RS Vfgh 2020/10/8 WI6/2020

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Veröffentlicht am 08.10.2020
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Index

L1000 Gemeindeordnung

Norm

B-VG Art117 Abs5
B-VG Art141 Abs1 litb
Nö GdO 1973 §24, §101, §121
Nö GRWO 1994 §53
VfGG §7 Abs1, §67 Abs2, §70 Abs1

Leitsatz

Stattgabe der Anfechtung der Wahl des Gemeindevorstandes einer Niederösterreichischen Gemeinde beginnend mit der Aufteilung der Anzahl der geschäftsführenden Stadträte; keine Verteilung der Anzahl der geschäftsführenden Stadträte "nach dem Verhältnis der Parteisummen" gemäß der Nö Gemeindeordnung

Rechtssatz

Aufhebung des Verfahrens zur Wahl des Gemeindevorstandes der Stadtgemeinde Groß Gerungs vom 20.02.2020 beginnend mit der Aufteilung der Anzahl der geschäftsführenden Stadträte auf die im Gemeinderat vertretenen Wahlparteien.

§101 Abs2 NÖ GO 1973 ordnet an, dass die Anzahl der geschäftsführenden Gemeinderäte bzw Stadträte auf die im Gemeinderat vertretenen Wahlparteien "nach dem Verhältnis der Parteisummen aufgeteilt" wird. Die Bestimmung des §101 Abs2 NÖ GO 1973 sieht - anders als die Vorgängerbestimmung des §65 Abs2 NÖ GWO 1974 betreffend die Wahl der geschäftsführenden Stadträte nach dem d'Hondt'schen Verfahren - keinen Verweis auf das Ermittlungsverfahren bei der Gemeinderatswahl vor.

Nach der stRsp des VfGH sind Formalvorschriften der Wahlordnungen strikt nach ihrem Wortlaut auszulegen. Der Wortlaut des §101 Abs2 NÖ GO 1973 sieht die Verteilung der Anzahl der geschäftsführenden Stadträte auf die Wahlparteien "nach dem Verhältnis der Parteisummen" vor. Als Verhältnis der Parteisummen kann nur der jeweilige Anteil der Wahlparteien an der Gesamtheit der bei der Gemeinderatswahl abgegebenen gültigen Stimmen verstanden werden. Folglich hat jede Partei Anspruch auf so viele Mandate, wie es ihrem Anteil verhältnismäßig entspricht (Wahlquote). Bei der Berechnung einer Wahlquote auftretende Dezimalzahlen sind nach §121 NÖ GO 1973, wenn die Dezimalstelle 0,5 übersteigt, auf die nächste ganze Zahl aufzurunden und ansonsten auf die nächste ganze Zahl abzurunden.

Nach diesem Verfahren entfallen im vorliegenden Fall von den fünf zu verteilenden Mandaten drei auf die ÖVP und jeweils eines auf die FPÖ und die SPÖ. Angesichts der davon abweichenden Verteilung der Anzahl der geschäftsführenden Stadträte im Rahmen der Wahl des Gemeindevorstandes der Stadtgemeinde Groß Gerungs erweist sich die angefochtene Wahl als rechtswidrig.

Die festgestellte - erwiesene und auf das Wahlergebnis von Einfluss gewesene - Rechtswidrigkeit führte im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass alle der zu verteilenden fünf Mandate gemäß dem d'Hondt'schen Verfahren auf die ÖVP entfielen. Da die Anwendung des Verfahrens nach §101 Abs2 iVm §121 NÖ GO 1973 wie dargelegt zu einer anderen Verteilung der Mandate geführt hätte, war diese Rechtswidrigkeit jedenfalls von Einfluss auf das Ergebnis der Wahl.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Wahlanfechtung, Gemeindevorstand, Gemeinderat, Verhältniswahl, Auslegung historische, Auslegung eines Gesetzes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:WI6.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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