Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §12 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des 1971 geborenen SD in Wien, vertreten durch
Dr. Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. April 1995, Zl. 107.587/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Bosnien-Herzegowinas, verfügte nach der Aktenlage über einen am 2. Dezember 1992 ausgestellten gewöhnlichen Sichtvermerk mit Gültigkeitsdauer bis 10. Mai 1993.
Am 6. April 1994 wurde im Reisedokument des Beschwerdeführers von der Bundespolizeidirektion Wien ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach der gemäß § 12 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ergangenen Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 402/1993, mit Gültigkeitsdauer bis 30. Juni 1994 ersichtlich gemacht.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. April 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 13. Mai 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung - unter anderem - gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen. Der Beschwerdeführer habe den gegenständlichen Antrag gestellt, während er im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei. Zwar sei im Reisedokument des Beschwerdeführers ein vorläufiges Aufenthaltsrecht "gemäß § 12 AufG" mit Geltungsdauer bis 30. Juni 1994 ersichtlich gemacht, die Voraussetzungen für ein solches Aufenthaltsrecht seien jedoch beim Beschwerdeführer nicht gegeben, weil er nicht aufgrund der bewaffneten Konflikte in seinem Heimatstaat, Bosnien-Herzegowina, habe fliehen müssen.
Der Beschwerdeführer wäre daher verhalten gewesen, gemäß § 6 Abs. 2 AufG einen Erstantrag vom Ausland aus zu stellen. Dieser Bestimmung habe er nicht Genüge getan. Die Erteilung einer Bewilligung sei ausgeschlossen.
Durch den Aufenthalt seiner Familie im Bundesgebiet bestünden zwar unabsprechbare private und familiäre Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich. Die öffentlichen Interessen an der Versagung einer Bewilligung überwögen aufgrund des angeführten Sachverhaltes die privaten Interessen des Beschwerdeführers.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (18. April 1995) ist für dessen Überprüfung die Rechtslage vor Inkrafttreten der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.
§ 6 Abs. 2 und § 13 Abs. 1 AufG in dieser Fassung lauteten:
"§ 6. (1) ...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung kann auch vom Inland aus gestellt werden.
§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen."
§ 4 und § 5 der (im Zeitpunkt der Ersichtlichmachung des vorläufigen Aufenthaltsrechtes im Reisedokument des Beschwerdeführers und im Zeitpunkt der gegenständlichen Antragstellung in Kraft gestandenen) Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 402/1993, lauteten:
"§ 4. (1) Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, haben ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet.
(2) Dieses Aufenthaltsrecht besteht weiters für die nach dem 1. Juli 1993 einreisenden Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde.
(3) Dieses Aufenthaltsrecht besteht bis zum 30. Juni 1994.
§ 5. Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, auf die die Voraussetzungen des § 4 zutreffen und die sich mit ihren Familien im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bereits längere Zeit in Österreich aufhalten, können im Hinblick auf eine zwischenzeitlich erfolgte teilweise Integration bei der Erteilung von Bewilligungen im Rahmen der Übergangsregelung des § 13 des Aufenthaltsgesetzes bevorzugt berücksichtigt werden."
§ 1 und § 2 der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung in Kraft gestandenen Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 1038/1994, lauteten:
"§ 1. (1) Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, haben ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet.
(2) Dieses Aufenthaltsrecht besteht weiters für die nach dem 1. Juli 1993 eingereisten und einreisenden Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde.
(3) Ungeachtet der Staatsangehörigkeit kann ein solches Aufenthaltsrecht auch Personen aus Grenzstädten zur ehemaligen Teilrepublik Bosnien-Herzegowina gewährt werden, sofern die übrigen Voraussetzungen nach dem Abs. 1 gegeben sind.
...
§ 2. Personen, auf die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 und 3 zutreffen, können im Hinblick auf eine zwischenzeitlich erfolgte teilweise Integration bei der Erteilung von Bewilligungen im Rahmen der Übergangsregelung des § 13 des Aufenthaltsgesetzes bevorzugt berücksichtigt werden."
Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei bosnischer Staatsangehöriger und sei erstmals im Jahr 1987 in Österreich eingereist. Er befinde sich nunmehr seit 1991 in Österreich und habe (seither) über Sichtvermerke verfügt. Seine Eltern lebten seit 22 Jahren, sein Bruder seit acht Jahren in Österreich. Auch seine Gattin verfüge über eine Aufenthaltsbewilligung für das Bundesgebiet.
