TE Vwgh Erkenntnis 2020/11/5 Ra 2019/10/0001

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Veröffentlicht am 05.11.2020
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3R E15202000
E3R E15203000
E3R E15204000
E3R E15300000
E6J
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
82/05 Lebensmittelrecht

Norm

EU-QuaDG 2016 §18 Abs1 Z2 litc idF 2017/I/078
EURallg
LMSVG 2006 Anl
LMSVG 2006 §36 Abs2
LMSVG 2006 §36 Abs3
LMSVG 2006 §90 Abs1 Z3
VStG §44a Z2
VStG §44a Z3
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §52 Abs1
32007R0834 LebensmittelkennzeichnungsV ökologischer Landbau
32008R0889 LebensmittelkennzeichnungsDV ökologischer Landbau AnhII
32008R0889 LebensmittelkennzeichnungsDV ökologischer Landbau Art5
32011R1169 Verbraucherinformation Lebensmittel Art7 Abs1
62001CJ0276 Steffensen VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wurzer, über die Revision des C W in G, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 22. Oktober 2018, Zl. 405-10/570/1/10-2018, betreffend Übertretung nach dem LMSVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 28. Mai 2018 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der B GmbH in G zu verantworten, dass dieses Unternehmen - wie anlässlich einer Kontrolle am 10. November 2017 festgestellt - die Ware „Bio Leinsamen Ganz“ (mit näher genannter Chargennummer) am 24. Oktober 2017 an das Zentrallager MHA R M HandelsgmbH in U ausgeliefert und damit in Verkehr gesetzt habe, obwohl das Produkt nicht „den Festlegungen“ des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (LMSVG), der EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIVO) und der Verordnung mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung des Rates über die ökologische/biologische Produktion und Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen hinsichtlich der ökologischen/biologischen Produktion, Kennzeichnung und Kontrolle entspreche. Im Einzelnen bestünden folgende Mängel:

1. In Art. 5 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 889/2008 sei klar festgelegt, dass die Verwendung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel im Sinne dieser Verordnung nicht erlaubt sei. Von diesem Verbot ausgenommen seien die in Anhang II der Verordnung gelisteten Wirkstoffe. Die Anwendung von Glyphosat (Breitbandherbizid) sei im ökologischen Landbau nicht zulässig. Die vorliegende Probe enthalte den Pflanzenschutzmittel-Rückstand Glyphosat im Ausmaß von 0,058 (+/- 0,029) mg/kg.

2. Gemäß Art. 7 Abs.1 der LMIVO dürften Informationen über Lebensmittel in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung nicht irreführend sein: Das gegenständliche Produkt werde mit der Auslobung „aus biologischer Landwirtschaft“ in Verkehr gebracht. Aufgrund des Nachweises von Glyphosat widerspreche dies der allgemeinen Verkehrsauffassung und der berechtigten Verbrauchererwartung.

Der Revisionswerber habe dadurch folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

1. Übertretung gemäß § 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG iVm Art. 5 und Anhang II der VO (EG) Nr. 889/2008,

2. Übertretung gemäß § 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG iVm Art. 7 der VO (EU) Nr. 1169/2011,

weshalb über ihn gemäß § 90 Abs. 3 LMSVG zu 1. eine Geldstrafe in Höhe von € 450,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 108 Stunden) sowie zu 2. eine Geldstrafe in Höhe von € 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) verhängt werde.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg (Verwaltungsgericht) wurde die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde gemäß § 50 VwGVG als unbegründet abgewiesen (I.). Weiters wurde dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von € 130,-- auferlegt (II.) und ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (III.).

3        Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit das zur Vertretung nach außen berufene Organ der B GmbH in G. Anlässlich einer Kontrolle der MA 59 des Amtes der Wiener Landesregierung sei von Herrn Ing. DI (FH) E am 10. November 2017 eine Probe der Ware „Leinsamen Ganz“ bei der MHA HandelsgmbH in W gezogen worden. Zum Zeitpunkt der Probenentnahme seien zwei Packungen dieses Produkts vorhanden gewesen, bei der Probenziehung sei keine Gegenprobe hinterlassen worden. Die entnommene Probe enthalte - laut Gutachten der AGES vom 14. Dezember 2017 - den Pflanzenschutzmittel-Rückstand Glyphosat im Ausmaß von 0,058 (+/- 0,029) mg/kg.

4        Im Betrieb des Revisionswerbers bestehe [ein näher dargestelltes] Kontrollsystem, das sich auf mehrere Säulen stütze.

5        Gemäß Art. 5 der VO (EG) Nr. 889/2008 dürften, soweit Pflanzen durch die Maßnahmen gemäß Art. 12 Abs. 1 lit a, b, c und g der VO (EG) Nr. 834/2007 nicht angemessen vor Schädlingen und Krankheiten geschützt werden könnten, für die ökologische/biologische Produktion nur die in Anhang II der Verordnung genannten Mittel verwendet werden.

6        Nach dem Zutreffen der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen sei dem Revisionswerber die Übertretung des § 90 Abs. 1 Z 3 LMSVG auch subjektiv zuzurechnen, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schlichtes Vertrauen darauf, dass im Betrieb ein entsprechendes Kontrollsystem eingerichtet sei, den Revisionswerber nicht entlaste. Der Umstand, dass das von der AGES beprobte Produkt einen erhöhten Glyphosat-Wert aufgewiesen habe, belege eindeutig, dass das Kontrollsystem im konkreten Fall versagt habe.

7        Gemäß § 36 Abs. 3 LMSVG sei, wenn eine Teilung der entnommenen Probe ihrer Natur nach nicht möglich sei, die Probe ohne vorherige Teilung als amtliche Probe der Untersuchung zuzuführen. Daraus ergebe sich, dass bei einer Probenziehung von Lebensmittelaufsichtsorganen nicht zwingend eine Gegenprobe zurück zu lassen sei, weshalb - entgegen dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen - darin auch keine Verletzung des Art. 6 EMRK erblickt werden könne.

8        Im Weiteren begründete das Verwaltungsgericht die Strafbemessung.

9        Den Ausspruch nach § 25a Abs.1 VwGG begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit einem Verweis auf Art. 133 Abs. 4 B-VG.

10       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

11       Das Verwaltungsgericht legte die Akten des Verfahrens vor. In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren erstattete die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung, in der lediglich auf das erstinstanzliche Straferkenntnis sowie auf das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichts verwiesen wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12       Das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, BGBl. I Nr. 13/2006 idF BGBl. I Nr. 51/2017 (LMSVG), lautet auszugsweise:

„Begriffsbestimmungen

§ 3. Für dieses Bundesgesetz gelten folgende Begriffsbestimmungen:

...

9.   Inverkehrbringen: Inverkehrbringen gemäß Art. 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. ...

Vollziehung von Verordnungen der Europäischen Union

§ 4. (1) Die in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Union sind samt Änderungsrechtsakten, delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu vollziehen.

...

Probenahme

§ 36. (1) Die Aufsichtsorgane können Proben von Waren einschließlich ihrer Werbemittel, Etiketten und Verpackungen entnehmen.

(2) Die entnommene Probe ist, soweit dies ihrer Natur nach möglich ist und dadurch nicht ihre einwandfreie Beurteilung bei der Untersuchung und Begutachtung vereitelt wird oder im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, in drei annähernd gleiche Teile zu teilen; hernach ist jeder Teil zweckentsprechend zu verpacken und zu versiegeln. Ein Teil der Probe wird als amtliche Probe der Untersuchung und Begutachtung zugeführt. Die restlichen Teile sind im Unternehmen als Gegenproben zurückzulassen. Der Unternehmer ist berechtigt, im Beisein des Aufsichtsorgans auf jeder Verpackung der Teile Angaben über das Unternehmen (Firmenstempel u. dgl.) anzubringen. Er ist über Lagerfrist und -bedingungen im Sinne des Abs. 8 zu informieren.

(3) Ist eine Teilung der entnommenen Probe ihrer Natur nach nicht möglich, so ist die Probe ohne vorherige Teilung als amtliche Probe der Untersuchung zuzuführen. Sind noch augenscheinlich gleiche Einheiten der Ware vorhanden, so ist eine ausreichende Zahl der Einheiten zu entnehmen und dem Unternehmer amtlich verschlossen als Gegenproben zurückzulassen.

