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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
ApG 1907 §10 Abs6aBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wurzer, über die Revision der R G in D, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 12. Juni 2020, Zl. LVwG 48.30-101/2020-12, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 12. Juni 2020 wurde - im Beschwerdeverfahren - der Antrag der Revisionswerberin auf Erteilung einer Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in D. abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
4 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „zum COVID-19 Rechtsrahmen im Zusammenhang mit § 10 Abs. 6a“ Apothekengesetz (ApG). Der Verwaltungsgerichtshof habe sich bisher nicht mit der Frage auseinandergesetzt, „ob die Eröffnung einer öffentlichen Apotheke im Umfeld eines Krankenhauses und von Drogerie- und Lebensmittelmärkten, die allesamt systemrelevante Betriebe im Sinne des Epidemierechts darstellen, aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse im Sinne des § 10 Abs 6a ApG im Interesse der Bevölkerung an einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung geboten“ sei. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes gehe es nicht um die Bewerkstelligung einer bequemeren Arzneimittelversorgung der Bevölkerung, sondern darum, ob es im Sinne des § 10 Abs. 6a ApG im Interesse der Bevölkerung gelegen sei, dass durch die neu angesuchte Apotheke „eine im epidemologischen Sinn sicherere Arzneimittelversorgung bzw. die epidemologisch gebotene Verringerung des bei der Arzneimittelversorgung bestehenden Gesundheitsrisikos der Bevölkerung verwirklicht“ werde. Es gehe nicht darum, ob die angesuchte Apotheke bequemere Versorgungswege für die Bevölkerung biete, sondern „ob sie aus epidemologischer Sicht geboten“ sei.
6 In weiterer Folge nimmt die Revisionswerberin - unter Bezugnahme auf die aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes ergangenen Verordnungen des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz BGBl. II Nr. 96/2020 und 98/2020 - im Wesentlichen den Standpunkt ein, als systemrelevante Infrastruktur hätten Apotheken auch in Zeiten einer Pandemie offen zu halten. Allerdings hätten „die Wege von und zu den öffentlichen Apotheken möglichst kurz zu sein“ und es sei „insbesondere auch das Anstehen vor der Apotheke zur Arzneimitteleindeckung ... zu vermeiden, um das damit einhergehende Infektionsrisiko im öffentlichen Raum bestmöglich zu minimieren“. Die Eröffnung der von der Revisionswerberin angesuchten Apotheke im unmittelbaren Einzugsbereich eines näher genannten Krankenhauses würde bedeuten, dass jene Risikopersonen, die dieses Krankenhaus frequentierten, neben der bestehenden C. Apotheke eine weitere Apotheke zur Verfügung stünde. Dies bedeute nicht nur einen verkürzten Versorgungsweg, sondern insbesondere auch eine alternative Versorgung und damit eine Verringerung des Anstehens vor der Apotheke, denn die Neueröffnung der angesuchten Apotheke bedeute zugleich auch eine Verkürzung der Warteschlange vor der bestehenden C. Apotheke. Aus epidemologischer Sicht bedeute all dies eine Minimierung des Risikos der Virenverbreitung.
7 Mit diesen Ausführungen wird keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt:
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich - wie vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis ausführlich wiedergegeben - im Erkenntnis vom 8. August 2018, Ra 2017/10/0103, eingehend mit der Bestimmung des § 10 Abs. 6a ApG auseinandergesetzt und ausgeführt, unter Berücksichtigung welcher Kriterien das Vorliegen maßgeblicher „besonderer örtlicher Verhältnisse“ im Sinne des § 10 Abs. 6a leg. cit. im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu beurteilen ist (vgl. dazu auch VwGH 27.9.2018, Ra 2017/10/0069; 24.10.2018, Ra 2018/10/0049; 18.12.2018, Ra 2018/10/0176-0177). Dass das Verwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, wird in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision nicht geltend gemacht.
9 Das ApG wurde zuletzt mit dem 2. COVID-19-Gesetz, BGBl. I Nr. 16/2020, und dem 16. COVID-19-Gesetz, BGBl. I Nr. 43/2020, geändert. Dabei wurde § 8 ApG dahin ergänzt, dass die Bezirksverwaltungsbehörde durch Verordnung oder auf Antrag für einen begrenzten Zeitraum abweichende Regelungen über Betriebszeiten und Notfallbereitschaften vorsehen kann, wenn es aufgrund von Krisensituationen erforderlich ist (§ 8 Abs. 9 leg. cit.). Weiters wurde eine Bestimmung über Militärapotheken in das ApG aufgenommen (§ 66a leg. cit.). Sonstige Änderungen des ApG - insbesondere im Bereich der Bedarfsprüfung nach § 10 leg. cit. - hat der Gesetzgeber mit den genannten COVID-19-Gesetzen hingegen nicht vorgenommen.
10 Die dem oben wiedergegebenen Zulässigkeitsvorbringen zugrunde liegende Annahme, es sei bei der Beurteilung nach § 10 Abs. 6a ApG auf eine - von der Revisionswerberin als „aus epidemologischer Sicht geboten“ angesehene und offenbar durch eine Vermehrung von Apotheken generell herbeigeführte - „Verkürzung von Versorgungswegen“ bzw. „Verringerung des Anstehens vor Apotheken“ zumindest „im Umfeld eines Krankenhauses und von Drogerie- und Lebensmittelmärkten“ abzustellen, entbehrt daher einer gesetzlichen Grundlage. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin kann keine Rede davon sein, dass eine derartige, auf eine Änderung der bestehenden Kriterien nach § 10 Abs. 6a ApG hinauslaufende Beurteilung ohne Änderung der gesetzlichen Grundlage zu erfolgen hätte. Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen aber klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 20.12.2019, Ra 2019/10/0124; 2.8.2019, Ra 2019/10/0099; 4.7.2018, Ra 2017/10/0199, 0200).
11 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 5. November 2020
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020100105.L00Im RIS seit
21.12.2020Zuletzt aktualisiert am
21.12.2020