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Verwaltungsverfahren - VStGNorm
KFG 1967 §99 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Dolp und die Hofräte Dr. Jurasek, Dr. Karlik, Dr. Salcher, Dr. Großmann, Mag. Onder, Dr. Pichler, Dr. Baumgartner und Dr. Drexler als Richter, im Beisein der Schriftführer Landesgerichtsrat Dr. Gerhard und Dr. Hailzl, über die Beschwerde des JK in W, vertreten durch Dr. Othmar Slunsky, Rechtsanwalt in Wien I, Schottenring 28/1/4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 10. Juli 1975, Zl. 1/7-1957/2-1975, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Strafverfügung vom 5. November 1974 wurde der Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach wegen der Übertretung des § 60 Abs. 3 StVO 1960 gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 bestraft. Gegen diese Strafverfügung erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Einspruch. Die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach richtete am 19. November 1974 an das Gendarmeriepostenkommando in Wolkersdorf das Ersuchen, eine Stellungnahme des Anzeigelegers zu den Einspruchsangaben des Beschwerdeführers einzuholen.
Mit Straferkenntnis vom 4. Februar 1975 sprach die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach sodann aus, der Beschwerdeführer habe am 22. Oktober 1974 um 18.20 Uhr den dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in Wolkersdorf auf der Bundesstraße 7 in Richtung Wien fahrend gelenkt, wobei er trotz Dunkelheit die vorgeschriebenen Scheinwerfer (Abblendlicht) nicht eingeschaltet gehabt habe. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 KFG 1967 begangen und es werde gemäß § 134 Abs. 1 leg.cit. gegen ihn eine Geldstrafe von S 100,-- (Ersatzarreststrafe 24 Stunden) verhängt. Begründend wurde ausgeführt, die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung sei durch die dienstliche Wahrnehmung von zwei Gendarmeriebeamten sowie die durchgeführten Erhebungen erwiesen.
In der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer die ihm angelastete Tat nach § 99 Abs. 1 KFG 1967. Im übrigen behauptete er, daß Verfolgungsverjährung deshalb eingetreten sei, weil innerhalb der dreimonatigen Verjährungsfrist wegen der ihm nunmehr mit Straferkenntnis vom 4. Februar 1975 angelasteten Tat gegen ihn keine Verfolgungshandlung gesetzt worden sei.
Die belangte Behörde ergänzte das Ermittlungsverfahren durch Einholung eines Gutachtens eines Amtssachverständigen über die Beleuchtungsverhältnisse am Tatort und gab dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme. Sodann gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung keine Folge, änderte jedoch das angefochtene Straferkenntnis dahin gehend ab, daß dem Beschwerdeführer zur Last gelegt werde, er habe als Lenker des dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw's bei der Fahrt auf der Bundesstraße 7 in Richtung Wien im Ortsgebiet von Wolkersdorf trotz der herrschenden Dunkelheit nur das Begrenzungslicht verwendet, obwohl die Straßenbeleuchtung nicht ausreichend gewesen sei, und er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 letzter Satz KFG 1967 begangen. In der Begründung nahm die belangte Behörde zum Einwand der Verfolgungsverjährung Stellung, wobei sie feststellte, daß auf Grund des Einspruches des Beschwerdeführers gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 5. November 1974 am 19. November 1974 die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach-Außenstelle Wolkersdorf das Gendarmeriepostenkommando Wolkersdorf beauftragt habe, zu den Einspruchsangaben Stellung zu nehmen. Gegenstand dieses Auftrages sei eindeutig die Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Wolkersdorf vom 31. Oktober 1974 gewesen, wonach der Beschwerdeführer am 22. Oktober 1974 im Ortsgebiet von Wolkersdorf nur mit Stadtlicht allein gefahren sei, obwohl Dunkelheit geherrscht habe. Da der gegenständliche Erhebungsauftrag, der am 20. November 1974 beim Gendarmeriepostenkommando Wolkersdorf eingelangt sei, eindeutig eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 34 VStG 1950 darstelle, sei die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgungsverjährung nicht eingetreten. Im übrigen kam die belangte Behörde auf Grund des Gutachtens des Amtssachverständigen zu dem Ergebnis, daß am Tatort die Straßenbeleuchtung nicht ausreichend gewesen sei, weshalb der Beschwerdeführer an dieser Stelle nicht ausschließlich mit Begrenzungslicht fahren hätte dürfen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der ausdrücklich Rechtswidrigkeit des Inhaltes, aber, wie der Begründung zu entnehmen ist, auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die am 17. Dezember 1975 erhobene Beschwerde ist zufolge der Bestimmung mag des § 26 Abs. 3 VwGG 1965 rechtzeitig erfolgt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 13 VwGG 1965 verstärkten Senat erwogen:
Gemäß § 31 Abs. 1 VStG 1950 ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Diese Verjährungsfrist betrug auf Grund der für diesen Fall noch anzuwendenden Bestimmung des § 31 Abs. 2 VStG 1950 in ihrer ursprünglichen Fassung drei Monate.
Wenngleich auch vom Beschwerdeführer in seiner Verwaltungsgerichtshofbeschwerde der Einwand der Verfolgungsverjährung nicht mehr erhoben wird, war der Verwaltungsgerichtshof dennoch verhalten, diese Frage aus eigenem zu untersuchen, weil die Verjährung von Amts wegen wahrzunehmen ist (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1970, Zl. 442/70).
Der zur Beurteilung der Frage, ob im gegenständlichen Fall Verfolgungsverjährung eingetreten ist, dem Gerichtshof vorliegende Sachverhalt ist folgender: Die Anzeige gegen den namentlich genannten Beschwerdeführer vom 31. Oktober 1974 ist durch Ausfüllung eines Formulares verfaßt worden. Liest man den ausgefüllten Teil dieses Formulares, ergibt sich, daß der Beschwerdeführer angezeigt worden ist, am 22. Oktober 1974 um 18.20 Uhr im Ortsgebiet vor Wolkersdorf auf der Bundesstraße 7 aus Richtung Kollnbrunn kommend/Fahrtrichtung Wien gefahren zu sein, wobei er es trotz Dunkelheit unterlassen habe, die Scheinwerfer (Abblendlicht) einzuschalten. Der Lenker fuhr nur mit Stadtlicht allein. In der Klammer ist die Gesetzesbestimmung § 60 Abs. 3 StVO 1960 angeführt. Auf Grund dieser Anzeige ist die Strafverfügung vom 5. November 1974 ergangen, in der dem Beschwerdeführer angelastet wird, er habe am 22. Oktober 1974 um 18.20 Uhr den dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw im Ortsgebiet von Wolkersdorf auf der Bundesstraße 7 in Richtung Wien gelenkt, wobei er es trotz Dunkelheit unterlassen habe, die Scheinwerfer (Abblendlicht) einzuschalten (§ 60 Abs. 3 StVO 1960). Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 100,-- (Ersatzarreststrafe 24 Stunden) verhängt. Gegen diese Strafverfügung hat der Beschwerdeführer Einspruch erhoben und insbesondere dazu ausgeführt, daß er die in der Strafverfügung angeführte Gesetzesübertretung (§ 60 Abs. 3 StVO 1960) nicht begangen habe. Hierauf hat die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach am 19. November 1974 das Gendarmeriepostenkommando Wolkersdorf um Stellungnahme des Anzeigelegers zu den Einspruchsangaben des Beschuldigten ersucht. Der Bericht über die Stellungnahme ist mit 29. Jänner 1975 datiert. Ihm folgte am 4. Februar 1975 das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach.