...

2. Abschnitt

Verwaltungsstrafbestimmungen

Tatbestände

§ 90. (1) ...

...

(3) Wer

1. den in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Union samt Änderungsrechtsakten, delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten oder den näheren Vorschriften zur Durchführung dieser Rechtsakte gemäß § 4 Abs. 3 oder § 15 zuwiderhandelt,

...

begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 100 000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

...

Anlage

Verordnungen der Europäischen Union gemäß § 4 Abs. 1

Teil 1

...

32. Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission (ABl. Nr. L 304 vom 22. November 2011) [im Folgenden LMIVO];

...“

13       Artikel 7 LMIVO lautet auszugsweise:

Artikel 7

Lauterkeit der Informationspraxis

(1) Informationen über Lebensmittel dürfen nicht irreführend sein, insbesondere

a)   in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung;

b)   indem dem Lebensmittel Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die es nicht besitzt;

c)   indem zu verstehen gegeben wird, dass sich das Lebensmittel durch besondere Merkmale auszeichnet, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Merkmale aufweisen, insbesondere durch besondere Hervorhebung des Vorhandenseins oder Nicht-Vorhandenseins bestimmter Zutaten und/oder Nährstoffe;

d)   indem durch das Aussehen, die Bezeichnung oder bildliche Darstellungen das Vorhandensein eines bestimmten Lebensmittels oder einer Zutat suggeriert wird, obwohl tatsächlich in dem Lebensmittel ein von Natur aus vorhandener Bestandteil oder eine normalerweise in diesem Lebensmittel verwendete Zutat durch einen anderen Bestandteil oder eine andere Zutat ersetzt wurde;

(2) Informationen über Lebensmittel müssen zutreffend, klar und für die Verbraucher leicht verständlich sein.

(3) ...

(4) Die Absätze 1, 2 und 3 gelten auch für

a)   die Werbung;

b)   die Aufmachung von Lebensmitteln, insbesondere für ihre Form, ihr Aussehen oder ihre Verpackung, die verwendeten Verpackungsmaterialien, die Art ihrer Anordnung und den Rahmen ihrer Darbietung.“

14       Die Revision bringt zur Zulässigkeit vor,

a) das Landesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des EuGH (10.4.2003, Steffensen, C-276/01) abgewichen. Diese Rechtsprechung habe die Ausgestaltung des § 36 Abs. 2 LMSVG maßgeblich beeinflusst. Eine - allein auf eine Probennahme gestützte - „strafrechtliche Verurteilung“ ohne Zurücklassung einer Gegenprobe stelle demnach eine Verletzung im Recht auf Einholung eines Gegengutachtens und sohin eine Verletzung des Art. 6 EMRK dar. Das Verwaltungsgericht habe sich mit den vom Revisionswerber vorgelegten Privatgutachten (zur Frage des Glyphosatgehalts) nicht auseinander gesetzt;

b) eine Bestrafung des Revisionswerbers nach § 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG in Verbindung mit Art. 5 VO (EG) 889/2008 komme im Übrigen schon deshalb nicht in Frage, weil die genannte Verordnung in der Anlage zum LMSVG nicht angeführt sei.

15       Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.

Ad a):

16       § 36 Abs. 2 LMSVG sieht als Regelfall die Teilung der entnommenen Warenproben in drei annähernd gleiche Teile vor, wobei ein Teil als amtliche Probe der Untersuchung und Begutachtung zuzuführen ist und die (beiden) restlichen Teile im Unternehmen als Gegenprobe zurückzulassen sind.

17       Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist die Zuführung der Probe zur Untersuchung ohne vorherige Teilung nur dann zulässig, wenn die Teilung der entnommenen Probe ihrer Natur nach nicht möglich ist.

