TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/22 W133 2002557-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.10.2020
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Entscheidungsdatum

22.10.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2002557-1/53E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 14.06.2013, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 16.10.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der Spruch des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe bestätigt, dass der Grad der Behinderung 30 von Hundert beträgt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte am 22.01.2013 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 19.03.2013, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 11.03.2013, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 20 v.H. bewertet wurde.

Im Rahmen des von der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurden von der Beschwerdeführerin unter Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel Einwendungen erhoben.

Zur Überprüfung der Einwendungen wurde von der belangten Behörde eine mit 10.06.2013 datierte medizinische Stellungnahme eines Arztes für Allgemeinmedizin, basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass weder die erhobenen Einwendungen noch die vorgelegten Beweismittel geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 20 v.H. fest.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass ein Grad der Behinderung von 20 v.H. vorliegen würde. Die dagegen erhobenen Einwendungen seien einer abermaligen Überprüfung durch einen ärztlichen Sachverständigen unterzogen worden. Dieser habe festgestellt, dass durch die Einwendungen keine Änderung der getroffenen Einschätzung bewirkt habe werden können.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Berufung (nunmehr als „Beschwerde“ bezeichnet).

Ohne Vorlage von medizinischen Beweismitteln wurde von der Beschwerdeführerin im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass nicht berücksichtigt worden sei, dass die Instabilität des rechten Knies (Leiden 1) sehr wohl durch die Lymphödeme beidseits (Leiden 2) negativ beeinflusst werde. Auch sei nicht nachvollziehbar, dass von geringgradiger Instabilität des rechten Knies gesprochen werde. Sie sei auch nach der bereits zweiten Rehab noch auf das Gehen mit Stock angewiesen und könne ohne diesen keine Stufen überwinden, was auch Gehsteigkanten beinhalte. Weiters müsse auch die linke Hand operiert werden. Dies sei jedoch nicht möglich, da sie mit der linken Hand den Stock halte. Es habe bereits eine Verschiebung über den Ellbogen bis in die linke Schulter hinein stattgefunden. Die rechte Schulter weise einen deutlich geringeren Bewegungsradius auf als die linke Schulter und sei nicht belastbar. Dies würde bedeuten, dass ihre beiden Hände nicht mehr voll funktionstüchtig seien. Weiters sei auch ihr Übergewicht nicht berücksichtigt worden.

Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde von der damals zuständigen Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten (in der Folge Bundesberufungskommission) ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 03.12.2013, eingeholt. In diesem Gutachten vom 16.12.2013 wurden auf Grundlage der persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Beginnende Kniegelenksarthrose rechts

Oberer Rahmensatz, da geringe vordere Instabilität und unwesentliche Beugehemmung besteht.

02.05.18

20 vH

02

Lymphödeme beidseits

Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da regelmäßige Lymphdrainagen erforderlich sind, die angrenzenden Gelenke nicht eingeschränkt sind und die Adipositas permagna mitberücksichtigt wird.

05.08.01

20 vH

03

Geringe Funktionsbehinderung an der rechten Schulter

Fixposition

02.06.01

10 vH

Gesamtgrad der Behinderung

20 vH

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 von Hundert (v.H.) eingeschätzt

Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt:

„Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 20 vH, da das führende Leiden 1 durch die übrigen Leiden wegen fehlender wechselseitiger ungünstigen Leidensbeeinflussung nicht in relevantem Ausmaß erhöht wird.“

Mit Wirksamkeit 01.01.2014 wurde das nunmehr zur Behandlung der Beschwerde zuständige Bundesverwaltungsgericht eingerichtet und die Rechtssache der hg. Gerichtsabteilung W115 zugewiesen.

Mit Schreiben vom 08.04.2014 wurde der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde vom Bundesverwaltungsgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu zu äußern.

Seitens der belangten Behörde wurden keine Einwendungen vorgebracht.

Mit E-Mail vom 23.04.2014 wurde von der Beschwerdeführerin unter Vorlage von medizinischen Beweismitteln im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass sie zwischenzeitlich auf Grund ihres Unfalles im Jahr 2012 zum dritten Mal auf Rehabilitation gewesen sei und noch immer nicht ohne Stock das Haus verlassen könne. Sie könne Stufen nicht ohne Stock überwinden und müsse sehr kleinschrittig gehen, da ihr sonst die Kniescheibe „herauskippe“. Hände und Schultern würden bei Belastung schmerzen. Auch sei ihr mittlerweile der Meniskus im linken Knie gerissen. Weiters sei ein hochgradig eingeschränkter Lymphtransport diagnostiziert worden, der zu Lymphödemen führe. Dadurch würden sich bis zu 7 Liter Wasser innerhalb von fünf Tagen einlagern. Sie habe nicht Lymphödeme, weil sie dick sei, sondern sie sei dick, weil sie Lymphödeme habe. Es sei daher nicht so einfach, das Übergewicht diätisch zu behandeln. Die Angabe des Arztes, dass sie hinkfrei gehe, sei nicht richtig. Sie habe ein kurzschrittiges, unsicheres und langsames Gangbild. Im rechten Knie seien das Kreuzband, die Seitenbänder und der Meniskus gerissen, es liege daher nicht nur eine geringe Instabilität vor. Weiters sei die Gangunsicherheit nicht - wie im Gutachten ausgeführt - auf das Übergewicht zurückzuführen, sondern auf die Knieverletzung. Sie übermittle auch ein MRT, in welchem der Diskusriss des linken Handgelenkes beschrieben werde. Entgegen den Angaben im Gutachten trage sie täglich Kompressionsstrümpfe. Bei Untersuchungen würde sie diese allerdings nicht tragen, da sie sich das umständliche An- und Ausziehen ersparen wolle. Der Stellungnahme legte sie weitere medizinische Befunde bei.

