TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/22 G313 2236214-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.10.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.10.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch

G313 2236214-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Katharina BAUMGARTNER in Vertretung der Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, Zahl: XXXX zu Recht:

A)       Gemäß § 22a Abs 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Forstsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang und Feststellungen

XXXX (im Folgenden kurz: BF) reiste unter Umgehung der Grenzkontrolle illegal in Österreich ein. Am 07.11.2015 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 31.08.2017 abgewiesen. Dem BF wurde kein Aufenthaltstitel erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Gegen diesen Bescheid erhob der BF eine Beschwerde. Diese wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 29.05.2019, W270 2171147-1/12E, als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung ist rechtskräftig. Der VwGH wies die Revision des BF mit Beschluss vom 27.08.2019 zurück; der VfGH lehnte die Behandlung seiner Beschwerde am 03.10.2019 ab.

Am 30.07.2019 wurde seitens des BFA ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats (HRZ) für den BF eingeleitet. Mit Bescheid vom 09.12.2019 wurde dem BF aufgetragen, beim BFA zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes zu erscheinen.

Dieser Ladungsbescheid konnte jedoch nicht zugestellt werden, weil der BF laut Erhebungsbericht der PI XXXX an der Meldeadresse in XXXX nicht mehr aufhältig war. Wie aufgrund der behördlichen Erhebung bekannt wurde, wurde der BF wegen Verlassens der Unterkunft und unbekannten Aufenthalts am 16.12.2019 von der Grundversorgung abgemeldet.

Am 26.06.2020 um 07:40 Uhr wurde der BF im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle in XXXX aufgegriffen und die Festnahme ausgesprochen. Bei der Überstellung an die PI Hauptbahnhof versuchte der BF zu flüchten. Kurz darauf konnte er jedoch wieder festgehalten werden.

Am selben Tag wurde über den BF die Schubhaft verhängt. Er befindet sich daher seit 26.06.2020 in Schubhaft.

Am 17.07.2020 wurde der BF der afghanischen Botschaft in Wien vorgeführt und als afghanischer Staatsangehöriger identifiziert. Die Ausstellung eines HRZ ist daher geplant und in höchstem Maß wahrscheinlich.

Eine Abschiebung des BF ist für den 10.11.2020 per Charter geplant. Sollte sich die Abschiebung aufgrund der aktuellen Covid-19-Maßnahmen verzögern, wird sie dennoch voraussichtlich innerhalb der möglichen Schubhafthöchstdauer durchgeführt werden können, weil für Dezember 2020 bereits weitere Termine geplant sind.

Der BF kam seiner Pflicht zur Mitwirkung an seiner Identitätsfeststellung bis dato nicht nach, sondern versuchte vielmehr, sich der Abschiebung durch Untertauchen zu entziehen und sogar während der polizeilichen Festnahme zu flüchten.

Das BFA legte dem BVwG die Verwaltungsakten zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung des BF in Schubhaft unter Anschluss einer Stellungnahme, in der dargelegt wurde, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig sei, am 20.10.2020 vor. Am selben Tag wurde dem BF die Stellungnahme des BFA zum Parteiengehör zugestellt; eine Stellungnahme ist nicht eingelangt.

Ein Reisedokument für den Beschwerdeführer liegt aktuell noch nicht vor. Es ist jedoch angesichts der Identifizierung des BF als afghanischer Staatsangehöriger noch vor der bereits für den 10.11.2020 geplanten Abschiebung mit der Ausstellung eines HRZ zu rechnen. Eine Außerlandesbringung des BF ist zum Zeitpunkt dieser Entscheidung daher möglich und höchst wahrscheinlich.

Die formalgesetzlichen Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft liegen zum Zeitpunkt dieser Entscheidung weiterhin vor.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Festnahme des BF, zu dessen familiären Verhältnissen, dem abgeführten Asylverfahren, dem Betreiben zur Erlangung eines HRZ, den fehlenden Integrationsschritten, der Identifizierung durch die Botschaften und der laufenden Anhaltung in Schubhaft basieren auf dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten. Auch die Staatsangehörigkeit des BF ist daraus ersichtlich.

