TE Vwgh Beschluss 2020/11/6 Ra 2020/18/0396

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Veröffentlicht am 06.11.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des H A, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jordangasse 7/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. August 2020, W216 2168829-1/20E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volksgruppenzugehörigkeit aus der Provinz Parwan, stellte am 8. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er damit, von Mitgliedern der Taliban der Zusammenarbeit mit der Regierung beschuldigt und mit dem Tode bedroht worden zu sein. Außerdem drohe ihm nach einer Rückkehr die Ermordung durch die Einwohner seines Dorfes aufgrund seines Aufenthaltes in Europa.

2        Mit Bescheid vom 28. Juli 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.

4        Begründend hielt das BVwG zusammengefasst fest, der Revisionswerber habe jedenfalls nicht glaubhaft gemacht, dass die allenfalls in der Herkunftsregion drohende Verfolgung durch die Taliban auch in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif aktuell gegeben wäre, da der Revisionswerber mit den Taliban noch nie selbst Kontakt gehabt habe und sie nicht von der Rückkehr des Revisionswerbers erfahren würden. Es sei nicht hervorgekommen, dass der Revisionswerber von derart großem Interesse für die Taliban sei, dass sie eine ressourcenaufwändige landesweite Suche nach ihm veranstalten würden. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber aufgrund der Tatsache, dass er sich seit dem Jahr 2015 in Europa aufhalte, einer Verfolgung in Afghanistan ausgesetzt wäre. Zur Nichtgewährung subsidiären Schutzes erwog das BVwG, dass der Revisionswerber aufgrund der volatilen Sicherheitslage nicht die Möglichkeit habe, in seine Herkunftsprovinz Parwan zurückzukehren. Allerdings stehe ihm mit näherer Begründung die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif zur Verfügung.

5        Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit beanstandet wird, dass zur Beurteilung der Authentizität des vorgelegten Drohbriefes der Taliban entgegen dem Antrag in der Beschwerde kein Sachverständigengutachten eingeholt worden sei. Weiters habe sich das BVwG nur unzureichend mit der drohenden Verfolgung aufgrund der „westlichen Einstellung“ des Revisionswerbers auseinandergesetzt, einen näher genannten Bericht zu den Erfahrungen abgeschobener Afghanen nicht berücksichtigt und diesbezüglich daher nicht ausreichend ermittelt.

6        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Soweit sich die Revision dagegen wendet, dass das BVwG entgegen dem Beweisantrag in der Beschwerde kein Sachverständigengutachten zur Beurteilung der Authentizität des vorgelegten Drohbriefes der Taliban eingeholt habe, ist zu entgegnen, dass das BVwG die Nichtgewährung von Asyl nicht (nur) auf die mangelnde Glaubhaftmachung einer im Wege dieses Briefes erfolgten Bedrohung, sondern (auch) darauf stützte, es sei jedenfalls nicht hervorgekommen, dass der Revisionswerber derart exponiert und damit von anhaltendem Interesse für die Taliban sei, dass diese eine ressourcenaufwändige landesweite Suche nach ihm durchführen würden. Dafür spreche auch, dass der Revisionswerber nicht dargelegt habe, dass seine Familie in der Heimatprovinz nach seiner Ausreise weiter bedroht worden sei. Daher könne er etwa in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat Zuflucht finden. Diesen auf die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative hinauslaufenden Erwägungen des BVwG hält die vorliegende Revision nichts Stichhaltiges entgegen, sodass die Revision nicht von der Frage abhängt, ob das BVwG zu Recht keinen Sachverständigenbeweis zur Authentizität des Drohbriefes erhoben hat.

11       Dem Revisionsvorbringen, das BVwG habe sich nur unzureichend mit der Verfolgung auseinandergesetzt, die dem Revisionswerber als Rückkehrer aus Europa drohe, weil er als verwestlicht wahrgenommen werden würde, ist entgegenzuhalten, dass sich das BVwG damit insoweit beschäftigt hat, als es Feststellungen betreffend die zu erwartende Rückkehrsituation auf Grundlage aktueller Länderberichte getroffen und erwogen hat, es könne nicht erkannt werden, dass in Afghanistan eine generelle Verfolgung von Personen, die sich einige Zeit in Europa aufgehalten hätten, gegeben wäre. Wenn die Revision vermeint, schon aus den Länderfeststellungen im Erkenntnis ergebe sich Gegenteiliges, ist ihr zu entgegnen, dass nach diesen Feststellungen Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland zwar misstrauisch wahrgenommen und von religiösen Extremisten bezichtigt würden, verwestlicht zu sein. Dass Rückkehrer aus Europa aber Verfolgung erfahren würden, dokumentieren die im Erkenntnis verwerteten Länderberichte nicht. Soweit die Revision dem BVwG in diesem Zusammenhang vorwirft, eine näher genannte Studie aus dem Jahr 2019 zum Verbleib und zu den Erfahrungen abgeschobener afghanischer Staatsangehöriger nicht berücksichtigt zu haben, ist darauf hinzuweisen, dass der Revisionswerber diese Studie weder im verwaltungsbehördlichen, noch im gerichtlichen Verfahren vorgelegt hat. Auch wurde in der Beschwerde - entgegen dem Revisionsvorbringen - kein Vorbringen dahingehend erstattet, dass nach einem näher bezeichneten Bericht von Friederike Stahlmann aus dem Jahr 2017 Rückkehrer wegen Verwestlichung Verfolgung erfahren würden. Dass dem BVwG bei der Feststellung der Situation von Rückkehrern ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Fehler in der Beweiswürdigung (zum diesbezüglichen Maßstab für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vgl. etwa VwGH 21.2.2020, Ra 2020/18/0055, mwN) oder ein aufzugreifender Verstoß gegen die amtswegige Ermittlungspflicht (vgl. etwa VwGH 10.8.2020, Ra 2020/18/0158) unterlaufen wäre, tut die Revision nicht dar.

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. November 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180396.L00

Im RIS seit

04.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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