AW sowie der Lage in Afghanistan allgemein und für den gegenständlichen Fall relevant eine erhebliche Lageveränderung ergeben hätte, kann nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens verneint werden.

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

4.2.1. Anzuwendendes Recht:

Der mit „Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen“ betitelte § 12a AsylG in der geltenden Fassung lautet:

„§ 12a.

(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1.       gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2.       kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und

3.       im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4.       eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1.       gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2.       der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3.       die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1.       gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2.       der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und

3.       darüber hinaus

a)       sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;

b)       gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder

c)       der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1)       der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2)       sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und Ausweisungen gemäß § 66 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht.“

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG in der geltenden Fassung ergehen Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Der mit „Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes“ betitelte § 22 BFA-VG lautet:

„(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.“

4.2.2. Rechtlich folgt daraus:

4.2.2.1. Aufrechte Rückkehrentscheidung:

Gegen den AW liegt eine rechtskräftige aufrechte Rückkehrentscheidung (Erkenntnis des BVwG vom 15.11.2018, Zahl W105 2174129-1/18E) vor.

4.2.2.2. Res iudicata (entschiedene Sache):

Der AW hat im gegenständlichen zweiten Asylverfahren anlässlich seiner niederschriftlichen Befragung bzw. Einvernahme vor dem BFA erklärt, aus den im Wesentlichen gleichen Gründen wie schon im vorangegangenen Asylverfahren erneut einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Aus dem Vorbringen zum Folgeantrag ergibt sich daher, wie auch in der Sachverhaltsdarstellung und der Beweiswürdigung aufgezeigt, kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt.

Auch die für den AW maßgebliche Ländersituation ist seit dem Erkenntnis des BVwG vom 15.11.2018, Zahl W105 2174129-1/18E, im Wesentlichen gleichgeblieben.

4.2.2.3. Prüfung der Verletzung von Rechten nach der EMRK:

Im vorangegangenen Verfahren haben das BFA sowie das BVwG ausgesprochen, dass der AW bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehe (§ 50 FPG).

Auch im gegenständlichen zweiten Asylverfahren sind – im Lichte der eben getroffenen Erwägungen – keine Risiken für den AW im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden. Es sind auch keine erheblichen in der Person des AW liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Auch seitens des AW wurde kein entsprechendes konkretes Vorbringen hiezu getätigt oder Belege hiefür vorgelegt. Auch die im Rahmen des Schubhaftverfahrens veranlassten ärztlichen Überprüfungen haben keine Ergebnisse erbracht, die geeignet wären, eine gesundheitliche Beeinträchtigung in erheblichem Ausmaß zu belegen.

Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des AW in seinen Herkunftsstaat stellt für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

4.2.2.4. Rechtmäßiges Verfahren:

Im Verfahren zur Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG durch das BFA ist ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. § 18 AsylG), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist.

Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt, dem AW wurde Parteiengehör eingeräumt, und er wurde nach seiner am 30.08.2020 erfolgten Erstbefragung am 25.09.2020 vom BFA niederschriftlich einvernommen.

4.2.3. Gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH zum Themenbereich res iudicata (entschiedene Sache) sowie Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag res iudicata

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W191.2174002.2.00

Im RIS seit

04.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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