Index
20/03 SachwalterschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verfassungs- bzw Gesetzwidrigkeit von Bestimmungen des ErwachsenenschutzvereinsG sowie einer Verordnung betreffend die Feststellung der Eignung von Vereinen zur Versorgung betroffener Personen; Beschränkung auf einen einzigen Erwachsenenschutzverein für einen bestimmten sachlichen und räumlichen Tätigkeitsbereich im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des GesetzgebersRechtssatz
Keine Aufhebung der §1, §1a, §2 und §3 ErwachsenenschutzvereinsG (ErwSchVG) idF BGBl I 59/2017 sowie der Verordnung des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz über die Feststellung der Eignung von Vereinen, als Erwachsenenschutzverein tätig zu werden, BGBl II 241/2018.
§3 ErwSchVG - der Regelungen für den Fall trifft, dass ein Verein bereits gemäß §1 ErwSchVG als geeignet festgestellt worden ist - steht mit den weiteren in Prüfung gezogenen Bestimmungen in einem Regelungszusammenhang. So konkretisiert die Bestimmung insbesondere die Verpflichtung des Erwachsenenschutzvereins zur Ausbildung und fachlichen Überwachung seiner hauptberuflichen Mitarbeiter. Nimmt der Erwachsenenschutzverein seine Verpflichtungen gemäß §3 ErwSchVG nicht wahr, hat der Bundesminister für Justiz die Eignung, als Erwachsenenschutzverein tätig zu sein, mit Bescheid zu widerrufen. Vor dem Hintergrund der Bedenken ist es somit nicht ausgeschlossen, dass sich der Sitz der Verfassungswidrigkeit - läge sie vor - auch in §3 ErwSchVG zu finden wäre.
Sachlichkeit der gesetzlichen Übertragung von Aufgaben an Erwachsenenschutzvereine:
Es liegt grundsätzlich im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Versorgung mit Erwachsenenvertretern (auch) durch ideelle (Erwachsenenschutz-)Vereine sicherzustellen und in diesem Zusammenhang nähere Voraussetzungen für die Feststellung, als Erwachsenenschutzverein geeignet zu sein, vorzusehen. Laut den Materialien sind die in Prüfung gezogenen Bestimmungen notwendig, weil es den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit widerspräche, weitere Vereine anzuerkennen, denen dann nach Maßgabe des §8 ErwSchVG Subventionen (auch zur Deckung der "Overhead-Kosten") gewährt werden müssten.
Selbst wenn die in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht geeignet sein sollten, das Ziel der Kostenminimierung in sämtlichen denkbaren Konstellationen zu erreichen, ist auf die Rsp des VfGH zu verweisen, wonach eine unzweckmäßige Regelung für sich genommen noch keinen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot des Art7 B-VG bewirkt. Ob die Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitsgrundsatzes gemessen werden. Darüber hinaus kann im vorliegenden Zusammenhang nicht davon gesprochen werden, dass der Gesetzgeber ein zur Zielerreichung vollkommen ungeeignetes Mittel vorgesehen hätte.
Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sollen dem öffentlichen Interesse der flächendeckenden Tätigkeit von Erwachsenenschutzvereinen dienen und diese sicherstellen. Sie enthalten zwar keine gesetzlichen Vorgaben dahin, dass ein Verein ein zusammenhängendes Gebiet mit einer bestimmten Mindestgröße übernehmen muss. Dennoch gewährleisten sie eine flächendeckende Versorgung der betroffenen Personen mit Leistungen der Erwachsenenschutzvereine. Dies ergibt sich etwa aus den in §2 ErwSchVG genannten Kriterien, nämlich insbesondere durch das Erfordernis von fünf hauptberuflichen Vollzeitkapazitäten, das Erfordernis der persönlichen und fachlichen Eignung des eingesetzten Personals sowie der Verpflichtung zur fachlichen Aus- und Fortbildung sowie Überwachung.
Darüber hinaus hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass die Versorgung der betroffenen Personen mit Erwachsenenvertretern nicht allein durch Erwachsenenschutzvereine erfolgt. Zum (gerichtlichen) Erwachsenenvertreter ist nach §274 Abs1 ABGB vorrangig - mit deren Zustimmung - jene Person zu bestellen, die aus einer Vorsorgevollmacht, einer Vereinbarung einer gewählten Erwachsenenvertretung oder einer Erwachsenenvertreter-Verfügung hervorgeht. Ist eine solche Person nicht verfügbar oder geeignet, ist mit deren Zustimmung eine der volljährigen Person nahestehende und für die Aufgabe geeignete Person zu bestellen. Erst wenn eine solche Person nicht in Betracht kommt, ist mit dessen Zustimmung ein Erwachsenenschutzverein zu bestellen. Ist auch die Bestellung eines Erwachsenenschutzvereins nicht möglich, ist ein Notar oder Rechtsanwalt oder - mit deren Zustimmung - eine andere geeignete Person zu bestellen. Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sorgen daher - in Zusammenhalt mit §274 ABGB - dafür, dass die Versorgung mit geeigneten Erwachsenenvertretern im gesamten Bundesgebiet sichergestellt wird.
Soweit der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang festlegt, dass für einen sachlichen und räumlichen Tätigkeitsbereich nur ein Erwachsenenschutzverein tätig werden kann, überschreitet er den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum nicht. Dabei ist einerseits von entscheidender Bedeutung, dass es sich bei den in Rede stehenden Erwachsenenschutzvereinen um nicht auf Gewinn ausgerichtete (ideelle) Vereine handelt, deren Zweck ausschließlich in der Wahrnehmung der im Erwachsenenschutzvereinsgesetz umschriebenen Aufgaben bestehen darf. Andererseits kommt dem Bundesminister für Justiz gemäß §5 ErwSchVG die fachliche Beaufsichtigung von Vereinen, deren Eignung gemäß §1 ErwSchVG festgestellt worden ist, zu. Nimmt der Bundesminister für Justiz wahr, dass ein Verein seine Aufgaben trotz vorheriger Mahnung nicht erfüllt oder eine der Voraussetzungen des §2 ErwSchVG nicht gegeben ist, hat der Bundesminister die Feststellung der Eignung des betreffenden Vereines mit Bescheid zu widerrufen.
(Ablehnung der Behandlung der Beschwerde im Anlassfall mit E v 07.10.2020, E4209/2019).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Rechtspolitik, VfGH / Prüfungsumfang, ErwachsenenvertretungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:G289.2020Zuletzt aktualisiert am
07.04.2022