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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des H A, vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof und Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Juli 2020, G305 2190135-1/9E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 25. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit einer drohenden Zwangsrekrutierung durch die schiitische Saraya as-Salam Miliz begründete.
2 Mit Bescheid vom 16. Februar 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag vollinhaltlich ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung in den Irak fest und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, dem Revisionswerber sei es nicht gelungen, eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen.
5 Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, dass das BVwG ungeachtet entsprechender Beweisanträge des Revisionswerbers keinen Sachverständigen zur Überprüfung der Echtheit der vorgelegten Rekrutierungsschreiben sowie der Lage vor Ort bestellt habe. Außerdem sei das Parteiengehör nicht gewahrt worden, weil das BVwG dem Revisionswerber einen im Erkenntnis verwerteten, erst nach der Verhandlung in das Verfahren eingeführten Länderbericht nicht zur Stellungnahme übermittelt habe, obwohl dieser von den Länderberichten, die dem Bescheid des BFA zu Grunde gelegt worden seien, abweiche.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Asylstatus zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche „Vorverfolgung“ für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person im Zeitpunkt der Entscheidung (hier: des Verwaltungsgerichts) bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 3.5.2016, Ra 2015/18/0212, mwN; zuletzt etwa VwGH 12.6.2020, Ra 2019/18/0440).
11 Im vorliegenden Fall hat der Revisionswerber Zwangsrekrutierungsversuche der schiitischen Miliz gegen seine Person behauptet und dafür angeblich von der Miliz stammende Schreiben vorgelegt. Sofern die Revision zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das BVwG hätte die vorgelegten Rekrutierungsschreiben - wie vom Revisionswerber beantragt - auf ihre Echtheit und Richtigkeit überprüfen lassen müssen, was in vorgreifender Beweiswürdigung nicht geschehen sei, ist ihr zu entgegnen, dass das BVwG zwar die Authentizität der Schreiben ohne Durchführung der beantragten Beweise in Zweifel gezogen hat (und insoweit eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung vorliegen könnte), gleichzeitig aber eine aktuell (noch) drohende Zwangsrekrutierung durch die schiitische Miliz in erster Linie auf den durch einen Länderbericht vom März 2020 belegten Umstand gestützt verneinte, dass Rekrutierungen durch solche Milizen (nunmehr) ausschließlich auf freiwilliger Basis erfolgen würden. Ausgehend davon kommt es auf die Echtheit der vorgelegten Urkunden nicht (mehr) an. In der Unterlassung der beantragten Beweisaufnahme über die Echtheit der vorgelegten Urkunden liegt daher nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa VwGH 20.1.2020, Ra 2020/18/0008, mwN) kein relevanter Verfahrensmangel, zumal die Revision auch nicht aufzeigt, dass und aus welchen Gründen der Revisionswerber ungeachtet der vom BVwG schlüssig verneinten aktuellen Rekrutierungsgefahr weiter verfolgt werden sollte.
12 Was die gerügte Unterlassung der Bestellung eines länderkundlichen Sachverständigen zur Lage vor Ort betrifft, legt die Revision in keiner Weise dar, welche fachkundigen Schlussfolgerungen erforderlich wären, die nur ein Sachverständiger zu ziehen in der Lage wäre (vgl. abermals VwGH 20.1.2020, Ra 2020/18/0008), sodass auch die Notwendigkeit dieser Sachverständigenbeiziehung im Sinne des § 52 Abs. 1 AVG nicht dargetan wird.
13 Dem Vorbringen der Verletzung des Parteiengehörs hinsichtlich des Länderberichtes vom März 2020 ist zu erwidern, dass die von der Revision behauptete inhaltliche Abweichung zwischen dem vom BVwG verwendeten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand vom 17. März 2020 und dem im Bescheid des BFA herangezogenen Länderinformationsblatt mit Stand vom 16. Februar 2018 nicht vorliegt, weil bereits aus letzterem hervorging, dass die Milizen im Irak aufgrund des freiwilligen Zulaufs nicht auf Zwangsrekrutierungen angewiesen seien und nur in vereinzelten Fällen von Zwangsrekrutierungen berichtet worden sei, was sich mit dem vom BVwG zu Grunde gelegten neueren Länderbericht deckt.
14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 4. November 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180389.L00Im RIS seit
04.01.2021Zuletzt aktualisiert am
04.01.2021