18       Im Revisionsfall wurde unstrittig keine Gegenprobe im gegenständlichen Unternehmen zurückgelassen. Dass die hiefür erforderliche Voraussetzung, nämlich die Unteilbarkeit der Probe ihrer Natur nach, vorgelegen wäre, lässt sich den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses nicht entnehmen. Das Verwaltungsgericht leitet aus § 36 Abs. 3 LMSVG vielmehr ab, dass „bei einer Probenziehung von Lebensmittelorganen nicht zwingend eine Gegenprobe zurückzulassen ist“. Diese Auffassung ist in dieser Allgemeinheit jedoch verfehlt, weil sie den bloßen Ausnahmecharakter der Bestimmung - im Verhältnis zur allgemeinen Regel des Abs. 2 leg. cit. - verkennt.

19       Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass bereits im Fall eines (unzulässigen) Nichtzurücklassens einer Gegenprobe das Recht des Revisionswerbers auf Einholung eines Gegengutachtens nach Maßgabe der Rechtsprechung des EuGH verletzt wird (vgl. das von der Revision zitierte Urteil Steffensen, Rn 50, 78).

Ad b):

20       Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes räumt dem Beschuldigten ein Recht darauf ein, dass im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z 2 VStG aufscheint. Gleiches gilt für die Anführung der Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG. Darunter ist jene Verwaltungsvorschrift zu verstehen, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist (vgl. etwa VwGH 18.1.2019, Ra 2018/17/0208, und 1.9.2020, Ra 2019/02/0153, jeweils mwN).

21       Mit der Verordnung (EG) Nr. 889/2008 der Kommission vom 5. September 2008 wurden „Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates [vom 28. Juni 2007] über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen hinsichtlich der ökologischen/biologischen Produktion, Kennzeichnung und Kontrolle“ erlassen (vgl. auch Pkt. 1 der Erwägungsgründe). Art. 5 Abs. 1 der Verordnung („Schädlings-, Krankheits- und Unkrautregulierung“) sieht vor, dass für die ökologische/biologische Produktion nur die in Anhang II dieser Verordnung genannten Mittel verwendet werden dürfen, soweit Pflanzen durch Maßnahmen gemäß Art. 12 Abs. 1 Buchstaben a, b, c und g der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 nicht angemessen vor Schädlingen und Krankheiten geschützt werden können.

22       Im erwähnten Anhang II („Pestizide - Pflanzenschutzmittel gemäß Artikel 5 Absatz 1“) ist das in Rede stehende Pflanzenschutzmittel Glyphosat nicht angeführt.

23       Das dem Revisionswerber vorgeworfene Zuwiderhandeln - worin auch immer dieses nach Auffassung des Verwaltungsgerichts bestanden haben mag - gegen Art. 5 iVm Anhang II der VO (EG) Nr. 889/2008 kann aber schon deshalb den Verwaltungsstraftatbestand des § 90 Abs. 1 Z 3 LMSVG nicht erfüllen, weil die genannte Verordnung in der Anlage des LMSVG nicht enthalten ist (was im Übrigen auch für die erwähnte Verordnung [EG] Nr. 834/2007 gilt). Der Revisionswerber wurde demnach auch durch Heranziehung einer falschen Strafnorm in seinen Rechten verletzt (vgl. im vorliegenden Zusammenhang die Verwaltungsstrafbestimmung des § 18 Abs. 1 Z 2 lit. c) EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetz, BGBl. I Nr. 2015 idF BGBl. I Nr. 78/2017 - EU-QuaDG).

Ergebnis:

24       Ausgehend von der Rechtswidrigkeit der Bestrafung des Revisionswerbers wegen des Vorwurfs des unzulässigen Inverkehrbringens des genannten Produkts aufgrund der Verletzung des Rechts auf Einholung eines Gegengutachtens ist im vorliegenden Fall auch der - daran anknüpfenden - Bestrafung wegen irreführender Informationen nach Maßgabe des Art. 7 LMIVO der Boden entzogen. Schließlich erweist sich auch der Ausspruch betreffend die Verpflichtung des Revisionswerbers zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens als rechtswidrig (§ 52 Abs. 1 VwGVG).

25       Das angefochtene Erkenntnis war daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

26       Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 5. November 2020

Gerichtsentscheidung

EuGH 62001CJ0276 Steffensen VORAB

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2 Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2 Strafnorm Berufungsbescheid Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019100001.L00

Im RIS seit

22.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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