TE OGH 2020/10/20 1Ob174/20z

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Veröffentlicht am 20.10.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D* GmbH, *, vertreten durch Dr. Siegfried Zachhuber, LL.M., Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei F*, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer, LL.M., PLL.M., Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 23.477,78 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 14. Mai 2020, GZ 3 R 35/20t-75, mit dem das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 3. Jänner 2020, GZ 32 Cg 1/18z-71, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.568,52 EUR (darin 261,42 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde vom Beklagten mit der Herstellung eines Brunnens zur Trink- und Nutzwasserversorgung seiner Landwirtschaft beauftragt. Das vom Beklagten angenommene Angebot der Klägerin sah eine Bohrung bis in eine Tiefe von 120 m sowie die Verwendung von Rohren mit einem Innendurchmesser (Nennweite) von 125 mm vor. Nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung sollte ein Drittel des Werklohns bei Auftragserteilung, ein weiteres Drittel bei Montage- und Lieferbeginn und der Rest binnen acht Tagen nach Rechnungslegung bezahlt werden.

Nachdem die Bohrung bis 120 m nicht den erwarteten Wasserzufluss erbracht hatte, erfolgte in Absprache mit dem Beklagten eine Bohrung in eine Tiefe von 152 m, wodurch der Grundwasserspiegel erreicht wurde. Die Klägerin baute den Brunnen entgegen ihrem Angebot aber nicht mit Brunnenrohren mit einem Innendurchmesser von 125 mm aus, sondern verwendete Rohre mit einem solchen Außendurchmesser. Ob die Klägerin den Beklagten über die Verwendung anderer als der vereinbarten Rohre aufgeklärt hatte, konnte nicht festgestellt werden. Aufgrund deren geringerer Dimension konnte nicht die vereinbarte 4-Zoll-Pumpe, sondern nur eine 3-Zoll-Pumpe eingebaut werden, die einen mittleren Landwirtschaftsbetrieb wie jenen des Beklagten nur unter Verwendung eines ausreichend großen Zwischenspeichers versorgen könnte. Der Beklagte wurde auf diesen Umstand vor Einbau der Brunnenrohre nicht hingewiesen. Als er davon – als die Klägerin ihre Arbeiten noch nicht abgeschlossen hatte – Kenntnis erlangte, forderte er sie zum Einbau der dem Vertrag entsprechenden Rohre auf.

Die Klägerin unterbreitete dem Beklagten daraufhin verschiedene „Lösungsvorschläge“: einerseits den Einbau einer 3-Zoll-Pumpe mit einer höheren Fördermenge unter gleichzeitiger Verwendung von zwei „Windkesselanlagen“ zu je 500 Liter um ein zusätzliches Nettoentgelt von 13.290 EUR; andererseits den Einbau einer 3-Zoll-Pumpe unter gleichzeitiger Herstellung eines Zwischenspeichers um ein zusätzliches Nettoentgelt von 10.990 EUR; alternativ wurde die Errichtung des Brunnens entsprechend dem ursprünglichen Angebot unter Verwendung der dort vorgesehenen Rohrdimension sowie einer 4-Zoll-Pumpe um ein zusätzliches Nettoentgelt von 29.952 EUR angeboten. Alle drei „Lösungsvorschläge“ erfolgten unter der Voraussetzung, dass der Beklagte vor der Arbeitsaufnahme den gesamten ursprünglich vereinbarten Werklohn zahlt. Der Beklagte lehnte sämtliche Alternativen (mit den beiden ersten hätte auch die erforderliche Sandfreiheit des Brunnens nicht erreicht werden können) ab und forderte die Klägerin schriftlich auf, den Brunnen entsprechend ihrem ursprünglichen – vom Beklagten angenommenen – Angebot (also unter Verwendung der dort vorgesehenen Rohre mit einer Nennweite von 125 mm) Zug um Zug gegen Bezahlung der offenen Teilrechnungen fertigzustellen, „widrigenfalls er bereits mit diesem Schreiben seinen Vertragsrücktritt erkläre“. Rund ein Monat später „wiederholte“ der Beklagte seine Rücktrittserklärung. Die erste Teilrechnung hat der Kläger bezahlt, die zweite und dritte Teilrechnung zahlte er nicht.

