TE Bvwg Beschluss 2020/10/23 W200 2235171-1

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Veröffentlicht am 23.10.2020
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Entscheidungsdatum

23.10.2020

Norm

BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W200 2235171-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Mag. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (SMS) vom 26.08.2020, Zl. 94875666800020 betreffend die Abweisung des Antrags auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass zu Recht beschlossen:

A)       In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, zurückverwiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer ist seit 19.06.2001 in Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH. Ursächlich dafür waren im Jahr 2001 ein Zustand nach Vorderwandinfarkt sowie eine Niereninsuffizienz.

Am 12.03.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass und nannte darin als Gesundheitsschädigung eine durchgeführte Herztransplantation am 03.03.2014.

Das vom Sozialministeriumservice eingeholte Gutachten einer Sachverständigen für Innere Medizin vom 01.07.2020 ergab hinsichtlich der beantragten Zusatzeintragung, dass keine Funktionsbeeinträchtigung festgestellt worden sei (ein Zustand nach erfolgreicher Herztransplantation sowie eine chronische Niereninsuffizienz), die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, dass Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulasse. Im Rahmen einer klinischen Untersuchung hätte sich ein guter Allgemein- und Ernährungszustand dargestellt. Es bestehe ein Zustand nach Herztransplantation 2014 - nach den vorliegenden Befunden und nach der durchgeführten Begutachtung im durchwegs kardiorespiratorisch kompensierten Zustand. Eingenommen werde die nach Transplantation übliche immunsuppressive Therapie, eine schwere Erkrankung des Immunsystems – einem Zustand nach aktueller Knochenmarktransplantation gleichzusetzen - sei daraus aber nicht ableitbar. Eine erhebliche, wiederkehrende Infektneigung mit Problemkeimen sei nicht befundbelegt.

Im gewährten Parteiengehör gab der Beschwerdeführer an, regelmäßig Immunsuppressiva einzunehmen, um das neue Herz nicht abzustoßen. Diese Medikamente würden das Immunsystem so stark schwächen, dass bei ihm ein erhöhtes Infektrisiko herrsche. Aufgrund der aktuellen COVID-19 Pandemie seien laut AKH Transplantierte als Höchstrisikopatienten einzustufen, denen das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel derzeit nicht zumutbar sei. Um seine Gesundheit nicht aufs Spiel zu setzen und eine Abstoßung seines Organs zu verhindern, fahre er nur mit seinem eigenen PKW.

Vorgelegt wurde eine ärztliche Stellungnahme der medizinischen Universität Wien, „Heart Transplant Program“, vom 31.03.2020, in der ausgeführt wird, dass aufgrund der aktuellen Situation mit der COVID-19 Pandemie insbesondere organtransplantierte Patienten als Höchstrisikopatienten einzustufen seien. Laut aktueller Empfehlung der Bundesregierung sollten gefährdete Menschen besser geschützt werden, im Sinne von beruflicher Freistellung oder verpflichtender Homeoffice. Die Arbeitgeberseite werde gebeten, dies umzusetzen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei für organtransplantierte Patienten derzeit nicht zumutbar.

Das Sozialministeriumservice holte zu den Einwendungen des Beschwerdeführers ein Sachverständigengutachten der befassten Internistin basierend auf der Aktenlage ein. In diesem Gutachten wurde jedoch auf den vorgelegten Patientenbrief der Medizinischen Universität Wien nicht eingegangen.

Mit Bescheid vom 26.08.2020 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung in den Behindertenpass“ mangels Vorliegen der Voraussetzungen abgewiesen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vorgebracht, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei, wenn eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorliege. Aufgrund seiner Herztransplantation müsse er sein ganzes zukünftiges Leben lang verschiedene Medikamente einnehmen, die sein Immunsystem massiv schwächen würden. Er müsse extrem vorsichtig sein, keinen Infekt jeglicher Art zu bekommen. Sei die Immunabwehr durch medikamentöse Therapien geschwächt, könne die Abwehr viraler Infektionen beeinträchtigt werden. Es werde laut Deutschem Ärzteblatt empfohlen bei Immunsuppressivatherapie die Exposition gegenüber SARS-COVID-2 konsequent zu vermeiden, da es zu sehr schweren Krankheitsverläufen kommen könne. Laut der von ihm vorgelegten Stellungnahme des AKH seien organtransplantierte Personen als Höchstrisikopatienten einzustufen, denen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei. Weiters seien in der COVID-19 Risikoverordnung der Bundesregierung Patienten, die mit einer Immunsuppression behandelt werden, eingeschlossen. Die Kosten für eine Organtransplantation und die lebenslang einzunehmenden Medikamente (mehr als 300.000 Euro) würden verglichen zu den jährlich aufzuwendenden Kosten für den Parkausweis minimal sein, im Gegensatz zu einer Infektion oder möglichen Abstoßung des Organs bzw. den damit verbundenen Kosten.

Gerade in der momentanen Pandemiezeit durch das SARS-COVID-2 sei die Gefahr in den öffentlichen Verkehrsmitteln besonders hoch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der Beschwerdeführer ist seit 2018 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 50 vH.

Er hat am 12.03.2020 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragungen „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung gestellt.

III. Rechtliches:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt hervorgehoben (vgl etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005), dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind.

