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StVONorm
StVO 1960 §52 lita Z1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Degischer, Dr. Domittner und Dr. Dorner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Engele, über die Beschwerde des Dr. EW, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. Jänner 1982, Zl. MA 70-IX/W 323/81/Str., betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nachdem eine gegen den Beschwerdeführer erlassene Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien infolge rechtzeitigen Einspruches außer Kraft getreten war, erging das Straferkenntnis der genannten Behörde vom 12. Oktober 1981, mit welchem der Beschwerdeführer für schuldig befunden worden ist, er habe am 11. Juni 1981 um 14.39 Uhr den dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in Wien I, Michaelerplatz - Herrengasse, gelenkt und „dabei das Vorschriftszeichen ‚Allgemeines Fahrverbot‘ nicht beachtet.“ Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § „52/1“ StVO 1960 begangen, weshalb über ihn in Anwendung des § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von S 500,-- (Ersatzarreststrafe 25 Stunden) verhängt worden ist.
In der Begründung dieses Straferkenntnisses berief sich die Behörde auf die Angaben in der Anzeige des Meldungslegers sowie das Geständnis des Beschwerdeführers, und meinte in Erwiderung auf dessen Vorbringen, er sei als dänischer Honorarkonsul unterwegs gewesen und „daher der Strafbarkeit der österreichischen Verwaltungsbehörde entzogen“, daß der Beschwerdeführer als österreichischer Staatsbürger für Verwaltungsübertretungen unbeschadet seiner Eigenschaft als Honorarkonsul von der Strafbarkeit nicht ausgenommen sei.
In der gegen dieses Straferkenntnis rechtzeitig eingebrachten Berufung machte der Beschwerdeführer neuerlich geltend, er habe die von ihm zugegebene Verwaltungsübertretung in Wahrnehmung seiner Aufgaben als Honorarkonsul begangen, wobei er sich auf der Fahrt in die königlich dänische Botschaft in Wien, Führichgasse, befunden habe und daher wegen dieser in Wahrnehmung seiner konsularischen Aufgaben durchgeführten Fahrt im Hinblick auf Art. 43 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen Immunität genieße.
Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. Jänner 1982 wurde auf Grund dieses Rechtsmittels das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, vom 12. Oktober 1981 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 „hinsichtlich der Strafzumessung und der Kostenentscheidung vollinhaltlich und in der Schuldfrage mit der Abänderung bestätigt, daß als Übertretungsnorm § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 52 Zif. 1 StVO 1960 zu zitieren ist“.
Entsprechend der Begründung ihres Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß das Fahrverbot vom Beschwerdeführer nicht beachtet worden und er österreichischer Staatsbürger sowie dänischer Honorarkonsul sei. Gemäß Art. 43 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen seien Konsuln sowie Bedienstete des Verwaltungs- oder technischen Personals in bezug auf die von ihnen in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben gesetzten Handlungen der Jurisdiktion der Gerichts- und Verwaltungsbehörden des Empfangsstaates nicht unterworfen. Außer dieser vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Bestimmung sei im vorliegenden Fall aber auch der Art. 71 Abs. 1 erster Satz des zitierten Übereinkommens heranzuziehen, demzufolge Konsuln, die Angehörige des Empfangsstaates oder dort ansässig seien, soweit der Empfangsstaatnicht zusätzliche Erleichterungen, Vorrechte und Immunitäten gewähre, lediglich Immunität von der Gerichtsbarkeit und persönliche Unverletzlichkeit in bezug auf ihre in Wahrnehmung ihrer Aufgaben vorgenommenen Amtshandlungen sowie das in Art. 44 Abs. 3 vorgesehene Vorrecht genießen. Das im Art. 44 Abs. 3 angeführte Vorrecht erstrecke sich auf die Zeugnispflicht. Nach dieser Rechtslage sei somit die Strafbarkeit des inkriminierten Deliktes beim Beschwerdeführer gegeben, da nicht erkennbar sei, daß der Beschwerdeführer als Angehöriger des Empfangsstaates, somit als Österreicher, überhaupt eine Amtshandlung gesetzt habe, die ihn in den Genuß der Immunität gebracht habe. Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Einwand, er habe nicht den zitierten Art. 71, sondern den Art. 43 Abs. 1 des bewußten Übereinkommens in Anspruch genommen, sei insofern unbeachtlich, da es nicht darauf ankomme, welche Bestimmung der Beschwerdeführer habe in Anspruch nehmen wollen, sondern, welche Bestimmung auf Grund der gegebenen Voraussetzungen auf ihn anzuwenden gewesen sei. Da der vom Beschwerdeführer eingewandte Schutz einer Immunität somit hinsichtlich des gegenständlichen Deliktes nicht eingetreten sei, sei er für die von ihm begangene und eingestandene Verwaltungsübertretung strafbar gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer macht der belangten Behörde den Vorwurf, gegen Art. 43 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen verstoßen zu haben, weil sie davon ausgegangen sei, daß „diese Immunität nur im Bezug auf die in Wahrnehmung“ seiner „Aufgaben als Konsul vorgenommenen Amtshandlungen zukomme“. Damit werde der Inhalt dieser Bestimmung insofern verletzt, als im Text derselben von Amtshandlungen keine Rede sei, sondern lediglich von Handlungen gesprochen werde, die in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben gesetzt werden. Als eine derartige Handlung sei bei richtiger Anwendung dieser Bestimmung auch die Fahrt des Beschwerdeführers in seiner Eigenschaft als Konsul mit dem in Rede stehenden Pkw zur königlich dänischen Botschaft in der Führichgasse in Wien zu verstehen.
Zu diesem Vorbringen ist nachstehendes zu bemerken:
Der Beschwerdeführer war nach der Aktenlage zur Tatzeit dänischer Honorarkonsul und im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft.
Zufolge des ersten Satzes des Art. 71 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen, BGBl. Nr. 318/1969, welches entsprechend der Kundmachung BGBl. Nr. 312/1974 auch für Dänemark gilt, genießen Konsuln, die Angehörige des Empfangsstaates oder dort ständig ansässig sind, soweit der Empfangsstaat nicht zusätzliche Erleichterungen, Vorrechte und Immunitäten gewährt, lediglich Immunität von der Gerichtsbarkeit und persönliche Unverletzlichkeit in bezug auf ihre in Wahrnehmung ihrer Aufgaben vorgenommenen Amtshandlungen.
Auf Grund des Umstandes, daß der Beschwerdeführer zur Zeit der Begehung der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung im Hinblick auf seine österreichische Staatsbürgerschaft als Angehöriger des Empfangsstaates anzusehen war, finden die von ihm ins Treffen geführten Bestimmungen des Art. 43 Abs. 1 des gegenständlichen Übereinkommens ungeachtet dessen Art. 58 Abs. 2, wonach ausdrücklich davon die Rede ist, daß „die Artikel ... 43 ... für Honorarkonsuln gelten“, keine Anwendung, weil der im Kapitel IV („Allgemeine Bestimmungen“) des Übereinkommens enthaltene Art. 71 als eine Sonderregelung für jene Fälle geschaffen worden ist, in welchen Konsuln Angehörige des Empfangsstaates sind, wobei noch darauf hinzuweisen ist, daß die Konsuln zufolge Art. 1 Abs. 2 des zitierten Übereinkommens in Berufskonsuln und Honorarkonsuln eingeteilt sind, sodaß der im Art. 71 gebrauchte Ausdruck „Konsuln“ auch die Honorarkonsuln umfaßt. Der Beschwerdeführer kann sich daher nicht auf Art. 43 Abs. 1 des in Rede stehenden Übereinkommens berufen, weshalb zu prüfen ist, ob die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, daß sich aus Art. 71 Abs. 1 erster Satz des Übereinkommens keine Straflosigkeit des Beschwerdeführers bezüglich der vorliegenden Verwaltungsübertretung ergibt.
