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Rechtanwaltschaft NotariatNorm
AVG §66 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Vorsitzenden Dr. Guggenbichler und die Räte Dr. Höslinger, Dr. Borotha, Dr. Strau und Dr. Schimetschek als Richter, im Beisein des Ministerialsekretärs Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde des Dr. VG in J, gegen die Entscheidung des Berufungssenates der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 16. November 1954, Zl. BS 1/54, betreffend Streichung aus der Rechtsanwaltsliste, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Beschwerdeführer, der am 13. März 1938 unbestrittenermaßen die österreichische Staatsangehörigkeit besessen und somit auf Grund des § 1 Abs. 1 lit. a des Staatsbürgerschaftsüberleitungsgesetzes, StGBl.Nr. 59/1945, ab 27. April 1945 wieder als österreichischer Staatsbürger zu gelten hatte, war in die Liste der Rechtsanwälte bei der Salzburger Rechtsanwaltskammer eingetragen. Nach seiner am 25. August 1949 erfolgten Ausreise nach Israel hat der Beschwerdeführer den heutigen Beschwerdevertreter Dr. RW gemäß § 14 der Rechtsanwaltsordnung (kurz RAO) zu seinem Substituten bestellt. Diese Bestellung ist vom Ausschuß der Salzburger Rechtsanwaltskammer am 10. März 1953 mit der Einschränkung zur Kenntnis genommen worden, daß die Kenntnisnahme mit 30. Juni 1953 befristet werde. In einem Schreiben vom 4. Juni 1953 wandte sich der Beschwerdeführer daraufhin mit dem Ersuchen an die Rechtsanwaltskammer, diesen Stichtag auf unbestimmte Zeit zu erstrecken. Er begründete sein Begehren damit, daß ihm die beabsichtigte Rückkehr nach Österreich bis zu diesem Stichtag dadurch unmöglich gemacht worden sei, daß das Österreichische Generalkonsulat in Tel Aviv ihm die Benützung seines österreichischen Reisepasses mit der Begründung verboten habe, er hätte die österreichische Staatsbürgerschaft verloren-, weil er bis zu dem hiefür maßgebenden Stichtag (14. Juli 1952) es unterlassen habe, den Erwerb der israelischen Staatsangehörigkeit abzulehnen. Der Beschwerdeführer bestreite jedoch, daß der Bewerb der israelischen Staatsangehörigkeit mit diesem Stichtag für ihn automatisch eingetreten sei, da er am 14. Juli 1952 Touristenqualität besessen habe und diese Kategorie von Personen nicht automatisch die israelische Staatsangehörigkeit erworben hätte.
In Erledigung der genannten Eingabe faßte der Ausschuß der Salzburger Rechtsanwaltskammer am 23. Juni 1953 den Beschluß,
1) den Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 1 RAO aus der Liste der Rechtsanwälte des Salzburger Kammersprengels zu streichen und seinen Substituten zu beauftragen, binnen zwei Monaten nach Rechtskraft dieses Beschlusses über die durchgeführte Abwicklung der Geschäfte der Rechtsanwaltskanzlei des Beschwerdeführer zu berichten und
2.) den auf Verlängerung der für die Beendigung der Substitution gesetzten Frist (30. Juni 1953) auf unbestimmte Zeit abzielenden Antrag des Beschwerdeführers zurückzuweisen.