Die Klägerin begehrt die Zahlung des Werklohns für die von ihr erbrachten Leistungen. Aufgrund der Bodenbeschaffenheit habe keine Alternative zu den verwendeten – geringer dimensionierten – Rohren bestanden. Da sich der Beklagte zumindest hinsichtlich der zweiten Teilzahlung im Verzug befunden habe, sei die Klägerin zu keiner Fertigstellung des Brunnens verpflichtet gewesen. Sie wäre zu dessen vertragsgemäßer Herstellung bereit gewesen, wenn der Beklagte seine Zahlungspflicht erfüllt hätte. Dessen Vertragsrücktritt sei aufgrund seines eigenen Zahlungsverzugs nicht zu Recht erfolgt.

Der Beklagte entgegnete, dass er wirksam vom Vertrag zurückgetreten sei, weil die Klägerin den Brunnen nicht der Vereinbarung entsprechend errichtet und er die vertragswidrige Ausführung zurückgewiesen habe. Da diese ihre vertragsgemäße Leistung verweigert habe, sei er zu keinen weiteren Zahlungen verpflichtet gewesen. Hilfsweise hielt er dem Klagebegehren eine diese übersteigende Gegenforderung entgegen, die er primär aus den für eine Ersatzvornahme aufgewendeten Kosten ableitete.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es ging – ausgehend vom dargestellten Sachverhalt – davon aus, dass die Klägerin den Vertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt habe, weil geringer dimensionierte Rohre und damit einhergehend eine andere als die vereinbarte Pumpe eingebaut wurden. Da der Beklagte das nicht der Vereinbarung entsprechende Werk nicht übernommen habe, habe sich die Klägerin im Verzug befunden. Der Beklagte sei daher – zumal die Klägerin die Erfüllung ihrer Vertragspflicht verweigert habe – wirksam vom Vertrag zurückgetreten und somit nicht verpflichtet, den restlichen Werklohn zu zahlen.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Es ging rechtlich – ebenso wie das Erstgericht – davon aus, dass die Klageforderung deshalb nicht zu Recht bestehe, weil der Beklagte mangels Herstellung eines dem Vertrag entsprechenden Werks wirksam vom Vertrag zurückgetreten sei. Die Herstellung des geschuldeten Erfolgs, nämlich die Errichtung des Brunnens unter Verwendung von Brunnenrohren mit einem Innendurchmesser (einer Nennweite) von 125 mm, wäre entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht unmöglich gewesen, was sich schon daraus ergebe, dass sie diese Ausführungsvariante auch noch nach erfolgter Bohrung als „Lösungsvorschlag“ präsentiert habe. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin habe sich der Beklagte auch nicht im Zahlungsverzug befunden. Zwar habe ihn hinsichtlich der zweiten Teilzahlung eine vertragliche Vorleistungspflicht getroffen, auf diese habe die Klägerin aber konkludent verzichtet, weil sie ihre (auch nachträglich erweiterte) Leistung erbrachte, ohne die damit fällig gewordene zweite Teilzahlung einzufordern.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht nachträglich zu, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass ihm insoweit ein erheblicher Verfahrensfehler unterlaufen sei, als es ohne Erörterung mit den Parteien davon ausging, dass die Herstellung des Brunnens auch mit den größer dimensionierten Rohren möglich gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Verfahrensrüge fehlt es auch an der erforderlichen Darlegung der Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers. Darüber hinaus scheint die Klägerin die unrichtige Rechtsmeinung zu vertreten, es stünde ihr frei, ein abweichendes Werk herzustellen, wenn sich das vereinbarte als unmöglich erweist.

2. Die Klägerin stützt sich zwar auf den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit, zeigt in ihren dazu kaum verständlichen Ausführungen aber keinen Widerspruch zwischen den vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen und dem Inhalt eines bestimmten Aktenstücks auf (vgl RS0043397 [T2]), sodass auf diesen Rechtsmittelgrund nicht weiter einzugehen ist.