Eine Straflosigkeit des Beschwerdeführers wäre dann anzunehmen, wenn seine in Rede stehende Pkw-Fahrt entsprechend dem schon zitierten Wortlaut der letztgenannten Bestimmung als eine in Wahrnehmung seiner - konsularischen - Aufgaben vorgenommene Amtshandlung zu qualifizieren. wäre. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, daß dem Lenken eines Pkw durch einen Konsul grundsätzlich nicht der Charakter einer in Wahrnehmung seiner Aufgaben vorgenommenen Amtshandlung zukommen kann, weil eine solche Tätigkeit nicht zu den im Art. 5 des Übereinkommens umschriebenen konsularischen Aufgaben zählt. Wenngleich das Lenken eines Fahrzeuges durch einen Konsul eine der Möglichkeiten darstellt, ihn an den Ort der Ausübung seiner konsularischen Tätigkeit zu bringen, so ist deshalb noch nicht die Schlußfolgerung gerechtfertigt, daß auch das Lenken des Fahrzeuges selbst bereits notwendigerweise zu einer Amtshandlung des Konsuls werden muß. Auch wenn man einräumen wollte, daß eine andere Betrachtungsweise geboten erscheint, wenn das Lenken eines Pkw auf einer bestimmten, für den Fahrzeugverkehr kraft einer generellen behördlichen Anordnung gesperrten Verkehrsfläche für den Konsul die einzige Möglichkeit darstellt, einer konkreten konsularischen Aufgabe wirksam nachzukommen, so wäre damit für den Standpunkt des Beschwerdeführers schon deshalb nichts gewonnen, weil er nicht für sich in Anspruch nehmen kann, daß er das von ihm angegebene Fahrtziel, zu welchem er sich in seiner Eigenschaft als Konsul begeben wollte, zur Tatzeit nur unter Mißachtung des im Tatortbereich bestandenen Fahrverbotes erreichen konnte.
Im übrigen scheint der Beschwerdeführer zu übersehen, daß zwischen dem Wortlaut der von ihm - unrichtigerweise - ins Treffen geführten Bestimmung des Art. 43 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen und dessen Art. 71 Abs. 1 insofern ein wesentlicher Unterschied besteht, als in der erstgenannten Bestimmung von den in bezug auf die von den Konsuln „in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben gesetzten Handlungen“ die Rede ist, während im Art. 71 Abs. 1 die „in bezug auf ihre in Wahrnehmung ihrer Aufgaben vorgenommenen Amtshandlungen“ erwähnt werden. Die auf den Beschwerdeführer anwendbare Bestimmung des Art. 71 Abs. 1 des Übereinkommens spricht also von „Amtshandlungen“ und - im Gegensatz zu Art. 43 Abs. 1 des Übereinkommens - nicht von „Handlungen“, weshalb die belangte Behörde entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers mit Recht die Frage geprüft hat, ob der im Beschwerdefall relevanten Handlung des Beschwerdeführers - das Lenken eines- der Charakter einer Amtshandlung zukommt.
Da die belangte Behörde diese Frage nach Auffassung des Gerichtshofes zutreffenderweise verneint und der Beschwerdeführer das Vorliegen der Tatbestandselemente der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht bestritten hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen, wobei noch darauf hingewiesen wird, daß die Voraussetzungen für eine Verstärkung des Senates im Sinne des § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG 1965 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 203/1982 im Hinblick auf das denselben Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 11. September 1979, Zl. 989/79, nicht gegeben waren, weil sich im Vorerkenntnis die Frage der Anwendung des Art. 71 des in Rede stehenden Übereinkommens nicht gestellt hat und demgemäß auch nicht geprüft worden ist, ob das Lenken eines Fahrzeuges durch einen Honorarkonsul, der Angehöriger des Empfangsstaates oder dort ständig ansässig ist, als Amtshandlung zu qualifizieren ist.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 316/1976 in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am 18. Juni 1982
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1982:1982020019.X00Im RIS seit
03.12.2020Zuletzt aktualisiert am
03.12.2020