Da die Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG 1950 (Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 101/1977) im vorliegenden Fall, gerechnet ab dem Abschluß der strafbaren Tat am 22. Oktober 1974, am 22. Jänner 1975 endete, war zu prüfen, ob innerhalb dieses Zeitraumes von der Behörde eine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Gemäß § 32 Abs. 2 leg. cit. ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, gelten alle Handlungen der Behörde als verjährungsunterbrechende Verfolgungsschritte, die nach Art und Bedeutung die Absicht der Behörde zum Ausdruck bringen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im Verwaltungsstrafgesetz vorgeschriebene Weise zu prüfen (siehe etwa Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. März 1973, Slg. Nr. 8384/A). Im vorliegenden Fall könnte die Strafverfügung vom 5. November 1974, die zweifellos als Verfolgungshandlung anzusehen ist, eine Unterbrechung der Verjährung bewirkt haben. Betrachtet man jedoch die Strafverfügung in bezug auf ihre Tauglichkeit, die Unterbrechung der Verjährung herbeizuführen, so wird erkennbar, daß die belangte Behörde mit dieser Strafverfügung ebenso wie in der Anzeige dem Beschwerdeführer nur zum Vorwurf gemacht hat, am Tattag zur Tatzeit im Ortsgebiet von Wolkersdorf einen Pkw gelenkt zu haben, wobei er es trotz Dunkelheit unterlassen habe, das Abblendlicht einzuschalten. Die herangezogenen Sachverhaltselemente decken sich mit den Tatbestandsmerkmalen des § 60 Abs. 3 StVO 1960, dessen Übertretung die Behörde dem Beschwerdeführer angelastet hat. Dagegen darf gemäß § 99 Abs. 3 letzter Satz KFG 1967 Begrenzungslicht (§ 14 Abs. 3 KFG 1967) ohne Fernlicht, Abblendlicht oder von Nebelscheinwerfern oder Breitstrahlern ausgestrahltem Licht nur bei ausreichender Straßenbeleuchtung verwendet werden. Diese Vorschrift unterscheidet sich von dem von der Behörde bis zur Strafverfügung angenommenen Sachverhalt dadurch, daß sie als Tatbestandsmerkmal einerseits die Verwendung des Begrenzungslichtes ohne Verwendung von Fernlicht, Abblendlicht oder Nebellicht fordert und anderseits nicht Dunkelheit schlechtweg, sondern ausreichende Straßenbeleuchtung zum Kriterium für das Gebot bzw. Verbot macht. Was aber das nach Erlassung der Strafverfügung erfolgte Ansuchen der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach, Außenstelle Wolkersdorf, an das Gendarmeriepostenkommando in Wolkersdorf vom 19. November 1974 betrifft, so ist es - entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Auffassung der belangten Behörde - gleichfalls nicht als eine die Verjährung unterbrechende Verfolgungshandlung zu werten. Denn aus diesem Ersuchen kann nicht klar entnommen werden, gegen welche Tat sich die Verfolgung der Behörde richtet, insbesondere wurde damit nicht zum Ausdruck gebracht, daß sie nunmehr eine andere Tat als die in der Strafverfügung verfolgen wollte, weil mit dem genannten Ersuchen das Gendarmeriepostenkommando Wolkersdorf lediglich „um Stellungnahme des Anzeigelegers zu den Einspruchsangaben des Beschuldigten“ ersucht wurde. Auf Grund des aus der Anzeige sich ergebenden Sachverhaltes, aber auch aus jenem, der der Strafverfügung zugrunde liegt, wäre eine Bestrafung des Beschwerdeführers nach § 99 Abs. 3 KFG 1967 mangels Vorliegens dieses Tatbestandes nicht möglich gewesen. Die Grundlage für die sodann erfolgte Bestrafung des Beschwerdeführers hat vielmehr erst das nach dem Ablauf der Verjährungsfrist erfolgte Ermittlungsverfahren geliefert. Wegen einer bestimmten Verwaltungsübertretung - im konkreten Fall jener nach § 99 Abs. 3 KFG 1967 - darf aber eine Person nur dann bestraft werden, wenn gegen sie als Beschuldigter innerhalb der Verjährungsfrist eine Verfolgungshandlung hinsichtlich eines Verhaltens vorgenommen worden ist, das sich dem Tatbestand dieser Verwaltungsübertretung unterstellen läßt (siehe z.B. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. April 1964, Zl. 496/63). Mit anderen Worten bedeutet dies, daß eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung unterbricht, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente bezogen hat. Diese Voraussetzung erfüllt im vorliegenden Fall zweifellos die Strafverfügung vom 5. November 1974 nicht, weil zu den dort bereits vorhandenen Sachverhaltselementen in der Folge noch weitere wesentliche Sachverhaltselemente hinzugekommen sind. Anders wäre es, wenn die belangte Behörde denselben Sachverhalt nur einer anderen gesetzlichen Bestimmung unterstellt hätte, weil eine Verfolgungshandlung sich auf die Tat selbst, nicht aber auf deren rechtliche Wertung bezieht. Die Strafverfügung vom 5. November 1974 stellt daher keine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG 1950 hinsichtlich der dem Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid zur Last gelegten Tat des § 99 Abs. 3 KFG 1967 dar. Hinsichtlich dieser Tat ist daher Verfolgungsverjährung eingetreten. Die dennoch erfolgte Bestrafung des Beschwerdeführers war daher rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid war schon aus diesem Grunde - ohne daß auf das Beschwerdevorbringen überhaupt einzugehen gewesen wäre - gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über die Kosten im begehrten Umfang gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 31. Oktober 1977, BGBl. Nr. 542/1977.
Wien, am 19. Oktober 1978
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1978:1975001664.X00Im RIS seit
04.12.2020Zuletzt aktualisiert am
04.12.2020