TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/12 96/19/0281

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Veröffentlicht am 12.09.1997
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §2 Abs1;
AufG 1992 §3;
AufG 1992 §4 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1993 §7 Abs3;
MRK Art8;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M R in Wien,

geboren 1971, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Dr. Johann Stöhr, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilferstraße 17/14, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. August 1995, Zl. 110.381/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. August 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes" (AufG) abgewiesen. Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, gemäß § 5 Abs. 2 AufG dürfe eine Bewilligung zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nur erteilt werden, wenn die nach dem beabsichtigten Aufenthalt zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice auf Anfrage durch die gemäß § 6 AufG zuständige Behörde festgestellt hat, daß im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes keine Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung bestehen.

Die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice habe am 5. August 1994 die Unbedenklichkeit für die vom Beschwerdeführer angestrebte Beschäftigung im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes nicht bestätigt, woraus sich für die belangte Behörde "die gesetzliche Verpflichtung" ergeben habe, den Antrag des Beschwerdeführers abzulehnen.

Selbst wenn im gegebenen Fall eine Ermessensentscheidung zulässig gewesen wäre, hätte die Behörde zu keinem anderen Ergebnis gelangen können, denn es seien vom Beschwerdeführer keine nennenswerten persönlichen Interessen vorgebracht worden, die eine Entscheidung zu seinen Gunsten hätten herbeiführen können.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Der hier zu beurteilende Fall gleicht in den entscheidungswesentlichen Punkten (Anfrage an die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice und deren formularmäßige Antwort, daß die Unbedenklichkeit für die gewählte Berufsgruppe nicht bestätigt werde; allein darauf verweisende Begründung des Bescheides der belangten Behörde) demjenigen, den der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/2159, zu beurteilen hatte. Aus den dort näher dargelegten Gründen war daher der belangten Behörde insoweit, als sie ihren Bescheid auf § 5 Abs. 2 stützte, ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 iVm § 67 AVG zur Last zu legen.

Die belangte Behörde hat in ihre Bescheidbegründung allerdings auch eine Feststellung derart einbezogen, daß sie zu keinem anderen Ergebnis hätte gelangen können, selbst wenn im gegebenen Fall eine Ermessensentscheidung zulässig gewesen wäre, weil vom Beschwerdeführer "keine nennenswerten persönlichen Interessen vorgebracht" worden wären, die eine Entscheidung zu seinen Gunsten herbeiführen hätten können.

Im Hinblick darauf, daß § 4 Abs. 1 AufG im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht erwähnt ist, und nach dem Aufbau der dem Spruch des angefochtenen Bescheides tragenden Begründung ist davon auszugehen, daß die belangte Behörde ungeachtet der oben wiedergebenen Ausführungen keine eigenständige Ermessensentscheidung im Sinne des § 4 Abs. 1 AufG getroffen hat, sondern sich ausschließlich auf § 5 Abs. 2 AufG gestützt hat. An der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides würde sich jedoch auch andernfalls nichts ändern. Der Bescheid würde jedenfalls nicht den Kriterien einer Ermessensentscheidung genügen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wären bei einer Ermessensentscheidung gemäß § 4 Abs. 1 erster Satz AufG die heranzuziehenden persönlichen Verhältnisse und die dadurch begründeten Interessen des Fremden an der Erteilung einer Bewilligung, soweit sie nicht schon aus den Gründen des Art. 8 MRK (oder des § 3 AufG) der Versagung der Bewilligung entgegenstehen, den in § 2 Abs. 1 AufG umschriebenen besonderen Verhältnissen im Land des beabsichtigten Aufenthaltes gegenüberzustellen. Ergibt diese Abwägung infolge der Geringfügigkeit der für die Erteilung sprechenden persönlichen Interessen des Antragstellers, daß die sich aus der Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse im Land des beabsichtigten Aufenthaltes ergebenden öffentlichen Interessen an einer Verweigerung der Bewilligung überwiegen, so darf eine auf § 4 Abs. 1 AufG gestützte abweisende Entscheidung ergehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/2024). Da der angefochtene Bescheid nicht anführt, von welchen persönlichen Interessen die belangte Behörde ausgeht und auch nicht erkennen läßt, welche öffentlichen Interessen an einer Verweigerung der Bewilligung diesen gegenüberstehen, läge der belangten Behörde jedenfalls ein formeller Ermessensfehler zu Last, der die Überprüfung des Bescheide durch den Verwaltungsgerichtshof darauf, ob die Behörde ihr Ermessen im Sinne des Gesetzes ausgeübt hat, hinderte.

Der Bescheid der belangten Behörde war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm Art. I der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ersatz für Stempelgebühren war allerdings nicht zuzusprechen, weil der Beschwerdeführer aufgrund der ihm gewährten Verfahrenshilfe von ihrer Entrichtung befreit war.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Ermessensentscheidungen Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996190281.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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