Nach der diesem Beschluß beigegebenen Begründung nahm der Ausschuß auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers in seiner Eingabe vom 4. Juni 1953 als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer die israelische Staatsbürgerschaft erworben und damit gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949, BGBl. Nr. 276/1949, die österreichische Staatsbürgerschaft durch Ausbürgerung verloren habe, so daß seine Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß § 34 Abs. 1 lit. a RAO erloschen sei. Mit seiner Streichung aus der Liste erübrige sich aber eine Verlängerung der Befristung der Substitution.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung, zugleich aber auch eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und eine „Nichtigkeitsbeschwerde“ an den beim Obersten Gerichtshof bestehenden Disziplinarsenat für Rechtsanwälte. Der Verfassungsgerichtshof wies die Beschwerde, nachdem er auf Grund eines amtswegig eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahrens mit Erkenntnis vom 25. Juni 1954, Zl. G 7/54, im § 5 Abs. 3 RAO die Worte ... „und von dieser an den Obersten Gerichtshof“ ... sowie den dritten Satz dieses Absatzes mit Rechtswirksamkeit vom 30. Juni 1955 als verfassungswidrig aufgehoben hatte, mit Erkenntnis vom gleichen Tage, B 128/53-23, mangels Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges zurück. Auch der Disziplinarsenat beim Obersten Gerichtshof wies das als „Nichtigkeitsbeschwerde“ bezeichnete Rechtsmittel des Beschwerdeführers mit Beschluß vom 23. September 1954, Nr. 10/54 - 3, zurück, und zwar in erster Linie deshalb, weil der gegenständliche Rechtsfall den Anlaß zur Aufhebung der den Instanzenzug zum Disziplinarsenat für Rechtsanwälte beim Obersten Gerichtshof normierenden Vorschrift gebildet habe, so daß sich dieser in der vorliegenden Rechtssache überhaupt nicht mehr mit einem Rechtsmittel befassen könne, dann aber auch wegen der Überspringung der im Gesetz im ordentlichen Instanzenzug vorgesehenen zweiten Instanz, nämlich des bei der Salzburger Rechtsanwaltskammer eingerichteten Berufungssenates.
Mit dem durch die vorliegende Beschwerde angefochtenen Bescheid hat sodann der Berufungssenat der Salzburger Rechtsanwaltskammer über die Berufung des Beschwerdeführers abgesprochen und den Beschluß des Ausschusses der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 23. Juni 1953 bestätigt. Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf eine Mitteilung des Bundeskanzleramtes - Auswärtige Angelegenheiten vom 23. Februar 1954, durch die erwiesen sei, daß der Beschwerdeführer die israelische Staatsbürgerschaft erworben habe. Dieser Erwerb habe den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft zwangsläufig zur Folge. Dadurch sei wiederum die Berechtigung des Beschwerdeführers zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft nach § 34 Abs. 1 lit. a RAO erloschen. Der Ausschuß sei daher nach § 28 Abs. 1 lit. a RAO berechtigt und verpflichtet gewesen, die Rechtsanwaltsliste richtigzustellen. Das ex lege eingetretene Erlöschen der Berechtigung ziehe die Streichung des betreffenden Anwaltes aus der Liste nach sich.
Über die gegen diesen Berufungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Unzuständigkeit der belangten Behörde und Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Beschwerde wirft zunächst die Frage auf, ob vorliegend überhaupt die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung über die Beschwerde gegeben ist und ob dem Beschwerdeführer nicht noch ein weiterer Instanzenzug an den Disziplinarsenat für Rechtsanwälte beim Obersten Gerichtshof offen steht, den er auch beschritten zu haben scheint. Wenn die Ansicht des Beschwerdeführers, daß ihm ein solcher Instanzenzug noch offen stünde, zutreffend wäre, wäre allerdings sowohl der Instanzenzug nicht erschöpft als auch die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes in der Rechtssache überhaupt unzulässig, weil dann ja in letzter Instanz keine Verwaltungsbehörde, sondern ein Gericht zur Entscheidung des Rechtsfalles berufen wäre (vgl. hiezu den hg. Beschluß vom 7. Dezember 1950, Slg. N.F. Nr. 1812/A). Allein das Bedenken des Beschwerdeführers, daß der Verwaltungsgerichtshof in der nunmehr bei ihm anhängigen Rechtsangelegenheit zur Entscheidung nicht zuständig sein könnte, ist nicht begründet. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht der vom Beschwerdeführer als vertretbar erachteten Auffassung, daß der gegenständliche Rechtsfall den Charakter des Anlaßfalles für die teilweise Aufhebung des § 5 Abs. 3 RAO deshalb verloren hätte, weil im Instanzenzuge über den beim Verfassungsgerichtshof angefochten gewesenen Beschluß der Salzburger Rechtsanwaltskammer vorm 23. Juni 1953 eine weitere Entscheidung erflossen ist, die den Gegenstand der heute behandelten Beschwerde bildet. Denn unter der Rechtssache, für die die Aufhebung des verfassungswidrigen Gesetzes unmittelbar wirksam geworden ist, mag auch der Verfassungsgerichtshof im übrigen für das Außerkrafttreten des Gesetzes eine Frist vorgesehen haben, kann nur die den Gegenstand des behördlichen Abspruches bildende Rechtsangelegenheit verstanden werden, die, in welcher Instanz immer über sie in der Sache entschieden wird, stets dieselbe bleibt. Im übrigen aber schließen nicht nur die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 25. Juni 1954, sondern auch die des Disziplinarsenates für Rechtsanwälte beim Obersten Gerichtshof in seinem Beschluß vom 23. September 1954 jeden Zweifel darüber aus, daß auch sie den Instanzenzug in der vorliegenden Rechtssache aus den gleichen Erwägungen mit dem angefochtenen Bescheid des Berufungssenates der Salzburger Rechtsanwaltskammer als erschöpft ansehen, Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur meritorischen Entscheidung über die Beschwerde ist sonach gegeben.
Die Beschwerde macht aber auch Bedenken gegen die Zuständigkeit des Berufungssenates der Salzburger Rechtsanwaltskammer zur Entscheidung über das vom Beschwerdeführer erhobene Rechtsmittel geltend. Sie begründet diese Bedenken damit, daß § 5 RAO nur von der Eintragung in die Rechtsanwaltsliste, nicht aber von der Beendigung der Rechtsanwaltschaft bzw. der Streichung aus der Liste handle. Dies trifft wohl zu. Allein mangels anderweitiger ausdrücklicher gesetzlicher Regelung muß für den Fall der Streichung aus der Liste grundsätzlich die Zuständigkeit derjenigen Behörden angenommen werden, die zur Entscheidung über die Eintragung zuständig sind. Auch in dieser Frage teilt der Verwaltungsgerichtshof vollinhaltlich die den obenangeführten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes und Obersten Gerichtshofes zugrundeliegende Rechtsauffassung. Im übrigen irrt aber der Beschwerdeführer, wenn er vermeint, daß an Stelle des Berufungssenates der Salzburger Rechtsanwaltskammer möglicherweise das zuständige Oberlandesgericht in zweiter Rechtsstufe die Berufung des Beschwerdeführers zu erledigen gehabt hätte. Diese Möglichkeit kommt überhaupt nicht in Betracht. Denn das Oberlandesgericht ist nicht ein dem Ausschuß der Rechtsanwaltskammer im organisatorischen Instanzenzug übergeordnetes Organ. Es ist zur Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung eines Organes der Rechtsanwaltskammer als einer Selbstverwaltungskörperschaft nur dann berufen, wenn dies im Gesetz ausdrücklich vorgesehen wird, wobei gegen eine solche Regelung jedoch dieselben Bedenken geltend gemacht werden müßten, die zur teilweisen Aufhebung des § 5 RAO durch den Verfassungsgerichtshof geführt haben. Demnach wäre, wenn man die Zuständigkeit des Berufungssenates nicht für gegeben hielte, ein weiterer Instanzenzug gegen den Beschluß des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer überhaupt nicht gegeben. Daß aber ein solcher Instanzenzug tatsächlich besteht, wurde bereits dargelegt.
Soweit in der Beschwerde die Formlosigkeit des Verfahrens vor der belangten Behörde, insbesondere der Umstand bemängelt wird, daß die Entscheidung der belangten Behörde ohne Protokoll über die Verhandlung und ohne Anführung der Senatsmitglieder, die an ihr teilgenommen haben, erflossen sei, so ist dieses Vorbringen nicht geeignet, die Gesetzmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in Frage zu stellen. Abgesehen davon, daß für die äußere Form der Ausfertigung der Entscheidungen des Berufungssenates der Rechtsanwaltskammer im Gesetz keine Vorschrift enthalten ist, liegt ein vom Vorsitzenden unterfertigtes Protokoll über die mündliche Berufungsverhandlung vor, in dem die anwesenden Senatsmitglieder aufgezählt sind und aus dem zu entnehmen ist, daß der Inhalt der Akten über das der Verhandlung vorangegangene Verfahren vorgetragen wurde und dem Vertreter des Beschwerdeführers Gelegenheit gegeben war, seine Berufung mündlich auszuführen. Damit wurde aber den im § 5 Abs. 7 der RAO für das Verfahren vor dem Berufungssenat aufgestellten Vorschriften, soweit sie den Schutz der Rechte der Partei bezwecken, ausreichend Rechnung getragen.
Zu der in diesem Zusammenhang von der Beschwerde erhobenen Rüge, die belangte Behörde hätte auch bei Bestätigung, des erstinstanzlichen Bescheides darauf Rücksicht zu nehmen gehabt, daß, der Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der der Substitutionsfrist durch das inzwischen erflossene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. November 1953, Zl. 882/53-4, „erledigt“ worden sei, der Beschwerdeführer meint damit offenbar, daß durch die hg. Entscheidung, mit der der Beschluß des Ausschusses der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 10. März 1953, soweit mit ihm die Kenntnisnahme der Bestellung des Rechtsanwaltes Dr. RW zum Substituten des Beschwerdeführers mit 30. Juni 1953 befristet worden war, als rechtswidrig erkannt und gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG aufgehoben wurde, der Antrag des Beschwerdeführers gegenstandslos geworden sei und der erstinstanzliche Bescheid daher in diesem Sinne richtig zu stellen gewesen wäre - ist folgendes zu bemerken: Der erwähnte Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der mit Beschluß vom 10. März 1953 festgesetzten Frist hat den Ausschuß der Salzburger Rechtsanwaltskammer durch die in ihm enthaltenen Angaben veranlaßt, von Amts wegen die Streichung des Beschwerdeführers aus der Anwaltsliste zu verfügen. Die Streichung aus der Substitutionsbestellung dem Beschwerdeführers gesetzten Frist schloß die Möglichkeit einer Verlängerung der Frist für die Zukunft aus. Dies ist der Grund, weshalb der Ausschuß nach der damaligen Rechtslage den Verlängerungsantrag nicht in meritorische Behandlung nehmen konnte und zurückweisen mußte, womit der Ausschuß offenbar zum Ausdruck bringen wollte, daß eine Erledigung dieses Antrages durch die gleichzeitig getroffene amtswegige Verfügung gegenstandslos geworden sei. Der Beschwerdeführer hat sich in seiner Berufung auch gegen diesen Teil des Beschlusses des Ausschusses gewendet, und zwar von seinem Standpunkt aus mit Recht. Denn wenn sich die Streichung als zu Unrecht verfügt herausgestellt hätte, so hätte allerdings der Ausschuß sich mit dem Antrag des Beschwerdeführers meritorisch befassen müssen. Beide Teile des Spruches hängen somit untrennbar zusammen. Allein der Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der Frist ist, wie er selbst einräumt, in der Folge (auch unabhängig von der zu treffenden Entscheidung über seine Berufung) dadurch gegenstandslos geworden, daß der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 14. November 1953 die Befristung als rechtswidrig aufgehoben hat. Die Berechtigung des Beschwerdeführers, die Geschäfte seiner Kanzlei durch den von ihm bestellten Substituten besorgen zu lassen, galt daher zufolge des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes unbefristet weiter, ohne daß es einer neuerlichen Verlängerung der Frist bedurft hätte. Bei dieser Sachlage war aber der auf eine solche Fristverlängerung gerichtete Antrag des Beschwerdeführers vom 4. Juni 1953 tatsächlich gegenstandslos geworden. Die Bestätigung seiner Zurückweisung durch den Ausschuß, die zwar darin erblickt werden muß, daß die heute angefochtene Entscheidung der Berufung, die sich auch auf diesen Teil des erstinstanzlichen Beschlusses bezog, ohne jede Einschränkung keine Folge gab, ist daher, was diesen Teil des Spruches betrifft, ohne rechtliche Wirkung geblieben und konnte irgendwelche Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzen, weil auch bei Unzulässigkeit der Streichung des Beschwerdeführers aus der Liste der Rechtsanwälte die Fortführung der Kanzleigeschäfte durch den Substituten auf Grund des hg. Erkenntnisses vom 14. November 1953 gewährleistet blieb.