Zur Überprüfung der Einwendungen und der neu vorgelegten medizinischen Beweismittel wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein medizinisches Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin, basierend auf der Aktenlage, datiert mit 30.08.2014, mit dem Ergebnis eingeholt, dass im Vergleich zum zuvor eingeholten Sachverständigengutachten aufgrund der in den vorgelegten Befunden enthaltenen Diagnosen, nunmehr das Leiden Lymphödeme beidseits mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 40 v.H. eingeschätzt wurde. Resultierend daraus, wurde der Gesamtgrad der Behinderung mit 40 v.H. bewertet.

Mit Schreiben vom 06.10.2014 wurde der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde vom Bundesverwaltungsgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen eines weiteren Parteiengehörs gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu zu äußern.

Seitens der belangten Behörde wurden keine Einwendungen vorgebracht.

Mit E-Mail vom 25.10.2014 wurde von der Beschwerdeführerin ein Ambulanzprotokoll einer urologischen Ambulanz vom 17.07.2014 nachgereicht.

Zur Überprüfung dieses neu vorgelegten medizinischen Beweismittels wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein mit 01.02.2015 datiertes ergänzendes allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten, wiederum basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass aufgrund des vorgelegten Ambulanzprotokolles das Leiden „Hypersensitive, kleinkapazitäre Blase“ mit einem Grad der Behinderung von 10 v.H. neu in die Beurteilung aufgenommen wurde. Eine Änderung des Gesamtgrades der Behinderung trat dadurch nicht ein. Dieser wurde weiterhin in Höhe von 40 v.H. bewertet.

Mit Schreiben vom 25.03.2015 wurde der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde vom Bundesverwaltungsgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen eines weiteren Parteiengehörs gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu zu äußern.

Seitens der belangten Behörde wurden keine Einwendungen vorgebracht.

Die Beschwerdeführerin brachte mit E-Mail vom 03.07.2015, ergänzt durch die E-Mails vom 19.08.2015 und 22.11.2015, unter Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass die Lymphödeme das Knieleiden sehr wohl negativ beeinflussen würden und dies auch im Befund Dris. M. bestätigt werde. Auch sei ihr durch das XXXX bestätigt worden, dass das Lymphödem im rechten Bein sehr wohl von den Verletzungen im rechten Knie negativ beeinflusst werde. Während bei früheren Rehabilitationsaufenthalten immer in etwa die gleiche Flüssigkeitsmenge aus dem rechten und dem linken Bein entfernt worden sei, seien diesmal ein halber Liter Lymphflüssigkeit aus dem linken Bein, jedoch drei Liter Lymphflüssigkeit aus dem rechten verletzten Bein entfernt worden. Aus dem übermittelten Befund des XXXX gehe hervor, dass eine hochgradige Lymphtransportstörung festgestellt worden sei. Diese Gesundheitsschädigung bedinge daher im Zusammenwirken mit dem Knieleiden einen Grad der Behinderung von weit über 50 v.H., da die beiden Prozentsätze zu addieren seien. Weiters habe sie aufgrund der Verletzung der linken Schulter durchgehend Schmerzen, welche durch die Verwendung des Gehstockes verstärkt würden. Eine Sehne der Schulter sei durch die Überbelastung des Gehens mit Gehstock gerissen und müsse operiert werden, was zu weiteren Problemen führe, da sie dann über Wochen den Gehstock nicht verwenden könne. Weiters habe sie sich eine Harnwegsinfektion zugezogen, welche sie seit Juli 2012 trotz Einnahme von Antibiotika nicht mehr loswerde und aus der sich eine chronische Blasenentzündung entwickelt habe. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei ihr nicht möglich, da sie weder ein- noch aussteigen könne, das Gleichgewicht beim Bremsen oder Beschleunigen des Verkehrsmittels nicht halten könne und die dabei entstehende Belastung am Bein zu einer Verschlechterung der Knieverletzung und des Lymphstaus führe. Auch könne sie die Distanzen bis zum nächsten Verkehrsmittel nicht zurücklegen. Es wurden weitere medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht.

Zur Überprüfung der Einwendungen und neu vorgelegten medizinischen Beweismittel wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein weiteres auf der Aktenlage basierendes allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten, datiert mit 15.10.2016, mit dem Ergebnis eingeholt, dass aufgrund der neu vorgelegten medizinischen Unterlagen das Leiden „Geringe Funktionsbehinderung der linken Schulter“ mit einem Grad der Behinderung von 10 v.H. neu in die Beurteilung aufgenommen wurde. Eine Änderung des Gesamtgrades der Behinderung trat dadurch nicht ein. Dieser wurde weiterhin in Höhe von 40 v.H. bewertet.

Mit Schreiben vom 15.11.2016 wurde der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde vom Bundesverwaltungsgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen eines weiteren Parteiengehörs gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu zu äußern.

Seitens der belangten Behörde wurden keine Einwendungen vorgebracht.

Mit Schreiben vom 07.12.2016 wurde von der Beschwerdeführerin ohne Vorlage medizinischer Beweismittel im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass durch die bereits vorgelegten Befunde sowohl von einem Facharzt als auch von einem Krankenhaus belegt worden sei, dass die Knieverletzung das Lymphödem negativ beeinflusse. Weiters sei im Sachverständigengutachten vom 15.10.2016 eine hochgradige Lymphstörung, welche durch die Lymphszintigrafie belegt sei, fälschlich als eine leichtgradige Lymphstörung eingestuft worden. Unter Verweis auf die Anlage zur Einschätzungsverordnung wurde von der Beschwerdeführerin weiters ausgeführt, dass selbst für eine mittelgradige Störung der Grad der Behinderung 50% bis 80% betrage. Weiters sei auf dem vorgelegten Verordnungsschein hinsichtlich des Lymphamats eine hochgradige Lymphtransportstörung angeführt.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.02.2017, hg. GZ W115 2002557-1/22E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Grad der Behinderung (GdB) vierzig (40) von Hundert (v.H.) betrage.

Die Behandlung einer gegen dieses Erkenntnis fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5, abgelehnt. Diesen Beschluss begründete der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen damit, dass von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten sei.