Mit diesem Beschwerdevorbringen tritt der Beschwerdeführer der Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde, er sei nicht aufgrund der bewaffneten Konflikte in seinem Heimatland geflohen, nicht entgegen. Das vorläufige Aufenthaltsrecht bosnischer Staatsangehöriger aufgrund der gemäß § 12 AufG ergangenen Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 402/1993, erfloß, ohne daß es der Erlassung eines Bescheides bedurfte, unmittelbar aus dieser Verordnung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 94/18/0104). Die Gewährung eines vorläufigen Aufenthaltsrechtes durch rechtsgestaltenden Verwaltungsakt, wie sie erstmals in § 1 Abs. 3 der am 28. Dezember 1994 ausgegebenen Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 für Personen aus Grenzstädten zur ehemaligen Teilrepublik Bosnien-Herzegowina vorgesehen ist, kommt schon im Hinblick auf das Datum der Ersichtlichmachung (6. April 1994) hier nicht in Betracht. Umgekehrt verschafft die hier erfolgte Ersichtlichmachung eines vorläufigen Aufenthaltsrechtes nach den gemäß § 12 AufG ergangenen Verordnungen der Bundesregierung dem Beschwerdeführer kein originäres - von der Erfüllung der Voraussetzungen der in Rede stehenden Verordnungen unabhängiges - vorläufiges Aufenthaltsrecht im Sinne dieser Gesetzesbestimmung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. April 1996, Zl. 95/19/1016). Die materiellen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 402/1993 bzw. des § 1 Abs. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994, wonach der Fremde sein Heimatland aufgrund der dort herrschenden bewaffneten Konflikte verlassen habe müssen, erfüllte der Beschwerdeführer nach den insoweit unbekämpft gebliebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides aber nicht.
Daraus folgt, daß ihm ungeachtet der erfolgten Ersichtlichmachung ein vorläufiges Aufenthaltsrecht aufgrund der gemäß § 12 AufG ergangenen Verordnungen der Bundesregierung nicht zukam. Der Beschwerdeführer erfüllte daher die Voraussetzungen der für die Überprüfung des Bescheides maßgeblichen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 95/19/0677) Bestimmung des § 2 der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 nicht.
Auch konnte der Beschwerdeführer keinen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften im Sinne des § 13 Abs. 1 AufG stellen, weil er sich nach dem Vorgesagten im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes am 1. Juli 1993 nicht rechmäßig im Bundesgebiet aufhielt (der ihm zuletzt erteilte Sichtvermerk war bereits am 10. Mai 1993 abgelaufen).
Die belangte Behörde ging daher zutreffend davon aus, daß der Beschwerdeführer verhalten gewesen wäre, den gegenständlichen Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu stellen. Der Beschwerdeführer tritt der Tatsachenannahme der belangten Behörde, er habe sich im Zeitpunkt seiner Antragstellung im Inland aufgehalten, nicht entgegen. Damit ist der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG nicht Genüge getan. Bei dem dort normierten Erfordernis handelt es sich um eine Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung des Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895).
Insoweit sich der Beschwerdeführer auf seine durch die Anwesenheit seiner Verwandten im Bundesgebiet begründeten familiären Bindungen in Österreich beruft, ist ihm folgendes zu entgegnen:
Der Verfassungsgerichtshof hat (vgl. das Erkenntnis vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148, und in der Folge etwa die Erkenntnisse vom 29. Juni 1995, B 2688/94, und vom 11. Oktober 1995, B 2619/94) ausgesprochen, daß aus dem Grund des Art. 8 Abs. 1 MRK Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von Fremden, die sich seit vielen Jahren bzw. sogar seit der Geburt rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben und die aus welchen Gründen immer über keine Aufenthaltsbewilligung (mehr) verfügen, im Falle relativ geringfügiger Versäumung der Frist zur Antragstellung i.S. des § 13 Abs. 1 AufG im Hinblick auf das Gebot verfassungskonformer Auslegung des durch § 6 Abs. 2 AufG geschaffenen Regelungssystems dem zweiten Satz der zuletzt genannten Vorschrift zu unterstellen sind. Das heißt, daß solche Bewilligungsanträge - ungeachtet der Fristversäumnis - als rechtzeitig gestellte Anträge auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung zu werten sind, was insbesondere auch dann Gültigkeit hat, wenn die vorangegangene Berechtigung zum Aufenthalt schon vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes abgelaufen war. Dieser Rechtsauffassung hat sich der Verwaltungsgerichtshof angeschlossen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 1996, Zl. 95/18/0759).
Diese Rechtsprechung ist auf den Beschwerdeführer jedoch nicht anwendbar, weil er sich auf Basis seines Beschwerdevorbringens erst "seit 1991" rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt und diese Berechtigung mit Ablauf seines gewöhnlichen Sichtvermerkes am 10. Mai 1993 endete. Dem Beschwerdevorbringen ist daher nicht einmal zu entnehmen, daß sich der Beschwerdeführer zwei Jahre lang rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hätte. Die Frist zur Stellung eines Verlängerungsantrages versäumte der Beschwerdeführer mit seiner Antragstellung am 13. Mai 1994 um mehr als ein Jahr (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1996, Zl. 95/19/1020, und vom 19. September 1996, Zlen. 95/19/0207 bis 0209).
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996190961.X00Im RIS seit
02.05.2001