Die Verpflichtung zur Aktenvorlage zwecks Überprüfung der weiteren Schubhaftvoraussetzungen ergeben sich aus § 22a Abs 4 BFA-VG, wonach die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen ist, wenn ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden soll.

Im Rahmen dieser Prüfung geht das BVwG davon aus, dass nach wie vor Sicherungsbedarf besteht. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft nicht mehr verhältnismäßig wäre. Aufgrund der Stellungnahme des BFA vom 20.10.2020 ist derzeit jedenfalls davon auszugehen, dass die Abschiebung des BF am 10.11.2020 durchgeführt werden kann.

Aus einer Überprüfung der formalen Grundlagen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft ergibt sich, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung nach wie vor eine durchsetzbare, rechtliche Grundlage für die Abschiebung des BF vorliegt. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde rechtskräftig abgewiesen und gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen. Der BF verblieb jedoch auch nach dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise weiterhin im Bundesgebiet und entzog sich der Abschiebung durch Untertauchen.

Der BF war nicht gewillt, freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren oder an der Erwirkung eines Ersatzreisedokumentes mitzuwirken.

Aus der Stellungnahme des BFA ergibt sich, dass der BF in Österreich keinen Wohnsitz hat, kein Einkommen und keine Anknüpfungspunkte. Er hat sich der Abschiebung 2019 durch Untertauchen entzogen und versuchte auch bei seiner Festnahme am 26.06.2020 zu fliehen.

Die aktuelle Schubhaft stellt unbestritten eine freiheitsentziehende Maßnahme dar. Da der BF an der Erlangung eines Reisedokuments nicht mitwirkte und untertauchte, ist davon auszugehen, dass nach wie vor Fluchtgefahr besteht. Im Verfahren sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass die zeitnah bevorstehende Außerlandesbringung des BF nicht möglich sein wird; insbesondere liegen keine entgegenstehenden gesundheitlichen Gründe vor.

Das Fehlen relevanter sozialer Kontakte wird anhand der Angaben des BF in den aktenkundigen Einvernahmeprotokollen und anhand der darauf basierenden Entscheidungen festgestellt.

Rechtliche Beurteilung:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 FPG lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1.       dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2.       die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1.       ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2.       ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3.       ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4.       ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5.       ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6.       ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7.       ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8.       ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß
§§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9.       der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und
§ 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a BFA-VG lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1.       er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.       er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3.       gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Dazu ist insbesondere auf Art 1 Abs 3 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs 1 Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs 2 FPG unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit der Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs 2 FPG gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe (vgl. etwa VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008)

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

Gemäß § 22a Abs 4 BFA-VG hat das BFA dem BVwG die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, vorzulegen und darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft weiter notwendig und verhältnismäßig ist. Es ist Aufgabe des BVwG, eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung durchzuführen. Hier hat sich dabei - auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose - ergeben, dass die Anhaltung des BF weiterhin als verhältnismäßig angesehen werden kann. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären und sozialen Verhältnisse, so zeigt sich, dass dieser im Inland nicht maßgeblich integriert ist und keine nennenswerten sozialen Kontakte zu berücksichtigen sind. Auch ist er in finanzieller Hinsicht nicht selbsterhaltungsfähig.

Da der BF nicht rückkehrwillig ist und nach rechtskräftig negativ abgeschlossenem Asylverfahren untertauchte, ergibt sich eine hohe Fluchtgefahr, zumal er sogar noch während der fremdenpolizeilichen Festnahme einen Fluchtversuch unternahm.

Da die Ausstellung eines HZR bevorsteht und die Abschiebung bereits für den 10.11.2020 geplant ist, geht das BVwG davon aus, dass eine zeitnahe Außerlandesbringung des BF aus heutiger Sicht möglich und realistisch ist. Die Fortsetzung der Schubhaft ist daher weiterhin notwendig und verhältnismäßig.

Es ist somit im Ergebnis spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft weiterhin vorliegen.

Eine mündliche Verhandlung unterbleibt gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 Abs 4 VwGVG, weil der für die Schubhaftprüfung relevante Sachverhalt aus der Aktenlage zweifelsfrei geklärt werden konnte.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war und sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2236214.1.00

Im RIS seit

04.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten