TE Vwgh Beschluss 2020/11/11 Ra 2020/14/0149

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Veröffentlicht am 11.11.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und den Hofrat Mag. Eder sowie die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des X Y in Z, vertreten durch Mag. Dr. Robert Bachner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 2020, I422 2173651-1/18E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 15. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er damit, dass sein Vater ihn dazu habe zwingen wollen, für eine näher genannte schiitische Miliz gegen eine näher genannte Terrororganisation zu kämpfen. Im Zuge einer späteren Einvernahme gab er als seinen Fluchtgrund an, dass er bei einem Streit wegen seiner Eingliederung in diese Miliz seinen Onkel, ein führendes Mitglied der Miliz, gestoßen habe, und nun von der Miliz gesucht werde.

2        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 23. September 2017 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis - nach Durchführung einer Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu treffen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, die Beweiswürdigung des BVwG sei unvertretbar, bestehe nur aus Stehsätzen und genüge den Ansprüchen an eine Begründung nicht. Zudem fehle Rechtsprechung zu den Vorgaben des Unionsrechts in Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie).

8        Soweit der Revisionswerber das Fehlen von Rechtsprechung zu Art. 4 Abs. 5 Statusrichtlinie geltend macht, ist er auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. März 2020, Ra 2019/01/0472, hinzuweisen. Es ist nicht zu sehen, dass die darin zum Ausdruck kommenden Leitlinien verletzt worden wären.

9        Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 15.1.2019, Ra 2018/14/0442, mwN).

10       Eine solche Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung zeigt die Revision mit ihrem Vorbringen nicht auf. Das BVwG hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Vorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt und ist in einer nicht als unschlüssig zu bezeichnenden Beweiswürdigung zum Ergebnis gekommen, der Revisionswerber habe eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen können.

11       Soweit die Revision geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht habe sich im Rahmen seiner Beurteilung, ob dem Revisionswerber bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art. 3 EMRK drohe, unzureichend mit den Länderberichten und den Richtlinien des UNHCR auseinandergesetzt und habe keine innerstaatliche Fluchtalternative geprüft, behauptet sie das Vorliegen von Verfahrensmängel. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung dieser Verfahrensmängel in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung der Verfahrensfehler als erwiesen ergeben (vgl. VwGH 18.5.2020, Ra 2020/20/0062, mwN). Eine solche Relevanzdarlegung ist der Zulässigkeitsbegründung jedoch nicht zu entnehmen.

12       Schließlich wendet sich die Revision gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und verweist auf die „außergewöhnliche Integration“ des Revisionswerbers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 10.7.2019, Ra 2019/14/0288, mwN). Dass das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Fall die Interessenabwägung, in deren Rahmen auch die Beziehung des Revisionswerbers mit einer österreichischen Staatsbürgerin sowie seine Kenntnisse der deutschen Sprache, das gemeinnützige Engagement, das erfolgreiche Studium des Revisionswerbers an der Wirtschaftsuniversität hinreichend berücksichtigt wurden, unvertretbar vorgenommen hätte, legt die Revision nicht dar (vgl. dazu auch VwGH 30.7.2020, Ra 2020/20/0130, mwN).

13       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 11. November 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140149.L01

Im RIS seit

09.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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