Mit weiterem Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 02.08.2017 trat dieser die Rechtssache über nachträglichen Antrag im Sinne des § 87 Abs. 3 VfGG gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 30.08.2017 erhob die Beschwerdeführerin gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.02.2017 eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.07.2019, Zl. Ra 2017/11/0254-5, hob dieser das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.02.2017, hg. GZ W115 2002557-1/22E, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf, weil die Voraussetzungen für das Absehen von der Durchführung der beantragten Verhandlung nach § 24 Abs. 4 VwGVG nicht vorgelegen seien.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.

Aufgrund des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin zuletzt anlässlich der Erstattung des Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Unfallchirurgie am 03.12.2013 durch einen Amtssachverständigen persönlich untersucht worden war und zudem zwischen der letzten (zunächst) abschließenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes und dem Neuzuweisungszeitpunkt bereits 3 Jahre vergangen waren, veranlasste das Bundesverwaltungsgericht eine Neubegutachtung der Beschwerdeführerin durch eine sachverständige Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin mit der Zusatzqualifikation Orthopädie auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung. Da zum Zeitpunkt des zunächst in Aussicht genommenen Begutachtungstermin am 30.04.2020 Covid-19-bedingt keine Begutachtung durchgeführt werden konnte, erfolgte eine neuerliche Ladung zur Untersuchung für den 22.05.2020.

In dem in der Folge erstatteten Sachverständigengutachten vom 06.06.2020 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

1)       Kniegelenksarthrose beidseits   02.05.19   30%

Wahl dieser Position, da geringgradig eingeschränkte Beweglichkeit und kein Hinweis für aktivierte Arthrose, rechts diskrete vordere Instabilität.

Oberer Rahmensatz, da rechts fortgeschrittene Veränderungen der bildgebenden Diagnostik;

2)       Lymphödem beidseits    05.08.01   20%

Wahl dieser Position, da geringgradiges Lymphödem ohne objektivierbare Fibrose vorliegt.

2 Stufen unter dem oberen Rahmensatz, da keine wesentliche Beeinträchtigung der Gelenksbeweglichkeit besteht.

Berücksichtigt Adipositas permagna Grad III und Überlagerung durch Schwellungsneigung bei Stammvarikositas;

3)       Geringgradige posttraumatische Funktionseinschränkung rechte Schulter
02.06.01            10%

Fixer Rahmensatz;

4)       Hypersensitive, kleinkapazitäre Blase  08.01.04   10%

Unterer Rahmensatz, da Neigung zu Harnblasenentzündung und gut behandelbare terminale Detrusorüberaktivität.

5)       Zustand nach Magenbypassoperation  07.04.02   10%

Unterer Rahmensatz, da komplikationsloser Verlauf und gute Funktion;

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 von Hundert (v.H.) medizinisch eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, Leiden 1 werde durch Leiden 2 nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliege. Leiden 3, 4 und 5 erhöhten nicht, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung mit dem führenden Leiden 1 bestehe.

Das Gutachten enthält weiters eine ausführliche Stellungnahme zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin.

Mit gleichzeitiger Ladung vom 14.07.2020 räumte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien rechtliches Gehör binnen 14 Tagen zu diesem neuen Gutachten ein.

Beide Parteien erstatteten innerhalb der gewährten Frist keine Stellungnahme und traten den Ergebnissen der Beweisaufnahme nicht entgegen. Das Gutachten wurde (zunächst) nicht bestritten.

Am 16.10.2020 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an der die Beschwerdeführerin und die Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin mit der Zusatzqualifikation Orthopädie, welche das Gutachten vom 06.06.2020 erstattet hatte, teilnahmen. Es erfolgte eine umfassende Erörterung des Gutachtens, die Beschwerdeführerin erhielt eingehend Gelegenheit, Fragen an die Gutachterin zu richten und zum Gutachten und zum Sachverhalt Stellung zu nehmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Sie brachte am 22.01.2013 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.)     Kniegelenksarthrose beidseits, bei geringgradig eingeschränkter Beweglichkeit und keinem Hinweis für eine aktivierte Arthrose, rechts diskrete vordere Instabilität und ebenfalls rechts fortgeschrittene Veränderungen der bildgebenden Diagnostik;

2.)     Lymphödem beidseits, geringgradige Ausprägung und ohne objektivierbare Fibrose, wobei keine wesentliche Beeinträchtigung der Gelenksbeweglichkeit besteht; in diesem Leiden werden auch eine Adipositas permagna und Überlagerung durch Schwellungsneigung bei Stammvarikositas mitberücksichtigt;

3.)     Geringgradige posttraumatische Funktionseinschränkung der rechten Schulter;

4.)      Hypersensitive, kleinkapazitäre Blase, bei Neigung zu Harnblasenentzündung und gut behandelbare terminale Detrusorüberaktivität;

5.)      Zustand nach Schlauchmagen-Operation (Magen-sleeve-Operation), bei komplikationslosem Verlauf und guter Funktion.

Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, weil kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.

Eine geringgradige Instabilität des rechten Kniegelenks und das Lymphödem beeinflussen sich gegenseitig nicht negativ. Im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung konnte im Bereich des rechten Kniegelenks und proximalen Unterschenkels gar kein Lymphstau festgestellt werden. Es liegt eine geringgradige Einschränkung der Beugefähigkeit vor, welche im Zusammenhang mit den Abnutzungserscheinungen steht. Ein Hinweis für ein Ödem, eine Schwellung oder Überwärmung des rechten Knies findet sich nicht.

Die Gehhilfe zur Unterstützung vor allem beim Stiegensteigen kann aus multifaktoriellen Gründen als hilfreich angesehen werden, insbesondere wird auf das Übergewicht und die Abnützungserscheinungen beider Kniegelenke hingewiesen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 16.10.2020 zeigte sich eine gute Gehfähigkeit und Beweglichkeit der Beschwerdeführerin im und auch außerhalb des Verhandlungssaales. Auch das Aufstehen und Weggehen vom Sitzplatz waren ihr harmonisch und zügig möglich. Das Gehen selbst war ohne Verkürzung der Schrittlängen, ohne Verbreiterung der Spur und sicher beim Richtungswechsel möglich.

Dass die rechte Kniescheibe – wie von der Beschwerdeführerin behauptet – „herauskippe“, ist anhand der klinischen Untersuchung im Zuge der Begutachtung nicht nachvollziehbar.

Im Rahmen der aktuellen gutachterlichen Untersuchung am 22.05.2020 konnte weder eine maßgebliche Unsicherheit ohne Gehilfe festgestellt werden, noch eine maßgebliche Verlangsamung. Die Seitenbänder rechts sind geheilt und eine Meniskusdegeneration bzw. Ruptur führt zu keiner maßgeblichen funktionellen Einschränkung (siehe Status im Gutachten vom 06.06.2020).

Es werden von der Beschwerdeführerin Unterschenkelkompressionsstrümpfe getragen. Empfohlen wurden Kompressionsstrümpfe der Klasse 2. Festzuhalten ist, dass Kompressionstrümpfe der Klasse 1-4 möglich sind, wobei Klasse 1 keine wesentliche Kompression, sondern eher einen kosmetischen Effekt hat und Klasse 2 eine mäßige Kompression darstellt.

Die degenerativen Veränderungen im Bereich beider Kniegelenke werden aktuell in der Einstufung entsprechend den objektivierbaren Funktionseinschränkungen berücksichtigt.

Auch die Adipositas permagna III wird in der Einstufung des Lymphödems mitberücksichtigt.

Zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin, im Bereich der linken Hand habe sie einen Bandscheibenriss, den man operieren müsse, was aber nicht möglich sei, weil sie mit der linken Hand den Stock halte; die rechte Schulter habe einen deutlich geringeren Bewegungsradius als die linke Schulter und sei nicht belastbar, d.h., dass beide Hände nicht mehr voll funktionstüchtig seien, ist festzustellen:

Dokumentiert ist in Abl. 50/17, MRT linkes Handgelenk 21.12.2012 eine subtotale Ruptur des Diskus triangularis. Ein behinderungsrelevantes Leiden konnte jedoch nicht festgestellt werden. Weder liegen aktuelle Befunde und Behandlungsdokumentationen einer Arthrose vor, noch konnte eine funktionelle Einschränkung festgestellt werden. Das Benützen eines Gehstocks ist dadurch nicht relevant erschwert.

Die winzige Fraktur im Bereich des knöchernen Labrum glenoidale, dokumentiert im CT vom 14.07.2012, stellt kein dauerhaftes Leiden dar, von einer knöchernen Heilung ist auszugehen.

Bei Zustand nach Luxation 2012 ist eine geringgradige Einschränkung des Bewegungsumfangs nach wie vor feststellbar, jedoch führt die endlagige Einschränkung der Fähigkeit, den Arm aufzuheben, nicht zu einer Einschränkung bei der Benützung eines Gehstocks. Insbesondere ist keine maßgebliche Arthrose dokumentiert.

Im Bereich der linken Schulter konnte von der Gutachterin keine Funktionseinschränkung festgestellt werden, im Bereich der rechten Schulter zeigt sich eine geringgradige Einschränkung, welche jedoch das Benützen eines Gehstocks nicht relevant beeinträchtigt.

Zum Beschwerdeeinwand, die Beschwerdeführerin habe einen hochgradig eingeschränkten Lymphtransport, sie leide unter den Lymphödemen schon seit ca. 30 Jahren; es sei nicht richtig, dass das Übergewicht gut behandelbar sei, vielmehr habe sie Lymphödeme, wird festgestellt:

Dokumentiert sind Lymphödeme über einen Zeitraum von annähernd 10 Jahren, laut Anamnese seit 30 Jahren.

In diesem Zeitraum würden hochgradige Lymphabflussstörungen zu Gewebsveränderungen im Sinne von Verhärtungen, Fibrosen und dadurch beeinträchtigter Gelenksbeweglichkeit führen. Bei der Beschwerdeführerin konnten geringgradige distale Unterschenkelödeme rechts mehr als links ohne trophische Veränderungen und insbesondere ohne Zeichen einer Induration oder Fibrose festgestellt werden.

Es liegt somit - in der Beurteilung sowohl im zeitlichen Längsschnitt als auch im zeitlichen Querschnitt - ein (lediglich) geringgradiges Lymphödem vor.

Dem Akteninhalt ist weiters zu entnehmen, dass es sich nicht um primäre Lymphödeme, sondern um sekundäre Lymphödeme handelt. Als wahrscheinliche Ursache kann die Adipositas permagna angenommen werden.

Dass die durchgeführte Schlauchmagen-Operation 10/2017 und die seither erzielte Gewichtsreduktion von rund 50 kg nicht zu einer Verschlimmerung der Lymphödeme geführt hat, ist evident.

Zum Einwand, dass die Beschwerdeführerin wegen der Lymphödeme auf Rehabilitation im XXXX gewesen und bestätigt worden sei, dass das Lymphödem im rechten Bein sehr wohl von den Verletzungen im rechten Knie negativ beeinflusst werde, wird festgestellt:

Die Verletzung im rechten Kniegelenk im Jahr 2012 ist so weit konsolidiert, dass weder eine maßgebliche Schwellung oder eine Überwärmung oder Krepitation oder Einschränkung der Beweglichkeit vorliegt. Weder ein Erguss noch eine Umfangsvermehrung liegen vor, welche zu einem Lymphödem führen könnten. Auch liegt kein Zustand nach umfangreicher Operation vor, welcher zu einem gestörten Lymphabfluss führen könnte. Im Beschwerdefall liegt kein Kniegelenksleiden vor, das so massiv ausgeprägt wäre, um ein Lymphödem verursachen zu können.