Es verbleibt somit auf Grund der heutigen Beschwerde lediglich noch die Frage zu prüfen, ob die mit dem angefochtenen Bescheid aufrecht erhaltene Streichung des Beschwerdeführers aus der Liste der Rechtsanwälte im Gesetz begründet war. Hiezu ist zu sagen: Nach § 34 Abs. 1 lit. a RAO erlischt die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft durch den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft. Die Streichung des Beschwerdeführers aus der Rechtsanwaltsliste würde also dem Gesetz entsprechen, wenn die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe die österreichische Staatsbürgerschaft verloren, sie als zutreffend erweist. Die belangte Behörde hatte diese Frage, deren Entscheidung mit bindender Wirkung für den gesamten Rechtsbereich nach § 13 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949, BGBl. Nr. 276, allerdings der zuständigen Landesregierung vorbehalten bleibt, in dem bei ihr anhängigen Verfahren gemäß § 38 AVG als Vorfrage zu beurteilen. Sie hat den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft angesichts der ihr vorgelegenen Mitteilung des Bundeskanzleramtes - Auswärtige Angelegenheiten vom 23. Februar 1954, wonach laut Bericht des österreichischen Generalkonsulates in Tel Aviv der Beschwerdeführer, auf Grund eines Bescheides des israelischen Innenministeriums vom 4. Jänner 1954, Zl. - G - 1257 - 496, die israelische Staatsbürgerschaft erworben hat, als erwiesen angenommen. Wenn der Beschwerdeführer diese Annahme mit der Behauptung bekämpft, daß die Mitteilung des Bundeskanzleramtes, die sich nur auf eine Auskunft des Konsulates stütze, keine rechtskräftige Entscheidung sei, die eine aktenmäßige Grundlage für die getroffene Feststellung der belangten Behörde bilden könne, so übersieht er, daß die Auskunft sich auf einen Bescheid des israelischen Innenministeriums stützt, der den Erwerb der israelischen Staatsangehörigkeit durch den Beschwerdeführer bestätigt. Im übrigen hat sich der Beschwerdeführer auch noch in der Beschwerde gleich wie im vorangegangenen Verfahren darauf beschränkt, zu behaupten, für den Erwerb der israelischen Staatsbürgerschaft durch ihn fehle ein Nachweis, ohne seinerseits klar und unumwunden zu erklären, ob er israelischer Staatsbürger geworden sei.
Falls der Beschwerdeführer aber der Meinung sein sollte, daß der Inhalt der von der zuständigen israelischen Behörde getroffenen Feststellung nicht richtig sei, so wird es seine Sache sein, mit den ihm für den israelischen Rechtsbereich zustehenden Möglichkeiten eine Abänderung der dortigen Entscheidung zu erwirken. Insolange dies nicht der Fall ist, bestehen keine Bedenken, wenn die Feststellungen der zuständigen ausländischen Behörden in dieser Frage von den österreichischen Stellen ihren Entscheidungen zugrundegelegt werden.
