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41/02 StaatsbürgerschaftNorm
ASVG §293Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision des D K in W, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer Rechtsanwälte in 1010 Wien, Falkestrasse 6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 4. September 2019, Zl. VGW-152/071/15761/2018-5, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. September 2019 wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) in der Sache den Antrag des (minderjährigen) Revisionswerbers, eines armenischen Staatsangehörigen, vom 23. Februar 2018 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 iVm § 10 Abs. 5 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab.
2 Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, der 2013 geborene, seit seiner Geburt ununterbrochen und rechtmäßig im gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern in Österreich lebende Revisionswerber verfüge über kein eigenes Einkommen. Das Gesamteinkommen seiner Eltern aus ihrer unselbständigen und selbständigen Erwerbstätigkeit einschließlich bezogener Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld abzüglich näher dargelegter regelmäßiger Belastungen im näher bestimmten Berechnungszeitraum unterschreite die hier maßgeblichen Richtsätze gemäß § 293 ASVG für ein Ehepaar und ein Kind.
3 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, es entspreche § 10 Abs. 5 StbG bei einem gemeinsamen Haushalt unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen zu prüfen, ob das Haushaltseinkommen den „Haushaltsrichtsatz“ nach § 293 Abs. 1 ASVG erreiche. Im Fall von minderjährigen und gegenüber ihren Eltern unterhaltsberechtigten Verleihungswerbern ohne eigenes Einkommen sei für die Beurteilung des auch für Minderjährige geltenden Erfordernisses des gesicherten Lebensunterhaltes jener der unterhaltspflichtigen Eltern als Haushaltseinkommen heranzuziehen.
Da die durchschnittlichen Nettoeinkünfte der Eltern die Richtsätze gemäß § 293 unterschreiten würden, sei der Lebensunterhalt des Revisionswerbers gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 StbG nicht hinreichend gesichert.
Hinweise darauf, dass die Eltern des Revisionswerbers den Lebensunterhalt, aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen, dauerhaft nicht oder nicht in ausreichendem Maße sichern könnten, hätten sich nicht ergeben. Der nicht gesicherte Lebensunterhalt beruhe weder auf einer Behinderung noch auf einer dauerhaften schwerwiegenden Krankheit der Eltern oder des Revisionswerbers.
Die Abweisung des Antrags auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft erweise sich daher als rechtmäßig.
4 Die Nichtzulassung begründete das Verwaltungsgericht pauschal mit dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG.
5 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 3890/2019-5, die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde mit nachstehend auszugsweise wiedergegebenen Begründung ab:
„Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die österreichische Staatsbürgerschaft nur jenen Fremden zu verleihen, die ihren Lebensunterhalt in Österreich durch entsprechendes Einkommen oder durch gleichzusetzende Leistungen ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaft hinreichend gesichert haben (zB VfSlg. 19.516/2011), sofern er Vorsorge dafür trifft, dass besondere Ausnahmesituationen unverschuldeter Notlagen berücksichtigt werden können (VfSlg. 19.732/2013). Dass diese Regelung auch auf minderjährige Verleihungswerber ohne eigenes Einkommen anzuwenden und bei der Einkommensberechnung auf das Haushaltseinkommen der unterhaltspflichtigen Eltern abzustellen ist, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (siehe auch VwGH 3.9.2018, Ro 2017/01/0004, mwN). Es liegt aus dem Blickwinkel des vorliegenden Falles auch keine unsachliche Differenzierung gegenüber jenen Fällen vor, in denen vom Erfordernis des hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes gemäß § 12 Abs. 2 StbG dann abgesehen wird, wenn der Vater des Verleihungswerbers zum Zeitpunkt der Geburt österreichischer Staatsbürger ist, steht dieser Verleihungstatbestand doch den Abstammungstatbeständen des § 7 StbG nahe (vgl. Erläut. Zur RV 2303 BlgNR 24. GP, 11). Nichts anderes ergibt sich mit Blick auf den Verleihungstatbestand des § 11b StbG (VfSlg. 18.465/2008) bzw. das Absehen vom Nachweis der Erfüllung des § 10 Abs. 1 Z 7 StbG im Verleihungszeitpunkt durch § 20 Abs. 2 (VfSlg. 19.516/2011).“
und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
6 Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision begründet ihre Zulässigkeit zusammengefasst mit fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 7 zweiter Fall StbG bei einem unmündig minderjährigen Verleihungswerber bereits von sich aus als erfüllt anzusehen sei, ohne dass es darauf ankomme, dass sein Lebensunterhalt durch seine Eltern hinreichend gesichert sei, weil ein unmündig Minderjähriger die mangelnde Sicherung seines Lebensunterhalts nicht zu vertreten habe und ein fehlendes ausreichendes Haushaltseinkommen der Eltern dem Verleihungswerber nicht zugerechnet werden könne bzw. dürfe. Das Verwaltungsgericht habe diese für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Revisionswerber wesentliche grundsätzliche Rechtsfrage unrichtig gelöst.
11 Gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 StbG, BGBl. Nr. 311/1985 idF BGBl. I Nr. 136/2013, darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder der Fremde seinen Lebensunterhalt aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen dauerhaft nicht oder nicht in ausreichendem Maße sichern kann.