Zur Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe durch einen zweiten Sturz im Jahr 2012 eine „Unhappy-Triade“ erlitten, wird festgestellt: Eine „Unhappy-Triade“ liegt nicht vor. Diese würde eine Verletzung von Innenband, Innenmeniskus und Kreuzband erfordern. Tatsächlich ist aber der Innenmeniskus nicht verletzt worden, sondern beim 2. Sturz der Außenmeniskus, was auf einen anderen Verletzungsmechanismus schließen lässt. Es liegt somit keine „Unhappy-Triade“ vor.

Die im Jahr 2015 in einer Verordnung des XXXX festgestellte hochgradige Lymphtransportstörung hat jedenfalls nicht zu einem anhaltenden hochgradigen Lymphödem mit Gewebeveränderungen im Sinne einer Fibrose geführt.

Aus gutachterlicher Sicht ist ein posttraumatisches Lymphödem nicht nachvollziehbar.

Leiden 3, 4 und 5 erhöhen ebenfalls nicht, weil keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung mit dem führenden Leiden 1 besteht.

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 von Hundert (v.H.).

Seit dem Zeitpunkt der Antragstellung liegt kein Grad der Behinderung von mehr als 30 v.H. vor.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin mit der Zusatzqualifikation Orthopädie vom 06.06.2020 sowie deren anlässlich der mündlichen Verhandlung am 16.10.2020 zu den erhobenen Einwendungen erstatteten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.

Unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse im Gutachten ist eine höhere Einschätzung des festgestellten Leidenszustandes zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergeben sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister und ihren eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen, den dauerhaften Funktionseinschränkungen und zum Gesamtgrad der Behinderung basieren auf dem seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin mit der Zusatzqualifikation Orthopädie vom 06.06.2020 sowie deren anlässlich der mündlichen Verhandlung am 16.10.2020 zu den erhobenen Einwendungen erstatteten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen (siehe Verhandlungsniederschrift). Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachterin setzte sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Untersuchung und der Verhandlung auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden basieren, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben nur auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in dem Gutachten und den anlässlich der mündlichen Verhandlung am 16.10.2020 zu den erhobenen Einwendungen erstatteten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Führendes Leiden 1 der Beschwerdeführerin ist die beidseitige Kniegelenksarthrose. Die Einschätzung dieses Leidens erfolgte von der beigezogenen Sachverständigen im Einklang mit den Vorgaben der Anlage zur Einschätzungsverordnung entsprechend dem Ausmaß der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen - geringgradig eingeschränkte Beweglichkeit und kein Hinweis für eine aktivierte Arthrose - unter der Positionsnummer 02.05.19, welche Funktionseinschränkungen des Kniegelenks geringen Grades beidseitig betrifft. Auch die Zuordnung zum oberen Rahmensatz dieser Positionsnummer wurde von der Sachverständigen korrekt gewählt, da rechts eine diskrete vordere Instabilität und ebenfalls rechts fortgeschrittene Veränderungen der bildgebenden Diagnostik festgestellt werden konnten. Die Einschätzung erweist sich auch unter Berücksichtigung des anlässlich der gutachterlichen Untersuchung erhobenen Status als richtig und nachvollziehbar:

„….

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich.

Die Beinachse zeigt geringgradige Valgusstellung im linken Kniegelenk.

Umfang: Oberschenkel rechts 58 cm, links 57 cm

Unterschenkel rechts 40,5 cm, links 38 cm

Distaler Unterschenkel, sprunggelenksnahe: rechts 28 cm, links 26 cm

Sprunggelenk: rechts 33 cm, links 29,5 cm

Mittelfuß: rechts 25,5 cm, links 24 cm

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, beidseits Stammvarikositas, geringgradige Ödeme sprunggelenksnahe rechts mehr als links, keine trophischen Störungen, keine Überwärmung, keine Verhärtung und kein Hinweis auf induriertes Ödem, weich, Hauttextur unauffällig, keine Blasen, kein Ulcus, nach distal zunehmend angedeutet ausgeprägte rot/livide Verfärbung rechts mehr als links.

Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich. Kniegelenk rechts: geringgradige Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, Patella mäßig verbacken, endlagige Beugeschmerzen, Seitenbänder stabil, diskrete vordere Instabilität. Kniegelenk links: geringgradige Valgusstellung, geringgradige Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, geringgradig retropatellarer Anpressschmerz, stabil.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie rechts 0/0/120, links 0/0/130, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.“

Auch die Einstufung des Leidens 2, Lymphödem beidseits, erfolgte im Einklang mit der Anlage zur Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 05.08.01, welche Funktionseinschränkungen des venösen und lymphatischen Systems leichten Grades betrifft. Auch die Zuordnung 2 Stufen unter dem oberen Rahmensatz und folglich eine Bewertung mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 v.H. ist korrekt, weil Lymphödeme ohne wesentliche Beeinträchtigung der Gelenksbeweglichkeit festgestellt werden konnten, jedoch auch eine Adipositas magna Grad III und Überlagerung durch Schwellungsneigung bei Stammvarikositas objektiviert werden konnten und diese durch die Zuordnung 2 Stufen unter dem oberen Rahmensatz entsprechend mitberücksichtigt wurden. In den vorliegenden Befunden und Untersuchungsergebnissen zeigten sich weder ein postthrombotisches Syndrom, noch etwa narbig abgeheilte Ulcera oder Stauungsekzeme, welche eine Zuordnung zu nächsthöheren Rahmensätzen rechtfertigen könnten.