Der Umstand, dass gegebenenfalls (punktuelle) ergänzende Einvernahmen durchzuführen wären, rechtfertigt nicht die Zurückverweisung; vielmehr wären diese Einvernahmen, sollten sie wirklich erforderlich sein, vom Verwaltungsgericht - zweckmäßigerweise im Rahmen einer mündlichen Verhandlung - durchzuführen. (Ra 2015/08/0178 vom 27.01.2016)

In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN). (Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. 283/1990 idF BGBl. I. 57/2015 (BBG), lauten:

§ 1 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, lautet auszugsweise:

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen:

die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

?        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

?        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

?        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

?        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

?        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.“

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 23.02.2011, 2007/11/0142, und vom 25.05.2012, 2008/11/0128, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).

Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Die belangte Behörde legt dem gegenständlichen Verfahren betreffend den Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ in den Behindertenpass ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Innere Medizin 01.07.2020 samt Ergänzungsgutachten vom 25.08.2020 basierend auf einer Untersuchung zu Grunde. In diesem Gutachten wird betreffend die beantragte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ lediglich ausgeführt, dass keine Funktionsbeeinträchtigung festgestellt worden sei (ein Zustand nach erfolgreicher Herztransplantation sowie eine chronische Niereninsuffizienz), die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, dass Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulasse. Im Rahmen einer klinischen Untersuchung hätte sich ein guter Allgemein- und Ernährungszustand dargestellt. Es bestehe ein Zustand nach Herztransplantation 2014. Nach den vorliegenden Befunden und nach der durchgeführten Begutachtung im durchwegs kardiorespiratorisch kompensierten Zustand. Eingenommen werde die nach Transplantation übliche immunsuppressive Therapie, eine schwere Erkrankung des Immunsystems – einem Zustand nach aktueller Knochenmarktransplantation gleichzusetzen - sei daraus aber nicht ableitbar. Eine erhebliche, wiederkehrende Infektneigung mit Problemkeimen sei nicht befundbelegt.

Auf die ärztliche Stellungnahme der medizinischen Universität Wien, „Heart Transplant Program“, vom 31.03.2020, in der ausgeführt wird, dass aufgrund der aktuellen Situation mit der COVID-19 Pandemie insbesondere organtransplantierte Patienten als Höchstrisikopatienten einzustufen seien, geht die befasste Internistin in ihrem Ergänzungsgutachten nicht ein.

Zusammenfassend fehlt es im angefochtenen Bescheid an einer nachvollziehbaren und schlüssigen Begründung für die Annahme der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer sei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Zeiten der Corona-Pandemie zumutbar.

Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Fall notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen und erweist sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung der Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ auf Grund der nur zu kurz gegriffenen Ermittlungen im verwaltungsbehördlichen Verfahren als so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich sind. Im Beschwerdefall hat das Sozialministeriumservice im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den maßgeblichen Sachverhalt bloß ansatzweise ermittelt, insbesondere hat die belangte Behörde das Schreiben der medizinischen Universität Wien, „Heart Transplant Program“, vom 31.03.2020, keiner Beurteilung durch einen Sachverständigen unterzogen.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde ein kardiologisches Sachverständigengutachten zu den unten dargelegten Fragestellungen einzuholen und die Ergebnisse unter Einbeziehung der vorgelegten medizinischen Beweismittel bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben.

Die belangte Behörde wird daher insbesondere auch folgende konkrete Fragen an den/die Gutachter/in zu stellen haben, um die Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel während des Zeitraumes der Corona-Pandemie einschätzen zu können:

1.       a) Ist es aus ärztlicher Sicht möglich eine Einschätzung darüber zu treffen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für eine Immunsuppresiva einnehmende Person ist - verglichen mit einer Person, die keine Immunsuppresiva einnimmt - sich mit COVID zu infizieren?

b)       Ist es für eine Person, die Immunsuppresiva einnimmt, wahrscheinlicher sich mit COVID zu infizieren als für eine Person, die keine Immunsuppresiva einnimmt? Wenn ja – bitte um eine Einschätzung der Wahrscheinlichkeit.

2.       Handelt es sich beim Beschwerdeführer aus kardiologischer Sicht um einen Höchstrisikopatienten – wie im Schreiben der medizinischen Universität Wien, „Heart Transplant Program“, vom 31.03.2020 ausgeführt?

Bitte um Begründung und Stellungnahme zu dem vorgelegten Schreiben.

3.       a) Welche Folgen hätte eine Corona-Infektion auf den herztransplantierten Beschwerdeführer bzw. auf sein Herz?

b) Wird im Deutschem Ärzteblatt tatsächlich empfohlen bei Immunsuppressivatherapie die Exposition gegenüber SARS-COVID-2 konsequent zu vermeiden, da es zu sehr schweren Krankheitsverläufen kommen könne?
Wenn ja - ist daraus zu schließen, dass der Beschwerdeführer aktuell nicht die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen soll?

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht „im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden“ wäre, ist – angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes – nicht ersichtlich.

Von den vollständigen Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird der Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein. Anschließend wird sich die belangte Behörde unter Berücksichtigung der oben dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausführlicher mit der Rechtsfrage auseinanderzusetzen haben, ob dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, dabei ist auch eine Befristung einer Entscheidung in Erwägung zu ziehen.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

In den rechtlichen Ausführungen zu Punkt A) wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, dass im Verfahren vor der belangten Behörde gravierende Ermittlungslücken bestehen sowie die Judikatur zu den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten für die behördliche Beurteilung der Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Lichte von § 42 Abs. 1 BBG dargestellt. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG wurde auf die aktuelle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) Bezug genommen.

Schlagworte

Behindertenpass Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Pandemie Sachverständigengutachten Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W200.2235171.1.00

Im RIS seit

04.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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