Auch der weitere gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Berufungsentscheidung erhobene Einwand, die belangte Behörde habe sich nicht auf die erst im Berufungsverfahren eingeholte Auskunft des Bundeskanzleramtes stützen dürfen, weil diese nicht die Grundlage des erstinstanzlichen Beschlusses gebildet hatte, ist nicht begründet. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens ( vgl. diesfalls § 66 AVG) ist einer der Hauptzwecke des Berufungsverfahrens, die in erster Instanz allenfalls mangelhaft gebliebenen Feststellungen des Sachverhaltes zu ergänzen und auf dieser Grundlage eine neue Sachentscheidung zu fällen. Auch die belangte Behörde hatte daher von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Beschlußfassung auszugehen, was der Beschwerdeführer übrigens - dies sei nur nebenbei bemerkt - an anderer Stelle seiner Beschwerdeausführungen insoferne selbst anerkennt, als er die Nichtberücksichtigung des erst nach der Entscheidung erster Instanz erflossenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. November 1953 der belangten Behörde zur Last legt.
Die Beschwerde wendet sich aber auch gegen die weitere Annahme der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer mit der Erwerbung der israelischen Staatsbürgerschaft die österreichische verloren habe. Der Beschwerdeführer geht in diesem Punkt mit Recht davon aus, daß die Vorschriften über Erwerb und Verlust der Staatsbürgerschaft innerstaatliche Rechtsnormen darstellen, und auftauchende Rechtsfragen für den Bereich des innerstaatlichen Rechtes nur nach diesen Vorschritten beantwortet werden können. Er übersieht aber, daß das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht den Verlust der Staatsbürgerschaft als Rechtsfolge an die Tatsache des Erwerbes einer fremden Staatsbürgerschaft knüpft (§ 9 Abs. 1 Z. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949). Der Verwaltungsgerichtshof kann es im Beschwerdefalle dahingestellt sein lassen, ob diese Rechtsregel im Auslegungswege dahin eingeschränkt werden muß, daß sie nur für den freiwilligen Erwerb der Staatsbürgerschaft, nicht auch für zwangsweise Einbürgerung eines österreichischen Staatsbürgers in einen fremden Staaten gegen seinen Willen zu gelten habe. Denn für den vorliegenden Fall geht aus der zitierten Mitteilung des Bundeskanzleramtes hervor, daß nur diejenigen Einwanderer auf Grund des israelischen Staatsbürgerschaftsrechtes automatisch die Staatsbürgerschaft dieses Landes erwarben, die es unterlassen hatten, bis zu einem bestimmten Stichtag die Erklärung abzugeben, daß sie die Einbürgerung nicht anstreben, und daß der Beschwerdeführer von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat. Wenn der Beschwerdeführer aber die Möglichkeit hatte, durch eine einfache Erklärung den Erwerb der Staatsbürgerschaft von Israel abzuwenden und es unterließ, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, so ist der Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft nicht gegen seinen Willen eingetreten. Ebenso geht der Hinweis der Beschwerde auf die Möglichkeit des Nebeneinanderbestehens zweier Staatsbürgerschaften ins Leere. Eine doppelte Staatsbürgerschaft ist allerdings nach dem österreichischen Staatsbürgerschaftsrecht bekannt. So ist gerade im Falle des Erwerbes einer fremden Staatsbürgerschaft nach § 9 Abs. 1 Z 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft möglich. Es bedarf hiezu jedoch der vorherigen Bewilligung, die vom Bundesministerium für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt erteilt werden kann. Daß dem Beschwerdeführer eine solche Bewilligung erteilt worden wäre, wurde von ihm indessen nicht behauptet. Die belangte Behörde hat daher mit Recht angenommen, daß der Beschwerdeführer mit dem Erwerb der israelischen die österreichische Staatsbürgerschaft durch Ausbürgerung verloren hat. Damit aber war auch die Berechtigung des Beschwerdeführers zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Österreich erloschen und seine Streichung aus der Liste der Salzburger Rechtsanwaltskammer im Gesetz begründet.
Aus diesen Erwägungen mußte die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden (§ 42 Abs. 1 VwGG.).
Wien, am 3. Februar 1955
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1955:1954003241.X00Im RIS seit
04.12.2020Zuletzt aktualisiert am
04.12.2020