12 Gemäß § 10 Abs. 1b StbG hat der Fremde seinen nicht gesicherten Lebensunterhalt insbesondere dann nicht zu vertreten, wenn dieser auf einer Behinderung oder auf einer dauerhaften schwerwiegenden Krankheit beruht, wobei dies durch ein ärztliches Gutachten nachzuweisen ist.
13 Die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 7 StbG kommt (soweit gesetzlich vorgesehen) auch bei minderjährigen Verleihungswerbern zur Anwendung (vgl. idS VwGH 3.9.2018, Ro 2017/01/0004, Rn. 16, mwN).
14 Nach der bereits zu § 10 Abs. 1b StbG ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Staatsbürgerschaftsbehörde ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. Fasching, Staatsbürgerschaftsrecht im Wandel (2014), 13, FN 46). Durch die demonstrative Aufzählung in § 10 Abs. 1b StbG wird klargestellt, wann solche Gründe iSd § 10 Abs. 1 Z 7 zweiter Fall StbG vorliegen, die der Fremde nicht zu vertreten hat. Entscheidend ist dabei, dass der Gesetzgeber eine spezifische Ausnahmeregelung für besonders berücksichtigungswürdige Situationen schaffen wollte. Sowohl der Grund als auch die Nachweisbarkeit des Grundes müssen der in § 10 Abs. 1b StbG angeführten Behinderung oder dauerhaft schwerwiegenden Krankheit in ihrer Bedeutung vergleichbar sein. Für diese Tatbestände hält der Gesetzgeber fest, dass nur Personen, die aufgrund ihres Behinderungsgrades oder Krankheitsbildes tatsächlich nicht oder nur eingeschränkt am Erwerbsleben teilnehmen können, in den Anwendungsbereich dieser Ausnahmebestimmung gelangen (vgl. VwGH 11.10.2016, Ra 2016/01/0169; 15.11.2016, Ra 2016/01/0034; 19.8.2019, Ra 2019/01/0240, Rn. 20, und 8.6.2020, Ra 2020/01/0055, Rn. 19, mwN, unter anderem auf die Erläuterungen zu dieser Bestimmung in RV 2303 BlgNR 24. GP, 7).
15 Der Umstand, dass der Revisionswerber als unmündig Minderjähriger weder faktisch noch rechtlich wie eine volljährige Person am Erwerbsleben teilnehmen kann, stellt keine besonders berücksichtigungswürdige Situation dar, welche in ihrer Bedeutung sowohl dem Grunde als auch der Nachweisbarkeit nach den Tatbeständen des § 10 Abs. 1b StbG (einer mangelnden Erwerbsfähigkeit auf Grund einer durch ein ärztliches Gutachten nachzuweisenden Behinderung oder dauerhaften schwerwiegenden Krankheit) vergleichbar ist (vgl. zum Fehlen diesbezüglicher verfassungsrechtlicher Bedenken VfGH 8.6.2020, E 3890/2019-5).
16 Vielmehr ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 iVm § 10 Abs. 5 StbG im Fall von minderjährigen und gegenüber ihren Eltern unterhaltsberechtigten Verleihungswerbern ohne eigenes Einkommen für die Beurteilung des auch für Minderjährige geltenden Erfordernisses des gesicherten Lebensunterhaltes jener der unterhaltspflichtigen Eltern als Haushaltseinkommen heranzuziehen (vgl. VwGH 28.10.2009, 2007/01/0944, mwN; 21.1.2010, 2007/01/1136 sowie 3.9.2018, Ro 2017/01/0004, Rn. 16). Bei einem gemeinsamen Haushalt hat das Haushaltseinkommen der unterhaltspflichtigen Eltern unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen entsprechend § 10 Abs. 5 StbG, wonach die Höhe der nachzuweisenden Einkünfte an die Richtsätze des § 293 ASVG anknüpft, den „Haushaltsrichtsatz“ nach § 293 ASVG zu erreichen (vgl. VwGH 3.9.2018, Ro 2017/01/0004, Rn. 15, mwN).
17 Der Revisionswerber hat es zwar nicht zu vertreten, dass vorliegend das Haushaltseinkommen seiner Eltern im maßgeblichen Berechnungszeitraum nach § 10 Abs. 5 StbG, wie vom Verwaltungsgericht festgestellt, nicht den - hier für ein im gemeinsamen Haushalt lebendes Ehepaar samt Kind maßgeblichen - „Haushaltsrichtsatz“ nach § 293 Abs. 1 ASVG erreicht. Dennoch stellt auch dieser Umstand keinen mit einer Behinderung oder einer dauerhaften schwerwiegenden Krankheit gemäß § 10 Abs. 1b StbG vergleichbaren Grund dar.
18 Demnach gründet sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es lägen vorliegend keine gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 1b StbG vom Revisionswerber nicht zu vertretenden Gründe für die mangelnde Sicherung seines Lebensunterhalts vor, auf der dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
20 Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 9. November 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010372.L00Im RIS seit
18.01.2021Zuletzt aktualisiert am
18.01.2021