3.1. In ihrer Rechtsrüge wendet sich die Revisionswerberin nur dagegen, dass die Parteien hinsichtlich der zweiten Teilzahlung, die vereinbarungsgemäß „bei Montage- und Lieferbeginn“ zu leisten gewesen wäre, schlüssig von einer Vorleistungspflicht des Beklagten abgegangen seien.

3.2. Wenngleich die Frage, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt eine konkludente Willenserklärung angenommen werden kann, regelmäßig einzelfallbezogen zu beurteilen ist und daher typischerweise keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet (vgl RS0109021 [T5, T6]; vgl auch RS0014420 [T4, T16]; RS0014158 [T8]; RS0042555 [T18, T28]), scheint hier – bei Anlegung des gebotenen strengen Maßstabs (vgl RS0014420 [T1, T6, T18]; RS0014146 [T2, T5, T7, T11]) – fraglich, ob alleine daraus, dass die Klägerin mit ihren Arbeiten begann, ohne auf die Vorleistungspflicht des Beklagten hinzuweisen, auf einen konkludenten Verzicht der Klägerin auf diese Vorleistungspflicht geschlossen werden durfte. Letztlich muss diese Frage aber nicht abschließend beantwortet werden, weil sich schon aus nachfolgenden Erwägungen ergibt, dass der Beklagte zu Recht vom Vertrag mit der Klägerin zurücktrat.

3.3. Grundsätzlich steht das Recht auf Vertragsrücktritt nach § 918 ABGB mit der Wirkung der Vertragsaufhebung nur dem vertragstreuen Teil zu (RS0016326). Wer Erfüllung verlangt, muss selbst zur Erfüllung bereit sein (RS0016326 [T3]). Hier hat die Klägerin ihre Weigerung, ihre Leistung vertragsgemäß zu erbringen, aber gar nicht auf einen Zahlungsverzug des Beklagten gestützt (und insofern nicht von ihrem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht), sondern sich zu Unrecht darauf berufen, dass das von ihr erstellte – vom Beklagten nicht übernommene – Werk dem Vertrag entspreche. Sie verweigerte damit endgültig die vereinbarungsgemäße Erfüllung des Vertrags; dies unabhängig davon, ob der Beklagte die zweite Teilrechnung bezahlt hätte. Warum diesem in einem solchen Fall kein Recht zum Rücktritt vom Vertrag nach § 918 ABGB zustehen sollte, ist nicht ersichtlich. Die Behauptung der Revisionswerberin, sie habe ihr Werk nur deshalb nicht vertragsgemäß hergestellt, weil der Beklagte seiner Zahlungspflicht nicht nachgekommen sei, findet keine Deckung im Sachverhalt. Der Oberste Gerichtshof sprach bereits wiederholt aus, dass dem selbst in einer Leistungsstörung Verfangenen ein Rücktrittsrecht nach § 918 ABGB auch dann zusteht, wenn seine Interessen durch Nichterfüllung des anderen Vertragsteils so beeinträchtigt werden, dass ihm die Aufrechterhaltung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden kann (RS0016326 [T6]; 7 Ob 646/87). Auch hier wäre es aufgrund der endgültigen Weigerung der Klägerin, vertragsgemäß zu leisten, nicht sachgerecht, dem Beklagten das Rücktrittsrecht mit dem Hinweis auf seine Vorleistungspflicht vorzuenthalten, wäre es für ihn doch unzumutbar, seine eigene (Vor-)Leistung zu erbringen, obwohl sein Vertragspartner auch in diesem Fall nicht gewillt ist, seiner Leistungspflicht nachzukommen.

4. Da die Vorinstanzen somit im Ergebnis zutreffend von einem berechtigten Vertragsrücktritt des Beklagten ausgingen, ist der Revision kein Erfolg beschieden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E129947

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:E129947

Im RIS seit

03.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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