Die vom Bundesverwaltungsgericht beigezogene Sachverständige nahm vollständig und nachvollziehbar sowohl zu den Abweichungen in ihrer Beurteilung dieses Leidens gegenüber dem allgemeinmedizinischen, lediglich aktenmäßig erstellten Gutachten vom 15.10.2016, worin dieses Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 40 v.H. bewertet worden war, als auch zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin zur Einstufung dieses Leidens Stellung:

Die Sachverständige führt nachvollziehbar aus, dass im Beschwerdefall Lymphödeme über einen Zeitraum von annähernd 10 Jahren dokumentiert sind, laut Anamnese seit 30 Jahren. Sie führt weiters aus, dass in diesem Zeitraum hochgradige Lymphabflussstörungen zu Gewebsveränderungen im Sinne von Verhärtungen, Fibrosen und dadurch beeinträchtigter Gelenksbeweglichkeit führen würden. Bei der Beschwerdeführerin konnten jedoch bei ihren persönlichen Untersuchungen anlässlich der Begutachtungen am 11.03.2013, 03.12.2013 und zuletzt am 22.05.2020 lediglich geringgradige Unterschenkelödeme beidseits, zuletzt rechts mehr als links, ohne trophische Veränderungen und insbesondere ohne Zeichen einer Induration oder Fibrose festgestellt werden. Auch konnte anlässlich dieser persönlichen Untersuchungen eine wesentliche Beeinträchtigung der Gelenksbeweglichkeit nicht festgestellt werden.

Zu der von der Beschwerdeführerin eingewandten Beurteilung der Lymphszintigrafie und der Diagnose einer hochgradigen Lymphtransportstörung des XXXX vom 20.11.2015 auf einem Verordnungsschein stellte die nunmehrige Gutachterin klar, dass diese im Jahr 2015 festgestellte hochgradige Lymphtransportstörung jedenfalls nicht zu einem anhaltenden hochgradigen Lymphödem mit Gewebeveränderungen im Sinne einer anhaltenden maßgeblichen Fibrose geführt hat. Auch zum nunmehrigen Untersuchungszeitpunkt lag keine höhergradige Lymphabflussstörung vor.

Die Beurteilung der vom Bundesverwaltungsgericht beigezogenen Sachverständigen, dass - in der Beurteilung sowohl im zeitlichen Längsschnitt als auch im zeitlichen Querschnitt - ein (lediglich) geringgradiges Lymphödem vorliegt, erweist sich unter Berücksichtigung der festgestellten leichten Funktionseinschränkungen daher als nachvollziehbar und richtig.

Dem Akteninhalt ist weiters zu entnehmen, dass es sich nicht um primäre Lymphödeme, sondern um sekundäre Lymphödeme handelt. Als wahrscheinliche Ursache kann die Adipositas permagna angenommen werden.

Die Sachverständige legte auch nachvollziehbar dar, warum sie der Bewertung des Lymphödemleidens im allgemeinmedizinischen Vorgutachten zuletzt vom 15.10.2016 Dr.is L., der dieses Leiden noch als führendes Leiden dem oberen Rahmensatz der Positionsnummer 05.08.01, bewertet mit einem Einzelgrad der Behinderung von 40%, zugeordnet hatte, nicht folgen konnte: Den lediglich aktenmäßig erstatteten Gutachten vom 30.08.2014, 01.02.2015 und zuletzt 15.10.2016 Dr.is L. lagen allesamt keine persönlichen Untersuchungen der Beschwerdeführerin zugrunde, wohingegen den, auch das Fachgebiet der Unfallchirurgie umfassenden Sachverständigengutachten vom 19.03.2013, vom 16.12.2013 und vom 06.06.2020 jeweils sehr wohl eine persönliche Untersuchung zugrunde lag und das „Lymphödem beidseits“ aufgrund der von den Gutachtern selbst wahrgenommenen leichten Funktionseinschränkungen ohne wesentliche Beeinträchtigung der Gelenksbeweglichkeit in allen drei zuletzt genannten Gutachten übereinstimmend mit einen Einzelgrad der Behinderung von 20% eingeschätzt wurde. Die vom Bundesverwaltungsgericht beigezogene Sachverständige führte diesbezüglich weiters im Gutachten und in der Verhandlung schlüssig und nachvollziehbar aus, dass der von der Beschwerdeführerin im Verfahren mehrfach ins Treffen geführte Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin und Gefäßkrankheiten Dr.is M. vom 12.06.2015 bereits in seiner ersten Diagnose widersprüchlich sei, weil eine venöse Insuffizienz im diagnostizierten Stadium 1 niemals eine „hochgradige chronisch venöse Insuffizienz“ sein könne. Weiters sei auch die zweite Diagnose betreffend die Beinödeme in diesem Befund nicht nachvollziehbar, zumal Dr. M. im Juni 2015 von einer Knieverletzung rechts verbunden mit der fehlenden Möglichkeit des aktiven Gehens ausgegangen war, die Beschwerdeführerin aber tatsächlich gut gehen kann. Diese Beurteilungen der vom Bundesverwaltungsgericht beigezogenen Sachverständige sind auch für das Bundesverwaltungsgericht schlüssig und nachvollziehbar. Letzteres gilt auch für die Beurteilung, dass die von der Beschwerdeführerin regelmäßig durchgeführten Entstauungstherapien ( XXXX und Lympfdrainagen) sowie die erzielte Gewichtsabnahme dazu beigetragen haben, dass trotz der vorliegenden Lymphödeme keine höheren Funktionseinschränkungen vorliegen.

Zu diesem Leidensbereich und zum mangelnden negativen Zusammenwirken von Leiden 1 und Leiden 2 nahm die vom Bundesverwaltungsgericht beigezogene Sachverständige nicht nur in ihrem Gutachten ausführlich Stellung, sondern erklärte auch im Rahmen der Verhandlung am 16.10.2020 schlüssig und nachvollziehbar, warum dieses nicht vorliegt. Sie führte dazu in der Verhandlung Folgendes aus:

„Wesentlich scheint mir, darauf hinzuweisen, dass 2012 ein MRT des re Kniegelenks angefertigt wurde und der Riss des vorderen Kreuzbandes und des Innenseitenbandes festgestellt wurde. Die Meniscii sind regelrecht und nicht wie vorgebracht angerissen. Es ist also kein Meniskusriss festzustellen und schon gar kein Hinweis auf eine derartig massive Verletzung, dass man von einem „zerfetzten“ Gewebe sprechen könnte. Im Oktober 2013 wurde dann, offenbar nach einem neuerlichen Sturz, ein Riss des Außenmeniskus festgestellt und es ist dann im GA Dr. K. festgestellt worden, dass es zu einer Arthroskopie am 15.10.2013 gekommen ist. Es ist davon auszugehen, dass dieser Meniskusriss durch den zweiten Sturz gekommen ist und durch die Arthroskopie saniert wurde. In beiden Befunden des MRT de re Kniegelenks konnte kein Hinweis auf eine massive Gewebeverletzung festgestellt werden. Das steht auch im Einklang mit der klinischen Symptomatik im GA Dr. K. vom 3.12.2013. diese Verletzungen haben zu keiner massiven Gewebezerstörung geführt, die einhergehen könnte mit einer Verletzung der Lymphbahnen. Es hat auch keine OP stattgefunden, die mit einer größeren Gewebedurchtrennung verbunden wäre, sondern eine Arthroskopie. Aus gutachterlicher Sicht ist ein posttraumatisches Lymphödem nicht nachvollziehbar. Der Kreuzbandriss wird anfänglich als komplett beschrieben, in weiterer Folge wird eine Partialläsion 2018 beschrieben, was darauf schließen lässt, dass es anhand der verbliebenen Strukturen zu einer Vernarbung gekommen ist und diese Vernarbung zumindest eine Teilstabilität erzielen konnte, was sich auch im klinischen Befund zeigt. Es liegt also eine geringgradige vordere Instabilität des re Kniegelenks vor, auch aus heutiger Sicht. Meine Begutachtung hat diese geringgradige Instabilität auch gezeigt und steht im Einklang mit den Befunden.

…..

Es gibt theoretisch die Möglichkeit, dass Kniegelenksleiden ein Lymphödem verursachen können, konkret liegt aber hier kein Kniegelenksleiden vor, das so massiv ausgeprägt wäre, um ein Lymphödem verursachen zu können; zB kommt es nach Implantationen einer Knietotalendoprothese immer wieder zu einem vorübergehenden Lymphödem, was dadurch erklärbar ist, dass bei der OP eine massive Manipulation des gesamten Kniegelenkes mit der Durchtrennung des Gewebes erfolgt und es zu einer vorübergehenden massiven Anschwellung kommt und dadurch der Lymphtransport beeinträchtigt wird. Das Lymphödem ist, wie in mehreren Befunden auch angeführt, eine sekundäres, dh nicht auf eine Lymphgefäßveränderung, sondern durch eine äußere Einwirkung in Form von Kompression verursacht. Ca. 95% der Lymphödeme sind sekundär. In diesem Fall ist die Adipositas als wahrscheinliche Ursache anzunehmen. Die bisher getroffenen Maßnahmen und auch die Gewichtsreduktion haben zu dem aktuellen Status geführt. Ein über viele Jahre bestehendes Lymphödem, das höhergradig ausgeprägt ist, hinterlässt Spuren und diese sind in Form von Gewebezunahme, also Verhärtung, sichtbar. Eine Verhärtung, wie ich es beschreibe, konnte nicht festgestellt werden. Ich verweise auf Seite 6 des Gutachtens. Ich konnte eben keine Spuren feststellen, die auf ein höhergradiges chronisches Lymphödem schließen lassen würden. Was durchaus positiv war, sind die regelmäßigen Behandlungen, diese sind auch zumutbar. Dazu zählen die regelmäßigen Behandlungen in der Spezialklinik und die Kompressionsbehandlungen.

…..“

Für das Bundesverwaltungsgericht erweisen sich die getroffenen Beurteilungen der beigezogenen Sachverständigen zu Leiden 1 und 2 sowie zu deren mangelndem negativen Zusammenwirken im Gutachten vom 06.06.2020 samt den Ergänzungen im Rahmen der Verhandlung als richtig, vollständig und schlüssig, sodass sie der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten beigebrachten Befunde wurden von der Sachverständigen berücksichtigt und dazu auch nachvollziehbar Stellung genommen.

Auch das Leiden 3 „geringgradige posttraumatische Funktionseinschränkung der rechten Schulter“ wurde von der Sachverständigen unter Berücksichtigung des Umstandes, dass im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung im Bereich der rechten Schulter nur endlagige Bewegungsschmerzen, sonst beidseits unauffällige Schultergelenke feststellbar waren, korrekt nach der Positionsnummer 02.06.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit dem fixen Richtsatz von 10 v.H. eingestuft.

Leiden 4 „hypersensitive, kleinkapazitäre Blase, bei Neigung zu Harnblasenentzündung und gut behandelbare terminale Detrusorüberaktivität“ wurde von der vom Bundesverwaltungsgericht beigezogenen Sachverständigen ebenfalls korrekt der Positionsnummer 08.01.04 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet, welche chronische Entzündungen und Steinbildung im Bereich der ableitenden Harnwege und Nieren betrifft. Auch die Wahl des unteren Rahmensatzes ist zutreffend, weil eine Neigung zu Harnblasenentzündung besteht, eine terminale Detrusorüberaktivität aber gut behandelbar ist und Koliken im Abstand von mehreren Monaten nicht vorliegen.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass ihr Blasenleiden höher einzuschätzen sei, konnte somit nicht gefolgt werden. Ihr Einwand, dass bei einer Blasenkapazität von 105ml nur 10% Behinderung, bei 100ml 50% anzunehmen seien, vermag schon allein aufgrund des Umstandes, dass bei der Beschwerdeführerin nach dem von ihr vorgelegten Protokoll einer urologischen Ambulanz vom 10.09.2014 (AS 50/30) bei einer Kontrolluntersuchung ein Miktionsvolumen von 191 ml bei unauffälligem Harnstreifen und geringster Restharnmenge objektiviert wurde, nicht zum Erfolg zu verhelfen. Von einer Funktionseinschränkung durch die hypersensitive, kleinkapazitäre Blase, welche einen höheren Grad der Behinderung als 10 v.H. bedingen würde, kann im Beschwerdefall somit nicht ausgegangen werden. Die vom Bundesverwaltungsgericht beigezogene Sachverständige stellte in der Verhandlung weiters nachvollziehbar und schlüssig klar, dass sie gar nicht behauptet hatte, dass eine kleinkapazitäre Blase behandelbar sei, sondern vielmehr, dass die terminale Detrusorüberaktivität (Gutachten Leiden 4) gut behandelbar ist, nämlich medikamentös bzw. auch durch Botulinusinjektionen, welche auch angeboten wurden. Der letzte von der Beschwerdeführerin vorgelegte urologische Befund datiert aus dem Jahr 2014. Es wurde in diesem Befund auch eine Gewichtsabnahme empfohlen, was auch ein Grund für eine damalige Dranginkontinenz sein kann. Aktuellere Urodynamikbefunde, insbesondere seit der Gewichtsabnahme wurden von der Beschwerdeführerin nicht vorgelegt.

Betreffend den Einwand der Beschwerdeführerin, dass die Sachverständige übersehen habe, dass sie 2012 mit 4 Krankenhauskeimen infiziert worden sei, ist festzuhalten, dass ihr bereits im genannten urologischen Befund vom 17.07.2014 bezüglich der Harnwegsinfekte die Einnahme von gewässertem Apfelessig oder aber bei Nichtansprechen eine antibiotische Dauerprophylaxe sowie zuvor eine Urinkultur mit Harnkatheter empfohlen worden waren. Dass diese Maßnahmen nicht erfolgreich in Anspruch genommen worden wären bzw werden könnten, ist nicht belegt. Die vom Bundesverwaltungsgericht beigezogene Sachverständige führte weiters schlüssig und nachvollziehbar aus, dass rezidivierende Harnwegsinfekte einer medikamentösen Therapie zugänglich sind und die Beschwerdeführerin im Zuge der Verhandlung problemlos in der Lage war, einen Zeitraum von zumindest einer Stunde (bis zur ersten Verhandlungspause) auszuhalten, ohne die Toilette aufsuchen zu müssen.

Das im Gutachten vom 06.06.2020 als „Zustand nach Magenbypassoperation“ unter der Nr. 5 geführte Leiden wurde aufgrund des diesbezüglich richtigen Einwandes der Beschwerdeführerin nunmehr als „Zustand nach Schlauchmagen-Operation (Magen-sleeve-Operation)“ entsprechend berücksichtigt und aufgrund des Umstandes, dass ein komplikationsloser Verlauf und eine gute Funktion bestehen, dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 07.04.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche eine Teilentfernung des Magens betrifft, zugeordnet und mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 v.H. bewertet. Diese Einschätzung wurde von der Beschwerdeführerin nicht beanstandet.

Die gutachterliche Beurteilung, dass auch die Leiden 3, 4 und 5 den Gesamtgrad der Behinderung nicht erhöhen, weil keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung mit dem führenden Leiden 1 besteht, ist aufgrund der Art und des geringen Ausmaßes der Funktionseinschränkungen dieser Leiden schlüssig und nachvollziehbar.

Insgesamt kommt es daher nunmehr im Vergleich zum Vorgutachten vom 16.12.2013 durch Verschlimmerung von Leiden 1 und daher Anhebung von Leiden 1 um eine Stufe zu einer Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung von 20 v.H. auf 30 v.H. Wie bereits oben eingehend dargelegt wurde, konnten die lediglich aktenmäßig erstellten Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 30.08.2014, 01.02.2015 und zuletzt 15.10.2016 Dr.is L. der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden, zusammengefasst weil diese allesamt ohne persönliche Untersuchung erstattet worden waren und zuletzt zudem auf der Grundlage eines in den entscheidenden Punkten widersprüchlichen und unschlüssigen ärztlichen Befundberichtes vom 12.06.2015 basierten.

Zusammenfassend ist daher vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie insbesondere unter Berücksichtigung des gutachterlichen Untersuchungsergebnisses und der eingehenden Erörterung des vorliegenden Gutachtens nicht ersichtlich, dass die nunmehrige Gutachterin die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin tatsachenwidrig beurteilt hätte.

Es ist aufgrund des von der Beschwerdeführerin in der Verhandlung vorgelegten „Gedächtnisprotokolls“ über die Begutachtungsuntersuchung am 22.05.2020 anzumerken, dass sich dem medizinischen Sachverständigengutachten vom 06.06.2020 keine konkreten Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen lassen, dass bei der Beschwerdeführerin von der beigezogenen Sachverständigen, bei der es sich im Übrigen um eine vom Bundesverwaltungsgericht aufgrund ihrer Fachkunde, Objektivität und Unbefangenheit sehr häufig herangezogene und erfahrene Sachverständige handelt, an deren Qualifikation kein Zweifel besteht, keine fachgerechte Untersuchung durchgeführt worden wäre. Die Beschwerdeführerin brachte keine Befangenheitsgründe vor, sondern äußerte ihren Unmut über die ihr von der Sachverständigen im Rahmen der Begutachtung vorgehaltene Mitwirkungspflicht und das Ersuchen der Sachverständigen an die offenbar verbal sehr aktive Vertrauensperson, den Untersuchungsraum zu verlassen, wobei letztere trotzdem im Raum verblieb, zudem nicht im Anschluss an die Begutachtung, sondern erst im Rahmen der Verhandlung, zeitlich erst nachdem das Ergebnis der Begutachtung bekannt war, mit welchem sich die Beschwerdeführerin nicht einverstanden erklärte. Die Sachverständige nahm auch zu diesen Vorhalten der Beschwerdeführerin in der Verhandlung nachvollziehbar und sachlich Stellung, die nicht zu beanstanden ist.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen des Beschwerdeverfahrens war somit im Ergebnis nicht geeignet, das vorliegende Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Die Beschwerdeführerin ist dem Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholten Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin mit der Zusatzqualifikation Orthopädie vom 06.06.2020 sowie deren anlässlich der mündlichen Verhandlung am 16.10.2020 zu den erhobenen Einwendungen erstatteten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45.

(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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